3. Worin besteht der „Lean“-Gedanke?

Die Übertragung von Ideen von ihrem Entstehungsort in neue Situationen werfen Fragen auf, vor denen auch die christlichen Kirchen bei der Auslegung der biblischen Texte, die im jüdischen Kontext entstanden sind, für griechische Gedankenwelten in den ersten Jahrhunderten nach Christus standen. Die Aufgabe, „Das Alte neu zu sagen“ wiederholte sich mit jeder gesellschaftlichen Veränderung. Besonders augenfällig wurde dies mit dem Beginn der Neuzeit, in der seit dem 16. Jahrhundert die Menge und revolutionäre Kraft naturwissenschaftlicher Entdeckungen zunahm. Wie kann die Schöpfungsgeschichte, die bis dahin vielfach „wortgetreu“ gedeutet wurde, vor dem Hintergrund eines heliozentrischen, kopernikanischen Weltbildes oder einer darwinistischen Evolutionstheorie interpretiert werden? In dieser Situation spalten sich bis heute dogmatische, verbalinspirierte oder fundamentalistische Strömungen, welche an einem „wortgetreuen“ Verständnis festhalten und skeptisch naturwissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüberstehen, von Strömungen, welche eine kontextuelle, historisch-kritische Auslegung der Bibel vorschlagen, welche heute Stand der Forschung und Lehre an den theologischen Fakultäten und gut integrierbar gegenüber allen neuen wissenschaftlichen Entdeckungen ist (vgl. Becker 2017).