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27.07.2015 | Public Relations | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Persuasion auf Einstellungen wirkt

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

4 Min. Lesedauer

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In der Hauptstadt haben es durchschnittlich zehn Lobbyisten auf die Einstellung eines einzelnen Abgeordneten abgesehen. Sie sind Profis der persuasiven Kommunikation, es geht ihnen darum zu überreden statt zu überzeugen. Kann das glaubwürdig gelingen?

Mitte Juni konnte das Onlineportal Abgeordnetenwatch einen Etappensieg in Sachen Lobbykontrolle erringen. Künftig muss der Bundestag Auskunft über die Anzahl der Hausausweise für Lobbyisten geben und die Namen der Verbände nennen, für die sie auftreten, entschied das Berliner Verwaltungsgericht. Vor über einem Jahr hatte Abgeordnetenwatch die Bundestagsverwaltung aufgefordert, eine Liste mit den Lobbykontakten der Regierungsfraktionen offenzulegen. Nur Linke und Grüne geben ihre Verbindungen preis. Union, SPD und die Bundestagsverwaltung blieben stumm, worauf die Organisation Klage einreichte.

Lobbyverbindungen gehören ans Tageslicht

Selbst wenn die Bundestagsverwaltung in Berufung gehen sollte, Abgeordnetenwatch wertet das Urteil als gute Ausgangsposition, für "mehr Transparenz" im Bundestag, wie Geschäftsführer Gregor Hackmack, verlauten lies. Der Geheimniskrämerei unter der Reichstagskuppel will auch das ZDF mit seinem Lobbyradar einen Riegel vorschieben. Anfang Mai stellte der TV-Sender seine Internetdatenbank vor, die aus Tausenden von gespeicherten Namen und Verbindungen eine interaktive Netzgrafik generiert, Lobbybeziehungen deutschlandweit darstellt und damit der Transparenz und Kontrolle politischer Prozesse weiteren Vorschub leistet. Auf über 600 Bundestagsabgeordnete kämen allein in Berlin zehnmal so viele Lobbyisten, rechnet der Sender vor. "So manche Nachricht erscheint in anderem Licht, wenn man die Vernetzungen kennt zwischen Politik, Wirtschaft, Verbänden und anderen gesellschaftlichen Gruppen", sagte der stellvertretende ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen.

Es "quält" die Ahnung des Diffusen

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Lobbying, die politische Interessenvertretung von Wirtschaftsunternehmen, NGOs, Organisationen und Verbänden ist weder illegal noch zwielichtig, sondern genau genommen eine Form der Teilhabe am demokratischen Prozess. Dass Problem ist, dass sich Lobbying im nicht-öffentlichen Raum in den Hinterstübchen abspielt. Verdächtig macht sich aber, wer sich und sein Tun der gesellschaftlichen Kontrolle verweigert. Oder mit Shakespeare: "Die Ahnung eines Übels quält oft mehr als Überzeugung". Doch Überzeugung ist kein Anliegen von Lobbyisten. Sie setzten auf Überredung, Persuasion. Wie die funktioniert?

Persuasion verändert Einstellungen

Mit der Leichenrede des Marc Anton in "Julius Cäsar" liefert Shakespeare ein literarisches Paradebeispiel für politische Interessenvertretung, wie "Kommunikation Menschen überzeugen, Einstellungen wandeln und somit letztlich auch Verhalten verändern kann", meinen die Springer-Autoren Matthias Spörrle, Florian Becker und Lutz von Rosenstil im Buchkapitel "Persuasion durch Glaubwürdigkeit" (Seite 68). Die persuasive Kommunikation ist eine zwischenmenschliche Sozialtechnik, die auf Einstellungsänderung und kurzfristiges Erreichen von Zielen aus ist. Es geht ihr nicht um Austausch und Verständigung. "Man versucht durch Kommunikation Einfluss auf die Psyche zu nehmen", schreibt Springer- Autor Thomas Becker in "Medienmanagement im Marketing-Mix" (Seite 38) und zitiert die sechs Persuasions-Strategien aus Robert B. Cialdinis New York Times Bestseller "Influence: The Psychology of Persuasion":

Prinzip der Gegenseitigkeit (reciprocity)Man fühlt sich verpflichtet, sich für Gefälligkeiten zu revanchieren.
Selbstverpflichtung (commitment)Wenn man sich einer Sache verpflichtet fühlt, akzeptiert man Angebote, die mit der eigenen Einstellung kongruent sind.
Konformität (social proof)Man orientiert seine Einstellung gerne an der beobachteten Mehrheitsmeinung.
Autorität (authority)Menschen tendieren dazu, eine Autorität zu akzeptieren, selbst wenn deren Anordnungen gegen die eigenen Einstellungen verstoßen.
Sympathie (liking)Menschen vertrauen Menschen, die sie mögen.
Seltenheit (scarcity)Was rar ist oder wer sich rar macht, wird als attraktiv empfunden.

Glaubwürdig überreden – geht das?

Lobbyisten verdienen mit Persuasion ihren Lebensunterhalt. Die Springer-Autoren Spörre, Becker und von Rosenstil halten diese Kommunikationstechnik für "nicht unbedingt positiv besetzt" (Seite 70), weil sie häufig mit Manipulation assoziiert werde. "Wird Manipulation erkannt, sind die Vertrauenswürdigkeit und damit die Glaubwürdigkeit nicht mehr gegeben" (Seilte 71). Haben in dieser Logikkette Lobbyisten überhaupt eine Chance auf Glaubwürdigkeit? Folgt man den Springer-Autoren, dann ist die Glaubwürdigkeit des Senders ein Produkt aus mehreren Faktoren und unteren deren Berücksichtigung durchaus erreichbar (Seite 73/74):

  • Kompetenz und Expertise des Senders
  • wahrgenommener Motivation und Vertrauenswürdigkeit des Senders
  • wahrgenommene Qualität der Argumente
  • Attraktivität des Senders
  • der Fähigkeit, gegen die eigenen Interessen zu argumentieren
  • der Fähigkeit, geäußerte Meinungen zu revidieren

Fazit: Glaubwürdigkeit ist ein hohes Gut, aber auch ein vergängliches. "Offenbar wird die Glaubwürdigkeit der Quelle im Laufe der Zeit weniger bedeutend für die Einstellungsänderung", vermuten die Autoren mit Hinweis auf den Sleeper-Effekt (Seite 74). Persuasion ist also generell mit der hohen Glaubwürdigkeit des Senders verbunden, aber auch von Wechselwirkungen mit anderen Komponenten der Kommunikation abhängig (Seite 79).

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