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2015 | Buch

Kampf um Images

Visuelle Kommunikation in gesellschaftlichen Konfliktlagen

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Über dieses Buch

Der Kampf um Bilder, um ihre Herstellung, ihren Einsatz, ihre Rezeption und Bedeutung reicht sehr weit in die Kulturgeschichte zurück. Von einem „Kampf um Images“ in der Gegenwartsgesellschaft zu sprechen bedeutet indessen, einem soziokulturellen Wandel Rechnung zu tragen, der mit Medienumbrüchen ebenso in Beziehung steht wie mit gesellschaftlichen Entwicklungen. Neben und mit dem allgemeinen Bedeutungszuwachs visueller Kommunikation spielen die Auseinandersetzungen um Images in ganz verschiedenen Gesellschaftsbereichen eine wichtige Rolle. So kämpfen nicht nur Politiker, sondern auch Konsumprodukte, soziale Bewegungen, Städte, Nationalstaaten, Non-Profit-Organisationen, Kirchen und neuerdings auch Bildungseinrichtungen (z.B. Universitäten) auf verschiedenen (Medien-) Bühnen um „gute“ Images.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einführung
Zusammenfassung
Kämpfe um visuelle Kommunikationen reichen weit in die Kulturgeschichte zurück. Man denke nur an die Auseinandersetzungen um das Bildliche in den Kontexten der Macht und des Religiösen (vgl. z. B. Köstler/Seidl 1998; Warnke 1988). Bildlichkeit ist hier wie überhaupt ein Medium, in dem sich das Soziale artikuliert sowie ein Medium, das selbst auf die Konstitution des Sozialen Einfluss nimmt. Konfliktpotentiale bietet das Bildliche auf verschiedenen Ebenen – so kann z. B. über die Rechte der Herstellung und die Modi der Verbreitung von Bildern ebenso gestritten werden wie über deren Rezeption und Bedeutung.
Jörn Ahrens, Lutz Hieber, York Kautt
Zur Theorie des Image
Zusammenfassung
Image ist ein komplexer, facettenreicher Begriff, der sich schwer in eine terminologische Schublade zwängen lässt. Nicht nur, dass er in den Geschichts-, Kultur- und Sozialwissenschaften in unterschiedlichen Ausprägungen vorliegt – auch die Soziologie verfügt über keinen konsensuell geteilten Image-Begriff. Der Beitrag arbeitet einige Aspekte des Terminus heraus, die für das Thema „Kampf um Images“ und, damit zusammenhängend, für die Soziologie besonders wichtig sind. Zu diesem Zweck werden einleitend einige Überlegungen zu Image als Bildbegriff angestellt. Hierauf folgt die Erörterung der Frage, welche Entwicklungen die spezifisch moderne Image-Semantik hervorbringen, auf die das Alltagswort >Image< seit dem 20. Jahrhundert referiert. Überlegungen zu den gesellschaftlichen Gründen der besonderen Relevanz von Image-Kämpfen in der Gegenwart schließen den Text ab.
York Kautt
Reglementierung von Images durch institutionelle Eingriffe
Zusammenfassung
In die zirkulierende Bilderwelt greifen in Deutschland mehrere Institutionen sowie Personen in Machtpositionen ein, um Images von Frauen und Männern, von Vätern und Kindern zu reglementieren. Indem sie daran arbeiten, konservative Positionen durchzusetzen, schränken sie die durch das Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit ein. Der Beitrag „Reglementierung von Images durch institutionelle Eingriffe“ untersucht die Arbeitsweise zensierender Instanzen anhand exemplarischer Fälle. Da emanzipatorische Bewegungen, wie Judith Butler und andere betonen, auf freie Kommunikation angewiesen sind, wirken sich derartige Zensurmaßnahmen auf die politische und kulturelle Entwicklung aus.
Lutz Hieber
Auseinandersetzungen um Körperinszenierung – Weiblichkeits- und Männlichkeits-Images in der Populärkultur am Beispiel von Musikvideoclips
Zusammenfassung
Die Autorin setzt sich anhand von drei Musik-Videoclips und einer Video-Dokumentation (Michael Jackson, Christina Aguilera feat. Lil' Kim, Aphex Twin und Crazy Horse mit Dita von Teese) mit einerseits provokativen bzw. progressiven und andererseits konservativ reglementierten Körperinszenierungen von Männern und Frauen auseinander. Dabei geht es auch um hegemonial erwünschte wie unerwünschte Frauen- und Männerimages. Der Fokus liegt auf – u.a. auch rassistisch begründeter – Zensur bzw. der Kenntlichmachung "unangebrachter" (Selbst-)Darstellung und Körperinszenierung zur Durchsetzung erwünschten Verhaltens. Die Vorstellung von legitimer "Erotik" in der bürgerlichen Gesellschaft stützt sich dabei vor allem auf die (Selbst-)Kontrolle leistungsgenerierter "gestählter" Körper, denen jegliche fleischliche und damit "gefährliche" Sinnlichkeit abhandengekommen ist.
Ulrike Wohler
Images von People With AIDS in den USA der 1980er Jahre
Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert die Bedeutung und Funktion von fotografischen Bildern während der AIDS-Epidemie in den USA der späten 1980er Jahre. Im Zentrum steht die Repräsentation von sog. People With AIDS, die das Image der Betroffenen und der Epidemie selbst maßgeblich konstruierte. Ein Vergleich von Aufnahmen aus der amerikanischen Presse und Fotografien aus der ersten Gruppenausstellung zu AIDS in New York zeigt auf, dass der persönliche Bezug zur Epidemie entscheidend für die bildliche Deutungshoheit von AIDS war. People With AIDS wurden gesellschaftlich diskriminiert, doch künstlerisch wurde ihnen die Autorität über AIDS zugesprochen.
Sophie Junge
Queering ads?
Imagepflege (in) der heteronormativen Gesellschaft
Zusammenfassung
Drei Werbeclips sind Analyseobjekte dieser Untersuchung, die semiologisches Verfahren und Fragestellungen der kritischen Heteronormativitätsforschung zusammendenkt. Ziel ist es, zu ergründen, wie Konzerne mit Hilfe von Image-produzierender Werbung darauf reagieren, dass sich Geschlechterrollen verschieben, und das Spektrum intelligibler Begehrensmodelle sich erweitert. Zentral sind drei Fragen: Wie/mit welchem Ergebnis wird über die Clips (von Renault, Johnny Walker, IKEA) das Image des jeweils beworbenen Produkts (Twingo, Red Label Blended Whisky, Küchenmöbel) mit dem bestehenden Image der Firma verknüpft? Welches (Selbst-) Image der ZuschauerInnen/potentiellen KäuferInnen wird aktiviert/ angeboten? Welche ideologischen Aussagen über Geschlecht und Begehren wird durch die diskursive Herstellung der Images (von Produkt, Firma, KonsumentIn) transportiert?
Sylvia Mieszkowski
Kämpfende Images
Zur medialen Inszenierung von Amokläufern
Zusammenfassung
Seit Ende der 1990er Jahre werden westliche Gesellschaften vermehrt von exzessiven Gewalttaten im öffentlichen Raum erschüttert, die anschließend in der medialen Berichterstattung als Amoklauf oder School Shooting klassifiziert werden. Bei den Tätern handelt es sich zumeist um männliche Jugendliche oder junge Erwachsene, die ihre Tat über einen längeren Zeitraum akribisch planen. In diesem Kontext veröffentlichen die Täter persönliche Bilder, Videos, bis hin zu Schriften, die sowohl der nachträglichen Legitimation der Taten als auch der Inszenierung der Einzeltäter dienen. Der Beitrag setzt sich mit der Thematik Amok als kommunikatives Phänomen auseinander und beleuchtet verschiedene Aspekte der diskursiven Verarbeitung von Gewalt.. Neben den Inszenierungsformen der Täter beschäftigt sich der Beitrag insbesondere mit der Analyse einer Image-Kampagne eines Sportschützenvereins, der im Zuge vermehrter Amokläufe in die öffentliche Kritik geriet.
Daniel Ziegler
Das Image des Dokumentarfilms
Zusammenfassung
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Bedeutung des dokumentarischen Films für gegenwärtige Medienkulturen und zeigt, dass mediale Kommunikation im hohen Maße von dokumentarischen Formaten und ihrem idealistischen Anspruch, „die Welt zu zeigen wie sie ist“ geprägt ist. Der Autor geht von der Beobachtung aus, dass jedoch das Image des dokumentarischen Films als Kommunikationscode über das Reale umstritten ist und auf vielfältige Weise inszeniert werden kann. Ausgehend von den idealtypischen Bestimmungen des dokumentarischen Films als Abgrenzungsstrategie gegenüber dem fiktiven Film wird die These entfaltet, dass das Direct Cinema der 1960er Jahre deutscher und amerikanischer Machart unerwartete Parallelen zu heutigen Reality-Formaten aufweist. Diese leiten über in den Bereich der Mockumentaries, die sich dem dokumentarischen Kommunikationscode medienkritisch bedienen und damit unter anderen medienkulturellen Vorzeichen ähnliche Absichten verfolgen wie das Direct Cinema. Mockumentaries entstehen dabei aus einem „kannibalistischen Impuls“.
Carsten Heinze
Images of fashion – Images of passion
Modedarstellungen als Aushandlungsort visuell-ikonischer Definitionsmacht
Zusammenfassung
Während sich Kleidung durch ihre Materialität auszeichnet und greifbare „Stofflichkeit“ ist, verkörpert die Mode ein Symbolsystem von Ideen und Vorstellungen. Anlässlich internationaler Defilés werden zweimal jährlich Kleidungsstücke auf dem Laufsteg gezeigt, die bisweilen nur ein einziges Mal produziert werden, aber intensivere Beachtung finden als millionenfach produzierte Massenware: Sie spannen die „Images“ der Mode auf, werden diskutiert und interpretiert, bilden in Blogs und Magazinen die narrative Basis ästhetischer Körperinterpretationen. Die Art und Weise ihrer Darstellung variiert zwischen einer Illusion von Realität und völliger Abstraktion. Welches „Stück“ wird in diesem „visuellen Soundtrack“ gespielt? Was verrät es über gängige Körperpraxen? Und wie findet der Weg von der Imagination zur Realisation statt?
Monika Kritzmöller
Gesellschaft verkleben
Zu einer Mediengeschichte von Image als Sammelpraxis und visuelle Bindungsform
Zusammenfassung
Der Aufsatz nähert sich dem Image als Kulturtechnik und befragt seine medienhistorischen Voraussetzungen. Hierzu geht er zwei historischen Bildpraktiken nach, die zugleich zwei mögliche mediale Genealogien des Image darstellen: dem Visitenkartenporträt (carte de visite) und dem Reklamesammelbild – zwei Medien, in denen sich, weit vor der Entstehung des Imagebegriffs, soziale Repräsentation und Ökonomie auf spezifische Weise verbinden und der Wunsch nach dem ›guten‹ oder ›repräsentativen‹ Bild mit Zyklen der Mode, der visuellen Stereotypisierung und der industriellen Sammlung zusammenfällt. Auf dieser Grundlage wird eine „fetischistische“ Medientheorie des Image vorgeschlagen, die das Imaging als eine visuelle Bindungsform und Technik der Assoziation von Kollektions-Kollektiven beschreibbar macht, die sowohl Potenziale der Demokratisierung aufweist als auch totalitäre Züge annehmen kann.
Anne Ortner
Everybody
Figuren „wie Sie und ich“ und ihr Verhältnis zum Publikum in historischem und medialem Umbruch
Zusammenfassung
Im Zentrum des Beitrags steht das Erstellen der Genealogie einer zentralen Adressierungs- und Popularisierungsfigur der Moderne, des „everybody“, auch unter „der gemeine Mann“ bzw. „die gemeine Frau“, „jedermann“, „der Mann von der Straße“ oder „das Mädchen von nebenan“ bekannt. Zunächst werden zentrale Umbruchsstellen in der Geschichte dieser Figur sowie der Wandel ihrer ästhetischen Auftrittsweise rekonstruiert. Der Fokus liegt dabei auf den westlichen Gesellschaften Europas seit den bürgerlichen Revolutionen des 18. Jahrhunderts und insbesondere auch auf den jüngeren Transformationen des everybody seit „1968“ sowie auf visuellen Auftrittsweisen dieser Gestalt in verschiedenen medialen Formen. Dieser genealogische Zugang wird schließlich mit den kulturanthropologischen und politisch-religionsphilosophischen Überlegungen Giorgio Agambens und René Girards in Bezug auf diese Gestalt konfrontiert. Der everybody erscheint so als Denkfigur und Streitgestalt der Gegenwart.
Anna Schober
Die Inszenierung des (Un-)Würdigen
„Armut“ und Massenmedien im geteilten Deutschland (1949-1989)
Zusammenfassung
Immer dann, wenn heute, gerade in Wahlkampfzeiten, der Aus- oder Abbau sozialstaatlicher Leistungen diskutiert oder neue Armutszahlen publiziert werden, kann mit großer Wahrscheinlichkeit folgendes Szenario beobachtet werden: Nicht selten erfahren dabei altbekannte Zuschreibungsmodi und Sozialklischees eine Revitalisierung, scheiden daraus resultierende, streng dichotomisch ausgerichtete Separierungsdiskurse den „ehrlich-verschämten“, zwingend unterstutzungswürdigen vom „schamlos-unwürdigen“, öffentliche Gelder parasitär ausnutzenden „Armen“. Insbesondere durch die Distribution massenmedial vermittelter Images gelangen solche Deutungsformen, personifiziert durch positive wie negative Modellbiographien, in die Wohnzimmer, die entscheidend Vorstellungen über (vermeintliche) Charakteristika aktueller „Armut“ prägen.
Christoph Lorke
Filmische Images, Subjektstrategien der Moderne und visuelle Kultur
Zusammenfassung
Moderne Gesellschaften entfalten Subjektstrategien, über die Individuen Kompetenzen erwerben, um zu sozialen Subjekten werden zu können. Subjektstrategien sind kulturelle Praktiken, die über verschiedenste Medien kommuniziert und repräsentiert werden; es handelt sich um symbolische Techniken, mit denen Individuen sich ihre Umwelt performativ aneignen und diese zugleich entäußern. Dies erfolgt über verschiedene Modi der visuellen Kultur, worin sich visuelle Ästhetiken mit der Kommunikation kultureller Diskurslagen verbinden. Visuelle Kultur konkretisiert in dieser Perspektive soziale Begriffe, Konzeptionen und Diskurse. Hauptträger solcher Subjektstrategien ist das Medium Film. Der Aufsatz zeigt, inwieweit der Film ein Medium zur Kommunikation von Subjektstrategien in der Moderne darstellt und führt dies am Beispiel von Quentin Tarantinos Reservoir Dogs exemplarisch aus.
Jörn Ahrens
Backmatter
Metadaten
Titel
Kampf um Images
herausgegeben von
Jörn Ahrens
Lutz Hieber
York Kautt
Copyright-Jahr
2015
Electronic ISBN
978-3-658-01712-5
Print ISBN
978-3-658-01711-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-01712-5