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Open Access 2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

3. Zielausrichtung des Recyclings

verfasst von : Philipp Schäfer

Erschienen in: Recycling – ein Mittel zu welchem Zweck?

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Dieses Kapitel befasst sich mit der noch nicht einheitlich festgelegten Zielausrichtung des Recyclings und der CE. Ein wesentlicher Treiber der CE und des Recyclings ist die Befürchtung um die Verknappung mineralischer Ressourcen. Darum wird seit mittlerweile vielen Jahrzehnten eine sehr kontroverse Diskussion geführt. In Abschnitt 3.1 sind die wichtigsten Fakten dieser Diskussion näher beleuchtet, mit dem Ergebnis, dass kein empirischer Beweis für eine drohende Verknappung der Ressourcen existiert. Es besteht also keine Notwendigkeit Recycling als Maßnahme der Ressourcenschonung auszulegen. Vielmehr sollte Recycling anhand der Aufwände und damit verbundenen Umweltbelastungen bewertet und mit der primären Gewinnung verglichen werden. Der Energiebedarf ist als einheitlicher Aufwandsindikator identifiziert, der Kommensurabilität der beiden Gewinnungsmethoden ermöglicht – siehe hierzu Abschnitt 3.2 und 3.3.
Hinweise

Elektronisches Zusatzmaterial

Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://​doi.​org/​10.​1007/​978-3-658-32924-2_​3
Dieses Kapitel befasst sich mit der noch nicht einheitlich festgelegten Zielausrichtung des Recyclings und der CE. Ein wesentlicher Treiber der CE und des Recyclings ist die Befürchtung um die Verknappung mineralischer Ressourcen. Darum wird seit mittlerweile vielen Jahrzehnten eine sehr kontroverse Diskussion geführt. In Abschnitt 3.1 sind die wichtigsten Fakten dieser Diskussion näher beleuchtet, mit dem Ergebnis, dass kein empirischer Beweis für eine drohende Verknappung der Ressourcen existiert. Es besteht also keine Notwendigkeit Recycling als Maßnahme der Ressourcenschonung auszulegen. Vielmehr sollte Recycling anhand der Aufwände und damit verbundenen Umweltbelastungen bewertet und mit der primären Gewinnung verglichen werden. Der Energiebedarf ist als einheitlicher Aufwandsindikator identifiziert, der Kommensurabilität der beiden Gewinnungsmethoden ermöglicht – siehe hierzu Abschnitt 3.2 und 3.3.

3.1 Recycling im Spannungsfeld der Ressourcendebatte

In Abschnitt 1.​1.​2 ist bereits angeklungen, dass vollkommen geschlossene Materialkreisläufe nicht das Ziel sein können. Denn auch Recycling ist mit Aufwänden verbunden, die wiederum in Umweltbelastungen resultieren. Diese Aufwände und Umweltbelastungen des Recyclings könnten also, insbesondere vor den in Abschnitt 1.​1.​2 beschriebenen Herausforderungen, die der primären Rohstoffgewinnung ab einem gewissen Punkt übersteigen. Ein wesentlicher Aspekt, der entscheidend dafür ist, dass CE und Recycling so stark forciert werden, ist die Schonung der natürlichen Ressourcen, die aus der Angst einer möglichen Verknappung resultieren. Die Endlichkeit von Metallen wurde schon häufiger prognostiziert und ist aktuellen Publikationen zu Folge zum Greifen nahe (Elshkaki et al. 2018). Die grundlegende Frage, die man bei der Zielausrichtung des Recyclings stellen muss, ist also, ob die mineralischen Ressourcen ein eigenes originäres Schutzziel im Sinne einer absoluten Rohstoffschonung sein sollten, oder ob die Aufwände der Rohstoffproduktion und die damit verbundene ökologische Bewertung Vorrang hat (Müller et al. 2017; Schmidt 2014).

3.1.1 Die Ressourcenverfügbarkeit ist kein Mengenproblem…

An der Endlichkeit der nicht-erneuerbaren Ressourcen, wie z. B. Metallen besteht kein Zweifel, denn die Erde ist ein geschlossenes System1 mit begrenzten Vorkommen. Die Diskussion um die Verknappung dieser Rohstoffvorkommen ist eine alte und stark polarisierende (Tilton 1996). Auf die Historie dieser umfassenden und sehr kontroversen Diskussion ist an dieser Stelle nicht eingegangen. Vielmehr sind nachfolgend einige Fakten aufgeführt, die zeigen, dass es für eine akute Verknappung bzw. eine Verknappung der verfügbaren Vorkommen in absehbaren Zeithorizonten keine empirischen Beweise gibt.
Mit dem Bericht von Meadows et al. (1972) wurden die statischen Reichweiten von Rohstoffen populär. Damit soll angegeben werden, wie viele Jahre ein Rohstoff aus primären Quellen noch zur Verfügung stehen wird. Die Begriffsbezeichnung lässt dabei schon das Problem erahnen – diese Reichweiten werden statisch kalkuliert. Sie beziehen also keine Dynamiken der Angebotsseite mit ein, wie sie typisch im Rohstoffsystem sind, über die jedoch kein bzw. erst in der Retrospektive ausreichendes Wissen existiert. So verändern sich die bekannten und wirtschaftlich abbaubaren Rohstoffvorkommen – Reserven genannt – über die Zeit, gesteuert durch marktwirtschaftliche Prinzipien. Steigende Nachfrage bzw. Engpässe im Angebot führen zu einer Erhöhung der Rohstoffpreise, die wiederum neue Abbautechnologien und verstärkte Exploration finanzieren und ggf. Substitute und eine effizientere Rohstoffnutzung hervorbringen. Man spricht hier vom Regelkreis der Rohstoffversorgung, auch Feedback Control Cycle genannt (Wellmer und Dalheimer 2012). Die Wirkung dieses Regelkreises kann durch historische Daten belegt werden. Eine Auswertung der statischen Reichweiten einiger Metalle, die vom United States Geological Service (USGS) veröffentlicht sind, ist in Abbildung 3.1 dargestellt. In den letzten 60 Jahren sind für alle untersuchten Metalle kurz- bis mittelfristige Schwankungen in den statischen Reichweiten zu erkennen. Das ist darauf zurückzuführen, dass das Rohstoffsystem ein relativ langsam reagierendes System ist, das durch hohe und langfristige Investitionen geprägt ist. Der Regelkreis funktioniert entsprechend langsam bzw. zeitverzögert. Langfristig sind allerdings kaum Änderungen der statischen Reichweiten passiert, die per Definition über die Zeit linear abnehmen müssten. Im Gegenteil, für manche Metalle wie Kupfer oder Silber sind die statischen Reichweiten heute höher als vor 60 Jahren. Nach den Prognosen von Meadows et al. (1972) hätten fast alle untersuchten Metalle in Abbildung 3.1 noch vor der Jahrtausendwende versiegen müssen. Die statische Reichweite ist somit kein geeigneter Indikator der Rohstoffverfügbarkeit.
Die Reserven sind, wie oben gezeigt, dynamische Größen, die maßgeblich über den Regelkreismechanismus bestimmt werden. Die Erde ist in ihren mineralischen Vorkommen jedoch definitiv begrenzt, also muss auch diese ständige Erweiterung der Reserven Grenzen unterliegen. Wo diese Grenzen liegen könnten, ist nicht so einfach vorherzusagen, denn es ist noch lange nicht alles exploriert. Es ist umfangreiches geologisches Wissen notwendig, um Hochrechnungen oder vielmehr Schätzungen anstellen zu können, welche Vorkommen zu welchen Qualitäten vorhanden sind bzw. sein könnten (Arndt et al. 2017; West 2020). Das kann am besten am Beispiel Kupfer erklärt werden, da hier eine entsprechend gute Datenlage existiert. Das damit aufgezeigte Grundprinzip kann weitestgehend auf andere Metalle und Rohstoffe übertragen werden.
Mudd et al. (2013) haben eine Analyse aller im Jahr 2010 operierenden Kupferminen sowie damals laufenden Minen-Projekten vorgenommen und deren Kupfermengen aufaddiert. Sie kamen zu dem Ergebnis von 1,7 × 109 t. Johnson et al. (2014) bestätigen die Größenordnung dieser identifizierten Kupfervorkommen (Reserven) mit 2,1 × 109 t. Zudem haben sie eine Abschätzung der nicht-identifizierten Kupfervorkommen mit gleicher Qualität (Erzgehalt, Tiefe) wie aktuell betriebene Minen vorgenommen, was weiteren 3,5 × 109 t entspricht. Diese Abschätzung beinhaltet jedoch nur porphyrische und Sedimentlagerstätten. Die Auswertung von Mudd et al. (2013) hat ergeben, dass diese beiden Lagerstättentypen 83 % an den aktuellen identifizierten Vorkommen ausmachen. Überträgt man diesen Anteil auf die nicht-identifizierten Vorkommen von Johnson et al. (2014), so kommen weitere 1,1 × 109 t Kupfer hinzu. Arndt et al. (2017) verweisen zudem noch auf Vorkommen in den Ozeanen, mit ebenfalls vergleichbaren Qualitäten. Damit kommen noch weitere 1 × 109 (Hannington 2011) und 0,2  × 109 t (Hein et al. 2013) hinzu. So kommt man in Summe auf mindestens 7,5 × 109 t Kupfer. Dabei sind jedoch nur bereits identifizierte und nicht-identifizierte Vorkommen berücksichtigt, die eine ähnliche Tiefe und Erzgehalte aufweisen wie aktuell betriebene Minen. Diese Mengen stellen aber noch lange nicht die absoluten Grenzen der möglichen Ausdehnung der Reserven dar, da sie nur die aktuelle Qualität erfassen. Durch den Regelkreismechanismus können aber zukünftig auch schlechtere Qualitäten abbaubar werden. Kesler und Wilkinson (2008) haben ein Modell erstellt, um auch die Vorkommen zu quantifizieren, die über die aktuelle Abbautiefe hinausgehen. Arndt et al. (2017) schätzen die zukünftig technisch möglichen Abbautiefen auf bis zu 3,3 km. Die Kupfervorkommen mit vergleichbarem Erzgehalt sind bis zu dieser Tiefe auf 8,9 × 1010 t errechnet (Kesler und Wilkinson 2008). Bezieht man nun noch die Vorkommen mit ein, die einen geringeren Erzgehalt aufweisen, zukünftig aber abbauwürdig sein könnten, so steigen diese Massen auf geschätzte 1 × 1013 t (Arndt et al. 2017). Diese Zahl kommt der absoluten Grenze der Kupferreserven – zumindest nach heutigem Wissen – wohl am nächsten. In Abbildung 3.2 sind die Verhältnisse der Reserven, die Hochrechnungen bzw. Abschätzungen der Vorkommen unterschiedlicher Qualitäten und die aktuelle jährliche Fördermenge von 2,1 × 107 t an Kupfer (USGS 2019) im Größenvergleich veranschaulicht.
Gäbe es ein akutes Versiegen wirtschaftlich relevanter Metalle, so müsste alles darangesetzt werden, um diese Metalle durch Recycling im Wirtschaftskreislauf zu halten. Nicht zuletzt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung und Generationengerechtigkeit (siehe Abschnitt 1.​1.​3). Wie oben gezeigt, gibt es dafür aber keinerlei empirische Grundlage. Es stehen noch ausreichende Mengen an Metallen in der Erdkruste mit entsprechenden abbauwürdigen Qualitäten zur Verfügung. Deren genaue Massen können bisher zwar nur grob abgeschätzt werden, es kann aber mit einiger Sicherheit gesagt werden, dass ein mögliches Versiegen nicht in absehbaren Zeiträumen stattfinden wird. Zu diesem Ergebnis kommen u. a. auch Meinert et al. (2016): „Wir wissen nicht, wo die Grenzen der mineralischen Ressourcen liegen, aber wir wissen, dass wir sie noch nicht annähernd erreicht haben.“ und widersprechen damit den vorschnellen Aussagen, wie sie u. a. von Bardi (2013, S. 166) in seinem Bericht an den Club of Rome getätigt wurden, dass alle Bereiche der Erde und deren Ressourcen – bis auf die Antarktis – ausreichend erforscht sind.

3.1.2 …sondern ein Konzentrationsproblem

Die größten noch verfügbaren und zukünftig ggf. abbauwürdigen Massen an Kupfer liegen, wie oben gezeigt, in relativ geringen Konzentrationen vor. Dieser Aspekt steht im Zusammenhang mit der von Skinner (1979) postulierten bimodalen Konzentrationsverteilung, die besagt, dass höher konzentrierte Vorkommen den geringsten Anteil an der in der Erdkruste enthaltenen Gesamtmasse eines Minerals ausmachen. Das sind die abbaubaren Erze wie wir sie kennen. Der Großteil der Mineralien ist sehr niedrig konzentriert und in gewöhnlichem Gestein eingebunden. Auch vor dieser Veröffentlichung der bimodalen Konzentrationsverteilung haben andere Autoren auf das Mengen-Konzentrationsverhältnis hingewiesen (Lasky 1950; Ahrens 1954, 1953). Skinner hat in diesem Zusammenhang den Begriff der mineralogischen Barriere eingeführt, die irgendwo zwischen diesen beiden Verteilungsfunktionen liegen soll und den Übergang von Erz zum Gestein markiert. Wie weit wir aktuell noch von den mineralogischen Barrieren der unterschiedlichen Metalle, sofern sie existieren, entfernt sind, ist nicht bekannt (Skinner 1979). Es ist allerdings davon auszugehen, dass wir uns diesen Barrieren zwangsläufig annähern und die Konzentrationen der Vorkommen mit zunehmender Förderung der Metalle immer weiter sinken.
Derzeit weist z. B. Eisen eine durchschnittliche Konzentration in Minen von 62 % auf – Kupfer von 0,5 % und Gold sogar von unter 0,005 % (USGS 2019, S. 88; Rankin 2011, S. 88). Auswertungen historischer Minendaten zeigen deutliche Rückgänge der Konzentrationen (Erzgehalte) unterschiedlichster Metalle über die letzten 150 Jahre. Dieser Trend wird sich vermutlich auch in Zukunft fortsetzen (Mudd 2007a; Giurco et al. 2009). Die Gründe dafür sind vielfältig und insbesondere technischer und ökonomischer Natur. Sinkende Erzgehalte als Knappheitsindikator zu verwenden, also davon auszugehen, dass geringere Erzgehalte angegangen werden, weil die hochkonzentrierten erschöpft sind, ist allerdings nicht korrekt. Vielmehr ist dieser Trend als Zeichen zu verstehen, dass wir uns durch technologische Fortschritte in die Lage versetzen, die niedriger konzentrierten aber dafür größeren Vorkommen wirtschaftlich abzubauen (Rötzer und Schmidt 2018).
Die vorhandenen aktuellen und historischen Daten geben keinen Hinweis auf ein drohendes Versiegen der mineralischen Rohstoffe. Es existiert somit entgegen der weitläufigen Meinung in absehbaren Zeithorizonten kein Mengenproblem bei der primären Metallgewinnung. Die Primärgewinnung ist vielmehr durch ein Konzentrationsproblem geprägt, das sich in Zukunft aller Voraussicht nach weiter zuspitzen wird. Dieses Konzentrationsproblem ist unmittelbar mit Aufwand und ökologischen Belastungen verbunden, denn je geringer die Konzentration, desto mehr Gesteinsmasse muss für eine Masseneinheit gewonnenes Metall bewegt werden. Der Aufwand der betrieben werden muss, kann also annähernd durch das Reziproke der Konzentration beschrieben werden (Gutowski et al. 2013). Palacios et al. (2019) haben eine realitätsnahe modellbasierte Untersuchung vorgenommen, welche Energiebedarfe notwendig sind, um Gold aus der durchmischten Erdkruste – in Fachkreisen spricht man hier von Thanatia – zu gewinnen. Diese Energiebedarfe liegen aufgrund der sehr geringen Goldkonzentration um den Faktor 440 über denen der Goldgewinnung aus Erzen, wie sie z. B. von Mudd (2007b) veröffentlicht sind.
Sind die Metalle aus den Minen – also der Ökosphäre – gefördert und zur Reinform aufkonzentriert, finden sie in der Technosphäre in unterschiedlichsten Produkten Anwendung. Dabei findet wieder eine Verdünnung bzw. Absenkung der Konzentrationen statt. Abbildung 3.3 gibt einen Überblick über die Konzentrationen von 48 Metallen in ihren Erzen (primäre Quellen) und Produkten bzw. den Hauptanwendungsgebieten (zukünftige sekundäre Quellen). Letztere sind Ciacci et al. (2015) und Graedel et al. (2015) entnommen. Die Konzentrationen eines Metalls in Erzen können zwar von Mine zu Mine unterschiedlich sein, allerdings sind die Bandbreiten eher gering. In Abbildung 3.3 sind daher Durchschnittswerte der Konzentrationen in primären Quellen angegeben. Die Metallkonzentrationen in sekundären Quellen schwanken hingegen enorm und sind daher differenziert aufgeführt. Jeder Datenpunkt gibt also die Konzentration eines Metalls in einer spezifischen sekundären Quelle sowie den Durchschnittswert der primären Quelle an. Die Datengrundlage dieser Abbildung wurde über eine umfangreiche Literaturrecherche ermittelt und kann mit entsprechenden Referenzen dem Appendix I des elektronischen Zusatzmaterials entnommen werden.2
Die Diagonale in Abbildung 3.3 gibt an, wo die Konzentrationen der primären und sekundären Quellen identisch sind. Alle Punkte über der Diagonale weisen geringere Konzentrationen in den sekundären als in den primären Quellen auf, unter der Diagonale verhält es sich vice versa. Mit anderen Worten: bei allen Punkten, die über der Diagonale liegen, wurden die Metalle in der Technosphäre unter ihr ursprüngliches Konzentrationsniveau der Ökosphäre (Erze) verdünnt. Das betrifft insbesondere die Technologiemetalle. Extrembeispiele hierfür sind u. a. der Einsatz von Seltenen Erden in Elektronikprodukten. So ist z. B. die Konzentration von Cer in Flachbildschirmen um den Faktor 150.000 geringer als in Erzen. Für die meisten Metalle in sekundären Quellen, deren Konzentrationen niedriger sind als die der primären Quellen, liegen die Unterschiede allerdings in einem moderaten Bereich zwischen Faktor 1 und 100 (siehe Appendix I des elektronischen Zusatzmaterials).
In Abbildung 3.3 ist zudem ersichtlich, dass dieses Konzentrationsverhältnis Auswirkungen auf die spezifischen EoL-RQ der Metalle in den jeweiligen sekundären Quellen zu haben scheint. Die EoL-RQ sind dabei durch die entsprechende Farbgebung der Punkte gekennzeichnet. Ist die Konzentration in den sekundären Quellen geringer als in den primären, findet tendenziell kein Recycling des Metalls aus der sekundären Quelle statt. Die Ausnahmen in Abbildung 3.3 zeigen, dass das Konzentrationsverhältnis nicht der einzige Faktor ist. Insbesondere im Bereich der höheren Konzentrationen existieren einige Ausnahmen. Denn es spielen u. a. auch verfügbare Mengen, um entsprechende Skaleneffekte erzielen zu können, sowie die technische und metallurgische Machbarkeit (siehe Abschnitt 2.​2) eine Rolle. Ein Beispiel für hohe EoL-RQ trotz geringerer Konzentrationen in den sekundären Quellen ist das Recycling von Kupfer aus Bau- und Abbruchabfällen. Die Kupferkonzentrationen sind hier zwar geringer als in Erzen, es stehen jedoch große Massen dieser sekundären Quelle zur Verfügung. Der umgekehrte Effekt ist z. B. bei Gallium in Magneten oder Seltene Erden in Glaspoliturmitteln zu beobachten. Hier sind die Konzentrationen wesentlich höher als in den entsprechenden Erzen, ein Recycling findet jedoch aufgrund der relativ geringen Massen der sekundären Quellen nicht statt. Die Konzentration der Metalle in den sekundären Quellen ist also von ganz wesentlicher Bedeutung. Denn wie auch bei der primären Gewinnung hat die Konzentration entscheidenden Einfluss auf den Aufwand, der betrieben werden muss.
Metalle, die, wie in Abschnitt 1.​1.​3 erläutert, nicht verbraucht sondern gebraucht werden, bleiben in den auf der Erde vorhandenen Massen konstant, lediglich ihre Konzentrationen werden durch die Nutzung in der Technosphäre verringert und das teils unter ihr Konzentrationsniveau in der Ökosphäre. Die Diskussion um die Verfügbarkeit mineralischer Ressourcen – insbesondere Metallen – sollte also nicht anhand von Massen, sondern vielmehr anhand des Aufwandes, der für die Gewinnung benötigt wird, geführt werden.

3.2 Der Energieindikator

Die Zielausrichtung des Recyclings und der CE allgemein sollte – wie in den vorangestellten Abschnitten gezeigt – anhand der Aufwände vorgenommen werden. Abbildung 3.3 deutet darauf hin, dass die Aufwände und Umweltbelastungen des Recyclings durchaus die der primären Gewinnung übersteigen können, was zwangsläufig dem angestrebten Ziel einer nachhaltigen Entwicklung der CE entgegenlaufen würde. Somit müssen die unterschiedlichen Aufwände und Umweltbelastungen der primären und sekundären Metallgewinnung quantifiziert und verglichen werden. Für eine eindeutige und klare Zielausrichtung, die keinen multikriteriellen Entscheidungsproblemen unterliegt, wird also ein Aufwandsindikator benötigt, der Kommensurabilität der primären und sekundären Gewinnung ermöglicht und alle wesentlichen Aufwände und ökologischen Belastungen einbezieht. Um einen geeigneten Indikator zu identifizieren und eine begründete Auswahl zu treffen, wird nochmal auf das Ursprungsproblem – die Konzentration – zurückgegangen.
Physikalisch können die Zustände unterschiedlicher Konzentrationen (und auch der Materialdurchmischung) durch die Größe der Entropie beschrieben werden. Liegen Metalle in Reinform vor, so ist deren Entropie gering. Sekundäre und primäre Quellen mit geringen Konzentrationen an Metall bzw. Erz haben hingegen eine hohe Entropie. Für die Gewinnung eines Metalls aus einer sekundären oder primären Quelle, muss also deren Entropie verringert bzw. abgeführt werden, was per Definition3 nur durch die Zufuhr von Exergie, also dem Teil der Energie, der Arbeit verrichten kann, möglich ist. Die Exergie kann damit als Gegenspieler zur Entropie verstanden werden (Faber et al. 1995; Ayres et al. 2006; Gößling 2001; Gößling-Reisemann 2006, 2008; Gutowski 2011). Sie ist der Input, der mindestens geleistet werden muss, um die Aufkonzentration und damit Entropieabfuhr zu erzielen. Aufgrund von Wirkungsgradverlusten sind die realen Inputs in die Gewinnungsprozesse allerdings nicht nur die minimal notwendige Exergie, sondern die dafür benötigte Energie. Denn alle technischen und thermischen Prozesse unterliegen thermodynamischen Grenzen, wie z. B. dem Wirkungsgrad des Carnotschen Kreisprozesses, der die Effizienz von Wärmekraftmaschinen bestimmt. Die realen Energieinputs, also das was tatsächlich geleistet werden muss, wird also immer (wesentlich) größer sein als die theoretisch minimal notwendigen Exergiebedarfe. Abbildung 3.4 veranschaulicht schematisch den Zusammenhang von Konzentration bzw. Entropie und Energie über den Metalllebenszyklus, beginnend bei der primären Gewinnung, über die Nutzung und der damit verbundenen Konzentrationssenkung bis zur sekundären Gewinnung und erneuten Aufkonzentration des Metalls.
Die Energie ist also eine physikalische Notwendigkeit, um Metalle aus Minen und sekundären Quellen zu gewinnen. Während die Metalle durch ihre Nutzung in der Technosphäre in ihrer Konzentration gesenkt (siehe Abbildung 3.3 und 3.4) und im schlimmsten Fall dissipativ verteilt werden (Ciacci et al. 2015), aber massenbilanziell erhalten bleiben, werden Energieträger in ihren molekularen Strukturen aufgebrochen und damit verbraucht. Da der Energieeinsatz jedoch unabdingbar für die Metallgewinnung ist, sind nicht die Metalle per se der limitierende Faktor, sondern der dafür notwendige Energiebedarf, der eben auch nicht substituierbar ist (Weinberg 1977, 1978; Chapman et al. 1983, S. 16; Bardi 2013, S. 154).
Ein Blick in die Geschichte des Bergbaus zeigt, dass die Menschheit die Grenzen der Energieverfügbarkeit für die Metallproduktion bereits erfahren hat. Im Jahr 1540 diskutierte der italienische Metallurge Vannoccio Biringuccio (1480–1539) in seinem postum veröffentlichten Werk De la Pirotechnia, ob zuerst die Erze knapp werden, oder kein Holz mehr vorhanden sein wird, um die Schmelzöfen zu betreiben (Schmidt 2019). In der Tat kam es im 16. Jahrhundert in Europa zu einer Holzknappheit, dem damals vorherrschenden Energieträger (Nef 1977). Besonders bezeichnend ist, dass die erste Definition der Nachhaltigkeit eben genau aus diesem Problem resultiert. Hans Carl von Carlowitz (1645–1714) kritisierte in seinem Werk Sylvicultura oeconomica aus dem Jahr 1713 den, durch den damals sehr hohen Energiebedarf der Schmelzhütten und der Erzgruben im Erzgebirge ausgelösten Raubbau der umliegenden Wälder und Holzbestände. Er forderte daher einen pfleglicheren Umgang mit den Wäldern, der ihren Erhalt und zukünftige Nutzung sichert (Carlowitz et al. 2013).
Die Gewinnung von Metallen bzw. Rohstoffen ist also nur durch Energie möglich und durch sie auch limitiert. Das ist durch den physikalischen Zusammenhang von Entropie und Exergie bedingt. Alle drei Größen – Energie, Exergie und Entropie – sind daher auch in der Fachliteratur vorgeschlagen, um Rohstoffsysteme und Rohstoffgewinnungsprozesse zu bewerten. Welche Größe am besten geeignet ist, um die Aufwände und Umweltbelastungen der primären und sekundären Metallgewinnung vergleichend zu bewerten, ist nachfolgend erörtert.
Die Entropie ist in zahlreichen Publikationen vorgeschlagen, um die Recyclingfähigkeit (Zeng und Li 2016; Dahmus und Gutowski 2007) oder auch die Aufwände des Recyclings auf einer theoretischen Ebene zu quantifizieren (Gutowski und Dahmus 2005; Gutowski 2011, 2008; Spangenberg 2000; Vidal 2018). Meist wird dabei die statistische Entropie oder auch informationstheoretische Shannon Entropie der sekundären Quellen bestimmt und damit direkt auf die Recyclingfähigkeit bzw. die minimal notwendige Arbeit für ein Recycling geschlossen. Solche Ansätze können allerdings nur zur groben Orientierung verwendet werden, für die sie auch gedacht sind.
Gößling-Reisemann schlägt eine weitaus umfangreichere Methode vor, indem er die Entropieänderung eines Systems verwendet, um dessen Ressourcennutzung zu beschreiben. Die Entropie wird hier für jeden realen Input- und Outputstrom bestimmt. Die Anwendungsbeispiele, die er aufführt, sind die primäre und sekundäre Kupferproduktion. Über die Entropie schafft er so Vergleichbarkeit der Ressourcennutzung und damit der Aufwände beider Metallgewinnungsvarianten anhand einer aggregierten Größe. Neben den Aufwänden der Gewinnungsprozesse, also der positiven Ressourcennutzung und den entstehenden Abfällen und Emissionen, kann so auch die Ressourcenbereitstellung bzw. die negative Ressourcennutzung erfasst werden (Gößling 2001; Gößling-Reisemann 2006, 2008).
Weitaus verbreiteter als die Entropie ist bei der Bewertung von Ressourcennutzung und -systemen die Exergie. Ihre ursprüngliche Nutzung ist die Analyse thermischer und chemischer Prozesse, mit dem Ziel der Identifikation von Ineffizienzen. Mittlerweile finden Exergieanalysen vermehrt im Kontext der Ressourcen- und Umweltnutzung Anwendung (Dewulf et al. 2008; Finnveden et al. 2016) und sind insbesondere bei der Analyse von Metallerzeugungsprozessen weit verbreitet (Ayres et al. 2003; Ayres et al. 2006; Abadías Llamas et al. 2019; Domínguez et al. 2013; Khoo et al. 2017; Ignatenko et al. 2007). Ebenso wie die Entropie ermöglicht auch die Exergie eine Bewertung von Systemen anhand einer aggregierten Größe und schafft somit Vergleichbarkeit. Dabei werden für alle realen Inputs und Outputs des Systems die Exergiewerte4 errechnet – also im Grunde die minimale Exergie, die theoretisch notwendig war, um den entsprechenden Stoff zu produzieren. Basierend auf diesen Daten können dann Ineffizienzen und mögliche Verbesserungspotenziale aufgedeckt werden, indem die tatsächlichen Exergieinputs ins Verhältnis zu dem theoretisch notwendigen Minimum an Exergie (z. B. Differenz der Exergie des Erzes (Input) und des raffinierten Metalls (Output)) gesetzt werden (Abadías Llamas et al. 2019; Ayres et al. 2006; Boryczko et al. 2014)
Exergie- und Entropieanalysen sind eng verwandte Konzepte, die beide eine vollaggregierte Bewertung von sekundären und primären Metallgewinnungsprozessen ermöglichen, d. h. eine Quantifizierung von energetischen und gleichermaßen nicht-energetischen Stoffen sowie aller In- und Outputs anhand einer physikalischen Größe. Beide Ansätze sind daher bestens geeignet, um Bewertungen der Effizienz von Systemen vorzunehmen und darauf aufbauend Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Dass Entropie und Exergie auch ein Maß für die Qualität5 der In- und Outputs sind, kann insbesondere beim Recycling von Metallen hilfreich sein – wenn z. B. die Qualität bei Aluminium oder Magnesium durch die Anreicherung von Verunreinigungen im metallurgischen Recycling sinkt (siehe Abschnitt 2.​2).
Doch wie steht es um die ökologische Bewertung der Aufwände bzw. der Quantifizierung der Umweltbelastungen anhand der Exergie und Entropie? Insbesondere die Verwendung der Exergie als Indikator der ökologischen Bewertung wird von zahlreichen Forschern befürwortet (Ayres et al. 2006; Dewulf et al. 2008; Rosen 2002; Rosen et al. 2008). Die Argumente, die dafürsprechen, sind jedoch sehr theoretischer Natur, sodass die Exergie maximal eine grobe Annäherung, keinesfalls aber ein Indikator mit empirischer Qualität sein kann. So treffen u. a. Ayres et al. (2006) die Aussage, dass die Exergie der Emissions- bzw. Abfallströme eines Systems dessen generelle Umweltbelastung indiziert. Denn je höher die Exergien dieser Ströme, desto weiter sind sie vom Gleichgewichtszustand der natürlichen Umwelt (Referenzsystem) entfernt und desto höher ist die Tendenz der chemischen Reaktionen in der Atmosphäre oder Gewässern, die zu Umweltschäden führen können. In diesem Zusammenhang wird auch von der Schaffung von Chaos und der Zerstörung der Ordnung natürlicher Systeme gesprochen (Rosen 2002; Rosen et al. 2008) – es handelt sich also um sehr theoretische Überlegungen. Gößling-Reisemann – ein wesentlicher Vertreter der Entropieanalyse – verweist ebenso im Falle der Entropie darauf, dass sie im besten Falle nur eine grobe Abschätzung der tatsächlichen Umweltwirkungen liefern kann (Gößling-Reisemann 2006, 2008).
Exergie- und Entropieansätze sind mächtige, umfangreiche und vielseitig einsetzbare Methoden und prädestiniert, um die Ressourcennutzung von Systemen wie auch die Qualität der Ressourcen quantitativ zu bewerten. Der wesentliche Mehrwert beider Methoden ist dabei die Bewertung der technischen Effizienz der Systeme6 und damit der Identifikation von Verbesserungspotenzialen. Gleichzeitig sind sie aber auch hochkomplex, sehr aufwändig und insbesondere für Nicht-Spezialisten schwer zu verstehen und zu interpretieren (Craig 2001; Domínguez et al. 2013). Die hohe Komplexität und der hohe Abstraktionsgrad der beiden Ansätze sind u. a. auch darauf zurückzuführen, dass die Entropie und Exergie nicht einfach gemessen werden können, sondern basierend auf den entsprechenden thermodynamischen Grundlagen und Daten aufwändig berechnet werden müssen. Bei der Berechnung der Exergie ist zudem die Festlegung von Referenzumgebungen und Referenzsubstanzen notwendig. Hier werden noch unterschiedlichste Methoden und Meinungen verfolgt (Gaudreau et al. 2012) die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (Brammer 2012). Die Anwendung der Exergie im Kontext der Umwelt- und Ressourcennutzung ist also noch nicht vollkommen konsistent und somit mit gewissen Unsicherheiten verbunden. Zudem ist die Bewertung der Umweltbelastungen anhand der thermodynamischen Größen Entropie und Exergie im besten Falle nur eine grobe und unspezifische Abschätzung.
Wesentlich praktischer, handhabbarer, greifbarer und zudem einfach messbar, um die Aufwände von sekundären und primären Metallgewinnungsprozessen einheitlich zu quantifizieren, ist die Energie. Würde man nur die reinen Energieaufwände eines Prozesses erfassen, so blieben nicht-energetische Inputs wie z. B. chemische Substanzen, die für hydrometallurgische Prozesse benötigt werden, unberücksichtigt. Der kumulierte Energieaufwand (KEA)7 hingegen ermöglicht auch eine Quantifizierung dieser nicht-energetischen Stoffe, indem er alle Energieaufwände, die notwendig sind, um Stoffe zu produzieren, mitberücksichtigt. Er ist demnach definiert als „[…] die Summe der primärenergetisch bewerteten Energieaufwendungen […], die sich bei der Herstellung selbst sowie bei der Gewinnung, Verarbeitung, Herstellung und Entsorgung der Fertigungs-, Hilfs- und Betriebsstoffe und Betriebsmittel einschließlich der Transportaufwendungen für einen Gegenstand oder eine Dienstleistung ergeben.“ (VDI 2012) Jeder Inputstoff hat also einen Energierucksack, der die Aufwände seiner Herstellung beinhaltet. Das gilt auch für die energetischen Stoffe, die zusätzlich noch mit ihrem inhärenten Energiegehalt bewertet werden. Die VDI-Norm definiert diesen inhärenten Energiegehalt – sofern er (noch) nicht energetisch eingesetzt wurde – als kumulierten nicht energetischen Aufwand (KNA), der Teil des oben definierten KEA ist. Bei Prozessen bzw. Systemen, die stark durch Energieinputs bestimmt sind – wie es bei den sekundären und primären Metallgewinnungsprozessen der Fall ist (UNEP 2013a) – unterscheiden sich der KEA und die Exergie daher kaum (Domínguez et al. 2013).
Der KEA ist somit ebenfalls ein geeigneter Indikator, um die inputseitigen Aufwände zu quantifizieren. Wesentlicher Nachteil des KEA im Vergleich zu der Entropie und Exergie ist, dass über ihn die Outputströme nicht direkt bewertet werden können. Dazu gehören outputseitige Aufwände, wie z. B. Tailings, die beim Bergbau anfallen, und eben auch die gewonnenen bzw. rückgewonnenen Metalle. Die Qualität der Metalle zu erfassen, kann, wie oben erläutert, durchaus hilfreich sein. So ist sie entscheiden dafür, ob überhaupt Primärmetall substituiert werden kann bzw. ob das Sekundärmetall mit Primärmetall verdünnt werden muss, um die benötigte Qualität zu erzielen (siehe Abschnitt 2.​2). Der zusätzliche Aufwand durch die Zugabe von Primärmetall kann wiederum über den KEA erfasst werden. Ähnlich verhält es sich bei den outputseitigen Aufwänden – sie zu minimieren bzw. nachträglich zu behandeln, ist ebenfalls unmittelbar mit energetischen Aufwänden verbunden (für das Beispiel Tailings siehe Reid et al. 2009; Song et al. 2017). Der KEA kann also prozessspezifische Outputströme nicht direkt, aber durchaus indirekt bewerten – und das anhand realer Werte.
Insbesondere in Punkto Quantifizieren von Umweltbelastungen ist der KEA ein valider Indikator (Huijbregts et al. 2010). Das ist darauf zurückzuführen, dass der KEA unmittelbar die realen Energiebedarfe wiedergibt und diese wiederum maßgeblich die Emissionen der Metallgewinnungsprozesse bestimmen (UNEP 2013a). Alle Umweltwirkungen vollumfänglich und präzise zu erfassen, kann der KEA selbstverständlich nicht leisten. Insbesondere für die THGE, gemessen in CO2eq, ist der KEA jedoch ein überaus geeigneter Indikator (Huijbregts et al. 2006; Ciacci et al. 2016). Das zeigt u. a. die in Abbildung 3.5 dargestellte Korrelationsanalyse der Werte für den KEA und der THGE einiger sekundärer und primärer Metallgewinnungsprozesse der Ökobilanz-Datenbank ecoinvent.
Die Reduktion der THGE ist von entscheidender Bedeutung im globalen Umweltschutz und unterliegt zu Recht ambitionierten politischen Zielen (u. a. EC 2009; Bundesregierung 2010) und noch ambitionierteren Forderungen (IPCC 2018), denn der Klimawandel ist eine der Belastungsgrenzen der Erde (sogenannte planetare Grenzen), die bereits überschritten wurden (Rockström et al. 2009; Steffen et al. 2015). Nach Steffen et al. (2015) kommt dem Klimawandel als Kerngrenze eine besondere Bedeutung zu, denn dessen wesentliche und langfristige Überschreitung würde das Erdsystem durch enorme Schädigungen des ökologischen Systems in ein neues irreversibles und von Instabilitäten der Umwelt geprägtes erdgeschichtliches Zeitalter führen. Selbst mit der Anpassung der Klimaschutzziele des Pariser Abkommens von einem 2 °C auf ein 1,5 °C-Ziel, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Erdsystem kippt (Steffen et al. 2018). Der Klimaschutz ist also mit höchster Priorität zu verfolgen. Dennoch dürfen die zahlreichen weiteren ökologischen und auch sozialen Belastungen, die insbesondere im Bergbau existieren, nicht außer Acht gelassen werden. Hierzu gibt es auch mehrere Forschungsprojekte. Dabei sind insbesondere die ÖkoRess Studien des Umweltbundesamtes zu nennen (Dehoust et al. 2017). Eine erste Sondierung der Umweltbelastungen anhand der THGE, die als Leitwährung des Umweltschutzes verstanden werden können, ist durchaus sinnvoll. Ob etwaige Zielkonflikte in nennenswertem Umfang mit weiteren ökologischen und sozialen Faktoren bestehen, sollte im Einzelfall geprüft werden.
Metallgewinnungsprozesse anhand der dafür notwendigen Energie bzw. dem KEA als Indikator zu bewerten, ermöglicht also eine vollaggregierte Bewertung der Aufwände und spiegelt zudem zahlreiche Umweltwirkungen – insbesondere die THGE – wider. Die stark theoretischen Ansätze der Entropie und Exergie sind zwar weitaus umfangreicher und ermöglichen u. a. Effizienzbewertungen, sie sind jedoch auch sehr viel komplexer, was sie schwer verständlich macht und ihre Akzeptanz, insbesondere bei politischen Entscheidungsträgern, schmälert. Der KEA ist damit der Indikator der Wahl, um die primäre und sekundäre Metallgewinnung zu bewerten und zu vergleichen.

3.3 Empfehlung der Zielausrichtung

Wie gezeigt, ist die Bereitstellung von Metallen kein Mengenproblem, sondern ein Konzentrations- bzw. Aufwandsproblem, das wiederum auf den Energieeinsatz bzw. KEA reduziert werden kann. Die Konzentrationen der primären und sekundären Quellen (siehe Abschnitt 3.1.2 Abbildung 3.3) lassen darauf schließen, dass bei beiden Gewinnungsmöglichkeiten der Energieeinsatz sehr hoch ausfallen kann. Insbesondere bei dissipativ verteilten Metallen würde der Energiebedarf eines Recyclings theoretisch gegen unendlich tendieren (Moreau et al. 2017). Aktuell wird der globale Energieeinsatz noch überwiegend aus fossilen Energieträgern bereitgestellt und ist damit für einen Großteil der mit der Metallbereitstellung verbundenen Umweltwirkungen verantwortlich. An erster Stelle sind hier die CO2eq Emissionen zu nennen – siehe hierzu auch das vorangestellte Abschnitt 3.2.
An diesem Punkt könnte man argumentieren, dass dieses Problem der Umweltbelastungen, die aus den Energieverbräuchen resultieren, mit einer vollbrachten Energiewende obsolet geworden sein wird. Optimistische Studien kommen zu dem Ergebnis, dass es theoretisch technisch und wirtschaftlich möglich wäre, eine vollständige Energieversorgung durch Erneuerbare Energien bis 2050 in Deutschland (Henning und Palzer 2012; Hansen et al. 2019) und auch global zu erreichen (Teske et al. 2015). Realistische Szenarien weisen zwar darauf hin, dass die Erneuerbaren Energien weiterhin stark ausgebaut werden, eine vollständige erneuerbare Energieversorgung auf globaler Ebene jedoch nicht in naher Zukunft erreicht werden wird (IEA 2016). Zum anderen benötigen Erneuerbare Energien wesentlich mehr Metalle (insbesondere Technologiemetalle und als kritisch eingestufte Metalle) pro erzeugte Energieeinheit als die konventionelle Energieerzeugung aus fossilen Energieträgern (Kleijn et al. 2011). Die Energiebereitstellung wird also immer mit entsprechenden Aufwänden verbunden und damit ein limitierender Faktor sein. Der herausgearbeitete Zusammenhang zwischen Energie und Rohstoffen – der Rohstoff-Energie-Nexus – existiert also auch in umgekehrter Richtung.
Die Zielausrichtung des Recyclings, als zentrale Strategie der CE, sollte also anhand der Energiebedarfe bzw. des KEA erfolgen. Recycling sollte nur dann praktiziert werden, wenn es im Vergleich zur primären Gewinnung energetisch vorteilhaft ist. Die damit verbundenen Umweltbelastungen, insbesondere die CO2eq-Emissionen, sind dabei von entscheidender Bedeutung. Denn nur durch diese Zielausrichtung kann Recycling dazu beitragen, dass die viel geforderte Entkopplung der Wirtschaftsleistung und der Rohstoffbereitstellung von den Umweltwirkungen erreicht werden kann. Nur auf diesem Wege kann Klimaschutz betrieben und das definierte Ziel der CE, eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen, realisiert werden (UNEP 2011a).
Ein wesentlicher Vorteil des Recyclings, der in der bisherigen Ausarbeitung noch keine Beachtung erfahren hat, ist die Vermeidung von Abfall bzw. die Vermeidung von Deponierung.8 Dieser Aspekt spielt jedoch eine nur untergeordnete Rolle. So unterliegen die Umweltbelastungen, die in Verbindung mit der Deponierung stehen, größenordnungsmäßig bei weitem den Umweltbelastungen der Gewinnungsprozesse, insbesondere bei modernen Deponierungsbedingungen (UNEP 2010).
Recycling und CE werden zudem positive Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung und die Schaffung von Arbeitsplätzen zugesprochen (Kalmykova et al. 2018). Diese Faktoren sind selbstverständlich positiv zu bewerten, allerdings im Vergleich zum Klimaschutz nicht zu priorisieren und sollten daher der vorgeschlagenen Zielausrichtung anhand des Energieindikators untergeordnet sein.
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Anhänge

Elektronisches Zusatzmaterial

Fußnoten
1
Ein geschlossenes System kann mit seiner Umwelt kein Material, aber Energie austauschen kann.
 
2
Es wurden dabei lediglich die Metallkonzentrationen der Produkte betrachtet. Die Konzentrationen der Abfall- bzw. EoL-Produktströme, in der Zusammensetzung wie sie in ein eventuelles Recycling gehen, können davon abweichen.
 
3
Gouy-Stodola Gleichung beschreibt die Beziehung zwischen Entropie und Exergie (positive Exergieänderung entspricht einer negativen Entropieänderung des Systems); siehe auch Gößling-Reisemann 2006.
 
4
Bei Metallgewinnungsprozessen bzw. der Bewertung des Ressourcenverbrauchs ist die chemische Exergie zentral. Das ist die inhärente Exergie eines Stoffes bzw. die Exergie, die minimal notwendig war, um den Stoff aus einer definieren Referenzumgebung zu gewinnen.
 
5
Hohe Exergie respektive geringe Entropie bedeuten eine hohe Qualität der Stoffe und vice versa.
 
6
Wird häufig auch als Ressourceneffizienz oder Exergieeffizienz bezeichnet.
 
7
Kumulierter Energieaufwand der Herstellung nach VDI-Norm 4600 (VDI 2012)
 
8
Die thermische Verwertung ist eine noch vor der Deponierung priorisierte Methode der Abfallbehandlung, trifft allerdings nicht auf Metalle zu.
 
Metadaten
Titel
Zielausrichtung des Recyclings
verfasst von
Philipp Schäfer
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-32924-2_3