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15.10.2013 | Technische Informatik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Drahtlose Weltrekord-Datenübertragung mit 100 Gigabit/s

verfasst von: Andreas Burkert

4:30 Min. Lesedauer

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Kabelgebundene Telekommunikationsnetze sind teuer – im Aufbau und in der Wartung. Das gilt für urbane Ballungsräume wie den ländlichen Raum gleichermaßen. Eine Breitband-Datenübertragung durch Richtfunkstrecken, aufgestellt an strategischen Knotenpunkten, hilft, Kosten zu sparen. Jetzt gelang sogar die drahtlose Datenübertragung mit 100 Gigabit/s.

Das Wesen der digitalen Informationsübertragung ist seit Claude Elwood Shannon weitestgehend bekannt. In einem bahnbrechenden Aufsatz mit dem Titel „A Mathematical Theory of Communication“ beschrieb er bereits 1948 die klassische Informationstheorie und die wiederum hat der Springer-Autor Peter Adam Höher in seinem Buch „Grundlagen der digitalen Informationsübertragung“ für das Selbststudium aufgearbeitet. Fortschritte in der Übertragungstechnik sind also in erster Linie hardwarebasiert.

Das haben soeben eindrucksvoll Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF sowie dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bewiesen. Ihnen gelang ein Weltrekord bei der drahtlosen Datenübertragung. Sie erreichten dabei eine Geschwindigkeit von 100 Gigabit pro Sekunde bei einer Frequenz von 237,5 GHz über eine Entfernung von 20 Metern im Labor. Im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes „Millilink“ hatten die Forscher in früheren Experimenten bereits 40 Gigabit pro Sekunde und Übertragungsdistanzen von über einem Kilometer im Freiland erzielt. Am Sender nutzten die Wissenschaftler nun gezielt ein photonisches Verfahren zur Erzeugung der Funksignale. Nach der Funkübertragung kamen am Empfänger vollintegrierte elektronische Schaltungen zum Einsatz.

In zwei Sekunden den gesamten Inhalt einer Blue-ray Disc übertragen

„Im Projekt stand die nahtlose Einbindung einer breitbandigen Richtfunkstrecke in faseroptische Systeme im Mittelpunkt“, erklärt Prof. Ingmar Kallfass. Er koordinierte das Projekt „Millilink“ im Rahmen einer Shared-Professorship getragen vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF sowie dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und forscht seit Anfang 2013 an der Universität Stuttgart. „Besonders für den ländlichen Raum bietet diese Technologie eine kostengünstige und flexible Alternative zu Glasfasernetzen, deren Ausbau dort oft nicht ökonomisch ist.“ Darüber hinaus sieht Kallfass auch Anwendungen für zu Hause: „Mit einer Datenrate von 100 Gigabit pro Sekunde könnte man in nur zwei Sekunden den gesamten Inhalt einer Blue-ray Disc oder von fünf DVDs per Funk zwischen zwei Geräten übertragen.“

Die Wissenschaftler kombinierten in den Experimenten neueste photonische und elektronische Techniken miteinander: Zuerst werden die Funksignale mit Hilfe eines optischen Verfahrens erzeugt. Mehrere Bits wurden dabei in sogenannten Datensymbolen zusammengefasst und gleichzeitig übertragen. Nach der Übertragung werden die Funksignale mit aktiven integrierten elektronischen Schaltungen empfangen. Der Sender erzeugte die Funksignale mittels eines sogenannten ultra-breitbandigen Photonenmischers der japanischen Firma NTT-NEL. Dabei werden zwei optische Lasersignale unterschiedlicher Frequenz auf einer Photodiode überlagert. Es entsteht ein elektrisches Signal, welches als Frequenz die Differenz beider optischer Signale, hier 237,5 GHz, besitzt. Das hochfrequente elektrische Signal wird anschließend über eine Antenne abgestrahlt.

Datenströme direkt in hochfrequente Funksignale umwandeln

„Ein großer Vorteil des photonischen Verfahrens ist, dass damit Datenströme aus faseroptischen Systemen direkt in hochfrequente Funksignale umgewandelt werden können“, betont Prof. Jürg Leuthold, der die hier realisierte photonische Erweiterung vorschlug. Der ehemalige Leiter des Instituts für Photonik und Quantenelektronik IPQ am KIT ist mittlerweile an der ETH Zürich tätig. „Dieser Vorteil macht die Einbindung von hochbitratigen Funkstrecken in Glasfasernetze noch einfacher und flexibler.“ Im Gegensatz zu einem rein elektronischen Sender entfällt der Umweg über eine elektronische Schaltung. „Aufgrund der großen Bandbreite und der guten Linearitätseigenschaften des Photomischers eignet sich das Verfahren zudem hervorragend, um höherwertige Modulationsformate mit mehreren Amplitudenzuständen zu übertragen. Das ist ein Muss in zukünftigen faseroptischen Systemen“, fügt Leuthold hinzu.

Doch für das Empfangen der Funksignale müssen weiter elektronische Schaltungen genutzt werden. So kam im Experiment ein Halbleiter-Chip zum Einsatz, der am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF im Rahmen des Projektes „Millilink" hergestellt wurde. Der Halbleiter basiert auf Transistoren mit hoher Ladungsträgerbeweglichkeit (high-electron-mobility transistor HEMT) und ermöglicht es, aktive, breitbandige Empfänger für den Frequenzbereich zwischen 200 und 280 GHz in Form von kompakten, integrierten Schaltungen mit einer Chipgröße von wenigen Quadratmillimetern zu realisieren. Der Empfängerchip kommt außerdem mit höherwertigen Modulationsformaten zurecht, was eine bit-transparente Einbindung der Funkstrecke in moderne Glasfasernetze ermöglicht.

Bald Funksysteme mit einer Datenrate von einem Terabit/s?

Bereits im Mai gelang dem Forscherteam mit dem rein elektronischen Vorgängersystem die erfolgreiche Langstreckendemonstration einer Datenrate von 40 Gigabit pro Sekunde im Labor, sowie eine Übertragung von Hochhaus zu Hochhaus in der Karlsruher Innenstadt über einen Kilometer Entfernung. "Die hohen Übertragungsdistanzen werden in MILLILINK bisher von konventionellen Antennen ermöglicht, die in zukünftigen kompakten Systemen für den Indoor-Bereich durch voll integrierte miniaturisierte Antennenkonzepte ersetzt werden können", sagt Prof. Thomas Zwick, Leiter des Instituts für Hochfrequenztechnik und Elektronik am KIT.

Aber auch bei der Datenrate gibt es noch Steigerungspotential. „Durch optische und elektrische Multiplexverfahren, also einer gleichzeitigen Übertragung von mehreren unterschiedlichen Datenströmen, und durch den Einsatz mehrerer Sende- und Empfangsantennen, könnte die Datenrate nochmals vervielfacht werden“, sagt Swen König vom Institut für Photonik und Quantenelektronik IPQ am KIT, der das aktuelle Weltrekord-Experiment konzipierte und durchführte. „Damit rücken Funksysteme mit einer Datenrate von einem Terabit pro Sekunde näher.“

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