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07.05.2014 | Erneuerbare Energien | Schwerpunkt | Online-Artikel

Nachhaltigkeit – treiben wir da eine Sau durch’s Dorf?

4 Min. Lesedauer

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Die Beurteilung von nachhaltiger Wasserkraft ist durch das "Hydropower Sustainability Assessment Protocol" gelungen. Aufgabe ist es nun, dieses Dokument mit Leben zu erfüllen und weiterzuentwickeln. Ein Kommentar von Dominik Godde.

Handelt es sich beim Thema Nachhaltigkeit um eine Mode oder um eine Kultur? Wenn es ein Mode ist, dann sollten wir nicht zu viel Aufhebens davon machen, dann ist der Spuk bald vorüber und wir werden sehen, welche Mode die nächste sein wird. Wenn es sich aber um eine Kultur handelt, dann sind wir wohl aufgerufen, uns über die richtige Ausgestaltung, Pflege und Weiterentwicklung Gedanken zu machen.

Moden entstehen schnell, verbreiten sich wie ein Lauffeuer und sind wie Strohfeuer von kurzer Dauer. Kulturen hingegen entwickeln sich über lange Zeiträume, sind im Kern stabil und erfahren Weiterentwicklungen, wie zum Beispiel Sicherheit im Straßenverkehr, Gleichberechtigung oder Ächtung des Rauchens.

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Man kann also feststellen, dass es sich bei der Nachhaltigkeit um eine Kultur handelt; ihre Wurzeln reichen bereits einige Jahrzehnte zurück. Die bekannteste Definition nachhaltiger Entwicklung stammt von der Brundtland-Kommission aus dem Jahr 1987. Danach zeichnet sich nachhaltige Entwicklung dadurch aus, dass sie die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können.

1968 – Die Geburtsstunde der Nachhaltigkeit

Die Geburtsstunde des Themas Nachhaltigkeit könnte man vielleicht in der Schöpfungsgeschichte (Gen 2, 15) sehen, im engeren Sinne ist aber das Jahr 1968 auszumachen. Es war die Zeit des Wettlaufs im All als der Architekt, Visionär und Philosoph R. B. Fuller in seinem Büchlein "Operating Manual for Spaceship Earth" auf eindrückliche Weise darauf hinwies, dass das Handeln des Menschen Auswirkungen auf die Natur hat und wir die Astronauten an Bord des Raumschiffs Erde sind, ohne dass wir über eine Bedienungsanleitung verfügen – die müssen wir schon selber entwickeln. Im gleichen Jahr, am 24. Dezember, schoss ein Astronaut der Apollo-8-Mission ein Aufsehen erregendes Foto der Erde, die gerade über dem Mond aufging; ein Foto, das unsere Sicht auf den Planeten beeinflusste. Später folgten noch der Bericht des Club of Rome über die Grenzen des Wachstums, Ölkrisen und die Einsicht, dass wir uns im Anthropozän befinden, dem ersten geologischen Zeitalter, das vom Handeln des Menschen geprägt wird. Heute sind weite Teile der Bevölkerung überzeugt, dass es ein moralisches Postulat ist, nachhaltig zu handeln. Industrieunternehmen bemühen sich, in die Spitze des Dow-Jones-Sustainability-Index vorzustoßen – wer dort angekommen ist, dem gewähren Politik und Gesellschaft die "License to operate".

Das Hydropower Sustainability Assessment Protocol HSAP

Der internationale Wasserkraftverband (International Hydropower Association; IHA) hat das Thema Nachhaltigkeit besonders früh erkannt; nicht verwunderlich, denkt doch die Wasserkraft in großen Zeiträumen und kann sich keine Moden leisten. Mit repräsentativen Interessensvertretern aus den Bereichen der Politik, Banken, NGO und Industrie hat sich die IHA 2011 – rund 10 Jahre nach den wenig ausgereiften Guidelines der World Commission on Dams (WCD) – auf ein sogenanntes Hydropower Sustainability Assessment Protocol (HSAP) verständigt, das erstmals eine einvernehmliche Beurteilung nachhaltiger Wasserkraft mit Hilfe einer gemeinsamen Sprache erlaubt; ein großer Schritt, der aber auch dringend notwendig war. Seitdem hat das HSAP einen ungeahnten Siegeszug in der (Wasserkraft-) Welt zurückgelegt.

Und wie geht es weiter?

Wenn es sich bei der Nachhaltigkeit in der Tat um eine Kultur handelt und nicht nur um eine weitere Sau im Dorf, dann ist es unsere Aufgabe, diese Kultur zu pflegen und weiter zu entwickeln, so dass die nächste Generation nicht nur die gleichen, sondern bessere Möglichkeiten hat, ihre Bedürfnisse zu befriedigen; ein Gedanke, den auch schon die Brundtland-Kommission vor fast 30 Jahren entwickelte.

In Ausgabe 05/2014 der Fachzeitschrift "WasserWirtschaft" wird das HSAP ausführlich und detailliert betrachtet. Cameron Ironside und Simon Howard beschäftigen sich mit der Geschichte und dem Hintergrund des Protokolls zur Evaluierung der Nachhaltigkeit von Wasserkraftprojekten und Joerg Hartmann beantwortet die Frage "Wozu ein freiwilliges Protokoll für Wasserkraft, wenn es doch Standards gibt?".

Zum Autor
Professor Dr.-Ing. Dominik Godde ist Vizepräsident des Deutschen TalsperrenKomitees (DTK), Mitglied des Vorstands der International Hydropower Association (IHA), Director der E.ON Generation GmbH und Honorarprofessor der Technischen Universität München an der Ingenieurfakultät Bau Geo Umwelt im Fachgebiet Wasserkraftanlagen und Energiewirtschaft.

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