Zukunftstechniken wie die Elektromobilität werden die Nachfrage nach bestimmten Rohstoffen deutlich erhöhen. Insbesondere der Bedarf für die Rohstoffe Lithium, Rhenium, Terbium und Dysprosium könnte bis zum Jahr 2035 auf mehr als das Doppelte der heutigen globalen Primärproduktion ansteigen. Auch bei Germanium, Kobalt, Scandium, Tantal, Neodym beziehungsweise Praseodym wird nach Einschätzungen der Autoren einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI mit dem Titel Rohstoffe für Zukunftstechnologien 2016 der erwartete Rohstoffbedarf über dem heute produzierten Angebot liegen.
Dr. Frank Marscheider-Weidemann, der die Studie am Fraunhofer ISI koordiniert hat, erläutert die Details der Untersuchung: "Insgesamt wurden in einem Screening über 160 Zukunftstechnologien zum Stand der Technik, der Marktreife sowie des Rohstoffbedarfs und des Recyclingpotenzials untersucht. 42 Zukunftstechnologien wurden im Detail betrachtet und Szenarien für den Rohstoffbedarf im Jahr 2035 erarbeitet. Die Studie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Bewertung der zukünftigen Rohstoffnachfrage."
Starke Preisausschläge bei mineralischen Rohstoffen
Gerade technisch getriebene Nachfrageimpulse haben in der Vergangenheit zu starken Preisausschlägen bei mineralischen Rohstoffen geführt. „Zur Gewährleistung einer sicheren Rohstoffversorgung sollten sich Unternehmen frühzeitig mit den Entwicklungen auf den internationalen Rohstoffmärkten beschäftigen und mögliche Ausweichstrategien in Betracht ziehen. Hier gilt es beispielsweise, neue Lieferanten aufzubauen, die Rohstoffeffizienz in der Produktion zu erhöhen sowie Substitutionsmöglichkeiten und Recyclingtechnologien verstärkt zu nutzen", rät Peter Buchholz, Leiter der Deutschen Rohstoffagentur (DERA), die die Studie in Auftrag gegeben hatte.
Die Studie deckt sich mit dem, was Experten bereits seit Längerem erwarten. "Erst mit ihrer zunehmenden Nutzung in den letzten Jahren kamen die Metalle der Seltenen Erden und ihre exotisch anmutenden Namen mehr ins öffentliche Bewusstsein", schreibt etwa Klaus Kümmerer im Kapitel Konzentration, Funktionalität und Dissipation - Grundkategorien zum Verständnis der Verfügbarkeit metallischer Rohstoffe aus dem Fachbuch Kritische Metalle in der Großen Transformation. Grund: Seltenerdmetalle leisten einen erheblichen Beitrag zur Energiewende. Zum Beispiel als Bestandteile von Photovoltaikzellen, starken Permanentmagneten und alternativen Antrieben. „Aufgrund der vielfältigen Nutzung und spezifischen Funktionen der Metalle und Halbmetalle sind Nutzungskonkurrenzen und Flaschenhälse der Verfügbarkeiten zu erwarten. Dies führt zu Bemühungen, diese Rohstoffe möglichst effizient zu nutzen“, erwartet Kümmerer.
Alternativen sollen Abhängigkeiten vermeiden
Um etwaige Abhängigkeiten möglichst gering zu halten, ist die Suche nach alternativen Techniken voll im Gange. "Nachteilig ist die Verwendung von Seltenen Erden in den Permanentmagneten der permanenterregten Synchronmaschinen (PSM)", warnt etwa Danny Kreyenberg im Kapitel Untersuchungsrahmen und Fahrzeugtechnologien aus dem Fachbuch Fahrzeugantriebe für die Elektromobilität. Diese Werkstoffe machen die Magneten hitzebeständiger und stabiler gegen Entmagnetisierung durch mechanische Stöße oder andere Magnetfelder. Vor allem verstärken sie aber das Magnetfeld der eingesetzten Dauermagnete, was sich wiederum positiv auf den Wirkungsgrad der PSM auswirkt. Doch Kreyenberg weiß auch: "Durch die begrenzte Verfügbarkeit der seltenen Erden befinden sich fremderregte Synchronmaschinen, Asynchronmaschinen und Transversalflussmaschinen verstärkt in der Entwicklung für Hybrid- und reine Elektrofahrzeuge." "Eine weitere am Markt gefragte Motorvariante ist der Asynchronmotor (ASM), der eine technisch attraktive Lösung ohne Seltene Erden für nahezu alle Fahrzeugklassen darstellt", berichtet in diesem Zusammenhang Karsten Michels in seinem Artikel Trends in der Entwicklung von Antriebskomponenten für Elektro- und Hybridfahrzeuge aus der ATZelektronik 4-2015. Speziell für Automobil-Anwendungen treibe Siemens die Entwicklung der ASM mit dem Ziel voran, ebenfalls eine vergleichbar hohe Leistungsdichte und eine hohe Effizienz zu erhalten.
Die Suche nach technischen Alternativen ist jedoch nur ein Ansatz gegen mögliche Abhängigkeiten. So berichtet Hermann Sicius im Kapitel Weltmarkt aus dem Fachbuch Seltenerdmetalle: Lanthanoide und dritte Nebengruppe davon, dass japanische Firmen, die einen großen Bedarf an Seltenerdmetallen und ihren Verbindungen haben, Vorsorgemaßnahmen gegenüber drohenden Engpässen treffen: "Manche Großunternehmen wie zum Beispiel Toyota haben hierfür eigens Arbeitsgruppen gebildet." Diese Maßnahmen würden vom Ministerium für Handel und Wirtschaft unterstützt.