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24.01.2020 | Zahlungsverkehr | Interview | Online-Artikel

"Banken müssen sich vom Zahlungsverkehr verabschieden"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Dr. Daniel Fasnacht

ist CEO und Gründer der EcosystemPartners AG und Berater beim Business Engineerings Institute St. Gallen.

Die Digitalisierung und neue Wettbewerber haben den Zahlungsverkehr umgekrempelt. Auch ihr Einfluss auf andere Finanzbereiche steigt. Warum den Traditionshäusern Open-Innovation-Konzepte und agile Strukturen helfen können, erklärt Transformationsexperte Daniel Fasnacht.

springerprofessional.de: Sie sagen, Finanzdienstleistungen werden digitaler, mobiler und globaler. Was bedeutet diese Entwicklung für das Verhältnis von Banken zu ihren Kunden in den kommenden fünf oder zehn Jahren?

Daniel Fasnacht: Die digitale Selbstbedienung verändert die Kundeninteraktion komplett. Mit dem Internet haben wir Transparenz über Produkte und Leistungen. Zudem können wir mit unserem Smartphone alles sofort und überall auf der Welt tun. Kunden müssen dort abgeholt werden wo sie sich gerade befinden, Kommunikationskanäle miteingeschlossen. Entsprechend wird es immer wichtiger, Informationen über die aktuelle Lebenssituation des Kunden und sein Verhalten zu kennen und so einzusetzen, dass daraus Kundenmehrwert generiert werden kann.

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Vor allem im Zahlungsverkehr hat sich bereits viel getan. Fintechs und die großen US-Tech-Konzerne sind hier sehr kreativ. Wie können traditionelle Geldhäuser in diesem Bereich Marktanteile halten oder gar zurückgewinnen?

Der Zahlungsverkehr ist bereits in der letzten Phase der Transformation. Sieben der zehn wertvollsten Unternehmen der Welt haben Plattform-Geschäftsmodelle mit eigenen Zahlungssystemen. Banken können bei den hohen Benutzerzahlen von Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft, Alibaba und Tencent nicht mehr mithalten und müssen sich von diesem, einst lukrativen Geschäft, verabschieden. Im traditionellen Zahlungsverkehr kann kaum noch Geld verdient werden. Anstatt hier Marktanteile zu halten, sollten Banken nach neuen Geschäftsmodellen Ausschau halten.

Nun kommen gerade im Finanzbereich viele Einflüsse aus Asien. Insbesondere chinesische Verbraucher wickeln fast ihre gesamten finanziellen Transaktionen per Smartphone und über entsprechende Apps ab. Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Vertraulichkeit bestehen offenbar nicht – in Europa kaum denkbar. Brauchen hiesige Geldhäuser also die asiatische Konkurrenz nicht zu fürchten?

Alle Banken müssen Konkurrenten aus anderen Branchen und Regionen ernst nehmen. Chinesische Konzerne sind uns digital überlegen und stellen Daten bereits seit zehn Jahren ins Zentrum ihrer Geschäftsaktivitäten. Chinesen haben sich daran gewöhnt ihren Lebensalltag mit sogenannten Super-Apps zu bewerkstelligen. Deshalb beinhalten viele meiner Publikationen chinesische Fallbeispiele. Chinas laxe Regulierung und der mangelnde Schutz der Privatsphäre bringt Wettbewerbsvorteile. Ich denke Datenschutz ist aber auch eine Generationenfrage. Die Generation Y und Z haben ein anderes Verständnis und geben ihre Daten dann preis, wenn daraus Vorteile für sie entstehen.

In Zeiten negativer Zinsen schauen Verbraucher zunehmend auf eine gute Vermögensberatung. Vermögende Kunden werden aber häufig erst wahrgenommen, wenn sie bereits mitten im Leben stehen. Wie kann man Kunden in jungen Jahren für sich gewinnen?

Die Forschung geht davon aus, dass die Digitalisierung die Markenbildung- und Führung verändert. Auch wenn in Zukunft Produkte und Dienstleistungen weniger aufgrund der Marke beurteilt und gekauft werden, können Kunden emotional mit dessen Werten angesprochen werden. Die Kundenreise beginnt mit frühen Erlebnissen. Wenn Interaktionen stets positiv wahrgenommen werden unterstützt dies die Kundenbindung. Es geht also darum, Kunden bereits als Kinder wahrzunehmen, zu begeistern und ihnen während des gesamten Lebenszyklus maßgeschneiderte Lösungen anzubieten.

Wo und wann sollten die Institute Ihrer Meinung nach ansetzen?

Eindimensionale Strategien, starre Prozesse und rigide Systeme verhindern verschiedene sich permanent verändernde Segmente zu bedienen. Generell braucht es agile Strukturen und Resilienz, die systemische Widerstandsfähigkeit gegenüber Veränderungen. Wenn wir uns zu sehr auf das heutige Umfeld einschießen und exklusiv auf bestehende Kunden fokussieren, verpassen wir den nächsten Megatrend. Wird ein Kundensegment vernachlässigt und durch stark wachsende Innovationen besser bedient als durch traditionelle Prozesse, sprechen wir von Disruption. Kunden ändern ihr Verhalten schnell, Vermögensverwalter müssen darauf vorbereitet sein.  

Wie weit haben digitale Tools die Vermögensberatung, aber auch andere Finanzbereiche bereits verändert?  

Es gibt viele Technologien mit disruptivem Charakter. Während sich die Hoffnungen in Robo Advisory relativiert haben, steckt Blockchain Asset Management noch in den Kinderschuhen. Grosses Potential sehe ich in Bereichen der Künstlichen Intelligenz. Dabei können nicht nur Effizienzgewinne erzielt, sondern auch spezifische Kundenbedürfnisse befriedigt werden. Mit Predictive Analytics können basierend auf historischen Daten und mit Hilfe von maschinellem Lernen Vorhersagen auf zukünftige, teilweise noch nichtexistierende Bedürfnisse, gemacht werden. Solche, sowie viele andere technologische Innovationen führen zu immer komplexeren Systemen mit neuen Eigenschaften und Phänomenen, die unser Leben kontinuierlich verändern.

Wo liegen die Grenzen?

Neben naturwissenschaftlichen Grenzen wird wohl der Zeitpunkt der technologischen Singularität - der Zeitpunkt wo künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz übertrifft – ein Meilenstein. 

Banken setzen zunehmend auf Kooperationen und Vernetzung als wichtige Säule ihrer Strategien. Liegen die zukunftsfähigen Geschäftsmodelle der Banken ausschließlich auf der Plattform?

In Zukunft geht es darum, neben Finanzdienstleistungen auch andere Bedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Die digitale Plattform ermöglicht den Zugang zu integrierten Dienstleistungen und regelt den Austausch von Ressourcen und Leistungen verschiedener Akteure. Basierend auf dem Open-Innovation-Konzept, kann damit die vertikale Integration aufgelöst und Wertschöpfung über branchenübergreifende Ecosysteme erbracht werden. Finanzdienstleister benötigen dringend neue Kompetenzen, um Daten zu monetarisieren und Geschäftsmodelle für deren gemeinschaftliche Wertschöpfung zu entwickeln.  

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