03.01.2018 | Aufsätze | Ausgabe 4/2018

Zero-Rating-Praktiken von Internetzugangsanbietern
Einflussfaktoren der (Nicht‑)Notwendigkeit von Regulierereingriffen
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Zusammenfassung
Unter Zero-Rating-Angeboten (ZRA) versteht man Tarifvarianten von Anbietern von Internetzugangsdiensten über Fest- oder Mobilfunknetze, bei denen der durch die Nutzung bestimmter (Online‑)Anwendungen erzeugte Internetverkehr nicht auf das Datenvolumen angerechnet wird, das Kunden über ihren monatlichen Grundpreis oder direkt mengenabhängige Preise bezahlen. Befürworter von ZRA stufen sie als verbraucher- und wettbewerbspolitisch unbedenklichen Ansatz zur Preisdifferenzierung ein, dessen Ausgestaltung Marktkräften überlassen werden sollte. Kritiker von ZRA sehen sie als subtile, aber schwerwiegende Verletzung von Prinzipien der Netzneutralität. Opponenten fordern deshalb ihr Verbot durch Gesetz oder durch für den Telekommunikationssektor zuständige nationale Regulierungsbehörden. Weltweit und insbesondere in der EU stellen sich die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen für ZRA derzeit so dar, dass Regulierer von Fall zu Fall zu analysieren haben, ob sie ein konkretes ZRA mit Auflagen versehen, weil es den Interessen von Endnutzern oder Anwendungsanbietern zuwider läuft oder die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zwischen Anwendungs- und Internetzugangsdiensteanbietern beeinträchtigt. Damit ist zu klären, welche ZRA-Fallmerkmale in solche Prüfungen einbezogen werden sollen und welche Merkmalsausprägungen gegen bzw. für Regulierereingriffe in ZRA sprechen. Der vorliegende Beitrag arbeitet neun ZRA-Gestaltungsmerkmale, drei Merkmale von mit ZRA adressierten Kundengruppen und drei strukturelle Merkmale von Märkten für Internetzugangsdienste und -anwendungen heraus, denen bei Entscheidungen bezüglich der (Nicht‑)Notwendigkeit staatlicher Regulierung von ZRA hohe Relevanz beizumessen ist. Die Untersuchung zeigt, dass in vielen Situationen den Interessen von Endkunden und Anwendungsanbietern sowie dem Ziel der Wettbewerbsstärkung eher Rechnung getragen wird, wenn Regulierungsbehörden ZRA tolerieren und sie nach ihrer Markteinführung im Hinblick auf unerwünschte Effekte überwachen. Außerdem verdeutlich sie, dass empirische Studien zu Kundenreaktionen auf ZRA dringend erforderlich sind.