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14.10.2014 | Energie | Interview | Online-Artikel

Die Komplexität des Strommarkts verstehen

verfasst von: Sabine Voith

4 Min. Lesedauer

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Im Interview sprachen wir mit den Autoren Herbert Niederhausen und Andreas Burkert über ihr Buch "Elektrischer Strom - Gestehung, Übertragung, Verteilung, Speicherung und Nutzung elektrischer Energie im Kontext der Energiewende".

Springer für Professionals: Warum ein so umfassendes Werk über elektrischen Strom, Herr Burkert?

Andreas Burkert: Wenn Sie den aktuellen Bericht des Bundesrechnungshofes lesen, werden Sie feststellen, dass die geplante Energiewende zum Desaster ausartet. Dabei dürfen Sie davon ausgehen, dass Experten die Regierung beraten. Wenn Sie aber die Fakten kennen, die Zusammenhänge zwischen der Stromerzeugung, Übertragung und Speicherung sowie die Hintergründe der Strompreisermittlung, dann schlagen Sie ob mancher Entscheidung die Hände über dem Kopf zusammen.

Im Buch finden sich belastbare aktuelle Fakten und komplexe Zusammenhänge werden verständlich erklärt. Zwar haben wir weitestgehend auf mathematische Ableitungen verzichtet. Dort wo es zum besseren Verständnis führt, wurden aber Formeln angegeben. Für eine erfolgreiche Entwicklung der Stromgestehung, -übertragung und -verteilung aus den "Erneuerbaren" ist die Anwendung der Ergebnisse aus technisch-naturwissenschaftlich logischem Denken wichtiger als hektische Geschäftigkeit oder politisch motivierter Populismus.

Das klingt nach einer Kritik an der derzeitigen Strategie zur Umsetzung der Energiewende.

Burkert: Ja, das ist eine Kritik. Denn Energie ist zu wertvoll, als dass sie im Gerangel von wirtschaftlichen beziehungsweise unternehmerischen und politischen Interessen entwertet wird.

Herr Burkert, was unterscheidet ihr Buch von den anderen Publikationen zur Energiewende? Worauf legen Sie und Herr Niederhausen ein besonderes Augenmerk?

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Burkert: Wir betrachten aus technischer und naturwissenschaftlicher Sicht viele Möglichkeiten zur Energiegestehung, zur Stromübertragung und -speicherung. Damit entlarven wir so manchen Blödsinn, mit dem die Energiewende verteidigt wird. Beispielsweise, dass Leistung aus Windenergieanlagen und Photovoltaik in der Praxis keine Installation herkömmlicher Kraftwerksleistung ersetzt.
Um die Energiewende erfolgreich umzusetzen, sollten Entscheidungen ausschließlich auf Fakten basieren. Das ist das Ziel des Fachbuchs.

Herr Niederhausen, würden Sie bitte Ihre Gedanken zur Energiewende äußern?

Herbert Niederhausen: Ja, wenn ich vom Mainstream der "Political Correctness" abweichen darf. Auslöser für die "neue Energiewende" war der katastrophale KKW-Unfall in Fukushima, der von Deutschland aus politisch motiviertem Opportunismus genutzt wurde. Vorsätzlich wurde Angst geschürt. Die „Energiewende“ ist ein Placebo, aber mit Nebenwirkungen. Es werden fragwürdige Allianzen eingegangen. Die Bevölkerung ist polarisiert.

Dazu tragen die exzessive Errichtung von Windenergie- und Photovoltaikanlagen sowie die monetären Auswirkungen der EEG-Marktmechanismen bei. Das CO2-Molekül führt Regime.
Und dies unter dem kleidsamen grünen Outfit mit dem Label "Schöpfungsbewahrung". Dies und die Abwendung von der Kernenergienutzung führt dazu, dass die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern zunimmt, obwohl das Gegenteil erreicht werden sollte. Eine schwerpunktmäßige Ausrichtung auf Windenergie- und PV-Anlagen gewährleistet keine bedarfsbasierte, gesicherte und zuverlässige Stromversorgung. Ohne die Nutzung der Kernenergie, allerdings mit Reaktoren der vierten Generation, ist das jetzige "Gedöns" pure Unvernunft.
 

Betrachten Sie die elektrische Stromerzeugung bezogen auf den deutschen Markt oder den europäischen?

Burkert: Der Strommarkt ist ein grenzüberschreitendes Geschäft und wird es auch bleiben. Deshalb betrachten wir den europäischen Markt. Auch wenn Strom ein öffentliches Allgemeingut ist. Am Strommarkt wird Geld verdient. Wenn Sie bedenken, dass 920 Stromnetzbetreiber, 140 Stromhändler und 1.100 Stromlieferanten am Strommarkt beteiligt sind, lässt sich die Komplexität dort nur erahnen.

Niederhausen: Ich möchte kritisch ergänzen, dass der Anschluss an das europäische Stromverbundnetz uns eine elektro-energetische Autarkie und Autonomie vortäuscht, die wir jedoch nicht haben. Wäre es keine Täuschung, dann sollte der Mut dazu aufgebracht werden, sich von diesem Netz zu trennen. Dies wird man aber nicht tun, weil wir das Versorgungsnetz als Entsorgungsnetz zwingend brauchen.

Ist Strom aus Erneuerbaren Energien der "bessere" Strom, Herr Burkert?

Burkert: Die Physik kennt diese Definition nicht. Auch wenn einige Stromanbieter damit werben. Der Waschmaschine ist es letztendlich egal, wie der Strom erzeugt wird. Die Wäsche wird weder sauberer noch trocknet sie schneller. Mit dieser Frage dürften sich aber vermutlich Stromerzeuger respektive -anbieter befassen. Je mehr „grüner“ Strom global erzeugt wird, umso mehr fühlen sich die Besitzer fossiler Primärenergieträger in ihrer Unternehmer-Existenz bedroht.
Und je mehr Strom aus Erneuerbaren Energiequellen ins Stromnetz eingespeist wird, umso stärker wirkt sich das auf die Stromrechnung aus.

Herr Burkert, wie sieht die Stromerzeugung der Zukunft im Gegensatz zur heutigen Erzeugung aus?

Burkert: Schon heute verfügen wir über einen Mix verschiedener Energiequellen. Das wird auch in Zukunft so sein. Vermutlich wird der Anteil Regenerativer Energiequellen zunehmen. Doch unabhängig davon: Die Kosten für das Energiesystem werden enorm steigen und sich vermutlich geschätzt bei bis zu 15 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes einschwingen. Der Umbau des unternehmerischen Energiesektors wird zudem immense Investitionen erzwingen. Mit der Folge, dass der Strompreis sich während etwa 15 Jahren um mindestens 50 Prozent erhöhen wird.

Das Interview führte Sabine Voith, freie Autorin, für Springer für Professionals.

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