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Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 4/2017

Open Access 25.04.2017 | Schwerpunkt

„Züri wie neu“: Public Value von Online-Partizipation

verfasst von: Gabriel Abu-Tayeh, Edy Portmann, Matthias Stürmer

Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 4/2017

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Zusammenfassung

Der Public Value berücksichtigt neben den herkömmlichen Zielsetzungen Effizienz und Effektivität auch soziale Faktoren aus der Sicht der Bevölkerung. Bisher haben jedoch nur wenige Studien gemessen, wie die Bevölkerung den Wert von Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt; in der Regel wird der potentielle Nutzen solcher Dienstleistungen nur im Voraus prognostiziert, da der Wert auf Grundlage von Expertenmeinungen bemessen wird. Diese Forschungslücke schließen wir, indem wir mittels Fragebögen (n = 738 Teilnehmer) exemplarisch den wahrgenommenen Nutzen der Open-Government-Initiative „Züri wie neu“ für die Bevölkerung evaluieren. Über diese Plattform können BürgerInnen der Stadt Zürich mit einer einfach zu bedienenden Web- bzw. mobilen Anwendung Schäden und Mängel bei der Infrastruktur melden.
Wie die Auswertung zeigt, bewerten die Teilnehmenden bei der Interaktion mit dem Service besonders den Zeitgewinn (d. h. Effizienz), den Komfort und die Kommunikation (beides Effektivität) positiv. Überdurchschnittlich hohe Werte zeigen sich aber auch bei der Bildung von Vertrauen in die Verwaltung, der wahrgenommenen eigenen Informiertheit und dem Gefühl partizipativ in Entscheidungsfindungen (alles soziale Werte) beteiligt zu sein. Dies zeigt, dass Faktoren für Effizienz und Effektivität aus Sicht der Bevölkerung nicht das gesamte Wertespektrum von Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung abbilden können sondern auch soziale Vorteile relevant sind.

1 Von Kosteneffizienz zum Gemeinwohl

Ansätze aus dem Public Management, die den Erfolg von Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung (bspw. Online-Partizipation) messen, konzentrieren sich stark auf Messgrößen für Kosteneffizienz. Um dieser Eindimensionalität entgegenzuwirken, wurden in Ansätzen des New Public Management auch Faktoren für Effektivität einbezogen, um öffentliche Organisationen in ähnlicher Weise führen zu können wie private Organisationen (Bryson et al. 2014). Doch auch Messgrößen für Effizienz und Effektivität zusammen können nicht das breite Spektrum sozialer Werte erfassen, die die Bevölkerung von der öffentlichen Verwaltung erwartet und dort im besten Fall auch vorfindet (Meynhardt 2009). Nicht minder wichtig für die Evaluation von Dienstleistungen im öffentlichen Sektor sind etwa die Vertrauenswürdigkeit der öffentlichen Verwaltung in den Augen der BürgerInnen oder die Herstellung sozialer Gleichheit. Darum folgen wir in unserer Forschung zu Online-Partizipation im öffentlichen Sektor dem Public-Value-Ansatz, der ursprünglich von dem Harvard-Verwaltungswissenschaftler Mark Moore entwickelt wurde und auf eine ganzheitlichere Analyse des Gemeinwohls abzielt (Moore 1995).
Wir untersuchen in diesem Artikel die Frage, ob Online-Partizipation im öffentlichen Sektor von der Bevölkerung als wertvoll empfunden wird. Dies tun wir exemplarisch anhand des Open-Government-Portals „Züri wie neu“. Dabei handelt es sich um eine Software-Anwendung der Stadt Zürich, mit der die Bevölkerung Schäden an der Infrastruktur direkt der Stadtverwaltung melden kann und diese dazu umgehend Stellung nimmt. Via Webanwendung oder mobile App können der Verwaltung beispielsweise Schlaglöcher in den Straßen, defekte Ampeln oder verschmutzte Parkbänke gemeldet werden (Habenstein et al. 2016). Anhand von Fragebögen (Rücklauf von 738 vollständig ausgefüllten Fragebögen) untersuchen wir empirisch, wie die Bevölkerung den Nutzen dieses Portals wahrnimmt.
Der Beitrag ist folgendermassen aufgebaut: Wir beginnen mit der Erläuterung der theoretischen Hintergründe zu Open Government (Teil 2), Partizipation im öffentlichen Sektor (Teil 3) und den Zusammenhang zwischen Effektivität, Effizienz und Public Value (Teil 4). Dann stellen wir unser Fallbeispiel „Züri wie neu“ vor (Teil 5). Anschließend beschreiben wir die Datenerhebung und präsentieren die Resultate unserer Umfrage (Teil 6). Der letzte Abschnitt behandelt die Diskussion und die Implikationen unserer Studie für andere Aktivitäten im Bereich von Online-Partizipation und Open Government sowie ihre Limitationen (Teil 7).

2 Von Max Weber zu Barack Obama

Fast ein Jahrhundert lang wurde Verwaltung mit dem Bürokratiemodell von Max Weber dargestellt. Kennzeichnend für dieses Modell ist eine starke hierarchische Struktur, in der die Bürgerinnen und Bürger dem Staat untergeordnet sind. Im Vordergrund stehen strikte Regulierungen und vordefinierte Prozessabläufe, die den Staat vor Willkür, Ungleichbehandlung und Korruption schützen (Weber 1922).
Kritisiert wurde an diesem Bürokratiemodell unter anderem, dass es die Komplexität und die Dynamiken der Umwelt nicht genügend berücksichtigen könne (Walter-Busch 1996). Dieser Kritik zufolge war das Recht – als primäres Steuerungsinstrument des Bürokratiemodells – nicht in der Lage, alle denkbaren Umweltzustände durch das Gesetz abzudecken und zu regulieren (Hilgers 2012).
Die komplexe Umweltperspektive erforderte eine stärkere Arbeitsteilung sowie eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen der Verwaltung und mit den externen Akteuren. Dies führte dazu, dass sich administrativ wahrgenommene öffentliche Aufgabenfelder der Verwaltung organisatorisch mit der Zeit verselbstständigten, privatisiert wurden und sich stärker am Markt orientierten. So wurde das klassische Bürokratiemodell in der öffentlichen Verwaltung vom New Public Management (NPM) abgelöst (Dunleavy und Hood 1994).
Das New-Public-Management-Modell unterscheidet sich vom Bürokratiemodell vor allem darin, dass sich die Orientierung vom Input- auf den Output verlagert hat (Hilgers, 2012): Die BürgerInnen werden nicht mehr als passive Untergebene gesehen, sondern als Kunden öffentlicher Leistungen (Osborne und Gaebler 1992). Entsprechend versteht die öffentliche Verwaltung sich selbst weniger als bürokratische Organisation denn als Anbieter von Dienstleistungen, der die Bedürfnisse der Bevölkerung befriedigt (Denhardt und Denhardt 2000).
Diese verstärkte Kundenorientierung und die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien führen nun dazu, dass sich die Verwaltung noch weiter öffnet (Hilgers 2012). Die neuen technologischen Mittel und Interaktionsformen bieten neue Möglichkeiten, die Bevölkerung in Verwaltungsprozesse zu integrieren und diese Prozesse partizipativer zu gestalten. Gemäß Habenstein et al. (2016) bildet dieses moderne Staatsverständnis das Fundament für die Entstehung eines Open Government, für das Barack Obama als Weltbotschafter steht (Obama 2009).
In seinem Memorandum „Transparency and Open Government“ warb der damals neu gewählte vorige Präsident der Vereinigten Staaten Barack Obama für eine Öffnung von Regierung und Verwaltung1. Als zentrale Elemente von Open Government benennt er Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit. Er sieht darin eine Möglichkeit, das öffentliche Vertrauen in den Staat und die Zusammenarbeit mit dem Volk zu stärken. Ziel dieser neuen Regierungsform ist, die Demokratie zu fördern und die Regierung auf ein neues Level zu heben und zugleich effizienter zu machen.

3 Gründe für Partizipation im öffentlichen Sektor

Die angestrebten Formen von Wissenstransfer, Innovation und Kooperation werden durch das Internet und die sozialen Medien, durch Netzwerkplattformen und andere Portale ermöglicht (Collins 2009). Der Staat übernimmt in der Umsetzung von Open Government zwei verschiedene Rollen: Zum einen bietet er Dienstleistungen für seine Bürger an; zum anderen ist er dafür verantwortlich, dass alle Akteure, die in den politischen Prozess zu integrieren sind, auch tatsächlich zur Teilnahme ermutigt werden (Hilgers 2012).
Unabhängig von den verwendeten Mitteln gibt es nach Fiorino (1990) drei zentrale Argumente dafür, die Bevölkerung im öffentlichen Sektor stärker partizipativ einzubinden:
  • ein normatives,
  • ein substantielles und
  • ein instrumentelles Argument.
Die normative Begründung bezieht sich auf das demokratische Ideal, dass die BürgerInnen die besten Experten sind in Entscheidungsfindungen, weil dies ihr eigenes Leben betrifft. Die substantielle Begründung leitet sich daraus ab, dass Laienurteile über Risiken ebenso gut sein können wie Expertenbeurteilungen. Laienurteile haben gegenüber systematischen Expertenurteilen vor allem dann einen Vorteil, wenn sie kontextspezifisch sind und die Wirkungen der Entscheide von den Laien getragen werden müssen. Die instrumentelle Begründung für den Einbezug der Betroffenen ergibt sich aus der grundlegenden Argumentation von Public Value: Danach erhöht Partizipation die Legitimität politischer Entscheidungen und dadurch auch das Vertrauen in die Entscheidungsträger.
Eine Herausforderung dabei ist jedoch, für die Bevölkerung gleiche Möglichkeiten der Partizipation und Mitwirkung zu schaffen, wenn diese Partizipation mittels Informations- und Kommunikationstechnologie erreicht werden soll, denn nicht alle haben denselben Zugang und dieselbe Affinität zu den entsprechenden Technologien (Busch 2010).

4 Effizienz, Effektivität und Public Value

Parallel zur Eröffnung neuer Partizipationsmöglichkeiten durch die Digitalisierung wird im Bereich der öffentlichen Verwaltung darüber debattiert, welche Wertekriterien für Aktivitäten im öffentlichen Sektor eigentlich gelten (sollen). Im traditionellen Public Management standen vorwiegend Größen der Kosteneffizienz im Zentrum; dies wurde jedoch von mehreren Autoren kritisiert (bspw. Cordella und Bonina 2012). Durch das unternehmerische Denken im New Public Management erweiterte sich das Spektrum um Messwerte für Effektivität (Bryson et al. 2014). Für den Verwaltungswissenschaftler Moore (1995) spielt aber bei der Bewertung von öffentlichen Arbeiten eine ebenso wichtige Rolle, inwieweit sie soziale Gleichheit schaffen oder die Werte der Demokratie wahren. Im Kern geht es hier also um die Frage, was denn die Aufgabe von Entscheidungsträgern im öffentlichen Sektor ist (Stoker 2006).
Der Public Value bezeichnet den Wert, den die Gesellschaft (bspw. staatlichen) Handlungen beimisst. Da das Wertespektrum von Individuen und der Gesellschaft, die sie bilden, über rein monetäre und effizienzbezogene Aspekte hinausgeht, spiegelt dieses Konstrukt auch ein ganzheitlicheres Wertespektrum wider. Public Value gibt den Wert an, der durch öffentliche Dienstleistungen und Produkte geschaffen wird (Moore 1995). Dieser Wert wird aber nicht aus organisationaler Sicht mittels statistischer Modelle, Kosteneffizienzanalysen oder Kosten-Nutzen-Berechnungen gemessen, sondern von den Individuen selbst angegeben (Meynhardt 2009). Bei diesem Ansatz wechseln also nicht nur die Methoden der Bewertung, sondern auch die Akteure: Während es im New Public Management vorwiegend Experten sind, die öffentliche Aktivitäten bewerten, wird beim Public-Value-Ansatz mittels partizipativer und konsultativer Verfahren die Bevölkerung beigezogen (Moore 1995).
Obwohl der Ansatz des Public Value bereits seit 1995 existiert, gibt es bislang kaum empirische Arbeiten, die Public Value operationalisieren und messen. Vor diesem Hintergrund haben Scott et al. (2015) einen Fragebogen als Bewertungsinstrument entwickelt. Damit bewerten sie in ihrer Studie aber Informationsseiten zu Steuern, Einwohnerdiensten etc., nicht partizipative Prozesse des öffentlichen Sektors (Scott et al. 2015).
Unsere Studie baut auf dieser Arbeit auf: Wir verwenden die Items von Scott et al. (2015), um mithilfe einfacher Fragebogenmethodik den Public Value von Online-Partizipation zu messen. Dies tun wir exemplarisch anhand eines laufenden Open-Government-Projekts.

5 Das Fallbeispiel: „Züri wie neu“

„Züri wie neu“ ist eine Open-Government-Plattform der Stadt Zürich, die die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Bevölkerung intensivieren und fördern soll (Stürmer und Ritz 2014). Es handelt sich dabei um ein Siegerprojekt des Ideenwettbewerbs zum Legislaturschwerpunkt „eZürich“2, wobei die gleiche Idee bereits in anderen Städten umgesetzt wurde oder mittlerweile umgesetzt wird3. Die Idee des Projekts ist, dass die Zürcher Bevölkerung Mängel und Schäden, die sie an der städtischen Infrastruktur feststellt, via Smartphone-App oder Webanwendung4 direkt und unkompliziert der Stadt melden kann. Das kann unterschiedlichste Mängel betreffen, beispielsweise Schlaglöcher in Straßen, defekte Lichtinstallationen, Tierkadaver oder Beschädigungen durch Vandalismus. Vom Start des Projekts im April 2013 bis zum Dezember 2016 gingen auf der Internetplattform an die 10.000 Meldungen ein, das entspricht zirka sieben Benachrichtigungen pro Tag; die Tendenz ist steigend.5
Eine Meldung bei „Züri wie neu“ abzugeben ist einfach: Entweder man öffnet die Webanwendung www.​zueriwieneu.​ch, trägt dort die Schadensmeldung inklusive eines Fotos ein, platziert einen Zeiger auf der Stadtkarte, um den Standort anzugeben, und schickt das Formular ab. Oder man startet die iPhone- oder Android-App „Züri wie neu“, fotografiert den betreffenden Mangel, fügt eine kurze Beschreibung hinzu und übermittelt der Stadtverwaltung die Meldung mit einer GPS Angabe des Standorts. In beiden Fällen müssen E‑Mail-Adresse und Telefonnummer in das Meldeformular eintragen werden. Die persönlichen Daten werden nur stadtintern für etwaige Rückfragen erfasst, sie werden weder an Dritte weitergegeben noch veröffentlicht. Außerdem muss jeweils die Schadenskategorie (Signalisation, Beleuchtung, Graffiti, Grünflächen etc.) angegeben werden, damit die Meldung möglichst rasch der jeweils zuständigen Behördenstelle zugestellt werden kann.
Wenn die Meldung bei der Züricher Stadtverwaltung eingeht, wird dort zunächst geprüft, ob die inhaltlichen Vorgaben (keine Verbesserungsvorschläge, keine diffamierenden Äußerungen etc.) eingehalten wurden. Dann wird sie innerhalb eines Arbeitstags an die zuständige Stelle weitergeleitet, die sich um die inhaltliche Bearbeitung kümmert. Diese Stelle geht das Problem innerhalb von fünf Arbeitstagen an und gibt dann dem Absender der Meldung ein Feedback6. Daneben werden alle Meldungen auch öffentlich zugängig gemacht und auf einer Karte eingetragen (siehe Abb. 1). Ein genaues Datum der Mängelbehebung wird nicht immer angeboten, da die verschiedenen zuständigen Stellen weitgehend autonom in der Formulierung der Antworten und im Streben nach erhöhter Präzision sind. Auch weil die Anforderungen und Umstände in der Mängelbehebung sehr unterschiedlich sind. Beispielsweise müssen Beschädigungen an der Beleuchtung möglichst schnell repariert werden, der Abfall wird auf der regulären Tour entsorgt und Graffitis stehen hingegen oftmals auf privatem Grund. In Abb. 2 ist eine beispielhafte Antwort der Stadtverwaltung zu sehen.
Der Nutzen des Projekts ist ein doppelter: Einerseits kann die Bevölkerung auf einfache Art und Weise einen Betrag zur städtischen Infrastruktur leisten. Andererseits erhält die Stadtverwaltung Unterstützung bei der Feststellung von Mängeln7.
Nachdem in der Konzeptphase mithilfe von Experteninterviews alle wichtigen Fragen bezüglich Aufwand, Technik und Organisation der Online-Plattform geklärt worden waren, wählte die Stadt Zürich für die Umsetzung einen Partner aus Großbritannien: Die Organisation mySociety8, die bereits erfolgreich eine eigene Open-Source-Plattform namens FixMyStreet9 realisiert hatte, erfüllte mit ihrer Lösung alle Anforderungen der Stadt Zürich (Gees 2013; Habenstein et al. 2016). Aufgrund der positiven Rückmeldungen der Bevölkerung und der Medien entschied der Stadtrat nach Abschluss der Pilotphase im Jahr 2014, das Projekt in den Regelbetrieb zu überführen. Insgesamt erwies sich das eingeführte Mängelmeldeportals als großer Erfolg, denn es hat nicht nur die Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und der Bevölkerung intensiviert, sondern leistet auch einen wichtigen Beitrag zu einer intakten Infrastruktur und einer sauberen Stadt.

6 Ergebnisse der Umfrage

An 2613 Benutzer von „Züri wie neu“ wurde ein Online-Fragebogen per Email versendet. Dabei wurden Fragen zu der Qualität, dem Nutzen, der Motivation der Teilnehmenden und demografische Merkmale gestellt. Bis zum Stichtag im Sommer 2016 gingen 738 vollständig ausgefüllte Fragebögen ein. Die für den Public Value relevanten Fragen sind nachfolgend aufgelistet, wobei die Fragen in die Konstrukte Zeitgewinn, Komfort, Kommunikation, Informiertheit, Partizipation und Vertrauen unterteilt sind. Die Items sind in Anlehnung an Scott et al. (2015) formuliert worden (Tab. 1).
Tab. 1
Items zur Evaluation von Public Value
Zeitgewinn
„Züri wie neu“ spart mir Zeit
Mit „Züri wie neu“ erhalte ich schneller Antwort als über herkömmliche Meldeverfahren
Mit „Züri wie neu“ bekomme ich Dinge schneller geregelt
Dank „Züri wie neu“ kann ich den direkten Kontakt mit der Verwaltung vermeiden
Komfort
Es ist mir wichtig, dass die Benutzung von „Züri wie neu“ jederzeit möglich ist
Es ist mir wichtig, dass der Zugriff auf „Züri wie neu“ von überall möglich ist
„Züri wie neu“ ist so flexibel, dass ich nicht von anderen Tätigkeiten abgehalten werde
Kommunikation
„Züri wie neu“
Ermöglicht eine effiziente Kommunikation mit der Stadt Zürich
Ist eine gute Möglichkeit, mit der Stadt Zürich zu kommunizieren
Ist eine zielgerichtete Weise, um mit der Stadt Zürich zu kommunizieren
Informiertheit
„Züri wie neu“
Verbessert mein Verständnis für die Dienstleistungen der Stadt Zürich
Erhöht mein Wissen zu Themen, die mir wichtig sind
Erlaubt mir, auf verschiedene Bedürfnisse Antworten zu erhalten
Partizipation
„Züri wie neu“
Erlaubt mir, Einfluss zu nehmen auf Dinge, die mir wichtig sind
Verstärkt mein Gefühl, Teil einer aktiven Demokratie zu sein
Gibt mir das Gefühl, dass Entscheidungsträger mich anhören
Gibt mir das Gefühl, dass ich bei wichtigen Angelegenheiten gefragt werde
Vertrauen
„Züri wie neu“ dient dem Interesse der Bevölkerung
„Züri wie neu“ benutze ich gerne, weil meine Anfragen effizient bearbeitet werden
Ich kann mich immer auf „Züri wie neu“ verlassen
Ich verlasse mich darauf, dass „Züri wie neu“ seinen Zweck erfüllt
Die Abb. 34 und 5 im Anhang veranschaulichen die Resultate der Umfrage: Der rote Bereich links zeigt jeweils die Antworten, die eine geringe Übereinstimmung mit dem betreffenden Item angeben, der grüne Bereich rechts repräsentiert eine hohe Übereinstimmung mit dem Item. Insgesamt lässt bereits das überdurchschnittliche Vorhandenseins von Zustimmung darauf schliessen, dass die Teilnehmenden die Anwendung als wertvoll einstufen.
Die Auswertung ergab überdurchschnittlich hohe Zustimmungswerte bei Zeitgewinn (Effizienz), Komfort und Kommunikation (beides Effektivität), aber auch bei der Bildung von Vertrauen in die Verwaltung, der wahrgenommenen eigenen Informiertheit und dem Gefühl, an wichtigen Entscheidungen zu partizipieren (alles soziale Werte). Unsere Umfrage bietet somit einen weiteren Beleg, dass Online-Partizipation Public Value kreiert.
Dem Public-Value-Ansatz entspricht besonders das Ergebnis, dass die Befragten Online-Partizipation als etwas ansehen, was der Bevölkerung zugutekommt. Sie nehmen diese Form der Beteiligung also nicht so wahr, dass der Staat die Bürger als Informationsgeber missbraucht, sondern sie betrachten sie als Dienstleistung für die Bevölkerung. Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass „Züri wie neu“ nach Ansicht der meisten Befragten seinen Zweck tatsächlich erfüllt.

7 Diskussion: Implikationen und Limitationen der Ergebnisse

In der Einleitung haben wir die Frage gestellt, ob Online-Partizipation im öffentlichen Sektor von der Bevölkerung als wertvoll empfunden wird. Dies können wir anhand der theoretischen Erarbeitung und der empirischen Resultate der Umfrage klar bestätigen. Dass die BürgerInnen dabei die Faktoren für Effektivität und Effizienz sehr positiv bewerten, ist nicht überraschend. Es könnte vor allem daran liegen, dass die Bevölkerung sich aufgrund des föderalistischen Systems der Schweiz oft nicht darüber im Klaren ist, an wen sie sich mit welchem Problem wenden muss. Dann steigt eine zentrale Anlaufstelle aus ihrer Sicht die Effizienz und Effektivität erheblich.
Aus der Sicht des New Public Management könnte allerdings gefragt werden, was den Mehraufwand und die Kosten einer solchen Applikation legitimiert; schließlich kann es der öffentlichen Hand gleichgültig sein, wie effizient und effektiv die Bevölkerung infrastrukturelle Mängel melden kann. Zudem erscheint es aus dieser Perspektive kaum sinnvoll, Online-Partizipationstools für diesen Zweck zu implementieren, weil die von der Stadt Zürich bereitgestellte Infrastruktur bereits auf einem sehr hohen Niveau ist. Gerade in dieser Hinsicht ist der Public Value hilfreich: Eine ganzheitliche Evaluation dieser Maßnahme zeigt sehr deutlich, dass die Bevölkerung Online-Partizipation als wertvoll empfindet, und sie gibt Aufschluss darüber, dass ihr Nutzen vor allem darin liegt, das Vertrauen in die Stadt Zürich zu erhöhen. Vertrauen in die öffentliche Verwaltung ist insofern sehr wichtig, als andernfalls in Abstimmungen Budgets nicht bewilligt, neue Initiativen zur Kontrolle staatlicher Aktivitäten gestartet oder Personen abgewählt werden könnten (Bryson 2004). Die einzige Legitimation der öffentlichen Hand, Geld auszugeben, liegt darin, den Bedürfnissen der Bevölkerung nachzukommen (Moore 1995).
Unsere Studie hat jedoch auch gewisse Limitationen: Erstens hat die Stadt Zürich, wie schon erwähnt, bereits einen sehr hohen Standard in der Infrastruktur und verfügt über sehr detailliertes Wissen über den Zustand der Infrastruktur in der Stadt. Es ist fraglich, ob der Public Value dieser Massnahme ebenso hoch wäre, wenn sie in einer Stadt eingeführt würde, wo die Beantwortungszeit viel schlechter wäre. Zweitens bezieht sich die Maßnahme auf die Partizipation im öffentlichen Sektor in Bezug auf Schadensmeldungen, nicht Verbesserungsvorschläge. Daher erlauben die Ergebnisse keine Rückschlüsse auf Online-Partizipation in der Privatwirtschaft (bspw. Open Innovation). Drittens ist für die Schweiz ein hohes Vertrauen in die Regierung kennzeichnend. Es ist fraglich, ob der Public Value einer solchen Maßnahme in Ländern, wo die Bevölkerung weniger Vertrauen in die Regierung setzt, ähnlich hoch ausfallen würde. Viertens schließlich geht es bei Public Value nicht nur um das Wohl derjenigen, die den betreffenden Service genutzt haben, sondern um das Gemeinwohl, und das umfasst auch die BürgerInnen, die nicht über diesen Service partizipiert haben. Deshalb müssten für eine noch umfassendere Werterhebung auch Leute befragt werden, die nicht Gebrauch gemacht haben vom Mängelmeldeportal.
Und dennoch, „Züri wie neu“ zeigt auf eindrückliche Weise, dass soziale Vorteile von solchen Open Government Plattformen wichtig sind für die Bevölkerung. So kann davon ausgegangen werden, dass solche Mängelmelder und auch weitere Partizipations-Anwendungen in Zukunft immer öfter angetroffen werden.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.

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Literatur
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Metadaten
Titel
„Züri wie neu“: Public Value von Online-Partizipation
verfasst von
Gabriel Abu-Tayeh
Edy Portmann
Matthias Stürmer
Publikationsdatum
25.04.2017
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Ausgabe 4/2017
Print ISSN: 1436-3011
Elektronische ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-017-0324-3

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