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2014 | Buch

Der CSI-Effekt in Deutschland

Die Macht des Crime-TV

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Über dieses Buch

​Der CSI-Effekt ist ein in Deutschland bislang nur marginal untersuchtes Phänomen. Dabei zeigen sich bereits in der Praxis der Polizei und Gerichtsmedizin erste Auswirkungen des bei den ZuschauerInnen von Krimisendungen entstandenen, gefährlichen Halbwissens‘ über die Arbeit der GerichtsmedizinerInnen – auch in Deutschland! Ausgehend von der Hypothese der bereits bestehenden Forschungen über den CSI-Effekt in den USA, dass insbesondere die Geschworenen vor US-amerikanischen Gerichtssälen sich auf das Wissen aus Crime-Sendungen berufen und zum Beispiel die rechtsmedizinische Methode der DNA-Analyse unter Rückgriff auf die konsumierten Fernsehsendungen als Allheilmittel stilisieren, untersucht der vorliegende Band die Darstellung der rechtsmedizinischen und kriminalistischen Untersuchungsmethoden in US-amerikanischen und deutschen Krimi- und Fahndungssendungen sowie in weiteren Reality-TV und Scripted Reality Formaten, die sich mit den modernen Methoden der Verbrechensaufklärung beschäftigen. Im Mittelpunkt dieser Forschung steht die Frage, welche Botschaft uns das Fernsehen über die Methoden der Gerichtsmedizin und Kriminaltechnik mitteilt und welches Potential das Fernsehen als Akteur im Feld der Verbrechensaufklärung besitzt, das Verständnis von den Möglichkeiten der Verbrechensaufklärung bei den ZuschauerInnen zu prägen. Das Ergebnis dieser exemplarisch an vier hermeneutisch-wissenssoziologisch ausgewerteten Beispielsendungen dargelegten Forschungsarbeit überrascht: Nicht in jeder Sendung über Verbrechensaufklärung – insbesondere nicht in den deutschen Formaten – werden die modernen naturwissenschaftlichen Methoden der Kriminaltechnik und Gerichtsmedizin als Allheilmittel dargestellt​.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Unter der Lupe: Der CSI-Effekt im deutschen Fernsehen?
Zusammenfassung
Die Fähigkeit des Menschen, seinen Blick für etwas Bestimmtes zu schärfen, spielt insb. in der Verbrechensaufklärung bis in die Gegenwart eine wichtige Rolle. Ein ‚geschärfter Blick‘ kann erstens eine besonders gut entwickelte Beobachtungsgabe eines Ermittelnden meinen, anhand derer er z.B. sein Gegenüber während einer Vernehmung einschätzen kann. Zweitens spricht der ‚geschärfte Blick‘ auch bestimmte (technische) Hilfsmittel an, bspw. Lupen oder Mikroskope, mittels derer der Ermittelnde Spuren sichtbar machen kann, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Einem dieser Hilfsmittel zur Sichtbarmachung von Spuren bedient sich die Kunstfigur des britischen Detektivs Sherlock Holmes. Er ist einer der bekanntesten literarischen Ermittler der Welt. Mit seinem Freund Dr. Watson löst er selbst die kompliziertesten Kriminalfälle im London des späten 19. und frühen 20.
Carina Jasmin Englert
2. Krimi, Fahndung oder Crime?
Die Fernsehserie über Verbrechensaufklärung
Zusammenfassung
Sehnsüchte und Wünsche des realen Lebens können in den Liebesbekundungen der Daily Soaps, in den aufregenden Verfolgungsjagden der Actionserien, oder in den ‚gerechten‘ Bestrafungen von Kriminellen in den Fernsehkrimis ihre Erfüllung finden. Die Fernsehzuschauer tauchen gerne in die ‚Also-ob-Welten‘ der Unterhaltung (im Fernsehen) ein, in denen sie auf eine augenscheinlich bessere Wirklichkeit stoßen (vgl. Dörner 2001, S. 60f.). So verstanden, ist Unterhaltung viel mehr als reiner Zeitvertreib. Das gilt auch für unterhaltende Fernsehsendungen über Gerichtsmedizin und Kriminaltechnik, die sich nicht auf einen ‚reinen Unterhaltungswert‘ reduzieren lassen. Vielmehr gehen Unterhaltung und Information in Fernsehsendungen (über Verbrechensaufklärung) eine Verbindung ein. Fälschlicherweise wird nach dem Alltagsverständnis häufig davon ausgegangen, dass Unterhaltung und Information einander ausschließen bzw. dass unterhaltende Fernsehsendungen nicht ‚angemessen‘ informieren können.
Carina Jasmin Englert
3. Forensik, Kriminalistik, Kriminaltechnik und Gerichtsmedizin
Zusammenfassung
Es ist keine neue Erkenntnis, dass im Fernsehen nicht die Wirklichkeit abgebildet wird. Vielmehr konstruiert das Fernsehen aus einer von ihm gewählten Perspektive eine bestimmte Wirklichkeit. Dies gilt auch – und insb. – für die Wirklichkeit über Verbrechensaufklärung. Es ist daher nicht möglich, aus Fernsehserien über Verbrechensaufklärung selbst eine Definition von modernen Methoden der Gerichtsmedizin und Kriminaltechnik zu entwickeln, denn in Fernsehserien über Verbrechensaufklärung ist zunächst einmal nur zu sehen, was moderne Methoden über Kriminaltechnik und Gerichtsmedizin sein könn(t)en. Eine Defi nition von modernen kriminaltechnischen und gerichtsmedizinischen Methoden ist demzufolge vor Auswahl des zu untersuchenden Datenmaterials erforderlich, um ein Verständnis davon zu erlangen, was (moderne) kriminaltechnische und gerichtsmedizinische Methoden sind. Im Nachstehenden erfolgt ein kurzer Einblick in die Geschichte der kriminaltechnischen und gerichtsmedizinischen Methoden, die in der Verbrechensaufklärung eingesetzt wurden und werden, um im Anschluss daran eine entsprechende Defi nition von modernen kriminaltechnischen und gerichtsmedizinischen Methoden der Verbrechensaufklärung zu finden.
Carina Jasmin Englert
4. Moderne Methoden der Gerichtsmedizin und Kriminaltechnik
Zusammenfassung
Bei dem Verdacht auf ein Verbrechen untersucht ein Rechtsmediziner in einem weißen oder blauen Ganzkörperschutzanzug die Leiche an einem Tatort. Er ist z.B. dabei zu beobachten, wie er u.a. Fotografien oder Videos des Tatorts und der Leiche anfertigt. Das ist eine Darstellungsweise von dem Prozess der Verbrechensaufklärung, die dem Zuschauer in zahlreichen Fernsehserien über Verbrechensaufklärung begegnet. Dabei ist dem Zuschauer meist nicht bewusst, dass es sich hier um zwei wichtige Arbeitsbereiche in der (realen) Verbrechensaufklärung handelt: der Rechtsmedizin und der Kriminaltechnik. Zu diesen Teilgebieten zählt allerdings nicht nur die Spurensicherung am Tatort, sondern v.a. auch die spätere Auswertung der Tatortspuren im Labor. Sowohl bei der Spurensicherung als auch bei der Auswertung der Tatortspuren im Labor werden bestimmte Methoden angewendet, die sich häufig nicht eindeutig der Kriminaltechnik oder der Gerichtsmedizin zuordnen lassen, sondern beide Arbeitsbereiche tangieren. Ein Beispiel ist die DNA-Analyse, die sowohl z.B. bei der kriminaltechnischen Spurensicherung am Tatort durch die Entnahme von bestimmten Proben relevant werden kann, als auch bei der Untersuchung einer nicht-identifizierten Leiche in der Gerichtsmedizin.
Carina Jasmin Englert
5. Der Ermittlungsstand: Der CSI-Effekt in Alltag und Forschung
Zusammenfassung
Als ‚CSI-Effekt‘ wird im Fach- und Alltagsdiskurs über Verbrechensaufklärung v.a. der Einfluss von Fernsehserien über Verbrechensaufklärung auf die Vorstellung von Methoden der Verbrechensaufklärung unter den Geschworenen vor Gericht bezeichnet. Die bekannteste Fernsehserie, deren Darstellungen von Verbrechensaufklärung eine Auswirkung auf das Verständnis von kriminaltechnischen und gerichtsmedizinischen Methoden zugeschrieben wird, ist die US-amerikanische Serie CSI: Vegas. Doch nicht nur in der Serie CSI: Vegas wird eine Auswirkung von Darstellungen der Verbrechensaufklärung auf ihre Zuschauer zugeschrieben, sondern auch anderen Fernsehserien über Verbrechensaufklärung, wie z.B. Law & Order oder Gerichtsmedizinerin Dr. G, sodass der CSI-Effekt nicht nur die Sendung CSI: Vegas betrifft, sondern darüber hinaus andere Fernsehsendungen, die sich um Verbrechen und deren Aufklärung drehen.
Carina Jasmin Englert
6. Die Methode
Zusammenfassung
Quantitative Methoden, wie sie auch bei der Untersuchung des CSI-Effekts angewendet worden sind, können erstens „[…] Explandanda für empirische Handlungserklärungen […]“ (Kelle 2008, S. 282f.) und zweitens empirische Belege für zuvor aufgestellte Hypothesen liefern und damit v.a. zur Überprüfung von zuvor aufgestellten Hypothesen herangezogen werden (hierzu auch Raithel 2008, S. 8). Die zu überprüfenden Hypothesen in den quantitativen Forschungsvorhaben über den CSI-Effekt sind bereits genannt worden und laufen alle auf eine Zielsetzung hinaus, nämlich die Überprüfung der Frage, ob Fernsehserien, wie bspw. CSI-Den Tätern auf der Spur (heute CSI: Vegas), Einfluss auf Gerichtsverfahren und Geschworene, die Polizeiarbeit, Staatsanwälte und Richter, den forensischen Ausbildungsweg, auf Verbrechen und auf das öffentliche Interesse an Forensik besitzen, indem sie ihren Zuschauern eine bestimmte Darstellungsweise von kriminaltechnischen und gerichtsmedizinischen Methoden der Verbrechensaufklärung anbieten. Die (empirische) Widerlegung oder Bestätigung dieser oder einer ähnlichen Hypothese und deren statistische Verallgemeinerbarkeit ist Ziel einer quantitativen Untersuchung.
Carina Jasmin Englert
7. Die Sichtung des Datenmaterials und Theoretical Sampling
Zusammenfassung
Die deutsche Fernsehlandschaft ist im Hinblick auf Sendungen über Verbrechensaufklärung sowohl bezüglich ihrer Formate als auch ihrer Themenschwerpunkte ebenso vielfältig wie unübersichtlich. Zudem ist die deutsche Fernsehlandschaft einem steten Wandel unterworfen (vgl. Hallenberger 2011, S. 83; auch Hoffmann 2006, S. 11) und es herrscht kein Konsens über ein System zur Klassifikation von Fernsehsendungen, das es ermöglicht, Fernsehsendungen anhand sinnvoller Kriterien voneinander abzugrenzen. Aus diesem Grund wurde für eine angemessene Auswahl der zu analysierenden Daten ein Klassifikationssystem entworfen (zum Klassifikationssystem siehe Englert 2013b, S. 235ff.), mit dem die Fernsehserien über Verbrechensaufklärung, die im deutschen Fernsehen in einem bestimmten Aufnahmezeitraum gesendet worden sind, klassifiziert werden konnten. Im Anschluss daran, konnten aus den sich ergebenen Klassifikationen von Fernsehserien mittels ‚Theoretical Sampling‘ signifikante Fernsehserien über Verbrechensaufklärung aus dem umfangreichen Datenmaterial ausgewählt und im Hinblick auf die gegebene Fragestellung analysiert werden.
Carina Jasmin Englert
8. Analyse der ausgewählten Sendungen
Zusammenfassung
Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich zugunsten der besseren Lesbarkeit auf die Ergebnisse und nicht auf die Durchführung der erfolgten hermeneutisch- wissenssoziologischen Videoanalyse der ausgewählten Fernsehsendungen über Verbrechensaufklärung.
Carina Jasmin Englert
9. Die ‚Macht‘ des Crime TV
Zusammenfassung
Aus der Analyse der sieben Fernsehserien über Verbrechensaufklärung sind sowohl unterschiedliche inhaltliche Botschaften als auch verschiedene Typen von Botschaft en hervorgegangen. Dies weist bereits darauf hin, dass den Fernsehserien über Verbrechensaufklärung weder die eine inhaltliche Botschaft noch die eine Form von Führung inhärent ist – etwas, das der CSI-Effekt zu postulieren scheint. Gemein ist den unterschiedlichen Typen von Botschaft en allerdings, dass sie alle eine Form der Führung ausüben, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Es scheint sich dabei um eine neuartige Form der Führung bzw. ‚Macht‘ durch das Fernsehen zu handeln, die von Fernsehserien über Verbrechensaufklärung, im Alltagsverständnis als ‚Crime TV‘ bezeichnet, auszugehen scheint.
Carina Jasmin Englert
Backmatter
Metadaten
Titel
Der CSI-Effekt in Deutschland
verfasst von
Carina Jasmin Englert
Copyright-Jahr
2014
Electronic ISBN
978-3-658-02415-4
Print ISBN
978-3-658-02414-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-02415-4