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2015 | Buch

Demokratisierung durch Social Media?

Mediensymposium 2012

herausgegeben von: Kurt Imhof, Roger Blum, Heinz Bonfadelli, Otfried Jarren, Vinzenz Wyss

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Mediensymposium

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Über dieses Buch

Der Sammelband setzt sich kritisch mit einigen Mythen auseinander, die sich immer noch um das Internet ranken. Hierzu gehört die Vorstellung einer sich selbst erfüllenden Demokratisierung durch die schiere Existenz dieses Netzes ebenso wie der technolibertäre Mythos, der das Internet als Sphäre einer spielerischen Selbstkonstitution in Gestalt von anonymen Identitätsentwürfen in virtuellen Räumen und des Downloadens von beliebigen Inhalten beschreibt. Die Kraft dieser Mythen manifestiert sich in vehementen Widerständen gegen die vermeintliche oder faktische Zensur des Internets, das jeglicher Regulation enthoben sein soll, und in einem Kampf gegen ein Urheberrecht, das dem Zeitalter des World Wide Web nicht mehr entspräche.​

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung
Zusammenfassung
Der Anstoß für das Mediensymposium 2012 liegt in den unzähligen, vorab positiven Mythen aus den 1980er und 1990er Jahren zum vielversprechenden demokratischen Potential des Internets allgemein und der Social Media im speziellen. In einer medientechnischen Perspektive wird allein schon von der schieren Existenz dieses „Netzes aller Netze“ eine sich selbst erfüllende Demokratisierung erwartet, wobei aktuelle Stichworte wie „Piratenpartei“ oder „Blogsphäre“ in der Öffentlichkeit immer wieder zitiert werden. Interessant ist, dass solche Mythen nun auch von der PR-Kommunikation der Giganten des Web 2.0 propagiert werden. – Das erstaunliche an dieser Semantik ist nicht nur, dass sie auch als sozialwissenschaftliche Beschreibung auftritt, sondern dass weder theoretische noch empirische Einsichten nötig erscheinen, um die Demokratisierungsthese zu plausibilisieren.
Heinz Bonfadelli

Politik im Web 2.0: Angebot, Nachfrage, Wirkungen

Frontmatter
Demokratisierung durch Social Media?
Zusammenfassung
Mythen sind wichtige Forschungsgegenstände in der Geschichtsschreibung vorab in der Nationalismusforschung, sie sind elementar bei der religionssoziologischen und -ethnologischen Rekonstruktion von gemeinschaftskonstitutiven Sinnstrukturen wie von Institutionen und sie beschäftigen die Soziologie und Psychologie von Liebesbeziehungen, weil diese dazu neigen, den Zufall ihrer Genese als Fügung zu verklären. Problematisch in der Wissenschaft ist es allerdings, wenn Mythen keine Objekte der Forschung sind sondern diese anleiten. Mit einem solchen Mythos haben wir es zunächst mit dem gesellschaftspolitisch wirkmächtigen, technolibertären Mythos des Internets als Medium der Selbstkonstitution in Gestalt von spielerischen Identitätsentwürfen in virtuellen Räumen zu tun.
Kurt Imhof
Politische Diskussionen Online
Nutzer, Inhalte und Wirkung
Zusammenfassung
Der Beitrag diskutiert die Fragen nach den erwarteten und tatsächlichen Effekten politischer Online-Kommunikation im Zusammenhang mit der politischen Partizipation der Bürger. Im Zentrum stehen dabei solche Angebote, die vorrangig der Kommunikation zwischen privaten Nutzern dienen: Diskussionsforen, Chats und Blogs. Zunächst wird dargestellt, welche Erwartungen hinsichtlich der Wirkung politischer Online-Kommunikation in der Vergangenheit formuliert wurden. Im Anschluss werden die Ergebnisse zweier empirischer Studien dargestellt. Per Inhaltsanalyse wurde die Struktur von Diskussionen über politische Themen in deutschsprachigen Online-Foren untersucht.
Alexander Haas
Wer nutzt wie das „Web 2.0“ für Politik?
Der Stellenwert von Social Media in politischen Kontexten
Zusammenfassung
Ist es gerechtfertigt, Online-Medien im Allgemeinen und Social Media im Besonderen ein Demokratisierungspotenzial zuzuschreiben? Zumindest in der öffentlichen Diskussion wird ein solches Potenzial häufig unterstellt. So wurde im Kontext des „Arabischen Frühlings“ beständig darauf hingewiesen, dass nicht zuletzt Soziale Netzwerke wie facebook oder Twitter den Protestbewegungen zu ihrer Schlagkraft verhalfen, indem sie die Demonstrierenden vernetzten und mobilisierten. Aber auch in den westlichen Demokratien könnten Online-Medien politische Abläufe transparenter machen, mehr Bürger in Entscheidungsfindungsprozesse einbeziehen oder gar unmittelbar an der Entstehung von Gesetzen beteiligen – so eine gängige These, die nicht nur die Piratenparteien verfechten.
Uli Bernhard, Marco Dohle, Gerhard Vowe
Die politischen Hoffnungen des Internets
Welche Informationsformate können die Partizipation von Jugendlichen befördern?
Zusammenfassung
Wie beeinflusst die Nachrichtennutzung die politische Partizipation Jugendlicher? Auch wenn diese Frage eine beachtliche Geschichte in der Kommunikationsforschung hat, ist eine Antwort unter den heutigen Multikanal-Bedingungen und innerhalb des Sozialisationsprozesses alles andere als einfach. Es ist daher hilfreich, die gegenwärtige Situation aus der Perspektive der Mediatisierung, welche auf die Entgrenzung der Medienkommunikation verweist, zu analysieren. Wird der politische Sozialisationsprozess im Rahmen der Mediatisierung betrachtet (Delli Carpini 2004, Saxer 2012, Schulz 2014; Shehata/Strömbäck 2014), so gelangen nebst den klassischen Ma ssenmedien als Bereich der Sozialisation auch Nachrichtenquellen aus dem Internet ins Blickfeld.
Ruth Kunz, Frank Esser

Politische Kampagnen und politisches Marketing in den Social Network

Frontmatter
Durch Governance zu einer gemeinsamen Verantwortungskultur?
Regelstruktur und Nutzerbeteiligung bei ausgewählten Social Media-Anbietern im Vergleich
Zusammenfassung
Unter dem Einfluss neuer Informations- und Kommunikationstechnologien verändern sich die herkömmlichen medialen Vermittlungsstrukturen und die mit ihnen institutionalisierten Normen und Regeln. Damit ändern sich das Verständnis von Öffentlichkeit und Privatheit sowie die damit verbundenen sozialen wie rechtlichen Regelungsvorstellungen. Es stellt sich deshalb die Frage, was Social Media-Anbieter bislang intern regeln und wie diese Regelstrukturen zu bewerten sind. Dabei interessiert uns in diesem Zusammenhang, inwiefern die Nutzer in die interne Regelung der Social Media-Anbieter, insbesondere im Bereich des technischen Selbstschutzes, einbezogen werden.
Christian Wassmer, Otfried Jarren
Transparenz von Publikumspräferenzen
Social Media Monitoring und Öffentlichkeitsdynamiken in der Politik.
Zusammenfassung
Mit dem Aufkommen neuer Medien sind zwar immer auch Demokratisierungshoffnungen einhergegangen. Häufig wurden Medieninnovationen in der Vergangenheit aber, überspitzt formuliert, als Vorboten oder sogar als Auslöser eines Verfalls der politischen Kultur sehr kritisch bis zurückhaltend bewertet. Wichtige Argumente in solchen Diskursen sind eine zunehmende Unterhaltungsorientierung und Ökonomisierung der Medien (vgl. Habermas 1990, Imhof 2006) oder auch eine Fragmentierung der Öffentlichkeit (vgl. Jarren/Krotz 1998, Jarren et al. 2000, Tewksbury 2005). Im Hintergrund solcher Hoffnungen und Befürchtungen steht ein relativ stabiler normativer Bezugsrahmen, der mit der Kategorie Öffentlichkeit verbunden ist und der im Ideal einer funktionierenden Demokratie gründet (vgl. Peters 1994; Wendelin 2011).
Manuel Wendelin
Die Darstellung von Politikern auf YouTube
Die Rolle von Humor in der Politikvermittlung
Zusammenfassung
Die Entwicklung der Mediennutzung in Deutschland ist ungebrochen und scheint permanent zuzunehmen (vgl. van Eimeren/Ridder 2011). Betrachtet man die Zunahme differenzierter, dann sind es in erster Linie der audiovisuelle Bereich und Angebote im Internet, deren Nutzung zunimmt. Vor allem Videoplattformen wie YouTube und Social Network Sites (SNS) wie Facebook spielen in der Internetnutzung Heranwachsender eine zentrale Rolle (vgl. Frees/van Eimeren, 2011: 354, Wagner/Brüggen/Gebel 2009) und werden nicht nur zur Unterhaltung, sondern zunehmend auch für die tagesaktuelle Information genutzt (vgl. Busemann/Gscheidle 2011). Gerade in der Gruppe der 14-19 Jährigen ist seit einigen Jahren ein deutlicher Rückgang der Fernseh- und Radionutzung zu beobachten, die offenbar immer stärker durch die Nutzung von Internetangeboten substituiert wird (vgl. van Eimeren/Ridder 2011).
Till Keyling, Anna Kümpel, Hans-Bernd Brosius
Arabischer Frühling im Social Media-Sport?
Zur politischen Positionierung arabischer Sportler
Zusammenfassung
Der moderne Sport tritt als „Weltsport“ in Erscheinung. Denn erstens gelten Regeln der einzelnen Sportarten auf dem gesamten Globus – und werden auch von der Mehrheit des Publikums in der ganzen Welten verstanden –, zweitens finden Wettkämpfe in fast allen Sportarten als Weltmeisterschaften auf internationaler Ebene zwischen Ländern aller Kontinente statt und drittens erwecken diese Wettkämpfe als globale Medienereignisse weltweit Aufmerksamkeit (Werron 2010, Mittag/Nieland 2012: 624f., Rivenburgh 2002). Deshalb ist der Sport ein Brückenbauer zwischen Regionen und Nationen ebenso wie zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen (vgl. Ludwig/Nieland 2013) und er besitzt erhebliches Demokratisierungspotenzial (Kidd 2013: 440; Mittag/Nieland 2012: 628). Wie kaum ein anderer gesellschaftlicher Bereich produziert der Sport Mythen, schafft Identifikationen und trägt zur Verständigung bei.
Jörg-Uwe Nieland

Shitstorms und Fanpages als themenzentrierte Öffentlichkeit

Frontmatter
Shitstorms
Nur Wutstürme oder begründete demokratische Proteste?
Zusammenfassung
Der Begriff „Shitstorm“ hat rasant Karriere gemacht. Im Sommer 2010 war das Wort noch nahezu unbekannt, bei einer Google-Suche am 10. Juli 2013 erreichte der Suchbegriff „Shitstorm“ 2,23 Millionen Treffer. Ein Shitstorm beschreibt eine massenhaft digital geäußerte Empörung und generiert eine themenzentrierte Öffentlichkeit. In diesem Beitrag steht das Potenzial politischer Shitstorms im Vordergrund. Forschungsleitend sind die Fragen: Fördern sie die demokratische Partizipation? Oder treibt da nur „eine anonyme Masse“ die Politiker im Netz vor sich her – wie die FAZ am Beispiel des gescheiterten internationalen Urheberrechtsabkommens ACTA behauptete und wetterte, dieses Scheitern sei Ausdruck einer „Governance by Shitstorm“ (Amann 2012), Demokratie sehe anders aus. Dieser Beitrag unternimmt den Versuch, zunächst eine Auswahl von Shitstorms aufgrund einer aus Sekundäranalysen sowie einer großteils induktiv entwickelten Typologisierung in Modelle einzuordnen.
Marlis Prinzing
Die Qualität politischer Online-Diskussionen
Empirische Befunde zur verständigungsorientierten Kommunikation auf Facebook
Zusammenfassung
Wie auch immer politische Kommunikation in Zukunft aussehen mag, Social Media als Informations- und Kommunikationsplattformen sind ein fester Bestandteil der von Parteien und Politikern eingesetzten Kampagneninstrumente geworden. Der Politik ermöglicht die Nutzung von Social Media vor allem einen intensiveren direkten Kommunikationsaustausch mit den Bürgern (Gueorguieva 2008) und damit mit potentiellen Wählern. Den Bürgern öffnen Social Media wie Facebook einen öffentlichen Raum für politische Diskussionen: Die Bürger können ihre eigenen Standpunkte verbreiten, sie können ihre Meinungen und Ideen mit anderen Bürgern teilen und Parteien und Politiker wie auch deren Verhalten und Handeln direkt kritisieren (u.a. Dahlgren 2005, Jackson/Lilleker 2009).
Uta Russmann

Interdependenzen zwischen Informationsjournalismus und Social Media

Frontmatter
Social Media, Massenmedien und Öffentlichkeit
Eine soziologische Einordnung
Zusammenfassung
Das Internet löst als Universalmedium die technischen Grenzen zwischen den eingespielten Medienformen zunehmend auf. Von den damit verbundenen Potentialen aber unmittelbare Veränderungen in den grundsätzlichen Strukturen gesellschaftlicher Öffentlichkeit abzuleiten, wäre ein technikdeterministischer Fehlschluss, der in den letzten Jahren immer wieder zu übersteigerten Veränderungsvorstellungen geführt hat. Vor diesem Hintergrund entwickelt vorliegender Beitrag auf der Grundlage von empirischen Beobachtungen und strukturtheoretischen Überlegungen ein Einordnungsmodell für Social Media und Massenmedien, das zunächst die unterschiedlichen Wirkungsbereiche beider Medienformen herausarbeiten will, um daran anknüpfend drei explizit onlineinduzierte Verschiebungen in den Öffentlichkeitstrukturen zu identifizieren.
Jan-Felix Schrape
Social Media-Programmfeedback im Nahraum
Eine internationale Spurensuche nach deliberativem Potential
Zusammenfassung
Es ist inzwischen ein Gemeinplatz, dass sich die bisherige traditionelle Trennung zwischen den Medienwelten der Presse, des Hörfunks und des Fernsehens auflöst und dies zu neuen, „mehrmedialen“, „multimedialen“, „crossmedialen“, „konvergenten“ und „hybriden“ Formen medialer Präsentation, zu neuen Geschäftsmodellen und zu individuellen, personalisierten Ausprägungen der Nutzung führt. Erweiterte Möglichkeiten der Nutzerbeteiligung können sich aus diesen evolutionären Entwicklungen ergeben. Die Geschwindigkeit dieses Paradigmenwechsels mag international leicht variieren, und seine Ausprägungen mögen je nach Mediensystem, -politik, kulturspezifischer Ausprägung der Mediennutzung und der Medien-Macht privat-kommerzieller und öffentlich-rechtlicher Konzerne etwas unterschiedlich sein. Klar ist jedoch, dass alle Beteiligten – Medienpolitiker, Medienunternehmen, Journalisten, Mediennutzer und Medien-Aufseher – Abschied nehmen müssen von Bewährtem und Erprobtem.
Rüdiger Steinmetz
#Journalismus 2.0
Ein Beitrag zur Qualitätssteigerung?
Zusammenfassung
Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob der journalistische und redaktionelle Einsatz von Twitter zu einem publizistischen Mehrwert beiträgt. Von Interesse ist, ob auf Twitter eine reflexive Praxis zum Medienwesen und zum Journalismus gepflegt wird, die journalistische Twitter-Nutzung also ein Korrektiv für die in etablierten Informationsmedien erodierende Medienkritik darstellt, ob Twitter dem Anspruch des „Sozialen“ (Social Media) gerecht wird, d.h. die Möglichkeiten zur Interaktion auch tatsächlich genutzt werden und wie es um die Qualität der Twitter-Kommunikation (einschliesslich der verlinkten Medieninhalte) bestellt ist. Diese Frage ist deshalb von Bedeutung, weil die Einführung neuer Informationstechnologien – so auch jene des Social Web – regelmässig von unkritisch-euphorischen Positionen begleitet ist, was zum Beispiel die demokratiefördernden Potentiale dieser neuen Medien anbelangt (vgl. etwa Neuss 2008: 5).
Mark Eisenegger, Joël Orizet, Mario Schranz
Grassroots-Demokratie via Twitter?
Wie die Protestbewegung gegen Stuttgart 21 twitterte und was die Medien daraus machten
Zusammenfassung
„Was lange gärt, wird endlich Wut.“Mit diesem umformulierten Sprichwort lässt sich die Entwicklung der Proteste um Stuttgart 21 (S21) treffend charakterisieren. Das Projekt ist eines der umstrittensten Verkehrs- und Städtebauprojekte in Deutschland und beschäftigt die Bevölkerung – insbesondere die Stuttgarter Bürger – seit Jahrzehnten: Zum einen soll der bestehende Kopfbahnhof in einen Durchgangsbahnhof sowie die Neubaustrecke zwischen Wendlungen und Ulm ausgebaut und zum anderen sollen durch die Umwandlung des Hauptbahnhofs freiwerdende Gleisstrecken städtebaulich verändert werden. Bereits in den 1980er Jahren gab es hierzu erste Beratungen und Pläne auf Bundes- und Landesebene. In einem mehrjährigen Diskussionsprozess wurden diese Ideen konkretisiert und 1994 der Öffentlichkeit vorgestellt (Stuckenbrock 2013).
Birgit Stark, Melanie Magin, Pascal Jürgens, Stefan Geiss
Backmatter
Metadaten
Titel
Demokratisierung durch Social Media?
herausgegeben von
Kurt Imhof
Roger Blum
Heinz Bonfadelli
Otfried Jarren
Vinzenz Wyss
Copyright-Jahr
2015
Electronic ISBN
978-3-658-10140-4
Print ISBN
978-3-658-10139-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-10140-4