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2010 | Buch

Die Mediatisierung der Alltagswelt

herausgegeben von: Maren Hartmann, Andreas Hepp

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Der Kern des historischen wie gegenwärtigen Medien- und Kommunikationswandels ist weniger darin zu sehen, dass einzelne Medieninhalte eine ,Wirkung‘ auf Kultur und Gesellschaft haben. Vielmehr ist er darin zu sehen, dass unsere heutige Alltagswelt selbst zunehmend von Medien durchdrungen wird: Wir leben in einer mediatisierten Alltagswelt. Doch was heißt dies konkret? Und wie verändert sich unser Alltag mit seiner fortschreitenden Mediatisierung? Auf diese Fragen geben Beiträge von renommierten Autorinnen und Autoren ausgehend von Friedrich Krotz’ Konzept der Mediatisierung eine Antwort.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung und Zueignung

Frontmatter
Mediatisierung als Metaprozess: Der analytische Zugang von Friedrich Krotz zur Mediatisierung der Alltagswelt
Zusammenfassung
In der internationalen kommunikations- und medienwissenschaftlichen Diskussion wurde das Konzept der Mediatisierung in den letzten Jahren zu einem zentralen wissenschaftlichen Ansatz. Als Beleg für diese Feststellung kann man auf zwei Veröffentlichungen verweisen. Erstens ist dies der Band „Mediatization: Concepts, Changes, Consequences“, der von Knut Lundby (2009) herausgegeben wurde. In seiner Einleitung in dieses Buch bezeichnet dieser Mediatisierung als dasjenige Konzept, mit dem die Rolle der Medienkommunikation im gesellschaftlichen Wandel erforscht wird. Mediatisierung wird dabei als ein Ansatz vorgestellt, der hilft, dieses Wechselverhältnis von medialem und gesellschaftlichem Wandel insgesamt zu reflektieren. Direkt auf Friedrich Krotz (2008e: 24) Bezug nehmend spricht Lundby (2009: 5) davon, dass Mediatisierung einer der „Metaprozesse der Prägung der Moderne“ ist – neben dem der Individualisierung, Kommerzialisierung und Globalisierung. Mit dieser Überlegung wird Friedrich Krotz auch von einer Vielzahl anderer Autoren dieses Bandes zitiert.
Andreas Hepp, Maren Hartmann

Zugänge zur Mediatisierung

Frontmatter
Der Alltag der Mediatisierung: Eine Skizze zu den praxistheoretischen Herausforderungen der Mediatisierung des kommunikativen Handelns
Zusammenfassung
Der Einfluss der Medien auf den Alltag ist in den letzten Jahren mit unterschiedlichen Zugängen verfolgt worden. Das von Friedrich Krotz entwickelte und vertretene Konzept der Mediatisierung beinhaltet eine spezifische handlungstheoretische Konzeption, die an Positionen des symbolischen Interaktionismus anschließt und Mediatisierung als Metaprozess behandelt, der Alltag und Kommunikation gleichermaßen durchdringt und betrifft. Mit Mediatisierung sind sieben eng miteinander verbundene Prozesse angesprochen: Ausgehend von der a) Allgegenwart der Medien zielt das Konzept b) auf die Folgen der Veralltäglichung medienvermittelter interpersonaler Kommunikation, die sich ergeben durch c) unterschiedliche Formen des Eindringens der Medien in den Alltag sowie d) durch die damit verbundenen Vermischungen kommunikativer Formen, die gerahmt werden e) von der immer stärkeren Alltagsbezogenheit medialer Inhalte und der f) gestiegenen Orientierungsfunktion der Medien, die spezifische g) Konsequenzen für Alltag und Identität sowie die Kultur und Gesellschaft mit sich bringt (vgl. Krotz 2001: 34f.). Die Ausprägung dieser miteinander verbundenen Prozesse dürfte im „Alltag der Mediatisierung“ bei unterschiedlichen Sozial- wie Altersgruppen aber auch in verschiedenen Kulturen sowie im historischen Prozess erheblich variieren und stellt die Medien- und Kommunikationswissenschaft daher vor ein Bündel neuer Fragen und Probleme, die bis hinein in die Theoriebildung reichen.
Udo Göttlich
Mediatisierung als Mediation: Vom Normativen und Diskursiven
Zusammenfassung
Der folgende Beitrag widmet sich einer Art ‚Gegenpol‘ zum Mediatisierungskonzept, wie Friedrich Krotz es in zahlreichen Publikationen entwickelt hat: der Mediation.1 Dieser Gegenpol ist hier allerdings nicht als eine Alternative gedacht, sondern eher im Sinne einer sinnvollen Ergänzung (vgl. auch Couldry 2008, Livingstone 2009). Mediation betont im Endeffekt die Bedeutung des Mediatisierungs-Ansatzes, kritisiert allerdings Tendenzen der Verengung auf eine Medienlogik (siehe auch Hepp in diesem Band) und verweist auf mögliche Erweiterungen, insbesondere in Hinblick auf den Alltag und die darin stattfindende Domestizierung von Medientechnologien.
Maren Hartmann
Zum Wandel von Informationsrepertoires in konvergierenden Medienumgebungen
Zusammenfassung
Bei dem Versuch, die Charakteristika der heutigen Gesellschaft mit einem Schlagwort zusammenzufassen, wird in den letzten Jahrzehnten häufig das Bild der „Informationsgesellschaft“ bemüht.1 Bei all ihrer Unterschiedlichkeit teilen die verschiedenen Konzepte die Diagnose, dass die derzeitige Gesellschaft grundlegend geprägt ist von der Zunahme der Quantität, der Komplexität und der wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung von Information sowie der Technologien zu ihrer Übermittlung (vgl. Tsvasman 2006; Ott 2004: 253ff.). Gleichzeitig verlieren jedoch sowohl der Begriff der Information als auch Informationen selbst durch ihr inflationäres Kursieren an Gehalt. Diese Umschreibung erinnert an den in den letzten Jahren insbesondere von Friedrich Krotz (2001) geprägten Begriff der Mediatisierung, der den Metaprozess der zunehmenden Durchdringung des Alltags mit immer weiter ausdifferenzierten Kommunikationsmedien bezeichnet.
Uwe Hasebrink, Hanna Domeyer
Mediatisierung und Kulturwandel: Kulturelle Kontextfelder und die Prägkräfte der Medien
Zusammenfassung
Betrachtet man die aktuelle Diskussion um Mediatisierung, lassen sich zwei Grundpositionen identifizieren: Erstens ist das die Position, wonach das Konzept der Mediatisierung hilft, eine ‚Medienlogik‘ zu fassen, die über verschiedene soziale Felder hinweg besteht (Schulz 2004: 98; Hjarvard 2007: 3). Die zweite Position ist die der Kritik eines solch linearen Zugangs. Möglicherweise deren prominentester Vertreter ist Nick Couldry, der argumentiert, dass die medienbezogenen Einflüsse zu heterogen sind, um auf eine einzelne „media logic“ (Couldry 2008: 375) reduziert zu werden (siehe auch Livingstone 2009).
Andreas Hepp
Mediatisierung und Medialisierung der Kultur
Zusammenfassung
Friedrich Krotz hat in seiner Habilitationsschrift (Krotz 2007) den Begriff der ‚Mediatisierung‘ zu einem theoretischen Konzept gemacht und ihn zu einem ‚Meta-Begriff‘ für sozialen und kulturellen Wandel erklärt. ‚Mediatisierung‘ meint dabei letztlich immer eine Veränderung des kommunikativen Handelns. Es kann hier nicht die Aufgabe sein, Krotz’ differenzierte und zugleich grundsätzliche Darstellung in Frage zu stellen oder gar gegen ihn den eher kulturwissenschaftlichen Gebrauch des Begriffs der ‚Medialisierung‘ ins Feld zu führen, der den Begriff ‚Mediatisierung‘ als historisch belastet sieht, weil mit ihm im 19. Jahrhundert die Subordination der vormals reichsunmittelbaren Adligen unter die Herrschaft der Landesfürsten gemeint wurde (vgl. Hickethier 2000, 2003: 18f.). Davon ist im Konzept von Friedrich Krotz natürlich nicht die Rede und es soll der Einheitlichkeit der Festschrift wegen auch der Begriff der Mediatisierung verwendet werden.
Knut Hickethier
„Gott – es klingelt!“ – Studien zur Mediatisierung des öffentlichen Raums: Das Mobiltelefon
Zusammenfassung
So wie es zumindest in Großstädten kaum noch Orte gibt, an denen es richtig dunkel wird, so gibt es auch kaum noch Orte, die medienfrei sind. Allemal findet Kommunikation „immer häufiger, länger, in immer mehr Lebensbereichen und bezogen auf immer mehr Themen in Bezug auf Medien statt“ (Krotz 2001: 33). Dies schließt mit ein, dass immer mehr Menschen in immer mehr Lebensbereichen durch Medien miteinander verbunden sind – mittels Medien miteinander in Kontakt treten und ihre Beziehungen mittels Medien leben (vgl. weiter auch Krotz 2009). Im Folgenden geht es um die Medien der interpersonalen Kommunikation, insbesondere um das Mobiltelefon. Eigentlich ist eine solche Kennzeichnung – als Medium interpersonaler Kommunikation – indessen nur die halbe Wahrheit: Man hat es mit einem Gerät zu tun, das mehr ist als nur ein Telefon. So gesehen ist der Begriff ‚Mobiltelefon‘ in der Tat ein „Etikettenschwindel“ (Krotz 2007: 180). Das soll jedoch zurückgestellt und das ‚Telefonische‘ in den Vordergrund gerückt werden1 – die Möglichkeit mobiler Telefonate, aber auch die dazugehörige akustische Aufforderung, ein Telefonat anzunehmen (das, was ehemals noch ein Klingeln war und heute nur noch aus Reminiszenzgründen so bezeichnet wird).
Joachim R. Höflich
Variationen des Selbstverständnisses: Das Fernsehen als Schauplatz der Formung sozialer Identität
Zusammenfassung
In vielen seiner Beiträge hat Friedrich Krotz darauf hingewiesen, dass innerhalb der kommunikations- und sozialwissenschaftlichen Forschung nur ein Verständnis von Identität leitend sein kann, das diese wesentlich im kommunikativen Handeln verankert sieht. Hierbei sind es gerade die Kommunikationsangebote der Medien, die in vielfältiger Weise auf individuelle wie kollektive Identitätsbildungsprozesse Einfluss nehmen. Bei Krotz heißt es hierzu: „Medienkommunikation kann die Struktur und die Zusammensetzung des Rollenselbst verändern. Denn das Rollenselbst hebt Handlungs- und Rollenmuster auf und es mag sein, dass mittels Kommunikationsmedien eigenständige rollenbasierte Erfahrungen gemacht werden.“ (Krotz 2003: 41)
Angela Keppler
„Vertrauen“ in den Medien und im Alltag
Zusammenfassung
In der ökonomischen Krise der Jahre 2008 und 2009 wird der Verlust von Vertrauen beklagt. Seit Beginn 2008 berichten die Medien über aufeinander folgende Krisen – von der Immobilienkrise in den USA im Frühjahr 2008 zur Bankenkrise dort mit der Insolvenz der Großbank Lehman Brothers im September zur globalen Wirtschaftskrise ab 2009. Einher gehen die Maßnahmen der Staaten zur Stützung der Wirtschaft und zur Rückgewinnung des Vertrauens in das herrschende Wirtschaftssystem. Bundespräsident Wolfgang Köhler (2009): „Das Vertrauen ist gestört, dass es den Beschäftigten und der Gesellschaft insgesamt besser geht, wenn es den Unternehmen gut geht“. Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (2009): „Den Finanzmarkt stabilisieren, Vertrauen wiederherstellen“. Focus Online (2009): „Guttenberg warnt vor neuer Vertrauenskrise“.
Gerhard Kleining
Mediatisierung und transkulturelle Öffentlichkeiten: Die Aneignung des Politischen im Kontext multi-lokaler und mobiler Lebenswelten
Zusammenfassung
Länderübergreifende Problem- und Handlungszusammenhänge wie etwa die Klimaerwärmung, Umweltverschmutzung oder Terrorismus generieren im Zuge von Globalisierungs- und Mediatisierungsprozessen fortwährend neue transnationale politische Allianzen, gelangen auf die Agenda massenmedialer Angebote und provozieren entsprechende Diskurse und Teilöffentlichkeiten. Die entstehenden, dies- und jenseits nationalstaatlicher und kultureller Grenzen verlaufenden Öffentlichkeiten operieren dabei allerdings in einem theoretisch bislang kaum strukturierten Vakuum, denn „im eher vertikalen Blick moderner Öffentlichkeitskonzepte [werden sie] kaum sichtbar“ (Volkmer 2003: 50). Ausgehend von der Annahme, dass Öffentlichkeit ein soziales, demokratische Funktionen erfüllendes Konstrukt darstellt, das nicht allein durch die Generierung und massenmediale Vermittlung politischer Inhalte, sondern schlussendlich durch die Betroffenheitswahrnehmungen und kommunikativen Praktiken der Menschen hervorgebracht wird, besteht das Anliegen dieses Aufsatzes darin, ein Konzept transkultureller Öffentlichkeiten zu entwickeln, das einerseits die Bedeutung der lebensweltlichen Basis von Öffentlichkeit, das heißt die Aneignungs- und Lokalisierungspraktiken öffentlicher Diskurse durch die Menschen in ihren jeweiligen sozialen, kulturellen und politischen Kontexten berücksichtigt sowie andererseits den unter dem Eindruck von Globalisierungsund Mediatisierungsprozessen voranschreitenden Wandel alltäglicher Lebenswelten reflektiert und kontextualisiert. Der öffentlichkeitsrelevante Wandel von Lebenswelten firmiert dabei in einer Ausdifferenzierung und Vervielfältigung individueller Medienumgebungen, über die die Menschen politisches Geschehen beobachten, an öffentlichen Diskursen teilnehmen und so Öffentlichkeit herstellen, sowie zugleich in einer zunehmenden Multi-Lokalität und Mobilität persönlicher Lebensstile. Das heißt, immer mehr Menschen leben an unterschiedlichen Orten der Welt zugleich, sodass sich ihre persönlichen Lebenswelten, sozialen Beziehungsnetze und politischen Verbundenheiten längst und immer öfter über verschiedene Lokalitäten sowie kulturelle und nationalstaatliche Kontexte hinweg erstrecken.
Swantje Lingenberg
Fremde Freunde im Netz? Selbstpräsentation und Beziehungswahl auf Social Network Sites – ein Vergleich von Facebook.com und Festzeit.ch
Zusammenfassung
In der gegenwärtigen, sich radikal mediatisierenden Gesellschaft (Krotz 2001, 2007) kommt den neuen Medien der computervermittelten Kommunikation eine immer wichtigere Bedeutung zu. In den letzten Jahren zeigt die Entwicklung von Internet-Gemeinschaften einen ungebrochenen Trend zur Etablierung so genannter Social Network Sites (SNS). Internationale Seiten wie Friendster, MySpace, Facebook oder Twitter ebenso wie die deutschsprachigen Seiten StudiVZ, SchülerVZ, Lokalisten oder Wer-kennt-wen zählen zu den populärsten Angeboten des Internets, die innerhalb kürzester Zeit ihren festen Sitz im Alltag der Internet-User erlangt haben. Selbstdarstellungen sind durch die Software- Architektur von Social Network Sites im Medium der Sprache und im Medium des Bildes möglich. Die Seite Facebook verzeichnet täglich 67 Millionen Foto- Uploads bei weltweit 300 Millionen aktiven Usern (Online-Statistik, Facebook 2009). Tendenz steigend. Profilseiten ohne bildhafte Selbstdarstellung sind dabei ungewöhnlich. Neben einem solchen globalen ‚Goliath‘ wie Facebook gibt es auch lokale ‚Zwerge‘ wie beispielsweise das Schweizer Portal Festzeit – ein Portal, das gut 120.000 aktive User zählt (Festzeit 2009a).
Klaus Neumann-Braun
Medien als soziale Zeitgeber im Alltag: Ein Beitrag zur kultursoziologischen Wirkungsforschung
Zusammenfassung
Warum schreiben wir E-Mails mitten in der Nacht, statt wie unsere Vorfahren einfach zu schlafen? Warum brauchen wir heute drei Anrufe über das Mobiltelefon, um eine Verabredung zu treffen, die man auch schon beim ersten Telefonat vereinbaren könnte? Warum sind wir irritiert, wenn die wöchentliche Zeitschrift im Postkasten unerwartet fehlt? Warum wissen wir in Deutschland, dass wir ältere Herrschaften (aber nicht nur sie) ziemlich gut kurz vor 20 Uhr zu Hause erreichen können, dass aber unser Anruf ab 20 Uhr stören würde? Eine verbindende Antwort auf diese Fragen lautet: Weil Medien als soziale Zeitgeber wirken. Oder, anders gesagt, weil Zeitgestaltung im Alltag in unserer Gesellschaft medialisiert erfolgt. Dieser Umgang mit Medien und Zeit scheint auf den ersten Blick in einem individuellen Freiraum stattzufinden. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dieses auf Medien bezogene Zeit-Handeln gesellschaftlichen Bedingungen unterliegt, die geradezu unausweichlich erscheinen und jedenfalls nachhaltige Alltagspraktiken zur Folge haben. Insoweit liegt hier ein Fall von gesellschaftlicher Wirkung vor. Die Mediatisierung der gesellschaftlichen Zeitkultur ist als Symptom, aber auch als treibender Motor der modernen Gesellschaft zu verstehen, und sie hat nachhaltige Wirkung. Dies sind meine Grundüberlegungen, die ich im Folgenden näher ausführe.
Irene Neverla
Lebens-Herausforderungen: Medienumgang und Lebensaufgaben. Was muss kommunikationswissenschaftliche Forschung leisten?
Zusammenfassung
Demographische Wandlungsprozesse erleben derzeit eine starke Thematisierung in der Öffentlichkeit. Durch die gestiegene Lebenserwartung und den Geburtenrückgang verschiebt sich die Altersstruktur; die Bevölkerung wird infolge geringerer Geburtenzahlen und trotz der Zuwanderung langfristig abnehmen.
Ingrid Paus-Hasebrink
Mediatisierung von Alltag im NS-Deutschland: Herbert Bayers Bildsprache für die Propagandaausstellungen des Reiches
Zusammenfassung
In einem seiner Hauptwerke zum Thema beschreibt Friedrich Krotz Mediatisierung als Metaprozess sozialen Wandels und damit als Ausdifferenzierungsvorgang, in dem „sich immer mehr immer komplexere mediale Kommunikationsformen [entwickelten], und Kommunikation findet immer häufiger, länger, in immer mehr Lebensbereichen und bezogen auf immer mehr Themen in Bezug auf Medien statt“ (Krotz 2007: 38). Gleichzeitig weist er darauf hin, dass Mediatisierung qua Definition immer auch zeit- und kulturgebunden sei und historisch nicht entkontextualisiert werden dürfe (ibid.: 39).
Patrick Rössler
Mediatisierung und der Wandel von Sozialisation: Die Bedeutung des Mobiltelefons für Beziehungen, Identität und Alltag im Jugendalter
Zusammenfassung
Mit Bezeichnungen wie „Generation Mobile“ (Schuh 2007) und Charakterisierungen wie „Digital Natives“ (Tapscott 2009) wird in der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte immer wieder neu versucht, Jugendliche in ihren zentralen Kennzeichen zu fassen. Dabei werden nicht nur die Heranwachsenden selbst, sondern auch die gesellschaftlichen Bezüge, in denen sie aufwachsen, mit einem „Label“ versehen. Die in diesem Zusammenhang getroffenen Verallgemeinerungen beinhalten zweierlei: Erstens zeigen sie, wie junge Menschen aus einer „erwachsenen“ Außenperspektive wahrgenommen und bewertet werden, und verweisen damit auf die gesellschaftliche Eingebundenheit von Jugend. Zweitens betonen sie die zunehmende Bedeutung von Medien für das Aufwachsen in der heutigen Zeit. Tatsächlich handelt es sich bei den als „digitale Eingeborene“ bezeichneten Jugendlichen um Mädchen und Jungen, die mit einem umfangreichen und hochgradig komplexen Medienensemble groß werden. Laut der Studie „Jugend, Information, (Multi-)Media 2008“ haben über 90 % der Jugendlichen im Haushalt ihrer Eltern Zugang zu digitalen Medien wie Computer bzw. Laptop mit Internetzugang, MP3-Player und Mobiltelefon. Abgesehen davon verfügen immer mehr Mädchen und Jungen über eigene Geräte. Nahezu alle Jugendlichen (95 %) besitzen mindestens ein eigenes, zumeist recht neues und multifunktional ausgestattetes Mobiltelefon (MPFS 2008: 9ff.). Mit Blick auf diese Ausstattung und die darüber offerierten Nutzungspotenziale ist davon auszugehen, dass sich Jugendliche mit und in digitalen Medien bewegen, um Themen zu bearbeiten und Fragen zu beantworten, die in ihrer Lebensphase besonders relevant sind. Dazu gehören das Aushandeln von Beziehungen und die damit verbundene Persönlichkeitsentwicklung ebenso wie die Gestaltung von Schulalltag und Freizeit oder das Erarbeiten von gesellschaftlich relevanten Norm- und Wertvorstellungen.
Iren Schulz
Sozialisation, Medienaneignung und Medienkompetenz in der mediatisierten Gesellschaft
Zusammenfassung
„Sozialisation durch Massenmedien“ (1980), „Sozialisation durch (Massen-) Medien“ (1991), „Sozialisation mit Medien“ (2004) – diese Titel von dreien unserer Artikel, die sich mit dem Verhältnis von Auf- und Heranwachsen und Medienaneignung im gesellschaftlichen Kontext befassen, verweisen auf die Entwicklung der Medienwelt und – jedenfalls wenn die Medien und ihre Angebote ebenso wie das aktive Subjekt und seine Medienaneignung im gesellschaftlichen Kontext verortet werden – auf sich verändernde Perspektiven in Bezug auf deren Bedeutung in Sozialisationsprozessen.
Helga Theunert, Bernd Schorb
Intellektuelle und Kritik in Medienkulturen
Zusammenfassung
Seit den 1950er Jahren hat sich innerhalb der Gesellschaftstheorie eine Vielzahl von Konzepten entwickelt, die beanspruchen, Kritik an den ihnen gegenwärtigen Gesellschaften zu üben. Unterschiedlich und teilweise eher implizit beantworten diese Konzepte auch Fragen nach der Spezifik einer Praxis, die als Kritik bezeichnet wird, nach den Personen, die diese intellektuelle Arbeit der Kritik leisten, und nach spezifischen Orten der Kritik. Erst langsam kommen Auseinandersetzungen darüber in Gang, wie sich intellektuelle Kritik und die Figur des „Intellektuellen“ insbesondere in Medienkulturen – unter den Bedingungen von Mediatisierungsprozessen – wandeln.
Tanja Thomas
Überlegungen zu Konsequenzen der Alltagsmediatisierung für die künstlerische Ausbildung an einer Filmhochschule
Zusammenfassung
„Heute ist die Medienentwicklung und von daher das, was die Mediatisierungstheorie fassen will, eng an die dynamische Entwicklung der Digitalisierung gebunden, die die alten Medien revolutionierte, insofern diese neu erfunden und zum Teil simuliert werden, und die neue Medien möglich machte. Zum derzeitigen Entwicklungsstand kann man sagen, dass diese Entwicklung auf drei relevanten Ebenen verläuft: Erstens entsteht ein umfassendes und komplexes Netzwerk aus Internet, Handy, Fernsehen, Telefon, Radio sowie aus den sonstigen medialen Netzwerken […] Zweitens wird die Welt interaktiv belebt durch ,intelligente Bausteine‘ in immer mehr Artefakten sowie durch eine parallele Realitätsebene im Netz, über die sich Geräte miteinander verständigen, über die aber auch interaktive Mensch-Maschine-Kommunikation stattfindet. Zum dritten wird die Welt in dieses Netz hinein abgebildet, arrangiert und inszeniert, dieses Netz besteht auch aus inszenierten Abbildern aller möglichen Geschichten und Situationen sowie aus Abbildern aller möglicher Menschen, wobei Abbilder nicht als bewegungs- und handlungsunfähige Bilder verstanden werden können.“ (Krotz 2007: 13f.)
Dieter Wiedemann
Mediatisierung und Medienentwicklungsforschung: Perspektiven für eine gesellschaftswissenschaftliche Medienkommunikationswissenschaft
Zusammenfassung
Dieser Beitrag diskutiert Mediatisierung als Metaprozess sozialen Wandels im Kontext der Gesellschaftstheorien, in denen die Zunahme von Kommunikation zuerst ein zentrales Thema wurde. Dabei interessiert insbesondere eine Vermittlung mit der Theorie des kommunikativen Handelns (1981a, b) von Jürgen Habermas als „kritischer“ Theorie gesamtgesellschaftlicher Entwicklung und der konzeptionellen Reaktionen darauf. Um es gleich vorwegzunehmen: Ziel ist hier keine umfassende Theorie, sondern die Entwicklung normativer Perspektiven für eine kritische gesellschaftswissenschaftliche Mediatisierungsforschung.
Carsten Winter
Backmatter
Metadaten
Titel
Die Mediatisierung der Alltagswelt
herausgegeben von
Maren Hartmann
Andreas Hepp
Copyright-Jahr
2010
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92014-6
Print ISBN
978-3-531-17042-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92014-6