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2006 | Buch

Konnektivität, Netzwerk und Fluss

Konzepte gegenwärtiger Medien-, Kommunikations- und Kulturtheorie

herausgegeben von: Andreas Hepp, Friedrich Krotz, Shaun Moores, Carsten Winter

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Konnektivität, Netzwerk und Fluss
Auszug
In der internationalen Diskussion um den gegenwärtigen Wandel von Medien, Kommunikation und Kultur finden sich zunehmend Ansätze der Kommunikations-und Medienwissenschaft, Mediensoziologie und Cultural Studies, die auf Konzepte wie Konnektivität, Netzwerk und Fluss zurückgreifen. Da dies im deutschsprachigen Rahmen eher selten der Fall ist, zielt das vorliegende Buch darauf, eine Brücke zu schlagen zwischen der internationalen Diskussion um Konnektivität, Netzwerk und Fluss und dem aktuellen deutschsprachigen Diskurs. Auch wenn aus diesen Konzepten noch bei weitem keine geschlossene Theorie entstanden ist, so wird mit ihnen die Hoffnung verbunden, den gegenwärtigen Wandel angemessen fassen bzw. theoretisieren zu können. Ein solcher Zugang prägt auch die unterschiedlichen Beiträge dieses Bandes, die von thematisch weit gefassten, theoretischen Überlegungen bis hin zu fokussierteren Fallstudien reichen, in denen der empirische Gehalt dieser Konzepte aufgezeigt wird. Dabei stehen die verschiedensten Medien, ihre Spezifik, ihre Inhalte sowie die darauf gerichteten Produktions-und Aneignungsprozesse im Vordergrund — es geht beispielsweise um den Gebrauch von Mobiltelefonen und computervermittelte Kommunikation, um Online-Journalismus, um Vergemeinschaftung mittels digitaler Medien und um die Konstruktion von ‚Unmittelbarkeit‘ und ‚Nähe‘ in medial vermittelten Beziehungen. Dabei stehen auch die Prozesse der Globalisierung und der damit verbundenen Deterritorialisierung im Fokus der Betrachtung, ferner die zunehmende Bedeutung von Mobilität in den Lebenswelten der gegenwärtigen (späten) Moderne. Gleichzeitig machen die Beiträge auf die weiter bestehende Wichtigkeit von Lokalität, auf die Bedeutung von Orten und die anhaltende Relevanz der physisch ko-präsenten Face-to-Face-Interaktion im Alltagsleben aufmerksam.
Andreas Hepp, Friedrich Krotz, Shaun Moores, Carsten Winter
Konnektivität der Medien: Konzepte, Bedingungen und Konsequenzen
Auszug
Wenn man den Diskurs über Globalisierung verfolgt, fällt sofort ins Auge, class Globalisierung heute vor allem als eine neue Form sozialer Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung diskutiert wird. Dabei umrahmen Konzepte wie Konnektivität und ein Verständnis von Gesellschaft als Netzwerk diese Diskussion, während Themen wie die ökonomische Dimension von Globalisierung oder die Probleme kultureller Hegemonie weitgehend verschwunden sind. Insofern stellen sich unmittelbar zwei Fragen: Sind diese Konzepte ausreichend, um eine Theorie der Globalisierung zu begründen? Und wenn nicht: Was muss man tun, um die theoretischen Annäherungen überzeugender zu machen?
Friedrich Krotz
Translokale Medienkulturen: Netzwerke der Medien und Globalisierung
Auszug
Setzt man sich mit Medientheorie und Fragen der Globalisierung auseinander, befindet man sich in einer widersprüchlichen Situation: Auf der einen Seite ist ‚Theorie‘ der Bereich von Wissenschaft, der am einfachsten ‚global‘ reist — oder was als ‚global‘ angenommen wird: ein ‚Reisen‘ in die englischsprachige scientific community. Der Grand dafür mag darin liegen, dass Theorie ‚universeller‘ erscheint, als es kontextbezogene Studien sind. Wegen dieser angenommenen Universalität von Theorie haben wir oftmals den Eindruck, wir könnten ‚etwas‘ mit Theorien anfangen, die über unterschiedliche kulturelle Kontexte hinweg reisen. Aber wenn wir über Medientheorie in Zeiten der Globalisierung sprechen, mtissen wir uns darüber bewusst sein, dass Theorie nicht ‚irgendetwas Universelles‘ ist: Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive haben George Lakoff und Mark Johnson (1980) bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten argumentiert, dass unser Denken in starkem Maße auf (kulturspezifischen) Metaphern beruht. In vergleichbarer Weise fokussiert Stuart Hall das Betreiben von Cultural Studies und argumentiert, dass Theorien zu kontextualisieren sind und wir eine Praxis des fortlaufenden Theoretisierens entwickeln sollten anstatt eine ‚universelle Theorie‘ zu suchen (Hall 1988; bezogen auf ähnliche Argumente im Bereich der Aneignungsforschung siehe Ang 1996, 2006). Insbesondere in der Medientheorie besteht die Gefahr eines solchen Fokus auf ‚universelle Theoriebildung‘ mit einem Zentrismus auf den Westen, indem es eine Art von „Selbstbezüglichkeit und Beschränktheit westlicher Medientheorien“ (Curran/Park 2000: 3) gibt: Viele der Schlüsselkonzepte der gegenwärtigen Medientheorie basieren auf historisch spezifischen Metaphernfeldern westlicher Kulturen, die als ‚universell‘ konstruiert werden und als Leitlinie für die Bewertung von Prozessen weltweiter Medienkommunikation dienen.
Andreas Hepp
„Your Life —To Go“: Der kulturelle Einfluss der neuen Medientechnologien
Auszug
In diesem Beitrag beschäftige ich mich mit dem kulturellen Einfluss der von mir so genannten kulturellen Auswirkungen dessen, was ich, ungenau und provisorisch, „globalisierende Medientechnologien“ nennen werde - zum Beispiel vernetzte Computer, Mobiltelefone, und deren Zusammenfallen, etwa in der so genannten Mobiltechnologie der dritten Generation. Die bevorzugten Aussagen der Hersteller und Händler dieser Technologien sind unmissverständlich. Zum Beispiel wird das iBook von Apple Macintosh mit dem Slogan: „Your Life - To Go“ verkauft. Damit wird das Produkt recht elegant einerseits an den urbanen, modernen und mobilen Lebensstil der Zielgruppe und andererseits an grundlegende Lebensbedingungen gebunden. Medientechnologien sind, so lässt man uns glauben, für einen erfolgreichen modernen Lebensstil unentbehrlich, dessen Schlüsselwörter ‚Freiheit‘, ‚Mobilität‘, ‚Allgegenwart‘, ‚Unmittelbarkeit‘ und (wenngleich, wie ich noch ausführen werde, in einem erheblich geringeren Umfang) ‚Globalität‘ heißen. Diese als kulturelle Werte verstandenen Schlüsselwörter werden niemals problematisiert. Wie die mit ihnen verbundenen körperlichen Krankheitsbilder - von dauerhafter Überlastung bis zu Gehirntumoren - bleiben auch die kulturellen Befürchtungen, die sich an solche Grundwerte knüpfen, im Marketingdiskurs verständlicherweise unsichtbar.
John Tomlinson
TIMES-Konvergenz und der Wandel kultureller Solidarität
Auszug
Mein Beitrag behandelt die Bedeutung konvergenter mobiler Medien für die Zukunft der Zivilgesellschaft im Allgemeinen und von kultureller Solidarität im Besonderen. Konvergente mobile Medien wie Mobiltelefon und Laptop entstanden mit der Konvergenz der fünf TIMES-Branchen „Telecommunication“, „Information“, „Media“, „Entertainment“ und „Security“. Als konvergente Medien sind sie keine Telefone und Computer mehr, sondern enthalten Technologien und Kompetenzen aller TIMES-Branchen. Sie machen den Laptop und das Mobiltelefon als Medien interessant, weil sie eine neue andere Medialität konstituieren, die die Bedingungen und Voraussetzungen von Kultur und kultureller Solidarität verändert.
Carsten Winter
Akteur-Netzwerk-Theorie und Medien: Über Bedingungen und Grenzen von Konnektivitäten und Verbindungen
Auszug
Die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) ist ein hoch einflussreicher Ansatz innerhalb der Wissenssoziologie, der die soziale Ordnung nicht über eine essenzialistische Idee ‚des Sozialen‘ zu erklären versucht, sondern über die Netzwerke der Verbindungen zwischen menschlichen Handelnden („agents“), Technologien und Objekten. Entitäten (gleich ob menschlich oder nicht) innerhalb dieser Netzwerke erlangen Macht durch die Zahl, Reichweite und Stabilität der Konnektivitäten, die durch sie führen - und durch nichts Anderes sonst. Solche Konnektivitäten sind kontingent, historisch und nicht-natürlich - doch wenn ein Netzwerk erfolgreich ist, verfügt es über die Gewalt der ‚Natur‘: Es wird, mit einem Lieblingswort der ANT, zur ‚Blackbox‘. Oberflächlich gesehen, scheint die ANT also perfekt platziert, um eine Theorie der Rolle(n) der Medien-und Kommunikationstechnologien in heutigen Gesellschaften hervor zu bringen: Auch sie sind historisch entstanden und haben doch nach mehr als einem Jahrhundert ‚Naturgewalt‘ erworben. Nichtsdestotrotz wurde dieser Verbindung bisher überraschend wenig nachgegangen. Dieser Aufsatz versucht dem Gehalt und den Grenzen auf den Grund zu gehen; sie versucht herauszufinden, was die ANT zur Theoretisierung der von den Medien ermöglichten Konnektivitäten beitragen kann.
Nick Couldry
Netzwerke und menschliches Handeln: Theoretische Konzepte und empirische Anwendungsfelder
Auszug
Netzwerkansätze sind in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus des öffentlichen Interesses gelangt. Insbesondere nach dem 11. September 2001 wurden Netzwerkmetaphern immer wieder bemüht, vor allem in Bezug auf die Organisation von Terroristengruppen. Wenig überraschend kamen dann auch Data-Mining-Algorithmen, die teilweise auf Netzwerktheorien basieren, bei der Suche nach Al-Qaida-Mitgliedern zum Einsatz. ähnliche mathematische Modelle wurden schon in der Vergangenheit benutzt, um das Verbraucherverhalten im Internet zu erfassen oder Muster im DNA-Kode zu identifizieren. Auf einem allgemeineren Niveau sind Netzwerkmetaphern auch für die Beschreibung der Gesellschaft als Ganzes herangezogen worden — wobei der Netzwerkbegriff nicht nur in der wissenschaftlichen Diskussion auftaucht, sondern auch in Presse-und Rundfunkberichten gerne eingestreut wird.
Thorsten Quandt
Undercurrents: Postkolonialer Cyberfeminismus, eine Mailingliste und die Netzwerkgesellschaft
Auszug
Die folgenden Seiten sind eine Exploration der von Castells im obigen Zitat aufgeführten „Macht der Flüsse“ aus der Sicht der Mikro-Perspektive eines konkreten Netzwerkes. Sinn und Zweck des Artikels sind einfach: Es soll einerseits eine bestehende Theoretisierung von Netzwerken hinterfragen und sie andererseits erweitern. Bezug genommen wird dabei auf Manuel Castells Konzept der Netzwerkgesellschaft (2000a, 2000b). Hervorgehoben werden soll ein spezifischer Punkt, der bei Castells nur angedeutet wird: der des Konfliktes zwischen dem Netz und dem Selbst. Die Hinterfragung geschieht an Hand einer Untersuchung von einer postkolonialcyberfeministischen Mailingliste mit dem Namen „Undercurrents“. Zu diesem Zweck wurde ein Teil der Kommunikation innerhalb dieser Liste analysiert. Die hier präsentierten Annahmen helfen — trotz ihrer Beschränkung durch das Spezifische des Fallbeispiels — diesen bis dato wenig theoretisierten Aspekt des Konfliktes innerhalb des Netzwerkkonzeptes zu hinterfragen. Im Netzwerkkonzept implizit vorhandene Annahmen über neue Technologien werden hierzu kontrastiert mit Erfahrungen eines vernetzten Informationsbzw. Diskussionsflusses in einem spezifischen Kontext. Die darin enthaltene Spannung zwischen Konzept und Erfahrung ist aufschlussreich. Das spezifische Beispiel der Undercurrents-Mailingliste wurde wegen ihres thematischen Fokus auf feministisch-postkoloniale Vernetzungen und auf Grund des hohen Niveaus an Selbstreflexion ausgewählt. Das Undercurrents-Netz ist sowohl technisch als auch sozial. 3 Während die Mailingliste auf den ersten Blick als ein Paradebeispiel für die weithin proklamierten Möglichkeiten der Netzwerkgesellschaft erscheint, entpuppt sie sich im Laufe der Analyse als exemplarisch insbesondere auch in Bezug auf die Grenzen von Vernetzung.
Maren Hartmann
Auf dem weg zu einer Netzwerk-Sozialität
Auszug
In diesem Aufsatz möchte ich das Phänomen und Konzept einer Netzwerk-Sozialität vorstellen. Der Begriff Netzwerk-Sozialität kann als Gegensatz zu ‚Gemeinschaft‘ aufgefasst werden. Gemeinschaft erfordert Stabilität, Kohärenz, Einbettung und Zugehörigkeit. Damit verbunden sind starke, lang anhaltende Bindungen, Nähe und eine gemeinsame Geschichte oder Narration des Kollektivs. Netzwerk-Sozialität bildet den Gegensatz zu Gemeinschaft in diesem Sinne. Der Begriff steht nicht für Zugehörigkeit, sondern für Integration und Desintegration. Es geht um eine entbettete Intersubjektivität, die zumindest teilweise aus Kontexten „herausgehoben“ ist (Giddens 1984). Es geht um eine unmittelbare Intersubjektivität, die integraler Bestandteil dessen ist, was Rem Koolhaas mit dem Begriff „generic city“ bezeichnet (OMA 1995). Es geht um den sozialen Ausdruck einer „flüchtigen Moderne“ (Bauman 2000). In einer Netzwerk-Sozialität sind die sozialen Beziehungen nicht narrativ, sondern informativ. Sie basieren nicht auf wechselseitiger Erfahrung oder gemeinsam erlebter Geschichte, sondern vorwiegend auf Datenaustausch und dem Bestreben, ‚auf den neuesten Stand zu kommen‘. Netzwerk-Sozialität besteht aus flüchtigen und vergänglichen, aber dennoch wiederholten sozialen Beziehungen; aus kurzlebigen, aber intensiven Begegnungen. Narrative Sozialität fand häufig in bürokratischen Organisationen statt. In der Netzwerk-Sozialität ist die soziale Bindung nicht bürokratisch, sondern informationeil; sie entsteht auf einer projektbezogenen Basis, durch die Bewegung von Ideen, durch die Einführung von immer nur vorübergehenden Standards und Protokollen und durch die Schaffung und den Schutz von urheberrechtlich geschützter Information. Netzwerk-Sozialität ist nicht charakterisiert durch eine Trennung, sondern durch eine Kombination von Arbeit und Spiel.
Andreas Wittel
Ortskonzepte in einer welt der ströme
Auszug
Im Kontext der Debatte um den „Aufstieg der Netzwerkgesellschaft“ (Castells 1996) und die Notwendigkeit einer „Soziologie der Flüsse“ für das 21. Jahrhundert (Urry 2000) möchte ich mich in diesem Aufsatz auf das Wesen und die Bedeutung von Orten, sowie auf die Beziehung zwischen Orten, in der heutigen sozialen Welt konzentrieren. Wie also können wir Ort in einer Welt der Ströme - mitunter der Informationsströme, die durch die modernen Medien gefördert werden - konzeptualisieren? Welche Rolle spielen Medien, neben anderen Institutionen und Technologien, für die Transformation von Ortserfahrungen, die Erfahrung von Lokalität und für die Schaffung neuer Arten sozialer Interaktionssituationen? Der Versuch, diese Fragen zu beantworten, führt uns in eine anspruchsvolle Diskussion der Thesen verschiedener Sozial-und Kommunikationstheoretiker. Zunächst müssen einige Aspekte der Arbeiten von Manuel Castells und John Urry betrachtet werden. Denn beide werfen in ihren Darstellungen des globalen sozialen Wandels wichtige Fragen über Medien, Ströme und Orte auf. Daraufhin gehe ich auf die Arbeiten von Doreen Massey (vgl. besonders Massey 1995), (1985), 1994 und (1996) ein, die Orte jeweils als permeabel, marginalisiert oder pluralisiert konzipieren.
Shaun Moores
Backmatter
Metadaten
Titel
Konnektivität, Netzwerk und Fluss
herausgegeben von
Andreas Hepp
Friedrich Krotz
Shaun Moores
Carsten Winter
Copyright-Jahr
2006
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-90019-3
Print ISBN
978-3-531-14598-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-90019-3