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08.08.2013 | Medien | Interview | Online-Artikel

Wie neue Medienbesitzer mit Medienmarken umgehen

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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Was ist dran am Vorurteil "Internet killed the Print Star“? Und ist die Medienkrise eigentlich eine Krise der Medienmanager? Teil 2 des Interviews mit Professor Alexander Moutchnik zum Verkauf der "Washington Post".

Wie werden sich Medienmarken und Medienbesitzer in Zukunft entwickeln?

Es ist zu erwarten, dass die Anzahl von großen multinationalen Mischkonzernen, zu denen u.a. auch die traditionsträchtigen Medienmarken gehören werden, weiterhin steigen und die Anzahl von reinen Medienunternehmen - und darunter vor allem Familienunternehmen - demnächst stark zurück gehen wird. Die Medienmarkenmanager von Gazprom Media, Groupe Lagardère, Dassault Group, Red Bull Media House, Virgin Media etc. werden ihre Positionen ausbauen und den wirtschaftlich angeschlagenen "alten“ Medienmarken eine neue Qualität verleihen.

Die Krise der Medien hat aber dennoch mit dem Aussterben echter Medienpersönlichkeiten, Medienmanager und Medienmacher zu tun?

Zum einen stimmt es. Tatsächlich befinden sich viele Eigentümer großer Medienunternehmen in einem respektablen Lebensalter – so ist Anne Cox Chambers 93 Jahre, Karl Ernst Tielebier-Langenscheidt 92, Sumner Redstone 90, Serge Dassault 88, Hugh Hefner 87, Alfred Neven DuMont 86, Rupert Murdoch 82, Silvio Berlusconi und Aydın Doğan 77, Ted Turner 75, Hubert Burda und Dirk Ippen 73, Liz Mohn 72, Friede Springer 71. Die Medienpatriarchen aus Deutschland und dem Ausland, welche die weltweite Entwicklung der Medien in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend mitgeprägt haben, gehören damit beinah der gleichen Generation an. Sie sind äußerst traditionsbewusst und -verpflichtet als Nachfolger ihrer Väter (Franz Burda, Kurt Neven DuMont) oder verstorbener Ehemänner (Axel Springer, Reinhard Mohn). Dabei findet gerade in diesen Unternehmen die radikale Neuordnung ihrer Besitzstruktur mit dem Blick auf die Nachfolgeregelung statt – wie es vor kurzem in der WAZ-Mediengruppe, die ja seit dem 1. Januar 2013 unter dem Namen "Funke Mediengruppe“ firmiert, in der Bauer Media Group oder auch in Playboy Enterprises mit dem Börsenabgang im Jahr 2011 der Fall war.

Zur gleichen Zeit kann von der "Medienkrise" deswegen nicht immer pauschalisierend gesprochen werden. Einige Medienunternehmen, sei es im staatlichen oder im privaten Besitz, erlauben sich gerade in diesen "Krisenzeiten" umfangreiche Investitionen in solche Prestigeobjekte wie beispielsweise Gebäude – sei es der Umzug der BBC von London nach Manchester in die MediaCityUK, das neue Gebäude der Tamedia AG in Zürich für 50 Mio. SFR, der geplante Neubau des digitalen Mediencampus der Axel Springer AG in Berlin. Die neuen Gebäude entsprechen den Anforderungen der modernen Medienproduktionen und des Medienmanagements.

Die Medienmacher, die heutzutage hinter ihren Medienmarken stehen – wie beispielweise der Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media AG Thomas Ebeling, der Psychologie studiert hat und als Marken- und Marketingmanager bei Reemtsma, Pepsi-Cola und Novartis vor seinem Einstieg in das Mediengeschäft im Jahre 2007 mehrere Jahre gearbeitet hat – werden überwiegend in den Fachkreisen bekannt sein.

Sie vertreten die These, dass neue Medienbesitzer starke Medienmarken häufig zerrütten. Welche Beispiele gibt es für dieses Zerrüttungs-Phänomen?

Die neuen Medienbesitzer ergänzen die "alten" Medienmarken mit neuen Eigenschaften und Qualitäten. Die Schließung von internen Kooperationen mit den Marken aus anderen Branchen im gleichen Portfolio kann zur beachtenswerten Erweiterung der Medienmarken und damit zur Steigerung ihrer Markenwerte führen. Ob dies tatsächlich geschieht, d.h. ob eine Zerstörung bzw. Zerrüttung von traditionellen Medienmarken stattfindet, hängt ausschließlich von der Zusammensetzung des restlichen Markenportfolios des neuen Medienbesitzers ab. So ist es naheliegend, dass die Zeitung "Washington Post“ bald auf Amazon Kindle im besonders günstigen Angebot zu lesen sein wird.

Auf der anderen Seite wirtschaftete der 23-jährige Alexander Pugatschow, der Sohn des russischen Ex-Bankiers Sergey Pugatschow, die traditionsträchtige Zeitung Frankreichs "France Soir“ trotz der Investitionen von über 20 Milionen Euro innerhalb von drei Jahren herunter. Am 23. Juli 2012 wurde das Zeitungsunternehmen in Folge der Insolvenz geschlossen und die Marke – mit Ausnahme der wöchentlichen App unter dem Titel "FranceSoir l‘e-mag" verschwand.

Gibt es Möglichkeiten, etwas gegen den Verfall und Niedergang starker Medienmarken zu tun?

Aus der Perspektive der Medienbesitzer – sei es "alt" oder "neu" – kann die Erweiterung des Markenangebots als eine Rettungsstrategie gelten. Sie kann zum einen den Bereich der Dienstleistung betreffen wie beispielsweise die Veranstaltungen von "Washington Post“-Summer-Schools für angehende Politiker, Journalisten und Medienmanager. Zum anderen kann sie den Bereich von Merchandising-Artikeln betreffen. Aus der Perspektive der Medien-Konsumenten wäre die Nutzung von diesen neuen Angeboten für die Marke rettend.

Mit dem Verkauf der Zeitung an den Amazon-Gründer kann eine neue Markenwelt "Washington Post“ entstehen, welche die alten und vor allem die neuen Kunden, Anhänger, Fans und Follower um sich vereinen kann. Die Rettung von Medienmarken ist daher überwiegend durch die Schaffung eines modernen Netzwerks um diese Medienmarke möglich. Die Klubvorteile werden die Medienmarken retten und das Vorurteil "Internet killed the Print Star“ entschärfen.

Beispiele für den Erwerb von Medienmarken durch medienferne Unternehmer:

  • Serge Dassault, der Luftfahrtunternehmer, im Jahre 2004 die Zeitungsmarke "Le Figaro";

  • Edouard de Rothschild, im Jahre 2005 die bedeutende Zeitungsmarke Frankreichs "Libération“;

  • Bernard Arnault, der Eigentümer des Luxuskonzerns "LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton“ im Jahre 2007 die führende Wirtschafts- und Finanzzeitungsmarke Frankreichs "Les Échos“ von der Mediengruppe Pearson;

  • Dietrich Mateschitz, Anteilseigner der Red Bull GmbH, in den Jahren 2007/2008 den Privatsender Salzburg TV;

  • Alexander Lebedew, der russische Milliardär mit Anteilen an der Fluggesellschaft Aeroflot, Sberbank, Gazprom u.a., die wichtigen Zeitungsmarken Großbritanniens „London Evening Standard“ im Jahre 2009 und ein Jahr danach "The Independent“;

Serie Medienbesitzer und Medienmarken:

Teil 1: "Jeff Bezos hat die Marke 'Washington Post' gekauft"

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