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21.07.2014 | Medien | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Bild" - Journalismus ist das nicht

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

3:30 Min. Lesedauer

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Die Studie "Missbrauchte Politik" hat die Wahlkampf-Berichterstattung der "Bild" in Hinblick auf Prognosen und Umfrageergebnisse untersucht. Dabei tauchen Probleme auf, denen sich nicht nur Boulevardjournalisten stellen sollten.

Bild dir deine Meinung? Von wegen. Die Bildzeitung lässt offenbar nur eine Meinung drucken: die gewinnbringende eigene. Besonders dann, wenn die Wahlentscheidung der bundesdeutschen Bürger zwischen Kanzlerin oder Kanzler ansteht. Da wird hofiert, attackiert und eine frühe Wahlprognose über Wochen hinweg zum Leitfaden der redaktionellen Arbeit erhoben. Parteilichkeit, Willkür in der Themenauswahl, Kampagnen-Journalismus, das sind die Vorwürfe, mit denen Hans-Jürgen Arlt, ehemaliger Kommunikationschef beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und Wolfgang Storz, einstiger Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, der Bildzeitung den Journalismus aberkennen.

Wie sich Medien und Politik missbrauchen 

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Bereits zum dritten Mal analysierten Arlt und Storz im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung die Methoden der "Bild". Die Wahlkampf-Berichterstattung im Sommer 2013 in den Medien "Bild" und "BamS" war Gegenstand der jetzt veröffentlichten Studie „Missbrauchte Politik“. Das Fazit der Autoren fällt vernichtend aus. Inhaltlich gewichtet werde in beiden Publikationen nicht nach journalistischen Maßstäben, sondern nach Gewinnerwartung. Hinzu komme eine in erster Linie auf die Bundeskanzlerin und danach auf die Große Koalition ausgerichtete parteipolitische Taktik. "Wie immer man diese Mischung nennen will – um Journalismus kann es sich nicht handeln“,  schreiben die Autoren. Es lässt sich mit SZ-Autorin Claudia Tichy darüber streiten, ob es von Arlt und Storz nicht "weltfremd“ ist, die Ökonomisierung des Journalismus zu verdammen. Die Auswahl und Präsentation der Themen in "Bild" gehört dagegen unbedingt unter die Lupe genommen.

Demoskopie ist was die Medien daraus machen 

"Vieles, was gegenwärtig für die Wirkung der Demoskopie gehalten wird, ist genau gesehen Medienwirkung“, zitiert Springer-Autorin Anne Jessen in ihrem Buchkapitel "Die Öffentlichkeit und die politische Meinungsforschung“ die Kommunikationswissenschaftlerin und Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann (Seite 304). Beispiel gefällig? "Nur 2,5 % der Bosse vertrauen Grünen“, titelt "Bild" laut Studie am 26. Juni 2013, nachdem sie schon elf Tage zuvor in eigener Wahlprognose festgestellt hatte, dass es für eine rot-grüne Regierung nicht reichen werde. Wenn Umfrageergebnisse von den Medien gefiltert und instrumentalisiert werden und sich so die Themensetzung bestimmt, dann gerät Noelle-Neumanns Feststellung zur Gretchenfrage über die Wechselwirkung von politischer Meinungsumfrage, Politik und Medien.

Von der Wirkung des Schwarms 

Umfrageergebnisse beeinflussen vor allem unentschlossenen Wähler. Was alle wählen wird schon richtig sein, folgert der Unsichere. "Beim Wähler können solche Informationen zu Rückkopplungen führen, nämlich dann, wenn Wähler ihre Erwartungen bezüglich des Wahlausgangs an die Ergebnisse anpassen“, schreibt Jessen. Es liegt also an den Medien, als erstem Empfänger der Auswertungen, verantwortungsvoll und objektiv mit den Daten umzugehen. Denn fehleranfälliger als die Produktion der Umfrage selbst, ist der Schritt der Veröffentlichung. Medien veröffentlichten überdurchschnittlich häufig "Aussagen, in denen das Lager, das sie auch in ihrer sonstigen Berichterstattung begünstigen, bessere Umfragewerte vorweisen kann“, schreibt Jessen (Seite 285). Die formale Qualität der Umfragen interessiert immer seltener. Wichtig ist, dass sich Aussagen für Meinungskonzepte destillieren lassen. Es wird also gleichzeitig gefiltert, selektiert, parteipolitisch gefärbt und mit methodischen Informationen gegeizt. Auf der Strecke bleibt der Wähler mit seinem Recht auf transparente, nachvollziehbare und unverfälschte Daten . "Umfragen sind nicht zu verdauen, wenn man die Ingredienzen nicht kennt“, schreibt Jessen (Seite 295). 

Journalismus braucht eine multiperspektivische Haltung

Wenn sich die Wirklichkeit zusammensetzt aus dem, was selektiv vermittelt und dann auch noch selektiv wahrgenommen wird, sind die moralischen Anforderungen an diejenigen, die die Medienrealität schaffen folglich immens. In ihrem Buchkapitel "Von Medienethik zu Berufsethik in PR und Journalismus“ fordert Springer-Autorin Bärbel Röben von Journalisten eine multiperspektivische Haltung. Medienschaffende haben die Aufgabe, so schreibt Röben, die Teilhabe aller sozialen Gruppen am Selbstverständigungsprozess der Gesellschaft zu ermöglichen, „durch professionelles und ethisch angemessenes Medienhandeln“ (Seite 67).

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