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Open Access 2023 | OriginalPaper | Buchkapitel

23. Zum Schluss: Die Arche Noah aus Sicht der Seekaskoversicherung

verfasst von : Lutz Reimers-Rawcliffe

Erschienen in: Risiko im Wandel

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Risiko und Versicherungsbedarf sind durchaus keine neuen Fragestellungen. Daher wurde an dieser Stelle exemplarisch die Arche Noah als ein erstes Anwendungsbeispiel für die Seekaskoversicherung skizziert.
Man muss nicht lange suchen, um in der Bibel auf Transportvorgänge zu stoßen – von Lagerrisiken und Sonderzweigen ganz zu schweigen. Schon im 1. Buch Moses (Genesis) finden wir in Kap. 6 Noah und seine Arche.
Offensichtlich handelt es sich bei der Arche um einen als Tier- und Personentransporter genutzten Schwimmkörper. Einschlägigen Illustrationen zufolge handelt es sich um einen Vorläufer der modernen roll-on/roll-off-Transporter, weil sich die Güter (hier die transportierten Tiere) aus eigener Kraft an Bord begeben (vgl. 1. Mose, Kap. 7, Vers 16 sowie Schnorr von Carolsfeld 1860, Auszug aus der Arche).
Nehmen wir einmal an, die Arche wäre in der Schiffskaskoversicherung versichert gewesen. Ein beteiligter Versicherer hätte natürlich zunächst einmal einen heftigen Prämienzuschlag verlangt, weil es sich hier um einen unerprobten Prototyp handelte.
Dann stellt sich die erste Frage, ob die Arche unter die Binnen- oder unter die Seekaskoversicherung gefallen wäre? Das Problem ist deshalb schwierig, weil sie ja eigentlich den Berg Ararat als ein Ziel im Binnenland angesteuert hat. Ist es den Versicherungsnehmern anzulasten, dass sich durch Umstände, die sie nicht beeinflussen konnten, das Binnenland in ein Meer verwandelt hat? Liegt damit eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung vor? Oder kann man davon ausgehen, dass dem Versicherer die Umstände – nämlich eine flächendeckende Überflutung der Landmassen – zum Zeitpunkt einer möglichen Gefahranzeige ohnehin schon bekannt gewesen wären?
Eine weitere Frage ist die nach der See- und Ladungstüchtigkeit der Arche (vgl. HGB (o. J.), Art. 485). Zwar stammte der Bauplan von Gott selbst (vgl. 1. Mose, Kap. 6, Vers 14–16) und ist damit mindestens so gut wie der des Germanische Lloyd, aber es kommt auch auf die Bauausführung an, die in den Händen von nicht ausreichend qualifiziertem Personal lag (vgl. Schnorr von Carolsfeld 1860, Verkündigung der Sündflut und Archenbau). Und schließlich stellen wir in der Kaskoversicherung zu Beginn jeder Reise auch die Forderung nach ausreichender Bemannung, richtiger Beladung und ausreichender Ausrüstung des Schiffes.
Fangen wir mit der Bemannung an. Bekanntlich waren nur vier Männer im engeren Sinne an Bord nämlich Noah und seine drei Söhne (vgl. 1 Mose, Kap. 6, Vers 18). Noah war 600 Jahre alt und neigte zu alkoholischen Exzessen (vgl. 1. Mose, Kap. 9, Vers 21). Außerdem waren er und seine Söhne Bauern und Hirten, sodass man davon ausgehen muss, dass niemand in der Besatzung über eine ausreichende Qualifikation wie etwa das Schifffahrtspatent für die „große Araratfahrt“ verfügte. Nimmt man den Begriff „Bemannung“ nicht ganz so eng, könnten auch die anwesenden vier Ehefrauen in Betracht gezogen werden; leider ist von diesen – außer einer bemerkenswerten Fruchtbarkeit (vgl. 1. Mose, Kap. 10, Vers 2, 6, 21) – nichts bekannt. Es scheint, dass das erste Kriterium einer ausreichenden Bemannung somit verletzt ist.
Das zweite Kriterium ist die richtige Beladung des Schiffes. Wir erinnern uns, dass die Ladung aus lebendigen Tieren bestand. Das Schiff hatte zwar zwei Zwischendecks (vgl. 1. Mose, Kap. 6, Vers 17), aber die von Gott stammende Bauanleitung gibt keine Hinweise auf Trennwände, sodass man annehmen muss, dass sie nicht vorhanden waren. Damit war eine sachgemäße Verstauung der Tiere nicht möglich. Man muss vielmehr davon ausgehen, dass sie frei beweglich waren und im Falle einer Schlagseite des Schiffes ein Ungleichgewicht noch vergrößert hätten. Verrutschende Ladung ist eine häufige Ursache für das Sinken von Frachtschiffen.
Das dritte Kriterium ist die ausreichende Ausrüstung des Schiffes. Das Navigationssystem war ja eher beschränkt; die Entfernung zum Land stellte man durch Fliegenlassen von Raben und Tauben fest (vgl. 1. Mose, Kap. 8, Vers 6–11). Zur Ausrüstung gehört aber auch die Bordverpflegung. Auf diesem Gebiet kam es zu Problemen, weil Gott zwar 40 Tage und Nächte Regen angekündigt, aber nicht erwähnt hatte, dass das Wasser weitere 200 Tage zum Ablaufen brauchen würde (vgl. 1. Mose, Kap. 8, Vers 3ff.). Es herrschte also bald Hunger an Bord der Arche. Nach einer apokryphen Schrift, die nicht Eingang in den Bibelkanon gefunden hat, soll nach einer überraschend reichlichen Mahlzeit Noahs jüngster Sohn gebeichtet haben:
„Dad, wir haben gerade Einhornfleisch gegessen. Aber mach dir keine Sorgen, dem Weibchen geht es gut, wir haben nur das Männchen geschlachtet.“
Noah wurde in diesem Moment klar, dass er und seine Frau ihre Aufklärungspflichten vernachlässigt hatten, aber sie konnten zum Glück das Aussterben weiterer Tierarten verhindern.
Fassen wir zusammen: Die Arche war nicht seetüchtig. Dass Noah trotzdem mit ihr in See stach bzw. die See zur Arche kam, lässt sich nur durch „Höhere Gewalt“ rechtfertigen. Der Begriff scheint hier wie nirgendwo sonst angebracht zu sein.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Metadaten
Titel
Zum Schluss: Die Arche Noah aus Sicht der Seekaskoversicherung
verfasst von
Lutz Reimers-Rawcliffe
Copyright-Jahr
2023
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-37071-8_23