Heinz-Jürgen Niedenzu. 2012. Soziogenese der Normativität. Zur Emergenz eines neuen Modus der Sozialorganisation

Auszug

Da normative Elemente in der Form von Ge- und Verboten untrennbar mit dem gesellschaftlichen Sein des Menschen verknüpft sind, wie es in der Soziologie konzeptualisiert wird, herrscht in diesem Fach kein Mangel an Analysen von Normativität und Moral. Das Spektrum reicht von „klassischen“ Bezugnahmen auf Wertsphären und Wertrationalität über die Zentralisierung des „common value system“ zum spezifischen soziologischen Arbeitsfeld bis zu neueren Untersuchungen über Wertvorstellungen und Wertewandel. Normativität ist jedenfalls ein Faktum, das die Soziologie immer schon vorfindet – Differenzen mag es dann darüber geben, wie sie adäquat zu analysieren sei. Heinz-Jürgen Niedenzu stellt sich hingegen die Aufgabe, die Entstehung von Normativität überhaupt zu rekonstruieren. Seine zentralen Fragen lauten: „Wie schließt die menschliche Kulturwelt gattungsgeschichtlich an die Naturgeschichte an? Wie entstand Kultur und damit auch der Modus der Normativität aus einer als vorkulturell verstandenen Natur? Wie ist die parallele Existenz der biologisch-organischen, der psychisch-kognitiven und der soziokulturellen Ebene mit ihren wechselseitigen Verschränkungen erklärungstechnisch zu bewältigen?“ (S. 38) Was sein Buch auszeichnet, ist eine sehr breite Perspektive, der als Prämisse eine Kritik reduktionistischer Einseitigkeiten von Biologismus und Kulturalismus zugrunde liegt. Niedenzu ist überzeugt von der „Notwendigkeit einer Ebenenverknüpfung von biologisch-anthropologischer, kognitiv-psychologischer und soziologischer Perspektive“ (S. 55). …