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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Zielgruppen und Unrechtscharakter der ‚vorbeugenden Verbrechensbekämpfung‘ im Nationalsozialismus

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Zusammenfassung

Bei den Begriffen ‚Asoziale‘ und ‚Berufsverbrecher‘ (Beide Begriffe werden hier verwendet, weil eine Geschichte der ‚vorbeugenden Verbrechensbekämpfung‘ auf die historiografisch korrekte Benennung ihrer Hauptzielgruppen angewiesen ist. Zum Zeichen der Distanzierung vom pejorativen Gehalt der Ausdrücke stehen sie in Anführungszeichen. Auf den Gender-Star wird bei Begriffen des Nazi-Vokabulars hingegen bewusst verzichtet, weil ihre Transferierung in eine geschlechtergerechte Sprache meines Erachtens hinterrücks zu einer Wiederaneignung problematischer Quellenbegriffe führen würde.), welche die Hauptzielgruppen der ‚Vorbeugungshaft‘ bezeichneten, handelte es sich um ‚kriminologisch-rassenhygienische‘ Konstrukte, die zugleich verwaltungsrechtliche Erfordernisse bedienten. Der Artikel fragt danach, welche sozialen Gruppen erfasst und wie im ‚Vorbeugungshaftverfahren‘ konkrete Personen durch gezielte Zuschreibungen zu ‚Asozialen‘ bzw. ‚Berufsverbrechern‘ erklärt wurden. Abschließend wird gezeigt, wie der Unrechtscharakter der ‚Vorbeugungshaft‘ zum Gegenstand der Menschenrechtserziehung gemacht werden könnte.

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Fußnoten
1
Alle Namen sind pseudonymisiert.
 
2
Niedersächsisches Landesarchiv Hannover (NdsLArch Hannover), Hann. 158 Moringen, Acc. 105/96, Häftlingspersonalakten des Frauen-KZ Moringen, Nr. 64, Nr. 189 und Nr. 257.
 
3
Für alle vorstehenden Zitate vgl. NdsLArch Hannover, Hann. 158 Moringen, Acc. 105/95, Häftlingspersonalakten des Frauen-KZ Moringen, Nr. 53.
 
4
Dabei konnten sie sich auf Führungszeugnisse und charakterliche Beurteilungen stützen, die sich in den Akten von Mehrfachstraftäter*innen oder Fürsorgeempfänger*innen ansammelten.
 
5
Zwischen den ‚Asozialen‘ und den ebenfalls verfolgten Sinti*zze und Roma*nja gab es Überschneidungen (Hörath 2017, S. 23 f.).
 
6
Die Kategorie ‚asozial‘ beschrieb eine relativ fest umrissene Klientel der Disziplinar- und Fürsorgeeinrichtungen, wobei die konkrete Zusammensetzung dieser Gruppe in der Vorstellungswelt der einzelnen Sachbarbeiter*innen, im Zeitverlauf und regional variieren konnte. Demgegenüber traf der Vorwurf der ‚Arbeitsscheu‘ in stärkerem Maße auch Angehörige der Mehrheitsgesellschaft (Hörath 2014b, S. 311). Trotz solcher Differenzierungen waren ‚Asozialität‘ und ‚Arbeitsscheu‘ weiche Kategorien, die sich überlappten und transformierten.
 
7
NdsLArch Hannover, Hann. 158 Moringen, Acc. 105/96, Nr. 257.
 
8
Beide Auffassungen existierten bis in die 1940er-Jahre hinein parallel.
 
9
Gleiches gilt für ‚Schutz‘- und polizeiliche Ordnungshaft. Enthielt ein Formularvordruck keine Rubrik Begründung, was in den ersten Jahren, als die ‚Vorbeugungshaftverfahren‘ kaum standardisiert waren, bisweilen vorkam, hatte der ‚kriminelle Lebenslauf‘ den Stellenwert einer formalen Haftbegründung.
 
10
Für Beispiele vgl. NdsLArch Hannover, Hann. 158 Moringen, Acc. 105/96, Nr. 64, Nr. 189 und Nr. 257.
 
11
Zur Ausweitung des Gefahrenbegriffs der RBVO vgl. Hörath (2020).
 
12
GStAPK, I. HA. Rep. 84a, Justizministerium, Nr. 8203, Geheimerlass über die „Anwendung der vorbeugenden Polizeihaft gegen Berufsverbrecher“, 13.11.1933.
 
13
Ebd.
 
14
LAV NRW R, BR 1111, Nr. 232, Kriminalpolizei Duisburg, 25.03.1934. Mit dem „Hang zum Verbrechen“ war das Bestimmungsmerkmal des „Gewohnheitsverbrechers“ angesprochen (Hörath 2017, S. 259 ff.).
 
15
Archiv des International Tracing Service Bad Arolsen (ITS-Arch Bad Arolsen), Konzentrationslager Flossenbürg/individuelle Unterlagen, Lebenslauf, 27.02.1934.
 
16
NdsLArch Hannover, Hann. 158 Moringen, Acc. 105/96, Nr. 112, Kriminalpolizei Plauen, Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsbrecher, März 1937.
 
17
Für die Anordnung der ‚Vorbeugungshaft‘ gegen Sittlichkeitsverbrecher war seit Februar 1934 nur eine Vorstrafe aufgrund eines Sexualdelikts notwendig. Bei der ‚Aktion Arbeitsscheu Reich‘ im Juni 1938 konnten Jüdinnen und Juden, die vorher eine Freiheitsstrafe von einen Monat verbüßt hatten, in ‚Vorbeugungshaft‘ genommen werden. Erlaß des Chefs der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes Reinhard Heydrich an die Kriminalpolizeistellen, 01.06.1938, in: Ayaß (1998, S. 134 f.).
 
18
Das gilt auch für ihre historischen Vorläufer (Hörath 2017, S. 106 ff., 216 ff., 2020, S. 390 ff.).
 
19
Frauen verloren 1933 die Zulassung zum Richteramt und durften nicht mehr Anwältin werden.
 
20
https://​ns-geschichte-institutionen-menschenrechte.​de/​seminarmodule.​html. Zugegriffen: 18.08.2020; https://​www.​facebook.​com/​DachauMemorial/​videos/​911844729284027/​. Zugegriffen: 17.08.2020. Für weitere Fallbeispiele vgl. Amesberger et al. (2019, S. 231 ff.); Hörath (2017, S. 245 ff.); Köchl (2016, S. 88 ff.). Eine entsprechende Quellensammlung liegt leider noch nicht vor.
 
21
In besonderen Fällen kann es auch ein ‚Schutzhaftbefehl‘ oder ein Einweisungsbeschluss gemäß § 20 Reichsfürsorgepflichtverordnung sein (Hörath 2017, S. 89 ff.).
 
22
Auf die Unanfechtbarkeit der ‚Vorbeugungshaft‘ müsste seitens der Pädagog*innen verwiesen werden, da sie nicht aus einem einzelnen ‚Vorbeugungshaftverfahren‘ abzuleiten ist.
 
23
„Grunderlass Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“, 14.12.1937, in: Ayaß (1998, S. 94 ff.); Durchführungsrichtlinie zum „Grunderlass Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“, in: ebd., S. 124 ff.; Heindl (1926, S. 140 ff., 160 ff.).
 
Literatur
Zurück zum Zitat Amesberger, Helga, Brigitte Halbmayr und Elke Rajal. 2019. „Arbeitsscheu und moralisch verkommen“. Verfolgung von Frauen als „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Wien: Mandelbaum. Amesberger, Helga, Brigitte Halbmayr und Elke Rajal. 2019. „Arbeitsscheu und moralisch verkommen“. Verfolgung von Frauen als „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Wien: Mandelbaum.
Zurück zum Zitat Axter, Felix, und Nikolas Lelle, Hrsg. 2018. „Deutsche Arbeit“. Kritische Perspektiven auf ein ideologisches Selbstbild, Bd. 2. Studien zu Ressentiments in Geschichte und Gegenwart. Göttingen: Wallstein. Axter, Felix, und Nikolas Lelle, Hrsg. 2018. „Deutsche Arbeit“. Kritische Perspektiven auf ein ideologisches Selbstbild, Bd. 2. Studien zu Ressentiments in Geschichte und Gegenwart. Göttingen: Wallstein.
Zurück zum Zitat Ayaß, Wolfgang. 1995. „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Stuttgart: Klett-Cotta. Ayaß, Wolfgang. 1995. „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Stuttgart: Klett-Cotta.
Zurück zum Zitat Ayaß, Wolfgang. Bearb. 1998. „Gemeinschaftsfremde“. Quellen zur Verfolgung von „Asozialen“ 1933–1945. Materialien aus dem Bundesarchiv, Bd. 5. Koblenz: Bundesarchiv. Ayaß, Wolfgang. Bearb. 1998. „Gemeinschaftsfremde“. Quellen zur Verfolgung von „Asozialen“ 1933–1945. Materialien aus dem Bundesarchiv, Bd. 5. Koblenz: Bundesarchiv.
Zurück zum Zitat Gruchmann, Lothar. 1988. Justiz im „Dritten Reich“. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner. München: Oldenbourg. Gruchmann, Lothar. 1988. Justiz im „Dritten Reich“. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner. München: Oldenbourg.
Zurück zum Zitat Heindl, Robert. 1926. Der Berufsverbrecher. Ein Beitrag zur Strafrechtsreform. Berlin: Pan-Verlag Rolf Heise. Heindl, Robert. 1926. Der Berufsverbrecher. Ein Beitrag zur Strafrechtsreform. Berlin: Pan-Verlag Rolf Heise.
Zurück zum Zitat Hörath, Julia. 2014a. Leistungsbereitschaft, „Nichtarbeit“, Ausschluss. Die Verhängung von KZ-Haft gegen „Arbeitsscheue“ 1933 bis 1937/38. Einsicht. Bulletin des Fritz Bauer Instituts 6 (12): 28–33. Hörath, Julia. 2014a. Leistungsbereitschaft, „Nichtarbeit“, Ausschluss. Die Verhängung von KZ-Haft gegen „Arbeitsscheue“ 1933 bis 1937/38. Einsicht. Bulletin des Fritz Bauer Instituts 6 (12): 28–33.
Zurück zum Zitat Hörath, Julia. 2014b. „Arbeitsscheue Volksgenossen“. Leistungsbereitschaft als Kriterium der Inklusion und Exklusion. In Arbeit im Nationalsozialismus, Hrsg. Marc Buggeln und Michael Wildt, 309–328. München: de Gruyter. Hörath, Julia. 2014b. „Arbeitsscheue Volksgenossen“. Leistungsbereitschaft als Kriterium der Inklusion und Exklusion. In Arbeit im Nationalsozialismus, Hrsg. Marc Buggeln und Michael Wildt, 309–328. München: de Gruyter.
Zurück zum Zitat Hörath, Julia. 2017. „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938. Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 222. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Hörath, Julia. 2017. „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ in den Konzentrationslagern 1933 bis 1938. Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd. 222. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Zurück zum Zitat Hörath, Julia. 2019. Prostituiertenverfolgung in Bremen 1933–1939. Ein maßnahmenstaatliches Experiment. Geschichte und Gesellschaft 4: 597–627.CrossRef Hörath, Julia. 2019. Prostituiertenverfolgung in Bremen 1933–1939. Ein maßnahmenstaatliches Experiment. Geschichte und Gesellschaft 4: 597–627.CrossRef
Zurück zum Zitat Hörath, Julia. 2020. Zuhälter im Visier der Kriminalpolizei. „Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ im Reich und in Bremen 1933 bis 1938. Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 3: 375–406.CrossRef Hörath, Julia. 2020. Zuhälter im Visier der Kriminalpolizei. „Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ im Reich und in Bremen 1933 bis 1938. Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 3: 375–406.CrossRef
Zurück zum Zitat Köchl, Sylvia. 2016. „Das Bedürfnis nach gerechter Sühne“. Wege von „Berufsverbrecherinnen“ in das Konzentrationslager Ravensbrück. Wien: Mandelbaum. Köchl, Sylvia. 2016. „Das Bedürfnis nach gerechter Sühne“. Wege von „Berufsverbrecherinnen“ in das Konzentrationslager Ravensbrück. Wien: Mandelbaum.
Zurück zum Zitat Kranebitter, Andreas. 2018. Der „Kampf gegen das Verbrechertum“ im nationalsozialistischen Österreich. Die Kriminalpolizei und die Radikalisierung der NS-Verfolgungspolitik nach 1938. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 29 (1): 148–179. Kranebitter, Andreas. 2018. Der „Kampf gegen das Verbrechertum“ im nationalsozialistischen Österreich. Die Kriminalpolizei und die Radikalisierung der NS-Verfolgungspolitik nach 1938. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 29 (1): 148–179.
Zurück zum Zitat Lieske, Dagmar. 2019. Von „Gemeingefährlichen“, „Sittlichkeitsverbrechern“ und „Geschändeten“. Die Verfolgung von sexuellem Kindesmissbrauch im Nationalsozialismus. In Zucht und Ordnung. Gewalt gegen Kinder in historischer Perspektive. Hrsg. Stefan Grüner und Markus Raasch, S. 403–431, Berlin: Duncker & Humblot. Lieske, Dagmar. 2019. Von „Gemeingefährlichen“, „Sittlichkeitsverbrechern“ und „Geschändeten“. Die Verfolgung von sexuellem Kindesmissbrauch im Nationalsozialismus. In Zucht und Ordnung. Gewalt gegen Kinder in historischer Perspektive. Hrsg. Stefan Grüner und Markus Raasch, S. 403–431, Berlin: Duncker & Humblot.
Zurück zum Zitat Müller, Christian. 2004. Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat. Psychiatrie, Kriminologie und Strafrechtsreform in Deutschland 1871–1933. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Müller, Christian. 2004. Verbrechensbekämpfung im Anstaltsstaat. Psychiatrie, Kriminologie und Strafrechtsreform in Deutschland 1871–1933. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Zurück zum Zitat Roxin, Claus. 2006. Grundlagen. Der Aufbau der Verbrechenslehre. Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, München: Beck. Roxin, Claus. 2006. Grundlagen. Der Aufbau der Verbrechenslehre. Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, München: Beck.
Zurück zum Zitat Schikorra, Christa. 2001. Kontinuitäten der Ausgrenzung. „Asoziale“ Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Berlin: Metropol. Schikorra, Christa. 2001. Kontinuitäten der Ausgrenzung. „Asoziale“ Häftlinge im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück. Berlin: Metropol.
Zurück zum Zitat Wachsmann, Nikolaus. 2004. Hitler’s Prisons. Legal Terror in Nazi Germany. New Haven: Yale University Press. Wachsmann, Nikolaus. 2004. Hitler’s Prisons. Legal Terror in Nazi Germany. New Haven: Yale University Press.
Zurück zum Zitat Wagner, Patrick. 1996. Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Konzeption und Praxis der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 34. Hamburg: Hans Christians. Wagner, Patrick. 1996. Volksgemeinschaft ohne Verbrecher. Konzeption und Praxis der Kriminalpolizei in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus. Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, Bd. 34. Hamburg: Hans Christians.
Metadaten
Titel
Zielgruppen und Unrechtscharakter der ‚vorbeugenden Verbrechensbekämpfung‘ im Nationalsozialismus
verfasst von
Julia Hörath
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-32449-0_2