Etwa zu dem Zeitpunkt, als das CAPM auf gutem Wege war, zu einer der ganz großen Theorien der Finanzwirtschaft zu werden, entwickelte sich ein anderer Ansatz, der später nicht minder bedeutend werden sollte: die Prinzipal-Agenten-Theorie. Mit dieser Theorie führte Stephen Ross 1973 systematische Ungleichheit in die moderne Ökonomik ein.
Wenn ein Leser erwartet, ein Kapitel vorzufinden, das mit dem Begriff „ die“ biologischen Grundlagen überschrieben wurde, dann muss er enttäuscht werden. Der Anspruch, die, d.h. mehr oder weniger alle relevanten biologischen Aspekte darzustellen, lässt sich in keiner Weise erfüllen. Der Leser darf deshalb im Folgenden nicht mehr als eine Beschreibung derjenigen biologischen Aspekte erwarten, die aus Sicht dieses Buches besonders wichtig erscheinen. Die Darstellungen stützen sich ganz wesentlich auf Gerhard Roth, mit dem ich zusammenarbeiten durfte. Grundlage des folgenden Abschnitts sind die früheren Publikationen Roths sowie Publikationen, die zusammen mit Roth auf Basis seiner Schriften entstanden sind. Diese werden in diesem Kapitel nicht immer wieder erwähnt. Für Ökonomen ist das Studium der Schriften Gerhard Roths insbesondere wegen seiner beeindruckend „ökonomischen“ Sicht auf das Gehirn besonders fruchtbar und wertvoll. Aber selbstverständlich sind die Erkenntnisse anderer Biologen nicht minder bedeutend. Selbstverständlich ist auch, dass Fehler und Missverständnisse vollkommen zu meinen Lasten gehen.
Wer über das Geschehen an den Finanzmärkten nachdenkt, der kommt am Phänomen der Arbeitsteilung nicht vorbei. Alle Beteiligten des Finanzmarktgeschehens sind in irgendeiner Weise von der Arbeitsteilung betroffen. Die Mitarbeiter in Banken und anderen Finanzdienstleistern sind arbeitsteilig organisiert und verstehen nur von Teilbereichen der Finanzmärkte etwas. Dasselbe gilt für die Mitarbeiter bei den Firmenkunden, mit welchen die Banken zu tun haben. Und dasselbe gilt auch für die Privatkunden, die ihrerseits auf irgendeinem Gebiet spezialisiert sind und vom Geschehen an den Finanzmärkten in vielen Fällen nicht sehr viel wissen. Jeder ist Spezialist und kennt sich nur auf einem oder wenigen Gebieten sehr gut aus. Dies hat Auswirkungen auf die Art und Weise, wie die Menschen zusammenarbeiten, welche Entscheidungen sie treffen, welche Institutionen sie errichten.
Menschen, die bestimmte Entscheidungssituationen häufig erleben, erwerben Erfahrungen. Es ist herausragendes Kennzeichen des Gehirns, Situationen, Handlungen und ihre Folgen akribisch zu „notieren“ und sie mit den Erwartungen zu vergleichen. Auf diese Weise werden sie bewertet. Wer Handlungen häufiger wiederholt, macht mehr Erfahrungen. Von mal zu mal, d.h. nach jedem Entscheidungs und Lernvorgang, ist der Entscheidungsträger immer genauer in der Lage, den Nutzen bestimmter Handlungen in bestimmten Situationen zu erkennen und damit beim nächsten Mal zielgerichteter agieren zu können.
Ganz generell wird das Entscheidungsverhalten von Menschen in der Literatur oft unter dem Eindruck von vereinfachten Entscheidungsverfahren diskutiert. Diese werden als Heuristiken bezeichnet. Der Begriff bedeutet zwar nichts anderes als „Mittel zur Erkenntnisgewinnung“. Gemeint werden mit dem Begriff aber ganz spezifische Mittel, nämlich Entscheidungsverfahren (also „Mittel“), die auf Basis weniger Daten und weniger Verknüpfungen zu Aussagen gelangen. Kahneman spricht von Entscheidungsregeln „ which reduce the complex tasks of assessing probabilities and predicting values to simpler judgemental operations.”
Ziel des folgenden Kapitels ist es darzulegen, wie vereinfacht und standardisiert Spezialisten ihre Entscheidungen treffen. Es kann gezeigt werden, dass Spezialisten in wichtigen Geschäftsfeldern einfache Heuristiken einsetzen. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich nicht von Nichtspezialisten.
Mit dem letzten Kapitel wurde das vorliegende Buch „eigentlich“ abgeschlossen. Es wurde versucht, neuere biologische Erkenntnisse über die menschlichen kognitiven Fähigkeiten auf ihre ökonomischen Implikationen hin zu untersuchen. Ergebnis ist, dass man zur Erklärung von quasi allen wichtigen Institutionen der Finanzmärkte etwas hinzufügen muss. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass die Konsequenzen des menschlichen kognitiven Apparates, so wie ihn die Biologen in den letzten Jahren entwickelt haben, bisher unterschätzt wurden.
Jean Jacques Rousseaus Philosophie kreiste um die Frage: „Warum ist der Mensch nicht ‚gut’? Was kann und muss geschehen, auf dass er ‚gut’, d.h. ‚recht’, d.h. ‚tugendhaft’ werde?“