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06.04.2015 | Energie | Interview | Online-Artikel

Innovatives Batteriespeicher-Kraftwerk am Netz

verfasst von: Günter Knackfuß

5 Min. Lesedauer

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Die Wemag AG ist als kommunales Unternehmen in der Region Westmecklenburgs vernetzt und setzt auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Thomas Pätzold beantwortet Fragen zur Ökostrategie des Unternehmens.

Springer für Professionals: Als Strom- und Gasversorger im Norden verfolgen Sie konsequent eine Ökostrategie. Wodurch ist sie gekennzeichnet?

Thomas Pätzold: Seit Januar 2010 befindet sich die Schweriner Wemag AG im Mehrheitsbesitz der Kommunen ihres Versorgungsgebietes. Seitdem verfolgen wir eine konsequente Ökostrategie, setzen auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz und treiben die Energiewende im Land aktiv voran. Nicht nur, indem wir bundesweit Strom aus erneuerbaren Energiequellen liefern und klimafreundliche Gasprodukte anbieten, sondern auch weil wir den Mut haben und die Investitionen bereitstellen, um neue Geschäftsfelder rund um die Energiewende zu besetzen. Mecklenburg-Vorpommern ist Vorreiter bei der Integration erneuerbarer Energien. Dies zeigt sich an fast 1.100 Megawatt installierter Leistung aus Ökokraftwerken. Zu Beginn dieses Jahres erzeugten die regenerativen Anlagen etwa 106 Prozent der Strommenge, die im Netzgebiet der Wemag verteilt wird. Intelligente Netzsteuerungssysteme, maßgeschneiderte Photovoltaik-Anlagen, Hausspeicher und Elektromobile sind bei uns keine Zukunftsmusik, sondern Tagesgeschäft. Einen Meilenstein haben wir im September vergangenen Jahres erreicht, als wir Europas größten kommerziellen Batteriespeicher in Betrieb genommen haben. Er hilft dabei, den Strom aus Wind und Sonne sicher in das Stromnetz zu integrieren.

Mit dem 5-MW-Batteriespeicher sind Sie die Nr. 1 in Europa. Inwieweit ist Ihr "Kraftwerk" konventionellen Anlagen überlegen?

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Batterien sind eine Schlüsseltechnologie, um das Netz flexibler und effizienter zu machen. Sie können Regelleistung sehr viel schneller und präziser bereitstellen als konventionelle Kraftwerke. Unser Batteriespeicher gleicht in 200 Millisekunden Frequenzschwankungen aus, die sich durch die volatile Einspeisung von erneuerbarer Energie ins Stromnetz ergeben. Damit arbeitet er 3.000 Mal so schnell wie ein Kraftwerk beim Ausgleich von Frequenzschwankungen. Genau das macht ihn zu einer überlegenen neuen Lösung im Umgang mit der stark wechselhaften Einspeisung regenerativer Energien.

Wo sehen Sie die Risiken für Betreiber solcher Speicher-Anlagen?

Investitionsentscheidungen sind meist mit Risiken behaftet, da ist die Entscheidung für Batteriespeicher keine Ausnahme. Die Preise für Regelenergie und -leistung waren in der Vergangenheit unbeständig und die zukünftige Entwicklung dieser Märkte ist schwer vorherzusagen. Aktuell sehen wir eher Chancen als Risiken. Die Speicherpreise fallen kontinuierlich und die Preise für die Primärregelenergie liegen zurzeit deutlich über den Erwartungen, die bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Investitionsplanung zugrunde gelegt wurden.

Mit ReeVOLT bieten Sie jetzt auch Haus-Stromspeicher an. Wie effizient funktionieren diese Anlagen?

Photovoltaikanlagen, Stromspeicher für Ein- und Mehrfamilienhäuser, Kleinwagen und Transporter mit Elektroantrieb – unsere Unternehmenstochter ReeVOLT ist das Markendach für integrierte Speicherlösungen und Elektromobilität. Für Ein- und Mehrfamilienhäuser bietet sie maßgeschneiderte Photovoltaikanlagen und einen selbst entwickelten Stromspeicher an. Das kostengünstige Akku-System kann bis zu 5 kWh selbst erzeugten Strom aufnehmen. In Verbindung mit der passenden Photovoltaikanlage kann so mehr als die Hälfte des Strombedarfs eines Einfamilienhauses aus eigenen Quellen gedeckt werden. Der Speicher ist ausgelegt für private Haushalte und kleine Gewerbekunden. Durch seine kompakte Abmessung kann er problemlos auch in kleinen Hauswirtschaftsräumen oder engen Kellern aufgestellt werden. Eine Innovation ist der modulare Aufbau. Bis zu 16 einzelne Akkus können je nach Bedarf in den Speicher eingesetzt werden. Die im ReeVOLT-Speicher eingesetzten Wechselrichter haben einen Wirkungsgrad von 94 Prozent. Die Gesamteffizienz des Systems hängt von der Einspeiseleistung und vom Nutzerverhalten ab. Sie liegt in der Regel bei 90 Prozent.

Inzwischen sind Sie auch Anbieter von Elektroautos. Mit welchen Herstellern kooperieren Sie dabei?

Im Mai 2014 hat die Wemag einen Anteil von 70 Prozent an der Karabag Elektroauto GmbH übernommen, um die Kompetenzen im Bereich Stromspeicher und E-Mobilität weiter zu bündeln. Die Karabag Elektroauto GmbH bietet seit 2009 Elektrofahrzeuge an. Dabei handelte es sich zunächst um Fahrzeuge aus Italien, die von Karabag in Zusammenarbeit mit dem TÜV Süd homologiert wurden. Seit 2011 baute die Karabag Elektrofahrzeug GmbH auch in eigenen Produktionsstätten. Die Produktpalette der ReeVOLT GmbH umfasst im E-Auto-Bereich den Fiorino E, den Doblò E als weiteren etwas größeren Kleintransporter, den Scudo E als Vertreter der sogenannten VITO-Klasse und schließlich den Ducato E in allen Größen und Gewichtsklassen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 4 Tonnen als Vertreter der Sprinterklasse. Als Kleinwagen bietet ReeVOLT den New 500 E sowie den E-Ka an. Der Fiorino E und die Transporter-Range erreichen eine Geschwindigkeit von bis zu 140 km/h. New 500 E und E-Ka fahren bis zu 110 km/h schnell. Darüber hinaus bietet die ReeVOLT GmbH Elektroauto-Umbaukits für Young- und Oldtimer an.

Für eine effektive Speicherung von stromerzeugtem Gas betreiben Sie zusammen mit zwölf weiteren Partnern aus der Thüga-Gruppe eine Versuchsanlage in Frankfurt am Main. Wie ist der gegenwärtige Stand?

Die Anlage ist seit Mai offiziell in Betrieb. Damit ist sie bundesweit die erste Anlage, die Strom einsetzt, um Wasser per Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff zu zerlegen und den Wasserstoff ins Gasverteilnetz einzuspeisen. Die DVGW-Forschungsstelle und das  European Institute for Energy Research haben die Leistungsfähigkeit und Dynamik der Anlage umfassend untersucht. Dazu wurden die Regelgeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit, mit der die Anlage hoch- und runtergefahren werden kann, und auch der Wirkungsgrad analysiert. Beim Wirkungsgrad hat unsere Strom-zu-Gas-Anlage die Erwartungen übertroffen. Mit weit über 70 Prozent Wirkungsgrad von der Stromentnahme bis zur Gaseinspeisung kann sich das Ergebnis sehen lassen. Die Gasverteilnetze könnten den kurz- und mittelfristigen Speicherbedarf bis 2050 vollständig aufnehmen und somit zu Batterien der Zukunft werden.

Außerdem entwickelt das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE eine Software für eine Echtzeit-Steuerung der Anlage. Diese soll helfen, die Anlage in ein zunehmend intelligentes Energiesystem zu integrieren. Wir wollen die Anlage so einbinden, dass sie von selbst die Unterschiede zwischen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und Stromverbrauch ausgleicht.

Das Interview führte Günter Knackfuß, freier Autor, für Springer für Professionals.

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