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2007 | Buch

Ende des rot-grünen Projektes

Eine Bilanz der Regierung Schröder 2002 – 2005

herausgegeben von: Christoph Egle, Reimut Zohlnhöfer

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Als im Herbst 1998 zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen gebildete Bundesregierung ihre Amtsgeschäfte aufnahm, wurde dieses „rot-grüne Projekt“ mit hohen Erwartungen auf der einen und ebensolchen Befürchtungen auf der anderen Seite begleitet. Bereits zum Ende der ersten Legislaturperiode der rot-grünen Regierung wurde jedoch de- lich, dass die Regierung Schröder den hohen Anforderungen ihrer Anhänger nur zum Teil genügen konnte, andererseits erwiesen sich auch manche im Vorfeld geäußerten Sorgen als unbegründet. Eine ausführliche Bilanz der Regierungs- litik der ersten Amtsperiode der rot-grünen Regierung haben wir (zusammen mit Tobias Ostheim) im Frühjahr 2003 vorgelegt („Das rot-grüne Projekt. Eine - lanz der Regierung Schröder 1998-2002“). Dieser Band wurde überwiegend wohlwollend aufgenommen und von manchem Rezensenten wurde gar eine Fortsetzung für die zweite Amtszeit der Regierung Schröder angemahnt. Diese Anregung haben wir mit dem nun vorliegenden Band gerne aufgegriffen. Im Gegensatz zum Vorgängerband steht nun nicht mehr die Frage nach - nem durch den Machtwechsel von 1998 zu erwartenden rot-grünen Politikwe- sel im Mittelpunkt der einzelnen Beiträge, sondern diejenige nach Kontinuität und Wandel der Regierungspolitik von 2002 bis 2005 im Vergleich zur ersten rot-grünen Legislaturperiode. In der Tat waren nach der Wiederwahl der Reg- rung Schröder im Herbst 2002 durchaus überraschende Politikwechsel zu b- bachten, insbesondere im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Andere Politikfelder waren hingegen eher von Stagnation gekennzeichnet. Welches Profil die Politik jeweils aufwies und welches die Bestimmungsgründe hierfür waren, wird in den folgenden Beiträgen ausführlich analysiert.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Der Episode zweiter Teil — ein Überblick über die 15. Legislaturperiode

Der Episode zweiter Teil — ein Überblick über die 15. Legislaturperiode
Auszug
Der Wahlsieg der rot-grünen Koalition bei der Bundestagswahl am 22. September 2002 hatte viele Beobachter überrascht. Angesichts der Umfrageergebnisse war lange Zeit ein Sieg eines christlich-liberalen Bündnisses erwartet worden, während es SPD und Grünen erst in den letzten Wahlkampfwochen — nicht zuletzt begünstigt durch die Elbeflut und die Sorge um einen möglichen Krieg im Irak — gelungen war, die Stimmung noch zu wenden und einen knappen Sieg davon zu tragen (vgl. Roth 2003). Die Mandatsmehrheit der Koalition war allerdings noch knapper ausgefallen als 1998: Hatte die rot-grüne Regierung 1998 noch 21 Mandate Vorsprung vor den Oppositionsparteien (345 zu 324), lag sie 2002 — auch wegen der Verkleinerung des Bundestags — nur noch mit neun Stimmen vorn (306 zu 297). Das bedeutete, dass schon fünf Gegenstimmen aus der Koalition genügen würden, der Regierung die Mehrheit im Bundestag zu verweigern. Doch was würde die rot-grüne Koalition mit ihrer wieder gewonnenen Regierungsmacht anfangen? In dieser Einleitung werden die Geschicke der zweiten rot-grünen Regierung knapp und überblicksartig in vier Phasen dargestellt.
Reimut Zohlnhöfer, Christoph Egle

Parteien und Strategien

Frontmatter
Bundestagswahl 2005: Rot-Grün abgewählt. Verlierer bilden die Regierung
Auszug
Die rot-grüne Regierung ist am 18. September 2005 abgewählt worden. Eine Überraschung war das nicht: Vorausgegangen waren teilweise heftige Wahlniederlagen auf mehreren Wahlebenen vor allem für die SPD; die Grünen hatten in den Ländern sämtliche Regierungsbeteiligungen verloren. Hinzu kamen erhebliche Ansehens- und Vertrauensverluste in der Bevölkerung. Was bei der um ein Jahr vorgezogenen Neuwahl erstaunt hat, ist die Tatsache, dass die bürgerlichen Oppositionsparteien aus dieser Situation heraus nicht den Machtwechsel geschafft haben. Die Union hatte mit einem Resultat von 35,2 nur bei der ersten Bundestagswahl 1949 (31,0%) sowie bei der Bundestagswahl 1998 (35,1%) ein schlechteres Ergebnis. Die SPD war mit aktuell 34,2% nur in der Konsolidierungsphase der Bundesrepublik bis Ende der 1950er Jahre schwächer sowie bei der Ausnahmewahl 1990 nach der Wiedervereinigung (33,5%). Die Wahlbeteiligung sank leicht um 1,4 Prozentpunkte auf 77,7%, bewegt sich damit aber bei nationalen Parlamentswahlen weiterhin auf vergleichsweise hohem Niveau.
Bernhard Kornelius, Dieter Roth
Eine Frage des Vertrauens. Die vorzeitige Parlamentsauflösung zwischen rechtlichem Anspruch und politischem Streit
Auszug
2005 — ein heißer Sommer zumindest in der Politik der Bundesrepublik Deutschland. Der Spannungsbogen erstreckte sich von der Niederlage der SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen über die Entscheidung von Gerhard Schröder, Neuwahlen im Herbst 2005 anzustreben, die Vertrauensfrage am 1. Juli 2005, die Entscheidung des Bundespräsidenten, den Bundestag aufzulösen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit dieser Entscheidung, dem Wahlkampf bis hin zur Bundestagswahl am 18. September 2005. Im Mittelpunkt dieses Beitrages steht die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers und die vorzeitige Auflösung des 15. Deutschen Bundestages. Ziel ist es zum einen, die Vertrauensfrage des Jahres 2005 im zeitgeschichtlichen Vergleich mit der bisherigen Praxis dieses Instruments in der Bundesrepublik zu untersuchen. Zum anderen geht es darum, die Auswirkungen der Praxis der Vertrauensfrage auf die Akteure des politischen Systems und die politische Praxis zu analysieren. Dabei ist danach zu fragen, in welcher Hinsicht es im Laufe der Geschichte der Bundesrepublik bei der Anwendung der Vertrauensfrage nach Art. 68 GG zu einem Wandel der Staatspraxis gekommen ist, wie dieser durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beurteilt worden ist und welche Konsequenzen für eine möglicherweise sinnvolle Grundgesetzänderung daraus zu ziehen sind.
Helge Batt
Die blockierte Partei — Regierungspraxis und Programmdiskussion der SPD 2002–2005
Auszug
Die Arbeit an einem neuen Grundsatzprogramm der SPD verlief seit der Einsetzung der ersten Programmkommission im Jahre 2000 bis zum Ende der Kanzlerschaft Gerhard Schröders höchst diskontinuierlich und in nahezu vollkommener Separation von der Regierungsarbeit der Partei1. Die Programmdebatte wurde weder von der Regierungspraxis und deren Begründungsversuchen beeinflusst, noch hat sie ihrerseits eine erkennbare Bedeutung für das Handeln der Regierung gewinnen können. Der angestammte Programm-Praxis-Dualismus, zu dessen Überwindung die Grundsatzdebatte überhaupt initiiert worden war, reproduzierte sich in ihr nahezu ungebrochen. Zwar hatte es zu allen Zeiten in der Geschichte der Sozialdemokratie (mit Ausnahme der beiden Jahrzehnte nach der Verabschiedung des Godesberger Programms von 1959) eine charakteristische Dichotomie zwischen politischer Tagespraxis und Programmatik gegeben, das beispiellose Ausmaß dieser Separation zwischen beiden Welten ist jedoch das besonderen Kennzeichen der Doppelherrschaft Gerhard Schröders als Bundeskanzler und Parteivorsitzender geworden.
Thomas Meyer
In der Regierung erstarrt? Die Entwicklung von Bündnis 90/Die Grünen von 2002 bis 2005
Auszug
Im Gegensatz zu den ersten vier Jahren der rot-grünen Regierung verlief die zweite Amtsperiode der Regierung Schröder für Bündnis 90/Die Grünen vergleichsweise ruhig. Glichen die ersten vier Jahre einer rasanten Achterbahnfahrt, konnte man nach 2002 den Eindruck gewinnen, die Grünen seien in der Regierung erstarrt. Folgerichtig wurde schon bald nach der Wiederwahl von Rot-Grün festgestellt, die Grünen hätten sich überlebt und kein Profil mehr aufzuweisen (Blühdorn 2004). Der kleine Koalitionspartner galt inzwischen zwar als solide, wurde zunehmend aber auch als „langweilig“ wahrgenommen (Raschke 2004a: 10).
Christoph Egle
Zwischen Kooperation und Verweigerung: Die Entwicklung des Parteienwettbewerbs 2002–2005
Auszug
Parteienwettbewerb ist ein mehrdimensionales Konzept, das beide Seiten des politischen Marktes ins Auge fassen muss, das politische „Angebot“ ebenso wie die Seite der „Politiknachfrager“ (vgl. zum Folgenden Bartolini 1995). So kann der Wettbewerb um Wählerstimmen nur Effekte bewirken, wenn auf der Angebotsseite Parteien außerhalb der Regierung existieren, die erstens tatsächlich versuchen, den Regierungsparteien Stimmen abzunehmen, und die zweitens wenigstens in Teilbereichen von der Regierung abweichende Positionen vertreten. Umgekehrt muss zumindest ein Teil der Wähler bereit sein, ihre Stimme bei einer zukünftigen Wahl aus politisch-inhaltlichen Gründen einer anderen Partei zu geben als bei der letzten Wahl, und dieser Teil des Elektorates muss groß genug sein, die amtierende Regierungspartei abzulösen, d.h., es muss die faktische Möglichkeit bestehen, dass eine Regierung bei Wahlen abgelöst werden kann. Wenn im Folgenden also die Entwicklung des Parteienwettbewerbs während der 15. Legislaturperiode untersucht wird, muss das Augenmerk einerseits auf die Strategien der Parteien, andererseits auf die Entwicklung der politischen Stimmung in der Bevölkerung, wie sie sich an Umfragen und Wahlergebnissen ablesen lässt, gerichtet werden.
Reimut Zohlnhöfer
Organisierte Interessen und Rot-Grün: Temporäre Beziehungsschwäche oder zunehmende Entkoppelung zwischen Verbänden und Parteien?
Auszug
Gibt es eine spezifische rot-grüne Bilanz im Umgang mit organisierten Interessen? Die Frage nach dem Verhältnis von Parteien, Regierungen und Verbänden ist ein zentraler Topos der Verbändeforschung, die eine Reihe von Regelmäßigkeiten und Strukturen in diesem Verhältnis identifiziert hat, aus denen sich bestimmte Erwartungen ableiten lassen. In der traditionellen Perspektive der Verbändeforschung, die bis Mitte der 1970er Jahre vorherrschte, ging es primär um Fragen nach Einfluss, Macht und Drohpotenzial der Verbände gegenüber der Politik, häufig auch um die Frage, ob Verbände sich den Staat „zur Beute“ machen und damit nach der „Verbandlichung“ des Staates. So wichtig diese Ansätze aus macht- und demokratietheoretischen Perspektiven waren, boten sie jedoch wenig konkrete Ansatzpunkte für die spezifische Analyse des politischen Verhältnisses von Verbänden, Parteien und Regierungen. Mit dem offensichtlichen Wandel des Verhältnisses von Politik und Interessengruppen veränderten sich auch (nachholend) Blickwinkel und Ansätze der Verbändeforschung. Insbesondere das von Lehmbruch und Schmitter eingeführte Konzept korporatistischer Politik bot die Möglichkeit, die Beziehungen zwischen Verbänden und Politik nicht als Einbahnstraße „bottom-up“, sondern als eine institutionalisierte Beziehung politischen Tauschs zu analysieren (Schmitter 1977; Lehmbruch 1982; Czada 1994). Dieser Ansatz inspirierte eine Reihe von Forschungen, die der Frage „Do Parties Matter?“ für die Beziehungen zwischen Parteien, Regierungen und Interessengruppen nachgingen, unter anderem der Frage nach der Wahrscheinlichkeit und den Erfolgsbedingungen von Korporatismus und politischer Konzertierung.
Bernhard Weßels
Der Pragmatiker des Augenblicks: Das Politikmanagement von Bundeskanzler Gerhard Schröder 2002–2005
Auszug
Das Politikmanagement verbindet die Steuerbarkeit des politischen Systems mit der Steuerungsfähigkeit der politischen Akteure (Korte/Fröhlich 2006: 173f.). Regierungssteuerung kann nur funktionieren, wenn der Kanzler unterschiedliche Rollenprofile aktiviert, somit eine Mischung aus Hierarchie und Verhandlung zum Politikmanagement einsetzt. Das klassische Repertoire der in der Verfassung zugrundegelegten Institutionen reicht dazu nicht aus. Man könnte sogar noch zuspitzen: die formalen Institutionen sind längst ergänzt — keineswegs ersetzt — worden durch informelle Netzwerke. Government ist ohne Governance nicht vorstellbar. Um das Räderwerk der Politik in Schwung zu halten, muss jede Regierung beachten, dass sie je nach Lageeinschätzung höchst unterschiedliche Steuerungsmechanismen aktiviert. Wie sich die Regierungssteuerung konkret gestalten kann, ist auch davon abhängig, in welcher Arena sie sich abspielt. Drei Arenen sind dabei grundsätzlich zu unterscheiden: Die parlamentarische, die administrative und die öffentliche Arena (Kriesi 2001: 3–10, Rucht 1988: 322; Korte/Fröhlich 2006: 222ff.). Alle drei Arenen verfügen über ausdifferenzierte Handlungsebenen mit eigenen Handlungslogiken und Handlungsanforderungen, unterschiedlichen Reichweiten, Grenzen und verschiedenen Beteiligungschancen der Bürger: Die Parteiendemokratie (darunter könnte man aus steuerungstechnischer Sicht die Kanzlerdemokratie und die Koalitionsdemokratie subsumieren), die Verhandlungsdemokratie sowie die Mediendemokratie.
Karl-Rudolf Korte
Nicht genutzte Chancen der Föderalismusreform
Auszug
Die „Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung“ wurde vom Bundestag und Bundesrat am 16. bzw. 17. Oktober 2003 eingesetzt. Stimmberechtigte Mitglieder waren die 16 Regierungschefs der Länder und 16 Abgeordnete aus den Fraktionen des Bundestags, jeweils mit einem Stellvertreter. Ohne Stimmrecht beteiligt waren vier Bundesminister, sechs Vertreter der Landtage, drei Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und zwölf Sachverständige (darunter acht Verfassungsjuristen, zwei Ökonomen und zwei Politologen — Arthur Benz und der Verfasser). Der Vorsitz wurde gemeinsam von dem damaligen Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Franz Müntefering, und dem bayrischen Ministerpräsidenten, Edmund Stoiber, wahrgenommen. Die Arbeit begann mit der konstituierenden Sitzung am 7.11. 2003, und sie endete mit der Sitzung vom 17. Dezember 2004, auf der die beiden Vorsitzenden das Scheitern der Kommission verkündeten, weil das von ihnen gemeinsam formulierte Ergebnis der Beratungen1 nicht die notwendige Mehrheit auf der Länderseite gefunden hatte. Im Laufe der folgenden Monate kam es zu weiteren Gesprächen zwischen Müntefering und Stoiber, deren Ergebnisse wegen der vorzeitigen Auflösung des Bundestages nicht mehr in der 15. Legislaturperiode behandelt werden konnten. Sie gingen jedoch in die Vereinbarungen zur Bildung der Großen Koalition ein (Müntefering/Stoiber 2005) und liegen auch dem Kabinettbeschluss vom 6. März 2006 und den Gesetzesentwürfen zugrunde, die am selben Tag in die parlamentarischen Beratungen eingebracht wurden (BT-Drs. 16/813).
Fritz W. Scharpf
Anschieber oder Bremser? Das Bundesverfassungsgericht und die Reformpolitik der rot-grünen Bundesregierung
Auszug
Das Verhältnis zwischen Bundesregierung, Bundesgesetzgeber und Bundesverfassungsgericht ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland selten ein völlig reibungsloses gewesen. Nicht nur das böse Wort von den „Acht Arschlöchern in Karlsruhe“ — angeblich geäußert vom damaligen Kanzleramtsminister Horst Ehmke anlässlich einer drohenden Ablehnung der Ostverträge durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. Wesel 2004: 244) — zeugt davon, sondern auch die nicht wenigen Gesetze, die „Karlsruhe“ in den nun fast 60 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik annulliert, teilweise für nichtig erklärt oder nur durch verfassungskonforme Auslegung aufrechterhalten hat. Zwischen 1951 und 2005 sind insgesamt 417 Bundes- und 164 Landesnormen als ganz oder teilweise verfassungswidrig beanstandet worden (Bundesverfassungsgericht 2006). Angesichts der fast 155.000 erledigten Verfahren in diesem Zeitraum erscheint diese Zahl zwar nicht allzu hoch, dennoch hat sich das Gericht mitunter den Ruf eines Reform-Blockierers eingehandelt, wenn es politisch als wichtig empfundene Gesetze gestoppt hat. Hier sei nur erinnert an die Urteile zur Hochschulreform 1973 (BVerfGE 35, 79), zum Grundlagenvertrag aus dem gleichen Jahr (BVerfGE 36, 1) oder zum Schwangerschaftsabbruch 1975 und nochmals 1993 (BVerfGE 39, 1 und 88, 203). Umgekehrt ist das Gericht aber auch nicht selten als unautorisierter Reformer kritisiert worden, wenn es aus Sicht der Mehrheitsmeinung der Republik zu progressiv urteilte, etwa im Urteil zum Volkszählungsgesetz 1983 (BVerfGE 65, 1) und in einer ganzen Reihe von Urteilen in den Jahren 1994/95 zu den Themen Haschisch-Gebrauch (BVerfGE 90, 145), „Soldaten sind Mörder“ (BVerfGE 93, 266), Sitzblockaden (BVerfGE 92, 1) oder Kruzifix (BVerf-GE 93, 1).
Sascha Kneip

Politikfelder

Frontmatter
Auf dem Weg zum Sanierungsfall? Die rot-grüne Finanzpolitik seit 2002
Auszug
Kaum ein anderes Politikfeld unter Rot-Grün — ausgenommen die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik — war so umstritten wie die Finanz- und Steuerpolitik. Die in keynesianischer Tradition stehende Politische Ökonomie (Heise 2002; Bofinger 2004; Hickel 2006) betrachtete den finanzpolitischen Kurs von Rot-Grün, zumindest seit dem Rücktritt von Oskar Lafontaine als Finanzminister (März 1999), mit kritischem Blick. So wurde ein „viktorianischer Tugendpfad“ bemängelt (Krätke 2001), der aus Sparsamkeit, ausgeglichenem Budget und schuldenfreiem Staat bestehe. Auf der anderen Seite argumentierten Monetaristen und Neoklassiker diametral, indem sie Deutschland auf dem Weg in die Schuldenfalle sahen (Sinn 2004) und auf die langfristigen intergenerationalen Wirkungen der Verschuldung durch implizite Leistungsversprechen (Bonin 2001) hinwiesen. Überwiegende Meinung innerhalb der verschiedenen ökonomischen Denkschulen war somit, dass die Finanzpolitik von Rot-Grün mehr oder weniger eine Tragödie darstellte. Ob dieses Verdikt wissenschaftlichen Kriterien standhält, soll im Folgenden untersucht werden.
Uwe Wagschal
Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik — große Reform mit kleiner Wirkung?
Auszug
Kaum ein Thema hat die Bürgerinnen und Bürger in den letzten Jahren so stark beschäftigt, wie die anhaltende Massenarbeitslosigkeit. Zugleich hat sich auch die Politik immer wieder mit diesem Problem beschäftigt. Nach der Wende ist — anschließend an eine Phase des „pragmatischen Aktivismus“ — der Weg in eine „fürsorgerische Arbeitsmarktpolitik“ beschritten worden; gleichzeitig sind Schritte in Richtung einer Liberalisierung und Modernisierung der Arbeitsvermittlung sowie einer Deregulierung des Arbeitsrechts eingeleitet worden (Schmuhl 2003: 654ff.; Heinelt/Weck 1998; Blancke/Schmid 2003; G. Schmid 2006; Zohlnhöfer 2001). Mit dem Regierungswechsel 1998 sind zwar einige Neuerungen eingetreten, doch erfolgt der „Umbau der Arbeitsförderung und Arbeitsverwaltung in den von der liberal-konservativen Vorgängerregierung vorgezeichneten Bahnen“ (Schmuhl 2003: 591). Trotz einiger Anfangsaktivitäten ist der Reformeifer der neuen Bundesregierung schnell erlahmt und erst durch den Vermittlungsskandal der Bundesanstalt für Arbeit wieder ein „window of opportunity“ (Kingdon 1995) für Reformen geöffnet worden.
Josef Schmid
Die Sozialpolitik der zweiten rot-grünen Koalition (2002–2005)
Auszug
Die Berliner Koalition aus SPD und Grünen brachte viel Erwartungstreues und manche handfeste Überraschungen zustande. Davon legt bereits die Sozialpolitik der ersten rot-grünen Bundesregierung von 1998 bis 2002 Zeugnis ab (Schmidt 2003). Erwartungsgetreu war, dass Rot-Grün die sozialpolitischen Reformen der Regierung Kohl, wie im Wahlkampf versprochen, alsbald zurücknahm. Ferner folgte Rot-Grün bis zum Ende der 14. Legislaturperiode im Jahre 2002 im Wesentlichen einem gewerkschaftsfreundlichen Kurs. Davon zeugt beispielsweise die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes von 2002. Noch gewichtiger war aber die schier an Unterwürfigkeit grenzende Akzeptanz gewerkschaftlicher Politik, gleichviel ob es sich um aggressive Lohnpolitik handelte, um partikularistische Interessenpolitik im „Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit“ (Fickinger 2005) oder um die wohlfahrtskorporatistische Nutzung der Sozialpolitik (Streeck 2005), die die Gewerkschaften im Verein mit den Arbeitgeberverbänden, den Betriebsräten und den Personalabteilungen von Unternehmen in großem Stil betrieben, beispielsweise durch rigorose Nutzung der Frühverrentung älterer Arbeitnehmer. Allerdings gab es auch Überraschungen. Dass die rot-grüne Koalition einen rentenpolitischen Kurswechsel vollziehen würde — und zwar durch den Übergang von der niveauorientierten zur einnahmenorientierten Alterssicherungspolitik1 — hatte beim Regierungswechsel von 1998 kaum jemand erwartet.
Manfred G. Schmidt
Gender-Screening: Rot-grüne Sozialpolitik als Geschlechterpolitik
Auszug
Die geschlechtersensible deutsche Sozialpolitikforschung benennt zwei zentrale Mechanismen, die für die Ungleichbehandlung von Frauen gegenüber Männern im Wohlfahrtsstaat verantwortlich zeichnen: die Erwerbsarbeitszentriertheit des sozialen Sicherungssystems sowie den Ehepatriarchalismus, in dessen Rahmen die materielle Existenzsicherung von Frauen auf Basis von persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen erfolgt. Weil Frauen nicht wie Männer auf dem Erwerbsarbeitsmarkt partizipieren (können), Sozialversicherungsleistungen aber im Sinne des Äquivalenzprinzips an vorangegangene Erwerbstätigkeit anknüpfen, kommt es wenn nicht zum völligen Ausschluss, so aber jedenfalls zur strukturellen Schlechterstellung von Frauen in der Sozialversicherung. Weil Familien- und Hausarbeit keine eigenständigen Sicherungsansprüche generieren, sind Frauen entweder von abgeleiteten Ansprüchen (d.h. vom Versicherungsstatus ihrer Ehemänner) oder von bedarfsgeprüften Sozialhilfeleistungen (und damit vom Ermessensspielraum der Verwaltung wie auch der Rechtsprechung) abhängig. Diese Abhängigkeit vom und die darin angelegte potenzielle Unterdrückung durch den männlichen Ernährer bzw. „Vater Staat“ bildet gewissermaßen eine doppelte patriarchale Herrschaftsstruktur (Kickbusch/Riedmüller 1984; Gerhard et al. 1988).
Sigrid Leitner
Weder Rot noch grün. Machterosion und Interessenfragmentierung bei Staat und Verbänden in der Gesundheitspolitik
Auszug
Die Gesundheitspolitik der ersten Amtsperiode der Regierung Schröder basierte auf unterschiedlichen strategischen Ausrichtungen (vgl. Hartmann 2003, Gerlinger 2003, Bandelow 2006b). Allgemeine Leitlinie für das Kanzleramt war der ursprünglich vor allem von Anthony Giddens entwickelte „Dritte Weg“, der sich inhaltlich vor allem auf Beschäftigungspolitik bezog und im angelsächsischen Raum erst später für die Gesundheitspolitik ausgearbeitet wurde (vgl. Giddens 1999, Le Grand 2003). Grundidee war der Wechsel von einer umverteilenden zur aktivierenden Politik. In der Bundesrepublik hatte das Kanzleramt in der ersten Legislaturperiode versäumt, klare Vorgaben zu entwickeln, wie die aus dem Angelsächsischen Kontext importierte Strategie im deutschen System der gesetzlichen Krankenversicherung umgesetzt werden könnte. So fehlte es an Strategien zur Weiterentwicklung der Solidarausgleiche und an Lösungen für die Finanzierungsprobleme des lohnbasierten Versicherungssystems angesichts der Erosion des Normalarbeitsverhältnisses, der sinkenden Lohnquoten und des demographischen Wandels. Die Gesundheitspolitik wurde jeweils ohne klare Vorgaben in den wechselnden Interessenkonstellationen ausgehandelt. Dabei führten Machtverschiebungen, manifestiert etwa durch den Rücktritt von Oskar Lafontaine und den Wechsel von der Grünen-Ministerin Andrea Fischer zur SPD-Ministerin Ulla Schmidt jeweils auch zu Strategiewechseln in der Gesundheitspolitik.
Nils Bandelow, Anja Hartmann
Die Bildungspolitik von 2002 bis 2005: Eine Misserfolgsgeschichte und ihre Ursachen
Auszug
Spätestens mit dem Bekanntwerden der deutschen Ergebnisse bei der PISA-Untersuchung1 im Dezember 2001 (internationaler Vergleich) und im Sommer 2002 (Bundesländervergleich) wurde die Bildungspolitik in der bundesdeutschen Öffentlichkeit breit diskutiert und gelangte damit als wichtiges Thema auf die Agenda der Parteien. Ungewöhnlich für eine Bundestagswahl spielte dieses Thema auch eine Rolle im Wahlkampf 2002, und am 13. Juni 2002 gab erstmals ein Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland eine Regierungserklärung zum Thema „Bildung und Innovation“ vor dem Deutschen Bundestag ab. Im Fokus dieses Beitrags steht die Frage, ob sich diese öffentlichkeitswirksamen Ankündigungen auch in der Politik von 2002 bis 2005 niedergeschlagen haben.
Frieder Wolf, Christian Henkes
Rot-Grün und die Pfeiler des deutschen Kapitalismus
Auszug
Inwieweit haben sieben Jahre rot-grüner Regierungspolitik zum Wandel des deutschen Kapitalismus, der „korporativen Marktwirtschaft“ (Wehler 1995, Abelshauser 2003) hierzulande beigetragen? Ist das rot-grüne Regierungsbündnis während der zweiten Legislaturperiode, auf die sich dieser Beitrag überwiegend, aber nicht ausschließlich konzentriert, auf einen konsistenteren wirtschafts- und sozialpolitischen Regierungskurs eingeschwenkt, als dies während der durch doppelte Wendemanöver (Schmid/Blancke 2003) und permanente Inkonsistenzen (Zohlnhöfer 2003) gekennzeichneten 14. Legislaturperiode der Fall war? Hat Rot-Grün die zentralen Pfeiler des politisch und sozialen Kapitalismus befestigt, also etwa zur Stabilisierung der Sozialpartnerschaft, der Tarifautonomie, der betrieblichen Mitbestimmung, der bankenbasierten Unternehmensfinanzierung, des zentristischen Sozialversicherungsstaates und des auf „diversifizierte Qualitätsproduktion“ austarierten Produktionssystems beigetragen? Hat sich das erste rot-grüne Regierungsbündnis auf Bundesebene folglich als „Vetobündnis“ gegen wirtschaftspolitische Liberalisierung entpuppt? Oder hat rot-grüne Regierungspolitik die Abkehr von tragenden Prinzipien der sozial-korporativen Marktwirtschaft hin zur Liberalisierung wichtiger Komponenten des deutschen Produktionsregimes befördert?
Nico A. Siegel
Von der Reformpolitik zur Restriktionspolitik? Die Innen- und Rechtspolitik der zweiten Regierung Schröder
Auszug
Die Innen- und Rechtspolitik stand in der 15. Wahlperiode zwischen 2002 und 2005 für die Regierung Schröder nicht im Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit. Zentral für die politischen Auseinandersetzungen während der Amtszeit der zweiten Regierung Schröder waren vielmehr die Felder Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik sowie die Außenpolitik — die Stichworte „Agenda 2010“ und Irak-Krieg machen das deutlich. Allerdings ist das nicht der grundsätzliche Unterschied zur vorhergehenden ersten Legislaturperiode einer rot-grünen Regierung: auch damals hatten auf programmatischer Seite die Aufgabenschwerpunkte in den Bereichen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik gelegen. Dennoch hatten sich im Verlauf der 14. Wahlperiode einige der heftigsten und erbittertsten Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition auf dem Feld der Innen- und Rechtspolitik abgespielt, wofür als prominenteste Beispiele die Themen Reform des Staatsbürgerschaftsrechts und die Regelungen für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften stehen (Busch 2003).
Andreas Busch
Nichts Neues unter der Sonne? Zwischen Ideensuche und Entscheidungsblockade — die Umweltpolitik der Bundesregierung Schröder 2002–2005
Auszug
Nach dem Wahlkrimi des 22. September 2002 und den Koalitionsverhandlungen schien festzustehen, dass die Umweltpolitik nicht zu den Verlierern des Wahlausgangs gehören würde. Während die Sozialdemokraten Mandate abgeben mussten, konnten Bündnis 90/Grüne leicht hinzugewinnen und sicherten damit die Mehrheit der Koalition. In der ersten Legislaturperiode von 1998 bis 2002 hatte das Regierungsbündnis mehrere weit reichende umweltpolitische Reformvorhaben umgesetzt, die auch international Beachtung fanden. Dazu zählen der Einstieg in den langfristigen Atomausstieg, die Förderung von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, der Einstieg in eine ökologisch orientierte Wende in der Landwirtschaft, die ökologische Steuerreform und die Modernisierung des Naturschutzrechts (Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) 2002). Die leichten Zugewinne von Bündnis 90/Die Grünen bei der Bundestagswahl 2002 deuteten viele Beobachter als Stärkung des Themas Umweltschutz innerhalb der Regierungskoalition, die das Thema auch durchaus prominent in der Koalitionsvereinbarung verankerte. Wie sieht die umweltpolitische Bilanz der 2. Legislaturperiode der rot-grünen Regierungskoalition aus? Welche Vorhaben wurden für diese Periode avisiert und welche Vorhaben konnten realisiert werden? Wie sieht die umweltpolitische Performanz auch jenseits des Umweltministeriums aus: In welchen Häusern wurden substantielle Schritte unternommen, um eine nachhaltig umweltverträgliche Entwicklung zu erreichen?
Klaus Jacob, Axel Volkery
„....um diesen deutschen Weg zu Ende gehen zu können.“ Die Renaissance machtpolitischer Selbstbehauptung in der zweiten Amtszeit der Regierung Schröder-Fischer
Auszug
Die zweite Amtszeit der Regierung Schröder-Fischer begann am 5. August 2002 und sie endete am 8. September 2005. Diese von der offiziellen Periodisierung (18.10.2002 bis 22.11.2005) abweichende Zeitmessung gilt zumindest dann, wenn man zwei Daten benennen möchte, die für die Charakterisierung der Außenpolitik der zweiten rot-grünen Regierung besonders aussagekräftig sind. Am 5. August 2002 eröffnete der Bundeskanzler mit einer Rede auf dem Opernplatz in Hannover offiziell die heiße Phase des Wahlkampfs seiner Partei. Erstmals schien dabei das zentrale Thema der folgenden Wochen auf: der „deutsche Weg“, der, so der Bundeskanzler, ein Kennzeichen sozialdemokratischer Innen- und Außenpolitik sein und vor allem in einer deutlichen Opposition gegenüber „Spielereien mit Krieg und militärischer Intervention“ im Irak zum Ausdruck kommen sollte (Schröder 2002b 3). Die Folgen sind weitgehend bekannt. Das zweite Datum, der 8. September 2005, ist zur Charakterisierung der rot-grünen Außenpolitik nicht weniger markant. An diesem Tag — zehn Tage vor der vorgezogenen Bundestagswahl und sechs Wochen früher als ursprünglich geplant — unterschrieben der russische Präsident Putin und Bundeskanzler Schröder einen Vorvertrag über den Bau einer Gaspipeline, die vom russischen Wyborg nach Greifswald verlaufen soll. Pikant war diese Entscheidung vor allem deshalb, weil sich Polen und Balten von den Deutschen ausgeschlossen sahen und fürchteten, zukünftig erpresserischer Willkür der russischen Seite ausgesetzt zu sein. Jedenfalls spiegelten die in polnischen Medien gewählten Schlagworte („Schröder-Putin-Pakt“ bzw. „neues Rapallo“ (Donath/Lesser 2005)) eine merkliche Bedrohungswahrnehmung wider.
Gunther Hellmann
Einsamkeit durch Zweisamkeit? Die Europapolitik der zweiten Regierung Schröder
Auszug
Aus der europapolitischen Bilanz der ersten rot-grünen Bundesregierung leitete im Jahr 2002 eine kenntnisreiche Beobachterin eine zentrale Schlussfolgerung ab: „Es muss alles getan werden, um Frankreich wieder in eine konstruktive Rolle für Europa einzubinden“ (Müller-Brandeck-Bocquet 2002: 217). Eine (verkürzte) Legislaturperiode später ließ sich ein spektakuläres Wiederaufleben der französisch-deutschen Zusammenarbeit konstatieren (etwa Müller-Brandeck-Bocquet 2006), das zahlreiche Initiativen mit starkem Gestaltungswillen umfasste und in symbolhaften Akten wie der Vertretung Gerhard Schröders auf dem Europäischen Rat durch Jacques Chirac gipfelte. Einen Gewinn für Europa sahen manche Beobachter in dieser Zusammenarbeit jedoch nicht; vielmehr schien das Gespann aus dem französischen Staatspräsidenten Chirac und Kanzler Schröder eher für eine von Stagnation, Blockade und machtpolitische Gedankenlosigkeit geprägte Politik zu stehen (etwa Hacke 2005). Dieser Beitrag sucht einzuschätzen, ob diese Charakterisierung des Gestaltungswillens und -vermögens der deutschen (und mittelbar der französischen) Europapolitik unter den dramatisch geänderten außenpolitischen Kontextbedingungen der vergangenen Jahre — allen voran des Irakkrieges — zutreffend ist, welche Bedeutung also der deutsch-französischen Zusammenarbeit für die Europapolitik zukommt. Dafür wird die Politik der zweiten rot-grünen Bundesregierung im Chor der europäischen Partner in einer Reihe für die Zukunft der Union zentraler Themenfelder nachgezeichnet und bilanziert:1 Die Konstitutionalisierung Europas, die Erweiterung, die in diesem Kontext notwendigen Reformen redistributiver Politiken sowie die Erosion der Stabilitäts- und Wachstumspaktes.
Tobias Ostheim

Fazit

Frontmatter
Projekt oder Episode — was bleibt von Rot-Grün?
Auszug
Am Schluss eines Sammelbandes über die Bilanz der Regierung Schröder von 2002 bis 2005 steht naturgemäß eine vergleichende Gesamtbetrachtung. Eine Bilanz vorzunehmen bedeutet im Wortsinne, etwas „auf die Waagschale zu legen“. Gegeneinander „abgewogen“ wird im Folgenden zunächst die Frage nach Kontinuität und Wandel der Regierung Schröder von 2002 bis 2005 im Vergleich zur Regierungspolitik ihrer ersten Amtszeit. Diese zeichnete sich bekanntermaßen — trotz des wirkungsmächtigen Begriffs des „rot-grünen Projekts“ — nur in Teilbereichen durch eine konsistente Reformpolitik in einer zu erwartenden Zielrichtung aus (vgl. die Beiträge in Egle/Ostheim/Zohlnhöfer 2003). Dazu gehörten insbesondere die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die Schaffung eingetragener Lebenspartnerschaften, der Atomausstieg, die Einführung der Ökosteuer und die begonnene ökologische Neuausrichtung in der Landwirtschaft. Diese Reformen wurden vor allem von Bündnis 90/Die Grünen forciert und waren für deren politisches Profil von hervorgehobener Bedeutung. Dazu im Gegensatz standen freilich die Militäreinsätze der Bundeswehr im Kosovo-Krieg und in Afghanistan, welche die Regierung zweimal an den Rand des Auseinanderbrechens geführt hatten. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik als klassische Domäne der Sozialdemokratie hingegen war, trotz einiger wichtiger Ausnahmen wie z.B. der Renten- und der Steuerreform, oftmals von Inkrementalismus und Stagnation geprägt.
Christoph Egle, Reimut Zohlnhöfer
Backmatter
Metadaten
Titel
Ende des rot-grünen Projektes
herausgegeben von
Christoph Egle
Reimut Zohlnhöfer
Copyright-Jahr
2007
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90302-6
Print ISBN
978-3-531-14875-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90302-6