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12.05.2017 | Ergonomie + HMI | Nachricht | Online-Artikel

HMI-Systeme und autonomes Fahren gehen Hand in Hand

verfasst von: Michael Reichenbach

5 Min. Lesedauer

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Nur gemeinsam können autonomes Fahren und Mensch-Maschine-Schnittstelle in die Zukunft gehen. Continental öffnete seine Tore in Babenhausen, um zu zeigen, wie sie HMI-Systeme erforschen und entwickeln.

Der Zulieferer Continental misst dem Endkunden eine große Bedeutung bei. Auch wenn der Endkunde beziehungsweise Fahrer primär im Fokus des Automobilherstellers steht, schließlich kauft er nicht beim Zulieferer, sondern beim OEM, ist es für die Zulieferindustrie wichtig zu wissen, wie sich der Fahrer und die Fahrerin auf ihrem "Arbeitsplatz" am Steuer verhalten, auf gewisse Situationen reagieren und den Verkehr adaptieren. Nur so können die Lieferanten ihre Produkte an das automatisierte und autonome Fahren anpassen und verbessern. HMI-Systeme müssen dazu näher erforscht und weiterentwickelt werden.

Mit dem Schlagwort und Aufgabengebiet User Experience, intern bei Continental mit dem Kürzel UX belegt, sollen die Herausforderungen des hochautomatisierten Fahrens (HAF) gemeistert werden. Mit zahlreichen Probandenstudien versuchen die Continental-Ingenieure in Babenhausen ein Gespür dafür zu bekommen, welche Anzeige- und Bediensysteme dem Fahrer am besten gefallen, wie er am besten damit klarkommt. Dabei muss bedacht werden, dass die Fahrer-Bandbreite von Lieschen Müller über den normalen Fahrer bis zum Rennsportfan reicht. Diese Klassifizierung ist entscheidend, denn man muss wissen, wie der Fahrer oder die Fahrerin "tickt", wenn man sie nach der Autopilot-Phase wieder "in den Loop" zurückholen will.

Denn darauf wird es ankommen, wie sicher, schnell und zuverlässig der Fahrer wieder ans Steuer gebeten kann, wenn er zuvor noch mit Buchlesen und E-Mail-Schreiben beschäftigt war. Dies wird auch von Experten so gesehen. "Bei der Entwicklung zum vollautomatisierten Fahren ist unsere größte Herausforderung der Rollenwechsel des Fahrers und die daraus resultierenden neuen Bedürfnisse und Anforderungen", erklärte Dr. Karsten Michels, Leiter System- und Vorentwicklung der Division Interior bei Continental.

US-Amerikaner erschrecken sich vor dem automatisierten Fahren

Guido Meier-Arendt, Principal Technical Expert HMI bei Continental, fasste die Eindrücke des Fahrers beim Fahren in den fünf Begriffen Emotionen, Überzeugungen, Vorlieben, Auffassungsgabe und Fahrverhalten zusammen. Dabei greift User Experience auf die ganzheitliche Erfahrung und Fahrpraxis einer Person zurück, wenn sie ein bestimmtes Produkt, System oder Service nutzt. Doch Nutzen, Überforderung und Missbrauch stehen eng beieinander. Einige Extrembeispiele gibt es schon in Videos auf Youtube zu sehen. Zum einen ist das Vertrauen in die Technik grenzenlos. In einem Internetvideo klettert der Fahrer eines Tesla auf die Rücksitzbank, und das Auto wird „vorne“ per Autopilot allein gesteuert. Die Bandbreite des Fahrerspektrums ist also gewaltig, es kann bei manchen Fahrern zum anderen auch zum Gefühl der totalen Überforderung führen. Eine ältere Dame ist so erschrocken, im Autopilot-Modus zu fahren, dass sie nicht aufhört zu schreien, ja vermeintlich einem Herzinfarkt näher scheint, als die Erleichterung der Fahraufgabe zu spüren, wie sie ja eigentlich durch die Fahrerassistenzsysteme ermöglicht werden soll.

Dazu passt eine Mobilitätsstudie, die 2015 durchgeführt wurde: Hier gaben nur 43 Prozent der deutschen Fahrer, aber erstaunliche 61 Prozent der US-amerikanischen Autolenker an, dass ihnen das automatisierte Fahren Angst macht ("Automated driving scares me."). Es ist also neben den Arbeiten an der Technik noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, dass das HAF für alle von Nutzen ist. Diese Arbeiten müssen nicht nur Zulieferer wie Continental, sondern auch Fahrzeughersteller und Politik umsetzen, will man die Ziele mit dem HAF erreichen, Verkehr flüssiger zu machen, Komfort zu erhöhen und Unfallzahlen zu senken.

Erkennung der Fahrerblickrichtung

Dabei untersucht Continental mit UX auch, was die Leute mit der neu gewonnenen Freizeit im Auto machen werden. Werden sie E-Mails bearbeiten, schlafen oder lesen? Dazu nutzen die Ingenieure in Babenhausen den sogenannten User Centered Design Approach. Per Driver Analyzer und Driver Monitoring werden die Bewegungen des Fahrers untersucht. Dazu wird eine Infrarot-Kamera auf der Lenkradkonsole platziert, die auch bei Brillenträgern erkennt, wo die Augen des Fahrers hingucken. Ist er aufmerksam, ist er abgelenkt, wann darf die Maschine ihn in die Loop zurückholen? Das sind Fragen, mit denen sich die Experten derzeit beschäftigen.

Die Fahrer-Blickerkennung erlaubt es nun, dass der Fahrer unterschiedlich schnell an die Fahraufgabe zurückgeführt wird, weil man jetzt weiß, was er gerade tut. Jemand, der die Landschaft vorne betrachtet, wird schneller zurückzuholen sein, als einer, der auf dem Schoss den Laptop hat und Texte darauf schreibt. Vorteil der Kamera ist die hohe Verfügbarkeit des Kamerabilds und die Signalgüte. Da es sich um eine Infrarot-Kamera handelt, funktioniert die Blickerkennung auch bei Sonnenbrillen. Müdigkeit lässt sich noch besser erkennen.

Probanden-Tests mit zwei Lenkrädern im Auto

Neben Fahrsimulatoren nutzt Continental auch ein spezielles Forschungsfahrzeug (Research Vehicle), das zwei Lenkräder aufweist. Denn das vollautomatisierte Fahren muss auch im realen Straßenbetrieb getestet werden können, soll dabei aber nicht andere Verkehrsteilnehmer und sich selbst gefährden. Dazu kommt bei Continental ein Verfahren zum Einsatz, das dem Probanden das Gefühl vermittelt, mit einem hochautomatisierten System zu fahren, ja zu interagieren. Das aufwändig präparierte Forschungsfahrzeug erfasst den Nutzer mit einer Vielzahl an Sensoren und analysiert seine Reaktionen. Der Proband sitzt dafür hinter einer Lenkradattrappe auf der linken Seite des Fahrzeugs. Am tatsächlichen Lenkrad sitzt ein speziell ausgebildeter Testfahrer, der ein Rechtslenker-Fahrzeug steuert.

Während manuellen Fahrphasen wird der Testfahrer mithilfe eines Combiner-Head-up-Displays über die Aktionen des Probanden informiert und setzt diese in die Tat um. In autonomen Fahrphasen übernimmt er das Steuer komplett und die Illusion einer hochautomatisierten Fahrt entsteht. Auf diese Weise ist es möglich, bereits heute Elemente der Mensch-Maschine-Schnittstelle für das automatisierte Fahren im realen Fahrbetrieb zu prüfen, da hochautomatisierte Testfahrten ohne geschulte Testfahrer auf öffentlichen Straßen gerade zu einer Gefährdung führen können. Die Ergebnisse helfen den Continental-Entwicklern, die nötigen Regelalgorithmen für das vollautomatisierte Fahren zu entwickeln.

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