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19.03.2024 | Automatisiertes Fahren | Im Fokus | Online-Artikel

So wird Deutschland Vorreiter beim automatisierten Fahren

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

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Deutschland könnte zu einem der führenden Standorte für das automatisierte Fahren werden. Allerdings nur, wenn einige Maßnahmen umgesetzt werden. Zwei aktuelle Studien geben Empfehlungen. 

Wie kann Deutschland zu einem der führenden Standorte für das automatisierte Fahren werden? Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und das Center of Automotive Management (CAM) haben diese Fragestellung im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) untersucht. In einer Studie haben die Forscher Herausforderungen und Handlungsempfehlungen formuliert. Auch der Expertenkreise Transformation der Automobilwirtschaft (ETA) hat Empfehlungen veröffentlicht und skizziert, wie ein Markthochlauf des automatisierten Fahrens in Deutschland gelingen könnte. Wir haben die Ergebnisse zusammengefasst.

Hochautomatisiertes Fahren (Level 3) ist in einigen Fahrzeugen bereits heute technisch umgesetzt und wird in den nächsten Jahren vermehrt Realität auch auf deutschen Straßen. So ist es in Deutschland seit dem 1. Januar 2023 erlaubt, autonom auf Level 3 mit bis zu 130 km/h zu fahren. Die zugelassenen Systeme von Mercedes-Benz und BMW machen bereits eine Level-3-Automatisierung auf Autobahnen in Stausituationen möglich. Das vollautomatisierte Fahren auf Level 4, bei dem der Fahrer sich dauerhaft vom Verkehr abwenden darf und bei Problemen nicht mehr umgehend selbst wieder das Steuer übernehmen muss, rückt ebenfalls Stück für Stück in greifbare Nähe. So gibt es Bestrebungen zum Beispiel des Shuttle-Anbieters EasyMile in Kelheim und Monheim am Rhein sowie von Moia, eine hundertprozentige VW-Tochter, in Hamburg, ein Level-4-Shuttle im Regelbetrieb einzusetzen. 

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Automatisiertes/Autonomes Fahren

Die Entwicklung des automatisierten Fahrens verfolgt mehrere Ziele: Es soll die Sicherheit im Fahrzeugverkehr soweit erhöhen, dass die Unfallzahlen gegen Null gehen. Gleichzeitig wird der Fahrkomfort für den Fahrer gesteigert. Und durch eine Vernetzung der automatisierten Fahrzeuge untereinander kann der Verkehrsfluss insgesamt optimiert werden.

Level-4-Automatisierung vor allem in China und den USA

Allerdings lässt sich beobachten, so die ETA-Studie, dass die Erforschung und großflächige Erprobung insbesondere von Fahrzeugen und Systemen der Automatisierungsstufe Level 4 aktuell hauptsächlich außerhalb Europas stattfinden. In China sind beispielsweise in mehreren Metropolen bereits Robotaxis ohne Sicherheitsfahrer unterwegs, geht aus der Fraunhofer-CAM-Studie hervor. In den USA würden ebenfalls mehrere Unternehmen Testflotten für autonome Fahrzeuge betreiben. Dort musste allerdings die Robotaxi-Firma Cruise, eine GM-Tochter, auf Anweisung der Behörden nach einem Unfall alle Fahrzeuge von der Straße nehmen.

Stefan Bratzel vom CAM weist daher darauf hin, dass die Ausgangslage Deutschlands und der deutschen Akteure beim automatisierten Fahren im internationalen Wettbewerbsvergleich unterschiedlich sei: "Während deutsche Automobilhersteller und -zulieferer eine führende Rolle im Bereich von Fahr- und Parksystemen der Automatisierungsstufen 2 bis 3 einnehmen, bieten bislang ausschließlich chinesische und US-amerikanische Akteure kommerzielle Dienstleistungen im Bereich der Robotaxis und Roboshuttles der Stufe 4 an. Um als Innovationsstandort zu punkten, müssen sich die Akteure in Deutschland zeitnah auf skalierbare Anwendungsfälle fokussieren und deren Umsetzung vorantreiben".

Mehr Vernetzung, weniger Bürokratie

Zwei Maßnahmen sind laut der Fraunhofer-CAM-Studie entscheidend, damit sich das automatisierte Fahren in der Breite durchsetzen kann: Zum einen müssten die beteiligten Akteure miteinander vernetzt, befähigt und motiviert werden, damit Produkte im Bereich des automatisierten und vernetzten Fahrens Marktreife erlangen sowie praktische Hürden überwunden und gewinnbringende Geschäftsmodelle entwickelt werden. Dazu empfehlen die Studienautoren die Einrichtung einer nationalen Koordinationsstelle für automatisiertes und vernetztes Fahren. 

Zum anderen müssten Hürden auf behördlicher Seite aus dem Weg geräumt werden, womit beispielsweise die bundesweite Vereinheitlichung und unbürokratische Definition von Genehmigungsprozessen gemeint sei. Ein weiterer Erfolgsfaktor für das automatisierte Fahren sei das Vorhandensein von hochauflösenden Karten sowie die Bereitstellung von Verkehrsinformationen. HD-Karten würden das sichere Vorankommen eines vollautomatisierten Fahrzeugs erlauben, ergänzend zu den Echtzeitdaten an Bord der Fahrzeuge. Um Karten- und Verkehrsdaten empfangen zu können, sei außerdem ein flächendeckender Mobilfunkausbau notwendig.

Umsetzung im Regelbetrieb erleichtern

Auch ein Strategiepapier des Expertenkreises Transformation der Automobilwirtschaft (ETA) hat untersucht, welche Weichen gestellt werden müssen, damit Deutschland eine Vorreiterposition im Bereich des automatisierten und vernetzten Fahrens einnehmen kann. Das Papier identifiziert fünf Handlungsfelder, die entscheidend für die weitere Entwicklung dieser Zukunftstechnologie und ihren tatsächlichen Einsatz im Straßenverkehr sein sollen. Dazu gehören sowohl technologische Herausforderungen als auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Die fünf Handlungsfelder sind:

Regulatorischer Rahmen: Zwar sei in Deutschland ein regulatorischer Rahmen zur großflächigen Zulassung von Fahrzeugen der Automatisierungsstufen 3 und 4 geschaffen worden. Grundlagen hierfür seien das Gesetz zum autonomen Fahren aus dem Jahr 2021 sowie die Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung (AFGBV), die im Juli 2022 in Kraft trat. Jedoch sei die konkrete, praxistaugliche Umsetzung des untergesetzlichen Rahmens in Prozesse bezüglich der Homologation, Absicherung und Zulassung bis heute noch weitgehend ungeklärt, so die ETA-Studie. Offene Fragestellungen seien zum Beispiel die technische, rechtssichere und aufwandsarme Umsetzung des szenarienbasierten Testens sowie die Umsetzung der Pflichten des Fahrzeugführers.

Digitale, vernetzte Verkehrsinfrastruktur und Mobilfunknetze: Wie auch bereits die Fraunhofer-CAM-Studie gefordert hat, muss auch laut ETA-Studie ein Ausbau leistungsfähiger und stabiler Mobilfunknetze stattfinden, Daten der Verkehrsinfrastruktur bereitgestellt und die Verkehrsinfrastruktur modernisiert werden. Zudem müssten Sonderfahrzeuge in die vernetzten Verkehrssysteme eingebunden und die Interaktion mit Einsatzkräften geregelt werden.

Technologische Herausforderungen: Laut ETA-Studie sei erkennbar, dass sich die technologischen Herausforderungen zunehmend in die Bereiche der Absicherung, der grundlegenden Umgestaltung der Elektrik/Elektronik- und Software-Architektur des Fahrzeugs sowie der herstellerübergreifenden Integration einzelner Hard- und Softwarekomponenten in diese Systeme verlagern würden. Weitere Herausforderungen beträfen die Identifikation von anwendungsspezifisch relevanten und besonders kritischen Szenarien aus Realdaten, dem Sicherheitsnachweis im Zuge von Homologation und Softwareupdates sowie die Weiterentwicklung der Leistungsfähigkeit von Hard- und Software im Level-4-Bereich – zum Beispiel Sensoren, Signalverarbeitung und Zuverlässigkeit von künstlicher Intelligenz.

Risikobehaftete und investitionsintensive Geschäftsmodelle: Die ETA-Studie kommt zu dem Schluss, dass das automatisierte Fahren der Stufen 3 und 4 eine Neugestaltung der technischen Fahrzeugarchitektur sowie den Einsatz von wartungsintensiven Software- und Elektroniksystemen erfordere. Daher sollte die Umsetzung von technisch einfacheren und ökonomisch lukrativen Anwendungsfeldern priorisiert und Leuchtturmprojekte in den Bereichen Logistik, Personentransport und automatisiertes Parken bis 2030 realisiert werden. Zudem sei es wichtig, Verkehrsunternehmen zu Beschaffung und Betrieb automatisierter Fahrzeuge zu ertüchtigen.

Akzeptanz in der Bevölkerung: Aktuelle Studien würden, so die ETA-Studie, ein inhomogenes Bild des Nutzens und der Risiken des automatisierten und vernetzen Fahrens aus Sicht der Bevölkerung zeigen. So sollen 32 % aktuell eine Zulassung automatisierter Fahrzeuge grundsätzlich ablehnen, während 47 % dem positiv gegenüberstehen würden, wenn dadurch die Unfallgefahr sinken würde. Hinzu kämen Vorbehalte bezüglich eines möglichen Arbeitsplatzverlusts, etwaig notwendiger Umqualifizierungen sowie hinsichtlich eines gesellschaftlich tragfähigen Zukunftsbilds der Mobilität. Daher rät die Studie zu einer Kommunikationsoffensive, um mehr Akzeptanz von automatisiertem Fahren in der Bevölkerung zu erreichen. Zudem sollte die Aus- und Weiterbildung im Kontext des automatisierten und vernetzten Fahrens gefördert werden.

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