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11.03.2014 | Bankvertrieb | Interview | Online-Artikel

„Pauschalität ist ein oft gemachter Fehler“

verfasst von: Stefanie Hüthig

4:30 Min. Lesedauer

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Springer-Autor Christian Glaser erklärt im Interview, wie nachhaltiger Vertriebserfolg gelingen kann, und welche Rolle Hunter und Farmer dabei spielen.

Ihr Buch heißt „Wettbewerbsfaktor Vertrieb bei Finanzdienstleistern“. Darin stellen Sie unter anderem Hardselling-Ansätze vor. Wie vertragen sich diese mit den Bestrebungen der Banken, mit dem Kunden nachhaltiger ins Geschäft zu kommen?

Glaser: Das Ziel der meisten Vertriebsansätze sollte die nachhaltige Kundenbeziehung sein. Deshalb ist es wichtig, dass der Kunde einen gewissen Nutzen hat. Dieser Nutzen hat natürlich einen Preis und eine gute Finanzdienstleistung möchte nicht unter Wert verkauft werden. Allerdings muss das Ergebnis für alle Beteiligten vorteilhaft sein. Gerade hier ist Hardselling ein kritischer Punkt, aber beispielsweise bei der Vergütung kann man darauf eingehen. Das heißt, werden Komponenten wie Nachhaltigkeit, Langfristigkeit und Kundenzufriedenheit honoriert? Oder geht es nur darum, jedes Jahr 20 Prozent mehr Umsatz zu erzielen, ohne dabei die Bedürfnisse der Kunden zu berücksichtigen?

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Wie können Banken außer über die Vergütung sicherstellen, dass Vertriebsmitarbeiter nachhaltig arbeiten?

Es gibt häufig qualitative Ziele, zum Beispiel Kundenzufriedenheit, die allerdings schwer zu messen sind. Deshalb sollte man sich auch die Kundenstruktur genauer anschauen: Handelt es sich um Groß- oder Kleinkunden, haben sie Potenzial und Bedarf für die Produkte des Instituts, gibt es bislang ungenutzte Geschäftsfelder, die man anbieten kann? Auf Grundlage dessen werden die Ziele der Vertriebsmitarbeiter festgesetzt. Im Übrigen kann es auf diese Weise auch gelingen, Mitbewerbern Marktanteile abzujagen.

Nehmen wir als Beispiel eine Filiale in einem Stadtteil, in dem die Bank bereits über einen hohen Marktanteil verfügt. Die Bevölkerung ist schon etwas älter und der Stadtteil ist nicht sehr vermögend. Hier würden Sie die Ziele also niedriger ansetzen als in einem anderem Geschäftsgebiet?

Genau, es kommt auf die Struktur an. Man kann in Gelsenkirchen und Starnberg nicht gleich viele Lebensversicherungen oder Fonds verkaufen. Umgekehrt gibt es aber vielleicht ein Produkt, das gut auf den demografischen Wandel zugeschnitten ist. Deshalb geht es sehr häufig darum, mit qualitativen Vorgaben zu arbeiten. Pauschalität ist ein oft gemachter Fehler. 

Sie haben vom Kundennutzen gesprochen. Wie können Vertriebsmitarbeiter diesen sicherstellen?

Es ist elementar, sich mit den Kunden intensiv zu befassen. Dazu muss Vertriebsmitarbeitern eine gewisse Zeit zugestanden werden, in der sie die Bedürfnisse der Kunden ergründen können. Nicht selten passiert es, dass der Kunde sagt: „Ich brauche nichts, ich habe schon alles.“ Wenn man sich etwa im gewerblichen Bereich die Geschäftsabläufe und -prozesse anschaut, sich aber auch vom Kunden die persönliche Situation schildern lässt, ergibt sich oft die Möglichkeit, gemeinsam mit ihm einen Bedarf zu wecken. Wenn das zusammen mit dem Kunden geschieht, ist der Verkauf in der Regel schon getätigt.

Sie sind kein Freund des Preiskampfes?

Richtig. Eine Aussage, die im Vertrieb häufig fällt, ist: „Der Preis ist zu hoch.“ Natürlich ist der Preis immer zu hoch. Die Kunst ist allerdings, nicht über den Preis zu verkaufen, sondern über das Preis-Leistungs-Verhältnis. Ich muss dem Kunden den Nutzen, den ich ihm durch mein Produkt anbiete, darstellen. Dann kann er für sich selbst entscheiden, ob ihm der Nutzen den Preis wert ist. Wenn er einen hohen Nutzen hat, ist er tendenziell bereit, einen höheren Preis zu zahlen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass ich mich mit den Kundenbedürfnissen auseinandersetze.

In Kapitel zwei Ihres Buches lesen wir vom Hunter-Farmer-Modell. Was verbirgt sich dahinter?

Stark vereinfacht gibt es nur zwei Typen von Vertriebsmitarbeitern. Jemand, der besonders gut ist in der Neukundenakquise, ist ein klassischer Hunter. Er hat keine Berührungsängste fremden Menschen gegenüber. Zudem ist er bestrebt, immer wieder zu neuen Ufern aufzubrechen. Bei gleichförmigen Tätigkeiten dagegen langweilt er sich schnell. Dem gegenüber steht der Farmer, der sich mit Kontakten, mit denen er schon länger zu tun hat, wohlfühlt. Bei bekannten Kunden weiß er, was auf ihn zukommt. Er ist auf Kontinuität aus und liebt die Routine. Farmer sind besonders gut darin, aus Neukunden aktive Bestandskunden zu machen. Die Idee hinter dem Hunter-Farmer-Modell ist, dass diese beiden Potenziale in der Regel bei einem Vertriebsmitarbeiter nicht gleich stark vorkommen. Deshalb kümmert sich eine Gruppe um die Neukundenakquisition, die andere um die Betreuung der Kunden, um den regelmäßigen Kontakt und darum, zur Stelle zu sein, sobald der Kunde einen Bedarf hat. Kundenbindung und Kundenakquise sind zwei konträre Themen, die allerdings beide für einen erfolgreichen Vertrieb essenziell sind.

Zur Person
Christian Glaser verantwortet als Chief Risk Officer von Würth Leasing neben dem Aufsichtsrecht insbesondere die Bereiche Risikomanagement und Vertriebscontrolling. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe "Strategie und Stresstests" des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen e.V. (BDL) und Dozent für das Thema Risikomangement an der Dualen Hochschule (University of Cooperative Education) in Baden-Württemberg. Demnächst erscheint bei Springer Gabler sein Buch "Wettbewerbsfaktor Vertrieb bei Finanzdienstleistern".
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