Die Zahl der Geldautomaten im Land sinkt. Dennoch bleibt die Bargeldinfrastruktur stabil, zeigen Zahlen der Bundesbank. Cash-Angebote der Einzelhändler sichern Menschen vielerorts den Zugang. Diese wollen weiterhin frei entscheiden, wie sie bezahlen.
Die Deutschen wollen beim Bezahlen die freie Wahl zwischen digitalen Verfahren und Bargeld, zeigen Zahlen der Deutschen Bundesbank.
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Auch wenn das Bargeld bei den Deutschen nach wie vor der beliebteste Zahlungsweg ist, nimmt dessen Bedeutung im Alltag ab, wie die Studie Digital Finance 2024 des Digitalverbands Bitkom belegt. Rund 80 Prozent der rund 1.000 telefonisch befragten Personen ab 16 Jahren sagen, dass sie in den vergangenen Jahren immer seltener zu Scheinen und Münzen gegriffen haben. Knapp drei Viertel der Teilnehmenden geben an, Bargeld oft nur noch aus Sorge mitzunehmen, keine digitale Alternative vorzufinden.
Allerdings ist mit der schnell wachsenden Akzeptanz von digitalen Bezahlverfahren an der Kasse nicht der Anfang einer bargeldlosen Gesellschaft eingeläutet, schreibt Ingo Kiesel im Januar 2024 in der Zeitschrift "Bankmagazin". Verbraucher wollten je nach Situation, Lust und Laune das eine Mal digital und das nächste Mal bar zahlen. "Menschen möchten nicht in ein bestimmtes Bezahlsystem gedrängt werden, sondern vielmehr die Freiheit, wählen zu können", zitiert der Autor Helena Müller, Vice President Banking Europe bei Diebold Nixdorf.
Zahl der Geldautomaten sinkt stetig
Dennoch hat die Neigung zu digitalen Bezahlmethoden in den vergangenen Jahren zu einem anhaltenden Rückbau der Bargeldinfrastruktur geführt. Laut Deutscher Bundesbank gab es im Jahr 2002 noch rund 53.000 Bankstellen - gezählt werden alle Kreditinstitute einschließlich ihrer Zweigstellen. 2023 waren es noch knapp 21.000. Auch die Anzahl der Geldautomaten ist seit 2018 von rund 59.000 auf aktuell etwa 51.000 gesunken. Ausschlaggebende Faktoren sind unter anderem der Kostendruck im Bankensektor und die steigende Nutzung von Online-Banking.
Aber auch Sprengungen von Geldautomaten haben daran einen Anteil: Im Jahr 2023 verzeichnete das Bundeskriminalamt in Deutschland 461 versuchte und vollendete Fälle. Das ist zwar gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 7,1 Prozent (2022: 496 Fälle). Doch die bei diesen Delikten erbeutete Summe – 2023 waren es insgesamt 28,4 Millionen Euro -, hohe Kosten für die Absicherung von Automaten und deren Räume sowie die Gefahr für Menschen und angrenzende Gebäude aufgrund der hohen Gewaltbereitschaft der Täter führen nicht selten zum Aus für diesen Bargeldservice.
So finden es 15 Prozent der Teilnehmenden einer Bundesbank-Befragung aus dem Jahr 2023 "ziemlich schwierig" oder "sehr schwierig", zu einem Geldautomaten oder Bankschalter zu gelangen. Das sind doppelt so viele wie im Jahr 2021, als der Anteil bei nur sechs Prozent lag.
Bargeldinfrastruktur auf hohem Niveau
Dennoch befindet sich die Bargeldinfrastruktur der Bundesrepublik laut aktueller Zahlen der Notenbank nach wie vor auf einem hohen Niveau. Laut der jüngsten Datenauswertung der Währungshüter, die im Monatsbericht März nachzulesen ist, steht 80,7 Millionen Menschen aus rund 6.000 Gemeinden mindestens ein Geldautomat oder eine Bankfiliale für Barabhebungen zur Verfügung.
Allerdings dünnt in ländlichen Gebieten die fortschreitende Schließung von Bankfilialen die Bargeldinfrastruktur langsam aus. Etwa 3,6 Millionen Personen können sich nur jenseits ihres Wohnortes mit physischem Geld versorgen, hat die Auswertung der Bundesbank ergeben. Besonders betroffen sind knapp 5.000 Kleinstädte oder Dörfer, die ohne eine Filiale oder einen Geldautomaten auskommen müssen.
Einzelhandel füllt die Cash-Lücken
Die große Mehrheit (95,3 Prozent) der Bevölkerung findet dennoch im Umkreis von fünf Kilometern einen Geldautomaten oder Bankschalter. Dabei sind die Wege in urbanen Räumen erwartungsgemäß kürzer als in ländlichen Gebieten. Mit diesen Ergebnissen liegt Deutschland auf einem ähnlichen Niveau wie etwa Österreich oder die Schweiz.
Zudem bieten Einzelhändler im Wege von Cashback oder Cash-in-Shop an fast 31.300 Standorten deutschlandweit die Auszahlung von Barem an. Auch wenn dieser Service die durchschnittliche Entfernung zur nächstgelegenen Abhebestelle reduziert, bleibt die Kreditwirtschaft nach Meinung der Bundesbank vor allem im Hinblick auf die Qualität und Echtheit der Banknoten und Münzen unverzichtbar.
Automatenbetrieb oft kein Kerngeschäft mehr
Ob die Zukunft der Bargeldversorgung allerdings weiterhin darin besteht, dass Banken und Sparkassen ihr jeweils eigenes Geldautomatennetz betreiben, stellen Beobachter infrage. "Viele Institute sehen den Automatenbetrieb nicht mehr als Kerngeschäft an", erläutert Finanzexpertin Müller. Gegen kostengünstigere, gemeinsam betriebene Automatennetzwerke, wie sie sich etwa in Skandinavien etabliert haben, sprechen allerdings Bedenken vieler Kunden hinsichtlich des Datenschutzes.
Weitverbreitet sind Ängste, dass durch Kollaborationen auch der Wettbewerber Zugang zu den persönlichen Finanz- und Cash-Transaktionsdaten erhält und den Kontostand erfährt. Nur 27 Prozent der Befragten befürworten ein gemeinsames Geldautomatennetz mehrerer Banken. 38 Prozent würden bei gleichen Kosten auch Geldautomaten anderer Banken nutzen", erläutert Ingo Kiesel.
Freiheit bei der Zahlungsmittelwahl sichern
Es sei für die Finanzbranche entscheidend, die Barrierefreiheit von Bargeld auch in weniger gut versorgten Regionen sicherzustellen, so die Bundesbank. Dennoch sieht auch die Notenbank eine wachsende Notwendigkeit von Kooperationen mit dem Einzelhandel für eine intakte Bargeldinfrastruktur. Denn trotz der wachsenden Akzeptanz des digitalen Zahlungsverkehrs bleibe diese ein elementarer Bestandteil des Finanzsystems, um den Zugang zu einer freien Wahl von Zahlungsmitteln zu sichern.
Mit der Zukunft von Scheinen und Münzen beschäftigt sich auch das auf Initiative der Bundesbank 2024 gegründete Nationale Bargeldforum. Hier diskutieren die Verbände der Kreditwirtschaft, des Einzelhandels, des Verbraucherschutzes, der Geld- und Wertdienstleistungsbranche und der Automatenbetreiber über Maßnahmen zur Sicherstellung dieser Zahlungsform. Das Gremium hat sich unter anderem Anfang März mehrheitlich dafür ausgesprochen, bei Barzahlungen in Deutschland auf die nächsten fünf Eurocent auf- oder abzurunden und beim Bundesfinanzministerium eine gesetzliche Rundungsregelung angeregt.