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2024 | Buch

Zwischen prometheischem Unbehagen und Automation Bias

Die Rolle von Künstlicher Intelligenz in Therapie und psychosozialer Beratung aus systemischer Sicht

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Über dieses Buch

Der Einsatz von auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Applikationen, vor allem in der Trauma-, Sucht- und Depressionstherapie, nimmt seit dem Aufkommen neuerer generativer KI-Modelle deutlich zu. Gleichzeitig ist eine steigende Nachfrage von Nutzer*innen an kommerziellen Mental Health Chatbots zu beobachten. Rund um die Uhr verfügbar und mit immer fortschreitenden kommunikativen Fähigkeiten, eröffnen diese digitalen Helfer neue Perspektiven in der psychotherapeutischen Praxis. Doch der Einsatz von KI birgt auch Risiken: Forschungen deuten darauf hin, dass ein Teil der Nutzer*innen tiefe emotionale Bindungen zu ihren virtuellen Begleitern aufbauen können – bis hin zur psychischen Abhängigkeit. Der Autor analysiert aus systemtheoretischer Sicht die dynamische Beziehung zwischen Mensch und KI, untersucht ihren Einfluss auf die therapeutische Allianz und diskutiert die weitreichenden sozialen und ethischen Implikationen, die generative KI auf einem möglichen Weg zum sozialen Akteur mit sich bringen könnte.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Der Einsatz von auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Applikationen, vor allem in der Trauma-, Sucht- und Depressionstherapie, nimmt seit dem Aufkommen neuerer linguistischer KI-Modelle deutlich zu. Gleichzeitig ist eine steigende Nachfrage von Endnutzer:innen an kommerziellen Mental Health Chatbots zu beobachten. Diese Applikationen versprechen, die Nutzer:innen emotional zu unterstützen und ihnen bei der Persönlichkeitsentwicklung und Erhaltung ihrer mentalen Gesundheit zu helfen.
Ingmar Suhr
Kapitel 2. Psychotherapie und psychosoziale Beratung
Zusammenfassung
Psychotherapie und psychosoziale Beratung sind zwei Formen der professionellen Unterstützung von Menschen in belastenden Lebenslagen oder bei psychischen Problemen. Um die Charakteristika von Psychotherapie und Beratung herauszuarbeiten, sollen die beiden Konzepte zu Beginn dieser Arbeit begrifflich erfasst werden. Diese begriffliche Klärung schafft die notwendigen Grundlagen, um in der weiteren Arbeit einen integrierten Bezug zwischen Psychotherapie und psychosozialer Beratung herstellen zu können.
Ingmar Suhr
Kapitel 3. Von der Wirksamkeit zur Wirkweise
Zusammenfassung
Psychotherapie ist eine etablierte Behandlungsform, die darauf abzielt, psychische Störungen zu lindern und das Wohlbefinden von Menschen zu verbessern. Ihre Wirkungsweise war nicht immer unstrittig. Anfang der 1950er Jahre legte Eysenck (1952) mit seiner fundamentalen Kritik an der Psychotherapie den Grundstein für eine intensive empirische Psychotherapieforschung.
Ingmar Suhr
Kapitel 4. Beziehungsfaktoren
Zusammenfassung
Die Rolle der therapeutischen Beziehung gehört zu den am häufigsten untersuchten allgemeinen Wirkfaktoren in der Psychotherapie. Forschungsergebnisse zeigen, dass Beziehungsfaktoren bis zu 30 % des Therapieerfolges ausmachen können.
Ingmar Suhr
Kapitel 5. Sprache als therapeutisches Medium
Zusammenfassung
Wie dargestellt, ist die therapeutische Beziehung ein zentraler Bestandteil jeder erfolgreichen Therapie; ihre Qualität steht in direktem Zusammenhang mit dem Therapieerfolg. Kommunikation ist die Grundvoraussetzung bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung dieser Beziehung. Sie ermöglicht es Therapeut und Klient, ein Verständnis füreinander zu entwickeln, Ziele zu formulieren und Lösungswege zu erarbeiten. Die therapeutische Kommunikation ist ein aktiver und kreativer Prozess, der von beiden Beteiligten Gestaltungskompetenz erfordert. Der Therapeut hat die Aufgabe, den Klienten in seiner Selbsterkundung und Selbstentwicklung zu unterstützen, indem er ihm hilft, seine Gedanken und Gefühle zu artikulieren und seine Erfahrungen in Worte zu fassen. Dazu gehört auch, dass der Therapeut den Klienten gerade auch in der systemischen Therapie und Beratung dazu ermutigt, seine eigenen Strategien und Wege zu finden, anstatt ihm vorgefertigte Lösungen anzubieten.
Ingmar Suhr
Kapitel 6. Von Menschen und künstlichen Entitäten – ein Exkurs
Zusammenfassung
Bevor in den folgenden Kapiteln näher auf die Potenziale und Herausforderungen von Künstlicher Intelligenz in der Psychotherapie eingegangen werden soll, lohnt sich ein Blick auf die grundlegenden Wechselwirkungen zwischen Mensch und künstlichen Entitäten. Schließlich wirft der Einsatz von scheinbar intelligenten Systemen in einem so persönlichen und zwischenmenschlichen Feld wie der Psychotherapie fundamentale Fragen auf. Es geht letztlich um das Spannungsfeld von menschlicher Intuition und künstlicher Intelligenz. Der Autor möchte daher zunächst in diesem multiperspektivischen Exkurs einzelne Facetten des komplexen Wechselverhältnisses von menschlicher und künstlicher Intelligenz im Ansatz beleuchten. In einer Art reflektorischer Einstimmung sollen bestimmte menschliche Wahrnehmungen wie Ablehnung, Vertrauen oder Zuneigung beleuchtet werden, welche die Interaktion mit KI in einem sensiblen Bereich wie der mentalen Gesundheit und Sozialität – also dem sozialen Verhalten und Empfinden der Nutzer:innen in ihrer Umwelt – mit sich bringen können.
Ingmar Suhr
Kapitel 7. KI in der Psychotherapie – Nichts als Kommunikation
Zusammenfassurng
Die Definition von Künstlicher Intelligenz (KI) stellt eine Herausforderung dar, da der Begriff eine Vielzahl von Konzepten und Technologien umfasst, die sich im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt haben. Als interdisziplinäres Phänomen vereint KI ganz unterschiedliche Perspektiven von Fachleuten aus Informatik, Neurobiologie, Psychologie, Philosophie und weiterer Disziplinen.
Ingmar Suhr
Kapitel 8. Wirksamkeit und Akzeptanz von KI-gestützten Interventionen
Zusammenfassung
Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln die besondere Relevanz von therapeutischer Allianz und des empathischen Verstehens und Kommunizierens als menschliche Beziehungsfaktoren zwischen Therapeut und Klient für eine erfolgreiche Psychotherapie dargelegt wurde, untersucht das folgende Kapitel nun, inwieweit Conversational Chatbots grundsätzlich und in welcher Form die Fähigkeit besitzen, eine Art von therapeutischer Beziehung und empathischer Kommunikation mit Klient:innen aufzubauen. Da die therapeutische Allianz und die Empathie des Therapeuten Schlüsselfaktoren für den Therapieerfolg darstellen, ist es entscheidend zu verstehen, ob KI-basierte Chatbot diese interpersonellen Fähigkeiten entwickeln bzw. glaubhaft simulieren können oder ob hier Grenzen ihrer Funktionalität bestehen. Das nachfolgende Kapitel analysiert daher die bisherigen Erkenntnisse zur Beziehungsfähigkeit von Conversational Bots und untersucht kritisch ihre Fähigkeit zur empathischen Kommunikation, um daraus im Anschluss Rückschlüsse auf ihren Einfluss auf die traditionell dyadische Beziehung von Therapeut und Klient zu ziehen.
Ingmar Suhr
Kapitel 9. Diskussion
Zusammenfassung
Conversational Bots, die auf (Large) Language Models basieren, sind in der Lage, menschliche Konversationen vielfach überzeugend zu simulieren. Diese Form von Mimikry, scheint für einen nicht unerheblichen Teil der Nutzer:innen ausreichend, um die Interaktion mit einem Conversational Bot fortzuführen und wird bei der Entwicklung von Conversational Bots entsprechend berücksichtigt. Nach Bordin setzt sich eine therapeutische Allianz aus drei Elementen zusammen: erstens, einer Vereinbarung über die therapeutischen Ziele (Goals); zweitens, einer Bestimmung von therapeutischen Aufgaben (Tasks) und drittens, dem Aufbau einer Bindung (Bonds).
Ingmar Suhr
Kapitel 10. Fazit
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit hatte das Ziel, die Rolle von KI-gestützten Systemen in der psychotherapeutischen und psychosozialen Beratung zu untersuchen und herauszuarbeiten, in welchem Maße diese Systeme Einfluss auf die etablierte therapeutische Beziehung haben könnten. Ein Hauptaugenmerk lag darauf, die Faktoren zu identifizieren, die eine erfolgreiche Psychotherapie oder Beratung begünstigen und im Anschluss zu analysieren, ob diese Wirkmechanismen auch die Interaktionen zwischen Menschen und KI-Systemen bestimmen. Zur Erklärung dieser Dynamiken wurden unterschiedliche Perspektiven eingenommen, bei denen die systemisch-konstruktivistische Perspektive einen eigenen Schwerpunkt darstellte.
Ingmar Suhr
Backmatter
Metadaten
Titel
Zwischen prometheischem Unbehagen und Automation Bias
verfasst von
Ingmar Suhr
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-46637-4
Print ISBN
978-3-658-46636-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-46637-4

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