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05.02.2014 | Automobilelektronik + Software | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Big Brother" im Auto

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4 Min. Lesedauer

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Moderne Autos produzieren Unmengen Daten. Doch deren Verwendung und Schutz ist kaum geregelt. Das muss sich ändern, betonten Experten beim Verkehrsgerichtstag.

Drahtlose Telematik-Technik im Fahrzeug soll den Komfort und die Sicherheit von Autofahrern erhöhen. Doch mit diesen Systemen fallen auch eine Menge Daten an. Was passiert damit?

Autofahrer werden immer häufiger überwacht, ihre Daten gespeichert und ausgewertet. Wo liegen die Grenzen der Sammelwut - vor allem von personifizierten Daten? Wie viele Eingriffe in die Privatsphäre sind Autofahrer bereit hinzunehmen? Nicht nur der Staat, auch Versicherungen und PR-Agenturen sind scharf auf die Daten. Doch was passiert mit den Daten, die sich aus der Kommunikation zwischen den Fahrzeugen oder deren Umgebung ergeben? Das ist bislang nicht ausreichend gesetzlich geregelt.

Wem gehören die Fahrzeugdaten?

Daher forderte der 52. Deutsche Verkehrsgerichtstag, dass der Austausch von Daten und Informationen aus dem Fahrzeug Regeln unterworfen werden muss. Das "informationelle Selbstbestimmungsrecht durch Transparenz und Wahlfreiheit der Betroffenen" müsse auch im Auto gelten, hieß es in einer am vergangenen Freitag in Goslar veröffentlichten Empfehlung an den Gesetzgeber.

Fahrzeughersteller und weitere Dienstleister müssen Käufer bei Vertragsabschluss in dokumentierter Form umfassend und verständlich darüber informieren, welche Daten generiert und verarbeitet werden sowie welche Daten auf welchen Wegen und zu welchen Zwecken übermittelt werden, wurde ferner gefordert.

Fahrzeughalter und Fahrer müssen technisch und rechtlich in die Lage versetzt sein, den Datenfluss zu kontrollieren und gegebenenfalls zu unterbinden, betonte der Verkehrsgerichtstag. Das Prinzip der Datensparsamkeit sei sicherzustellen. Für Unfalldatenspeicher und andere System sei ein Standard vorzuschreiben.

Bei Daten, die aufgrund gesetzlicher Regelungen erhoben, gespeichert oder übermittelt werden sollen, sind verfahrensrechtliche und technische Schutzvorkehrungen genau zu bestimmen, forderte der Verkehrsgerichtstag. Zugriffsrechte der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte seien unter konsequenter Beachtung grundrechtlicher und strafprozessualer Schutzziele spezifisch zu regeln.

Notfallsystem E-Call

Die Frage nach dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Autofahrer wird mit der für 2015 geplanten Einführung des E-Call-Systems für Neuwagen nochmals akuter. Das bordeigene System löst automatisch oder manuell bei Unfall oder Panne einen Notruf an die Notrufnummer 112 aus. Das Fahrzeug stellt bei einem Unfall über das Handynetz eine Verbindung nach außen her. Diese könnte für eine externe Überwachung des Fahrzeuges und des Fahrers genutzt werden, lautet eine vielfach geäußerte Befürchtung. Zusätzlich zu der Sprechverbindung überträgt das Notfallsystem auch die Positionsdaten des Unfallautos sowie Informationen zu Unfallzeitpunkt, Fahrzeugtyp und Fahrtrichtung.

Die EU-Kommission geht davon aus, dass mit der neuen Technik in Europa jedes Jahr rund 2500 Menschen weniger den Verkehrstod finden werden. Doch ungeachtet ihrer unbestreitbaren Vorteile stößt diese Technik auch auf Kritik, wie auch eine Diskussionsveranstaltung des Goslar-Instituts zur Akzeptanz von E-Call am Rande des Verkehrsgerichtstags zeigte.

"Die meisten Autofahrer wissen heute gar nicht, welche und wie viele Informationen von ihrem Fahrzeug registriert werden", stellte Matthias Knobloch, Generalsekretär des Verbundes Europäischer Automobil Clubs EAC, auf der Diskussionsveranstaltung fest. Viele Kraftfahrer seien sich noch nicht klar darüber, dass sie heutzutage bereits mit einem "Computer auf vier Rädern" unterwegs seien, stimmte ihm Dr. Uwe Thomas, Vorsitzender des Bereichsvorstands Automotive Aftermarket der Robert Bosch GmbH zu. Darüber müsse der Fahrer so informiert werden, damit er selbst bewusst und frei darüber entscheiden kann, welche Daten er zur Weitergabe freigibt und welche nicht, forderte Knobloch. Hierbei dürfe auch kein wirtschaftlicher Druck auf den Betreffenden ausgeübt werden, fügte Jürgen Bönninger, Geschäftsführer der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH, hinzu.

"Gläserner Autofahrer"

Beim Einsatz von Telematik im Verkehrsbereich - und dazu zählt E-Call - ist grundsätzlich problematisch, dass die Computer und Steuergeräte in den Kraftfahrzeugen von heute nicht nur Informationen technischer Art aufzeichnen (können), also etwa zum Zustand oder der Funktionstüchtigkeit von Fahrzeugteilen. Vielmehr werden von der im Fahrzeug befindlichen Elektronik zunehmend auch Angaben zum Fahrverhalten und zum Profil der Piloten gespeichert, wie das Goslar-Institut erläutert. Auch Bosch-Experte Thomas betonte, dass sauber getrennt werden müsse zwischen Daten, die im Fahrzeug allein genutzt werden, um Unfälle zu vermeiden und ganz allgemein die Sicherheit zu erhöhen, und denen, die das Fahrzeug verlassen.

Denn solche Auskünfte könnten von großem Interesse sein, nicht nur für Polizei und andere Behörden. Auch für die Autoindustrie (Stichwort: Automotive Aftermarket) und die Versicherer (Stichwort: fahrstilabhängige Versicherungstarife) die überlegen, wie sie mit den Daten aus dem Fahrzeug Geld verdienen können. Die Vernetzung des Automobils dürfe aber nicht zur Verzerrung des Wettbewerbs missbraucht werden, betonte Rechtsanwalt Dr. Thomas Funke beim Goslar-Diskurs.

Wie kann man nun vor dem Hintergrund der fortschreitenden Vernetzung und Datenerhebung das Vertrauen der Autofahrer erhalten? Die Diskussionsteilnehmer plädierten grundsätzlich für offene und sichere Plattformen. Ein weiterer Vorschlag war, ein spezielles Zertifikat "datenschutzrechtlich unbedenklich" für Telematikanwendungen einzuführen. Dieses Signet soll dem Autofahrer versichern: Du musst keine Angst vor einem "Spion im eigenen Auto" haben.

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