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22.03.2023 | Batterie | Fragen + Antworten | Online-Artikel

Das müssen Sie zu Feststoffbatterien wissen

verfasst von: Christiane Köllner

7:30 Min. Lesedauer

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Reichweite, Leistung und Sicherheit: Feststoffbatterien versprechen Verbesserungen bei wichtigen Parametern, stehen aber noch am Anfang ihrer Entwicklung. Alles Wissenswerte rund um die Feststoffbatterie im Überblick. 

Aktuelle Lithium-Ionen-Batterien (LIB) basieren auf flüssigen Elektrolyten und werden derzeit in vielen mobilen und stationären Anwendungen eingesetzt. Jedoch wird ihr Optimierungspotenzial mit zunehmender technologischer Weiterentwicklung immer geringer. So erwarten Experten, dass Flüssigelektrolyt-LIB im kommenden Jahrzehnt langsam an ihre Grenzen stoßen. Feststoffbatterien mit Festelektrolyten versprechen hingegen Verbesserungen bei mehreren wichtigen Leistungsparametern. Sie befinden sich gegenwärtig in der Entwicklung und könnten in den kommenden Jahren auf den Markt kommen.

Vor diesem Hintergrund hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) eine Roadmap für Feststoffbatterien entwickelt, die Forschungserkenntnisse kritisch bewertet und die Entwicklungspotenziale von Feststoffbatterien mit denen etablierter Lithium-Ionen-Batterien für den Zeitraum der kommenden zehn Jahre vergleicht. Die Roadmap zeigt: Feststoffbatterien haben viel Potenzial, müssen ihre Kommerzialisierbarkeit aber in den kommenden fünf Jahren unter Beweis stellen. In unseren Fragen + Antworten stellen wir die genauen Ergebnisse der Fraunhofer-Roadmap vor sowie alles Wissenswerte rund um die Feststoffbatterie. 

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Was sind Feststoffbatterien?

Eine Batterie mit Festkörperelektrolyt wird als Festkörperbatterie, englisch Solid-State-Battery (SSB), bezeichnet, wie Springer-Autor Martin Doppelbauer im Kapitel Energiespeicher (Seite 158f) des Buchs Grundlagen der Elektromobilität erklärt. Es handele sich hierbei nicht um einen grundlegend neuen Typus von Batterie, sondern um eine Variante des Lithium-Ionen-Akkus. "Festkörperelektrolyte stellen die Ionenleitfähigkeit in einem nicht flüssigen Feststoff bereit", so Doppelbauer. Festkörperbatterien, auch Feststoffbatterien genannt, gelten als nächste Akku-Generation. 

Was sind die Vorteile von Feststoffbatterien?

Die Ergebnisse der Roadmap zeigten, so die Fraunhofer-Forschende, dass Feststoffbatterien im Vergleich zu hochmodernen Flüssigelektrolyt-LIB deutliche Leistungsverbesserungen mitbringen müssten, um relevante Marktanteile zu erreichen. Wichtige Leistungsparameter seien dabei Energiedichte, Sicherheit, Lebensdauer, Kosten und Schnellladefähigkeit. 

  • Feststoffbatterien hätten das Potenzial, klassische LIB in Punkto Energiedichte zu übertreffen, insbesondere da sie einen Einsatz von Li-Metall-Anoden ermöglichten. "Festkörperbatterien haben das Potenzial, die Energiedichte über die Grenzen herkömmlicher Lithium-Ionen-Zellen hinaus auf bis zu 1200 Wh/l und mehr als 400 Wh/kg zu bringen", sagt Mercedes-Benz-Technikvorstand Markus Schäfer im Interview "Eigene Elektromotoren sind wichtiger Bestandteil unserer Strategie" aus dem ATZextra 2021 – Elektromobilität auf Erfolgskurs
  • Zudem gelte ihre Sicherheit selbst auf der Zellebene als hoch, weil sie keine brennbaren Flüssigkeiten enthielten.
  • Ihre Lebensdauer könnte die von Flüssigelektrolyt-LIB sogar übersteigen, allerdings müssten dazu noch technische Herausforderungen, wie zum Beispiel Volumenänderungen während des Auf- oder Entladens, bewältigt werden. 
  • Die Kosten der Feststoffbatterien dürften laut den Wissenschaftlern zu Beginn ihrer Markteinführung, unter anderem aufgrund geringerer Produktionsvolumina, deutlich höher ausfallen als bei aktuellen LIB. 
  • Die Schnelladefähigkeit von Feststoffbatterien sei aktuell durch die meist geringe ionische Leitfähigkeit der Festelektrolyte begrenzt, ihr Design könnte aber speziell dafür angepasst werden. 

Insgesamt ist laut den Fraunhofer-Forschenden zu beachten, dass die Verbesserung eines Leistungsparameters häufig zulasten eines anderen gehe und die Batterien entsprechend auf bestimmte Anforderungen und Anwendungen maßgeschneidert werden könnten. 

Welche Materialien werden für die Komponenten von Feststoffbatterien in Erwägung gezogen?

Anodenaktivmaterialien (AAM): Vielversprechend laut den Fraunhofer-Forschenden seien Lithium (Li) und Silizium (Si). Li-Metall-Anoden versprächen die höchsten Energiedichten, jedoch seien die Verarbeitungstechnologien noch nicht in der Großserienfertigung etabliert. Anoden auf Si-Basis kündigten sich zwar als die bevorzugte Technologie für die nächste Generation von LIB an, gegenüber Li-Metall-Anoden werden typischerweise allerdings nur geringere Energiedichten in SSB erreicht. 

Kathodenaktivmaterialien (engl. cathode active materials – CAM): Ni-reiche Schichtoxide (NMC, NCA), Lithiumeisenphosphat (LFP) und langfristig möglicherweise auch Schwefel oder Hochvoltmaterialien. Durch die Verwendung von NMC/NCA-Schichtoxiden werden den Forschenden zufolge derzeit die höchsten Energiedichten in SSB-Zellen erreicht. LFP-Materialien seien wegen ihrer geringeren Kosten und höheren Stabilität von Interesse.

Welche Gruppen von SE-Materialien gibt es?

Die Schlüsselkomponente von Feststoffbatterien ist der Festelektrolyt (engl. solid electrolyte – SE). Derzeit gibt es laut der Fraunhofer-Roadmap drei vielversprechende Gruppen von SE-Materialien, nämlich Oxid-Elektrolyte, Sulfid-Elektrolyte und Polymer-Elektrolyte.

  • Oxid-Elektrolyte sollen im Allgemeinen eine hohe mechanische und chemische Stabilität aufweisen, erforderten jedoch Hochtemperaturproduktionsschritte bei der Verarbeitung (Sintern), seien spröde und hätten eine verhältnismäßig schlechte ionische Leitfähigkeit. 
  • Sulfid-Elektrolyte (auch Thiophosphat-Elektrolyte genannt) seien mechanisch weicher und formbarer als Oxid-SE und somit einfacher zu verarbeiten (zudem sei kein Sintervorgang notwendig). Nachteile des Materialsystems seien die begrenzte Verfügbarkeit, die sich derzeit auf den Forschungsmaßstab beschränke sowie die begrenzte chemische Kompatibilität mit Li-Metall und Hochvolt-CAM. 
  • Polymer-Elektrolyte sind der Roadmap zufolge die etabliertesten Materialsysteme unter allen SE, was sich auch in der Materialverfügbarkeit und Produktionstechnologie widerspiegele. Begrenzte ionische Leitfähigkeiten bei Raumtemperatur, schlechte chemische Kompatibilität mit Hochvolt-CAM und eine niedrige Grenzstromdichte aufgrund des Ionenleitmechanismus seien den Forschenden zufolge Herausforderungen auf dem Weg zu einer breiteren Marktimplementierung.

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Wo kommen Feststoffbatterien hauptsächlich zum Einsatz?

Laut der Roadmap soll der Automobilmarkt insgesamt das größte Potenzial für Feststoffbatterien bergen und mittel- bis langfristig deren Hauptanwendungsbereich werden. Für oxidische Feststoffbatterien dürfte der Automobilmarkt der erste Einsatzbereich sein – vermutet wird etwa ab dem Jahr 2028. Dabei sei es angesichts der höhere Anfangskosten denkbar, dass Feststoffbatterien zunächst in oberen Marktsegmenten zum Einsatz kämen. Skalierungseffekte könnten der Technologie langfristig helfen, weitere Anwendungsbereiche wie zum Beispiel in Lkw und stationären Speichern oder nach 2035 auch in der Passagierluftfahrt zu erschließen.

Feststoffbatterien auf Basis von Sulfid-Elektrolyten könnten der Roadmap zufolge zunächst im Consumer-Bereich und dort in Laptops, Smartphones oder Elektrowerkzeugen eingesetzt werden, da die Anforderungen und Prüfverfahren hier weniger streng seien.

Welche Hürden müssen Feststoffbatterien noch bewältigen?

Dr. Thomas Schmaltz, der die Forschungsarbeiten zur Roadmap am Fraunhofer ISI koordiniert hat, benennt drei zentrale Herausforderungen:

  • Da derzeit noch nicht absehbar sei, welches Festkörper-Batteriekonzept am Ende die größte Leistungsfähigkeit besitzen werde, sei eine parallele Entwicklung verschiedener Ansätze und damit höhere Investitionen erforderlich.
  • Feststoffbatterien würden in einem ständigen Wettbewerb mit Flüssigelektrolyt-Lithium-Ionen-Batterien stehen und wegen ihrer anfangs höheren Kosten deutliche Leistungsverbesserungen mitbringen müssen, was erste Anwendungen eher im Premiumbereich vermuten lasse. 
  • Eine private und öffentliche Förderung jenseits der reinen Forschungsförderung sei nötig, um den Rückstand europäischer Akteure gegenüber asiatischen und US-amerikanischen Akteuren aufzuholen – und zwar bei Patentierung, Produktentwicklung, Produktionstechnologien, Pilotproduktion sowie bei Start-up- und Industrieaktivitäten. Gelingt dies, könnte Europa zukünftig eine führende Rolle bei der Entwicklung von Feststoffbatterie-Technologien spielen.

Eine Analyse zu den Entwicklungsperspektiven von Festkörperbatterien von Forschern aus Gießen und Münster zeigt folgende Herausforderungen auf: 

  • Entwicklung von Anodenmaterial mit höchster Kapazität, das ein geringeres Volumen und Gewicht der Batterie ermöglicht.
  • Entwicklung fester Elektrolyte, die bei möglichst geringer Lithiumkonzentration gleichzeitig höhere Batterieleistungen und Sicherheit gewährleisten. 
  • Erforschung und Entwicklung alternativer Kathodenmaterialien.
  • Entwicklung langfristig stabiler und widerstandsarmer Grenzflächen zwischen den aktiven Materialien und dem Festelektrolyten.
  • Ob eine erhöhte Sicherheit bei Festkörperbatterien besteht oder nicht, müsse laut der Analyse noch eindeutig bewiesen werden, da Kurzschlüsse, die Verwendung toxischer Festelektrolyte oder das Versickern eines flüssigen Teils des Elektrolyten (Festkörperbatterien können eine relativ geringe Menge eines flüssigen Elektrolyten enthalten, der oft an der Kathode zugesetzt wird, um den Grenzflächenwiderstand zu verringern) zur Anode zusätzliche Sicherheitsrisiken darstellen könnten.
  • Um das volle Potenzial von Festkörperbatterien zu entfalten, sei eine Vielfalt bei den Ansätzen nötig, nicht nur bei den Materialien. Das Feld brauche mehr Forscher aus den Bereichen Physik, Mathematik, Informatik, Chemie und Ingenieurwesen. 
  • Hochlauf einer kosteneffizienten industrielle Materialverarbeitung und Zellherstellung.
  • Vollständige Entwicklung des Recyclings von Festkörperbatterien im Interesse der langfristigen Nachhaltigkeit.

Wie entwickelt sich der Markt?

Erste Vorserienproduktionen von Festkörperbatterien gibt es bereits, wie Springer-Autor Doppelbauer im bereits erwähnten Buchkapitel (Seite 159) erläutert. Man würde mit einer breiten Markteinführung ab der Mitte der 2020er-Jahre rechnen. Die Fraunhofer-Roadmap prognostiziert, dass die Feststoffbatterie-Produktion, die global derzeit unter 2 GWh bleibt und auf Polymer-SSB basiert, zwischen 2025 und 2030 stark zulegen könnte – wenn Feststoffbatterien auf Oxid- und Sulfid-Elektrolyt-Basis auf den Markt kommen. Die Produktionskapazität werde im Jahr 2030 auf 15 bis 55 GWh und für 2035 auf 40 bis 120 GWh geschätzt, was in etwa 1 bis 2 % des dann entstandenen LIB-Markts entspreche. Flüssigelektrolyt-LIB dominierten damit auf absehbare Zeit den Markt. Die Forscher aus Gießen und Münster sind zuversichtlich, dass sich Festkörperbatterien kommerziell durchsetzen werden, wobei offen sei, ob damit ein Erfolg in spezifischen Nischenanwendungen oder auf dem Massenmarkt gemeint ist. Darüber hinaus würden "hybride" Konzepte, die feste und flüssige oder Gel-Polymer-Elektrolyte kombinieren, immer wichtiger.

Der japanische Automobilhersteller Nissan erwartet, dass die Kosten für Feststoffbatterien bis zum Geschäftsjahr 2028 auf 75 US-Dollar (rund 69 Euro) pro kWh und im nächsten Schritt sogar auf 65 US-Dollar (rund 59 Euro) pro kWh sinken werden. Dadurch wären die Kosten für Elektrofahrzeuge mit denen benzinbetriebener Fahrzeuge vergleichbar. 2028 will Nissan ein Elektrofahrzeug mit selbst entwickelten Feststoffbatterien auf den Markt bringen. Hierfür soll bereits im Geschäftsjahr 2024 eine erste Fertigungslinie im Stammwerk in Yokohama eingerichtet werden. Wie diese aussehen soll und welche Materialien und welcher Herstellungsprozess erforderlich sind, wird in einer Prototypen-Anlage für laminierte Feststoffbatterien untersucht.

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