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2016 | Buch

Zwischen Internationalismus und Staatsräson

Der Streit um den Nahostkonflikt in der Partei DIE LINKE

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Über dieses Buch

Leandros Fischer legt mit diesem Buch die erste umfangreiche wissenschaftliche Arbeit zur Haltung der Partei DIE LINKE zur kontroversen Frage „Nahostkonflikt“ vor. Gleichzeitig leistet er einen innovativen parteisoziologischen Beitrag zur Erforschung des Innenlebens der Partei. Entgegen des medial-vermittelten Bildes eines Streits zwischen östlichen „Reformern“ und westlichen „Fundis“ greift der Autor die untersuchte Auseinandersetzung als Epiphänomen der Gegensätze zwischen unterschiedlichen politischen Sozialisationen, politischen Lernprozessen und politisch-kulturellen Milieus auf, sowie als Resultat des Prozesses der Institutionalisierung und Herausbildung der kollektiven Identität einer relativ neuen Partei.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Chapter 1. Einleitung
Zusammenfassung
Diesen Beschluss, der den Namen „Entschieden gegen Antisemitismus“ trug, erließ die Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE am 7. Juni 2011. Die Umstände seiner Verabschiedung wurden als kontrovers bezeichnet. Mehrere Abgeordnete boykottierten die Abstimmung, während andere Stellungnahmen veröffentlichten, in denen sie sich von ihm distanzierten.
Leandros Fischer
Chapter 2. Theoretische Grundlagen
Zusammenfassung
Die Partei, die den Gegenstand dieser Untersuchung bildet, ist von besonderen Eigenschaften gekennzeichnet. Eine kritische Masse von Literatur existiert bis jetzt über die LINKE. Diese erstreckt sich von extremismustheoretischen Abhandlungen (Jesse/Lang 2008) bis hin zu Sammelbänden aus dem Umfeld der Partei (Brie/Hildebrandt 2006, Brie/Hildebrandt/Meuche-Mäker 2007) und kritischen Werken aus linker Sicht (Fülberth 2009).
Leandros Fischer
Chapter 3. Die Ursprunge des Nahostkonfliktes
Zusammenfassung
Die Entstehung des politischen Zionismus ist der letzten Welle des Nationalismus im Osteuropa des späten 19. Jahrhunderts zu verdanken (Sand 2009: 252). Die Rahmenbedingungen dafür entsprangen der veränderten Lage, die die identitätsherausfordernden Prozesse der Säkularisierung nach der Französischen Revolution für die Juden Europas hervorgerufen hatten.
Leandros Fischer
Chapter 4. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen: Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus
Zusammenfassung
Jenseits des Wesens des andauernden Israel-Palästina-Konfliktes soll hier auch die Bedeutung allgemeingesellschaftlicher Rahmenbedingungen für die Gestaltung der innerlinken Diskussion zum Nahen Osten hervorgehoben werden. Diese vom Parteiensystem und von der Geschichte der politischen Linken unabhängigen Faktoren sind einerseits der Antisemitismus, andererseits die in den letzten Jahren angewachsene antimuslimische Stimmung innerhalb der deutschen Gesellschaft. Dargelegt werden sollen hier die aktuelle Ausformung beider Phänomene sowie ihre Interaktion miteinander und mit der Wahrnehmung des Nahostkonfliktes.
Leandros Fischer
Chapter 5. Methodik der empirischen Datenerhebung
Zusammenfassung
Die empirische Datenerhebung dieser Studie basiert auf einem Triangulationsverfahren, das mehr als eine Erhebungsmethode beinhaltet. Die Darstellung der historischen Ausformung des aufgezeichneten Bewegungsfeldes gründet z. B. auf der Herangehensweise einer „Geschichte von unten“, die vor allem in wichtigen historischen Werken wie E. P. Thomsons The Making of the English Working Class (1965) sowie Howard Zinns A People’s History of the United States (2003) popularisiert wurde.
Leandros Fischer
Chapter 6. Linke und Nahostkonflikt vor 1948
Zusammenfassung
Eine Nachzeichnung des Verhältnisses der Arbeiterbewegung, der Sozialdemokratie, der KPD sowie der DDR und der Sowjetunion zum Antisemitismus, zum Zionismus und zum Nahostkonflikt ist von großer Bedeutung, aus zwei wichtigen Gründen. Zum einen erhebt die zu untersuchende Partei den Anspruch, die gegenwärtige politische Erbin einer Reihe von Traditionen der historischen Linken in Deutschland zu sein. („DIE LINKE knüpft an linksdemokratische Positionen und Traditionen aus der sozialistischen, sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiterbewegung sowie aus feministischen und anderen emanzipatorischen Bewegungen an. Wir bündeln politische Erfahrungen aus der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland“ (DIE LINKE 2011: 9).) Dazu gehört nicht nur die klassische Sozialdemokratie, sondern auch die kommunistische Linke, die bis 1990 in der DDR einen Staat führte und eine Außenpolitik betrieb.
Leandros Fischer
Chapter 7. Das Zeitalter des Antiimperialismus
Zusammenfassung
Zweifelsohne bildet die Konfrontation der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion das wichtigste Merkmal der bipolaren Weltordnung nach 1945. Das atomare Gleichgewicht des Schreckens verfestigte die Teilung Deutschlands, Europas und der Welt. Der von den USA maßgeblich subventionierte wirtschaftliche Aufschwung Westeuropas (Panitch/Gindin 2012: 96 ff.) führte gleichzeitig zu einer dramatischen Abmilderung sozialer Widersprüche und zur Verfestigung eines sozialpartnerschaftlichen Konsenses innerhalb westeuropäischer Staaten. Die vom Kalten Krieg versursachte Pattsituation erweiterte auch den Spielraum für antikoloniale Bewegungen der sogenannten „Dritten Welt“.
Leandros Fischer
Chapter 8. Die Ära der Zweistaatenlösung
Zusammenfassung
Das Jahr 1975 kann als der Anfang vom Ende des Aufbruchs von 1968 aufgefasst werden. Der Vietnamkrieg, das internationale Schlüsselereignis dieser Ära, endete mit einem Sieg Nordvietnams. Dies und ähnliche Ereignisse im südlichen Afrika markierten nicht selten das Ende entsprechender Solidaritätsbemühungen, da „das spezifische Feld der Solidarität an Komplexität und Widersprüchlichkeit gewonnen hatte und nicht mehr so ohne weiteres in dem üblichen Freund-Feind-Schema abgehandelt werden konnte“ (Steffen 2002: 106).
Leandros Fischer
Chapter 9. Die LINKE als korporativer Akteur
Zusammenfassung
Das ohnmächtige Gefühl der Niederlage innerhalb der Linken nach 1990 erfährt ab Ende des Jahrzehnts einen gewissen Rückgang. Mehrere Gründe sind dafür verantwortlich. Die von sozialdemokratischen und grünen Parteien akzeptierte Alternativlosigkeit der neoliberalen Marktwirtschaft, ausgedrückt durch das Dogma von TINA („there is no alternative“), wird in seiner „sozialliberalen“ Variante des „Dritten Weges“ (Giddens 1999) in Deutschland von der Schröder-Regierung implementiert.
Leandros Fischer
Chapter 10. Deutsche Außenpolitik, Nahostkonflikt und Linke
Zusammenfassung
Die Haltung der LINKEN zum Nahostkonflikt lässt sich nicht ohne ihre Einbindung in das allgemeine außenpolitische Verständnis der Partei erklären. Die Linkspartei sieht sich als Partei des Völkerrechts. Gleichzeitig entspringt die LINKE unterschiedlichen historischen Traditionen ein und derselben Weltanschauung, des Marxismus, sowie einer Pluralität von Richtungen innerhalb von diesem. Bezüglich des Verhältnisses zwischen Ökonomie, Staat und Herrschaft haben sich innerhalb der marxistischen und postmarxistischen Tradition verschiedene Paradigmata historisch ausgeformt, die sich vor allem im von Lenin geprägten Begriff des Imperialismus bzw. seiner Modifizierung, Weiterentwicklung oder Verwerfung verdichteten.
Leandros Fischer
Chapter 11. Neue Bewegung(en) im Nahostkonflikt
Zusammenfassung
Bis jetzt wurden die LINKE und ihre Politik zum Nahostkonflikt vor dem Hintergrund einer dafür prägenden historischen Entwicklung vorgestellt. Gefragt wird im folgenden Abschnitt dieser Arbeit nach dem Charakter des Interaktionsverhältnisses der Partei mit der sich in den letzten Jahren exponentiell wachsenden globalen Solidaritätsbewegung zu Palästina. (Am deutlichsten zur Schau gestellt wurde eine Kluft zwischen den Erwartungen dieser Bewegung von der LINKEN einerseits und dem institutionell eingebetteten Handeln der Partei andererseits durch das berüchtigte „Toilettengate“ im November 2014.) Was ist der Charakter dieser Bewegung, was sind ihre Forderungen, ihre Strategien und Taktiken, und wo unterscheidet sie sich von den vergangenen Solidaritätsbemühungen, mit denen sich die deutsche radikale Linke von 1967 bis Ende der 80er Jahre identifizierte?
Leandros Fischer
Chapter 12. Fazit: Annäherung an die Staatsräson?
Zusammenfassung
Die Debatte zum Israel-Palästina-Konflikt innerhalb der Partei DIE LINKE ist keine Auseinandersetzung zwischen westlichen „fundamentalistischen“ „Antiimperialisten“ und östlichen „Reformern“ oder „Antideutschen“. Bei dieser Ansicht handelt es sich um nichts anderes als ein medial vermitteltes karikiertes Bild. Dass dieses so prägnant ist, hängt unmittelbar mit der Tatsache zusammen, dass das letzte großangelegte Parteiprojekt im Raum der politischen Linken in Deutschland, nämlich die Grünen, unter einem langandauernden Flügelkampf zwischen „Realos“ und „Fundis“ gelitten hat, aus dem letztendlich ein pragmatischer Institutionalismus als großer Sieger hervorging, der auch die Grünen in das besondere deutsch-israelische Verhältnis verpflichtete. Doch gibt es eine Vielfalt von Gründen, programmatische, institutionelle und historische, warum sich die Linkspartei von den Grünen unterscheidet.
Leandros Fischer
Backmatter
Metadaten
Titel
Zwischen Internationalismus und Staatsräson
verfasst von
Leandros Fischer
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-13354-2
Print ISBN
978-3-658-13353-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-13354-2