Die Finanzaufsicht Bafin hat den Zertifikatemarkt unter die Lupe genommen. Zwar zeigen die Ergebnisse keine systemischen Mängel bei der Anlageberatung. Doch die Behörde sieht durchaus Verbesserungspotenzial bei Banken und Sparkassen.
Die Bafin fordert eine prominentere und transparentere Anlageberatung bei Zertifikaten.
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Die Finanzaufsicht Bafin hat im vergangenen Jahr zwei umfassende Studien zu Zertifikaten mit Blick auf den Verbraucherschutz durchgeführt. Eine Analyse befasste sich mit dem Vertrieb von Zins- und Express-Zertifikaten, die andere mit dem Handel von Turbo-Zertifikaten. "Wenn man die Ergebnisse zusammenfassen möchte: Viel Licht, aber auch viel Schatten", fasst Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch zusammen. Zwar stellte die Aufsicht im Vertrieb von Anlage-Zertifikaten keine systematischen Missstände fest, fand aber dennoch an vielen Stellen Optimierungspotenzial.
Kunden nicht zum Kauf gedrängt
Die gute Nachricht: Die Untersuchung der Zins- und Express-Zertifikate hat ergeben, dass Banken und Sparkassen ihre Kunden nicht zum Kauf gedrängt haben. Allerdings bemängelt die Bafin, dass einige Anbieter ihre Product-Governance-Pflichten nicht konsequent einhalten. Das gelte insbesondere bei der Berücksichtigung von Marktszenarien. Hier seien fallende oder steigende Kurse nicht vollständig einbezogen worden. Zudem werden Margen in den Kosteninformationen uneinheitlich ausgewiesen, was die Vergleichbarkeit erschwert. Problematisch sei auch, dass rund 20 Prozent derjenigen, die Express-Zertifikate gekauft haben, nicht verstehen, wie das Produkt funktioniert.
Die Analyse von rund 2.000 Beratungsgesprächen ergab außerdem, dass viele Verbraucher Schwierigkeiten haben, den Erklärungen der Bankmitarbeiter bei der Anlageberatung zu folgen, ihnen aber dennoch vertrauen. "Die Berater müssen sich dieser stabilen Vertrauensbeziehung bewusst sein und ihr mit ihrer Arbeit genügen", betont Pötzsch. Insgesamt war das Gros der Kunden aber mit der Beratung zu Express-Zertifikaten zufrieden.
Turbo-Zertifikate-Anleger erleiden häufig Verluste
Besorgniserregender sind die Ergebnisse der zweiten Studie, in der die Bafin den Markt für Turbo-Zertifikate (Zertifikate mit einem Hebel und einer Knock-Out-Schwelle) im Zeitraum von 2019 bis 2023 unter die Lupe genommen hat. In dieser Zeitspanne zählte die Behörde insgesamt 113 Millionen Transaktionen von 543.000 deutschen Privatkunden. Das Transaktionsvolumen hatte sich während der fünf Jahre verdreifacht. Die gewonnen Daten sollen Aufschluss geben, ob sich aus diesem Handel möglicherweise zusätzliche Anlegerschutzerfordernisse ergeben.
"Im knapp fünfjährigen Untersuchungszeitraum haben mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland Turbo-Zertifikate gekauft - rund 75 Prozent der Käufer haben dabei ihr Geld verloren", erläutert Pötzsch. Laut Bafin beliefen sich die Verluste auf insgesamt mehr als 3,4 Milliarden Euro. Die Finanzdienstleister müssen die Risiken dieser hochspekulativen Produkte transparenter machen, fordert die Finanzaufsicht. Auch für erfahrene Investoren gelte der Verbraucherschutz. "Auf der anderen Seite haben auch Anleger eine Eigenverantwortung: Sie sollten die verpflichtenden Informationsdokumente aufmerksam lesen", schränkt Pötzsch ein.
Bafin: Beratungsmängel zügig beheben
Als Konsequenz aus den beiden Studien fordert die Bafin betroffene Institute auf, festgestellte Beratungsmängel zu beheben. Zudem sollen die Ergebnisse mit den Verbänden der Kreditwirtschaft diskutiert werden. Bei den Turbo-Zertifikaten will die Bafin zudem "noch genauer hinschauen", kündigt Pötzsch an. Auch mögliche aufsichtliche Maßnahmen würden geprüft. Ziel sei es, "den Verbrauchern zu helfen, am Finanzmarkt selbstbestimmt zu handeln und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen zu können".