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Erschienen in: Wirtschaftsinformatik & Management 3/2023

Open Access 14.06.2023 | Spektrum

Kundenzufriedenheit im Virtual Reality Commerce – Erfolgreiche Interaktion in virtuellen Welten

verfasst von: Prof. Matthias Trier, Annika Steiger, M. Sc.

Erschienen in: Wirtschaftsinformatik & Management | Ausgabe 3/2023

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Erschwingliche Virtual-Reality(VR)-Technologien und Plattformen ermöglichen zunehmend den einfachen Zugang zu virtueller sozialer Interaktion für Privatnutzer. Dadurch eröffnen sich neue kommerzielle Möglichkeiten für Unternehmen, immersive Kundeninteraktionen in virtuellen Umgebungen zu entwickeln. Hierbei stellt sich die Frage, wie die innovative zukünftige Erweiterung bestehender Verkaufskanäle durch VR-basierte soziale Kundeninteraktionen zu gestalten ist, um die Kundenzufriedenheit zu maximieren und die Potenziale des neuen Kanals optimal zu nutzen. In diesem Beitrag berichten wir über eine erste detaillierte Analyse relevanter Einflussfaktoren auf die Kundenzufriedenheit im Szenario einer verkaufsorientierten Interaktion zwischen einem Verkäufer-Avatar und einem Kunden-Avatar in einem selbst entwickelten Social-VR-Commerce-Kontext. Basierend auf relevanten Theorien des Social-VR und der Kundenzufriedenheitsforschung nutzen wir hierbei den qualitativen Ansatz des Fokusinterviews, um Kundenwahrnehmungen bezüglich verschiedener Einflussfaktoren zu untersuchen. Aus den Ergebnissen entwickeln wir ein empirisch gestütztes Forschungsmodell relevanter Einflussfaktoren auf die Kundenzufriedenheit in Social-VR-Commerce-Kontexten, welches Orientierung für Praktiker und Forscher bei der Gestaltung und Analyse entsprechender Szenarien bietet.

VR erreicht die Endkunden

Bisher wurde virtuelle Realität (VR) hauptsächlich in der Unterhaltungsbranche, Flugsimulation oder auch in der militärischen Ausbildung genutzt. Durch kostengünstigere VR-Geräte für die breite Masse erweitert sich das Anwendungsfeld inzwischen aber auch zunehmend auf den Endverbraucher [1]. Prognosen schätzen, dass bis 2026 etwa 70 Mio. VR-Headsets genutzt werden und der VR-Markt bis 2024 eine Größe von über 12 Mrd. US$ erreichen soll [2]. Ein besonderes Potenzial bietet hierbei das „Metaverse“ als ein persistenter virtueller Raum, in welchem interagierende Nutzer soziale und kommerzielle Aktivitäten als Erweiterung ihres Lebensumfelds ausüben können.
Diese Entwicklung lässt erwarten, dass Unternehmen vermehrt neue Formen virtueller sozialer Interaktion mit Kunden erproben und damit neue Wege beschreiten, um die Kundenzufriedenheit der Endverbraucher zu steigern. Da bei E‑Commerce der Aspekt der persönlichen Interaktion im Vergleich zur Verkaufsfiliale meist in den Hintergrund tritt, könnten reichhaltigere soziale Kundeninteraktionen zwischen Kunden und Verkäufern über VR eine gute Erweiterung des Kanalmixes bieten. Hier eröffnet VR-Commerce beispielsweise die Chance intensiver Kundeninteraktion mit ungeteilter Aufmerksamkeit, bei der komplexe Informationen und Produktdemonstrationen im Dialog mit virtuellen Produktberatern an einem gemeinsamen Ort fast wie in einer Filiale geklärt werden können, ohne Miet- oder Fahrkosten. Wenn es gelingt, durch VR-Erlebnisse eine hohe Kundenzufriedenheit zu erzielen, kann durch das besondere Kauferlebnis auch eine langfristige Kundenbindung erreicht werden, die dazu führt, dass Kunden wiederkehren und wiederholt Käufe tätigen [3].
Bislang existieren sehr wenige Erkenntnisse zu Einflüssen auf die Kundenzufriedenheit im VR-Commerce. Insbesondere fehlen Erkenntnisse, wie sich die Durchführung eines virtuellen Beratungsgesprächs zwischen Kunden und Verkäufern auf die Kundenzufriedenheit auswirkt. Die Lücke wird in diesem Beitrag adressiert mit der Leitfrage, über welche Einflussfaktoren die Kundenzufriedenheit durch eine pseudosoziale virtuelle Beratung von einem Avatar-Verkäufer während eines Aufenthalts in einer virtuellen Umgebung erreicht werden kann.

Einflussfaktoren auf die Kundenzufriedenheit im VR-Commerce

Da die Nutzung von VR für soziale Kundeninteraktion noch ein sehr neues und innovatives Anwendungsfeld für Wissenschaftler und Unternehmenspraktiker darstellt, werden zunächst wichtige Einflussfaktoren auf erfolgreichen VR-Commerce vorgestellt. Die erste Ebene von Einflussfaktoren wird als VR-Setting bezeichnet. Hier wird Kundenzufriedenheit beeinflusst durch die Erzeugung einer immersiven Umgebung mit einer vertrauten dreidimensionalen und interaktiven Szene sowie Interaktionsmöglichkeiten mit Objekten und Akteuren. In diesem VR-Umfeld werden der Konsument und der Verkäufer virtuell repräsentiert und interagieren in Echtzeit, was als virtuelle soziale Interaktion dann die zweite Ebene von Einflussfaktoren in unserem Ansatz bildet. Diesen zwei Ebenen folgend werden nun die potenziellen Haupteinflüsse definiert und in ein Erklärungsmodell für Kundenzufriedenheit im VR-Commerce zusammengeführt.

Einflüsse auf Ebene des VR-Settings

Mit VR wird eine computergenerierte Umgebung bezeichnet, in der wie in einer realen Umgebung erlebt und interagiert werden kann. Die 3‑D-Objekte in einer solchen virtuellen Welt können dynamisch sein und auch Akteure repräsentieren. Solche virtuellen Charaktere werden entweder Agenten genannt, wenn sie von Algorithmen bzw. Skripten kontrolliert werden – oder sie heißen Avatare, wenn sie einen Nutzer virtuell repräsentieren und auch von realen Personen in Echtzeit kontrolliert werden [1].
Mit der Möglichkeit seinen eigenen Avatar zu gestalten, ist eine neue Form der Selbstdarstellung entstanden. Nutzer können nunmehr mit anderen Akteuren in Echtzeit interagieren, gemeinsame Aktivitäten durchführen und virtuelle soziale Beziehungen aufbauen. Dieser soziale Austausch in virtuellen Umgebungen wird Social VR genannt und ermöglicht virtuelle Kommunikation, die einer realen, Face-to-Face-Kommunikation sehr ähnelt [4]. Social VR ist in den letzten Jahren sehr beliebt geworden. Zu bekannten kommerziellen Anwendungen gehören VRChat (VRChat Inc., San Francisco, USA), RecRoom (Rec Room Inc., Seattle, USA) oder Horizon Worlds (Meta Platforms Inc., Menlo Park, USA). Mit Social VR sind im allgemeinen Sprachgebrauch uneinheitlich mal das VR System, mal die virtuelle Welt, dann wieder die virtuellen Akteure oder aber das Erlebnis („Experience“) der sozialen Interaktion gemeint. Wir konkretisieren den Einflussfaktor hier deshalb als virtuelles soziales Setting im Sinne einer wahrnehmbaren virtuellen Umgebung, welche die virtuelle soziale Interaktion als ein Kernelement des VR-Erlebnisses einrahmt und unterstützt. Dieser Kontext kann in VR sehr flexibel gestaltet werden und macht soziale Interaktionen wahrscheinlicher, wenn die virtuelle Umgebung einem dem Nutzer vertrauten Ort der physischen Welt ähnelt, wie beispielsweise einem Café.
Immersion ist ein weiterer Einflussfaktor des VR-Settings. Sie beschreibt das mentale Abtauchen in eine andere Welt und ist ein wichtiger Bestandteil von VR. Eines der Kernziele ist hier, dass Nutzer sich präsent in der virtuellen Umgebung fühlen und somit die Hardware kaum wahrnehmen, sondern vielmehr die dargestellten virtuellen Objekte, Ereignisse und Figuren. Präsenz wird dabei definiert als ein Gefühl des Dabeiseins in einem Raum, auch wenn die Betroffenen sich physisch an einem anderen Ort befinden, wie es bei VR in der Regel der Fall ist [1]. Die Illusion von sozialer Kommunikation mit anderen wird im VR-Kontext als soziale Präsenz verstanden. Hier geht es um die Wahrnehmung des Dabeiseins zwischen zwei Kommunikatoren durch die Nutzung eines Kommunikationsmediums. Wichtig ist hierfür besonders die Medienreichhaltigkeit, die Interaktivität und das Gefühl von Wärme, menschlichem Kontakt, Geselligkeit und Sensibilität, die ein Medium vermittelt [12]. Ein hoher Realismus ist dabei gar nicht erforderlich, da Studien gezeigt haben, dass auch bereits die Darstellung von Händen oder dem Kopf für Nutzer ausreichen, um soziale Präsenz und Immersion überzeugend wahrzunehmen [1].
In unserem Ansatz ist das Gefühl des virtuellen sozialen Zusammenseins abhängig von den vermittelten Repräsentationen der Interaktionspartner und der gegenseitigen Wahrnehmung in der gemeinsamen VR-Umgebung. Die gemeinsame VR-Umgebung fördert hierbei die Wahrnehmung von Kopräsenz, also dem Gefühl, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Die Umgebung wird nicht mehr nur als etwas Wahrgenommenes erlebt, sondern als ein besuchter Ort [1]. Virtual Reality hat hierbei potenziell einen positiven Einfluss auf die Kundenbeziehung und auf die resultierende Kundenzufriedenheit.
Eine letzte Einflussgröße auf der Ebene des VR-Settings ist die Medienreichhaltigkeit (Media Richness) der durch Social VR vermittelten Kommunikation. Diese ist definiert als die Fähigkeit eines Mediums verschiedenartige Kommunikationskanäle zu nutzen (z. B. visuell, auditiv oder räumlich), schnelles und unmittelbares Feedback zu transportieren (z. B. mimische Reaktionen des Gegenüber), einen persönlichen Fokus zu erlauben (z. B. über Körpersprache oder Stimmenmodulation) oder reiche sprachliche Vielfalt einzusetzen [5]. Solche reichhaltigen Interaktionen fördern den komplexen sozialen Informationsaustausch und können so die Kundenzufriedenheit mitbestimmen.

Die Modellebene der sozialen Interaktion und der Kundenzufriedenheit

Auf der Ebene der virtuellen sozialen Interaktion lassen sich die Kernergebnisse aus der klassischen Forschung zur Kundenzufriedenheit anwenden, welche bereits umfassend Einflussfaktoren im Kontext von Käufer-Verkäufer-Beziehungen untersucht hat und über verbreitete Standardtheorien wie PROSAT [6] oder SERVQUAL [7] verfügt. Diese wurden jedoch bisher nur auf klassische physische Kontexte oder webseitenbasierte Onlineumgebungen angewendet.
PROSAT unterscheidet fünf Qualitätsdimensionen der Dienstleistungsqualität, welche sich auf unseren Bereich übertragen lassen: technische Produktqualität, Servicequalität (z. B. Reaktionsbereitschaft, Sicherheit), Qualität der persönlichen Beziehung (z. B. Kommunikation, Konfliktverhalten), Reputation (Kompetenz) und Preiswahrnehmung [3]. Ganz ähnlich dazu umfasst das SERVQUAL Modell Faktoren wie Zuverlässigkeit, Leistungs- und Fachkompetenz, Freundlichkeit und Entgegenkommen, Einfühlungsvermögen und das materielle (tangible) Umfeld [3]. Die Modelle bieten jedoch nur eine Basis und sollten auf den individuellen Fallkontext angepasst werden [7]. Studien zur Online-Kundenzufriedenheit betonen zusätzlich den Einflussfaktor der Informationsqualität [8]. Aus diesen teilweise überlappenden Modellen sind die folgenden wichtigen Einflussfaktoren für den VR-Commerce-Kontext relevant: Kundenorientierung (bestehend aus Reaktionsbereitschaft und Freundlichkeit), Kompetenz (sowie Sicherheit), Informationsaustausch (die Verbindung zu Kommunikation und Informationsqualität) sowie die Beziehungsatmosphäre (welche auch das Umfeld mit seinen Objekten berücksichtigt).
Zusammenfassend können die eingeführten Konzepte in ein Modell der Kundenzufriedenheitsfaktoren im VR-Commerce integriert werden (Abb. 1). Auf Grundlage einer funktionierenden technischen Infrastruktur aus VR-Hardware und Systemsoftware zur Verbindung von verschiedenen Nutzern mit VR-Brillen wird Kundenzufriedenheit von zwei Bereichen bestimmt. Die erste Ebene des VR-Settings enthält die Faktoren Immersion, virtuelles soziales Setting, soziale Präsenz und Medienreichhaltigkeit. Aufbauend darauf findet eine Ebene höher die virtuelle sozialen Interaktion im VR-Setting statt. Hier tauscht der Verkäufer-Avatar durch seine Aktivitäten Informationen aus, drückt seine Kundenorientierung und Kompetenz aus und stellt eine verkaufsförderliche Atmosphäre sicher. Schließlich bestimmt sich die wahrgenommene Kundenzufriedenheit mit VR-Commerce gemäß dem Grundprinzip der Erwartungskonfirmation/Diskonfirmation [9] durch einen Vergleich der erwarteten Soll-Leistung und der wahrgenommenen Ist-Leistung des VR-Erlebnisses.

Analysemethode

Wir haben die Rolle der Einflussfaktoren des Modells in einer ersten Vorstudie mit der Fokusinterviewmethode [10] untersucht. Diese Methode hat ihren besonderen Schwerpunkt auf der Analyse von Reaktionen auf einen vorab wahrgenommenen Stimulus. Während ursprünglich Filme als Expositionsobjekte eingesetzt wurden, nutzen wir ein selbst entwickeltes VR-Shopping-Erlebnis, bei dem die virtuelle Umgebung an einen realen Einkaufskontext angelehnt wurde (Abb. 2).
Bevor die Interviews starteten, wurde zunächst ein komplexes soziales VR-Shopping-Erlebnis mit der Unity-Plattform entwickelt. Dieses Erlebnis beinhaltete eine VR-Café-Umgebung mit einem Showroom für Siebträgerkaffeemaschinen. Weiterhin wurde eine Gesprächsecke mit Couch, Pflanzen und Teppich in Anlehnung an ein Wohnzimmer modelliert, um eine entspannte und private Kommunikationsatmosphäre zu schaffen. Um die Identifikation mit den Charakteren zu fördern, konnten die Teilnehmer einen Avatar mit passenden persönlichen Merkmalen auswählen. Der Verkäufer-Avatar wurde von einer weiblichen Person gesteuert und entsprechend als weiblich aussehender Avatar in Bürobekleidung repräsentiert. Die Teilnehmer und die Verkaufsperson konnten sich frei bewegen, miteinander sprechen oder die Verkaufsprodukte in die Hand nehmen. Die Verkaufsperson erklärte verschiedene Aspekte der Produkte in einem Kundendialog. Nach einer kurzen Handout gestützten Einleitung haben die Teilnehmer der Studie nacheinander mit einer Oculus Quest und den entsprechenden Handcontrollern die Verkaufssituation erlebt. Anschließend haben wir mit sechs deutschsprachigen Studenten und jüngeren Arbeitnehmern im Alter von 23–27 Jahren leitfadengestützte Tiefeninterviews durchgeführt. Die transkribierten Interviewdaten wurden mit qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet [11]. Dabei wurden Belege zum Einfluss der im Modell aufgeführten Faktoren identifiziert und kategorisiert.

Analyse der Einflussfaktoren

Wir betrachten nun die Ergebnisse unserer Interviews zu den Einflussfaktoren im Detail. Zunächst ist allgemein festzustellen, dass alle Teilnehmer mit der technischen Implementation der Verkaufsinteraktion zufrieden waren und keine entsprechenden Komplikationen angemerkt haben (P1–6, Personennummern der Studienteilnehmer als Datenreferenz). Die Interviewten schätzten die flexible Möglichkeit verbal zu interagieren, sich frei zu bewegen, Gestik zu nutzen sowie das Kaufobjekt hochheben und inspizieren zu können. Jedoch wurde das Gewicht des Headsets als etwas ablenkend empfunden, genau wie die Abwesenheit von Mimik (beispielsweise bei Humor) und Haptik (wenn das Objekt berührt wurde). Wir berichten im Folgenden die Wahrnehmungen zu den einzelnen Einflussfaktoren.
Immersion
Immersion trat bei den Teilnehmern in einem unterschiedlichen Ausmaß auf. Die Personen P3–P6 gaben an, sie seien in die virtuelle Umgebung „abgetaucht“ und hätten die Realität nicht mehr wahrgenommen. Hingegen antworteten P1 und P2, ihnen sei es bewusst gewesen, dass es nicht die reale Welt sei, wobei P1 dennoch die Ähnlichkeit zwischen der realen und der VR-Welt betonte. Die Teilnehmer P3 und P6 bemerkten, dass ein zur Erwartung passendes Aussehen und eine dazu passende Stimme wichtig ist, damit es nicht zu einem Bruch des Erlebnisses kommt.
Soziale Präsenz
Die Wahrnehmung, sich an einem gemeinsamen Ort mit dem Verkäufer befunden zu haben, war sehr präsent (P2, P6) und erhöhte die Entspanntheit der Situation (P2, P4). So beschrieb P1 dies als „eine gute Illusion… [von] einem Besuch“ (P1:6) und P3 als „wie in einem Beratungsgespräch“ (P3:42). Die Käufer reflektierten, dass sie im Wesentlichen ihre eigene Arme, aber nicht ihre Beine bemerkten (R3–R5). Jedoch erschien dieser reduzierte virtuelle Körper den Käufern ausreichend für die Selbstwahrnehmung in VR und sie fühlten sich „widergespiegelt“ (P3:26). Eine Person merkte die Wichtigkeit an, sich mit ihrem Avatar zu identifizieren, was durch die Möglichkeit der Avatarauswahl unterstützt wurde. Die durch den Avatar dargestellte Verkaufsperson wurde von allen als eine reale Person eingestuft. Diese Illusion wurde gestützt von der Möglichkeit, einen realistischen Dialog in Echtzeit mit der Verkäuferin zu haben sowie durch die wahrgenommene persönliche Zuwendung (P1–P2, P4–P6). Die Interaktion wurde als angenehm und vertrauenswürdig betrachtet und die Verkäuferin als freundlich mit einer angenehmen Stimme eingeschätzt. Die persönliche und realistische Kommunikation war wichtig für die realitätsnahe Wahrnehmung (P2, P4). Eine gute Präsenz des Verkaufs-Avatars bietet laut P1 „einen Bezugspunkt“ mit Wiedererkennungswert und hilft, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden.
Virtuelles soziales Setting
Die Teilnehmer empfanden die Synergie zwischen der intendierten Beratungsinteraktion und den angebotenen Produkten als wichtig, da das die Käufer „am meisten abgeholt“ (R1:56) hat. Eine Besonderheit der in VR sehr detailliert gestalteten Umgebung war, dass die gleiche Umgebung von den Käufern sehr heterogen interpretiert wurde. Zum Beispiel bezeichnete Teilnehmer P5 das VR-Setting als vertraut, da es an ein Café erinnert. Teilnehmer P6 hingegen nahm das VR-Setting als einen Ausstellungsbereich (Showroom) wahr. Person P4 wiederum war die Situation deshalb vertraut, weil sie sich wie in einem Computerspiel anfühlte.
Media Richness
Mündliche Kommunikation und insbesondere die Möglichkeit, direkt zu fragen und in einen Dialog einzutreten, wurde als sehr positiver Einfluss auf die soziale Interaktion geschätzt (P1, P3, P4, P6). Die Stimme und darüber transportierte Freundlichkeit war wichtig für die Wahrnehmung von Kundenorientierung beim Verkäufer. Zeigegesten („pointing“) auf das Verkaufsprodukt wurden auch als positiv für die Interaktion gewertet (P2). Jedoch wurde auch bemerkt, dass Gesten nicht so präzise funktionieren wie in der Realität, weil die ganze Hand zum Zeigen verwendet wurde. Gelegentlich wurde kritisiert, dass die Verwendung von Mimik im getesteten Beispielszenario nicht möglich war (P3–5), aber Missverständnisse konnten stets schnell mündlich behoben werden (P5).
Virtuelle soziale Interaktionsebene
In Bezug auf die virtuell mediierte soziale Interaktion wurde der Verkäufer-Avatar auch ohne echten Kontakt als kundenfreundlich, aufmerksam und sympathisch wahrgenommen (P1–3, P5–6). Die Befragten bemerkten, dass das Gegenüber ihnen Aufmerksamkeit schenkte (P1). Der Informationsaustausch wurde als gut eingestuft, sodass aus Käufersicht ausreichend Informationen gesammelt werden konnten, um die Kaufentscheidung wie bei einem realen Verkaufsgespräch zu tätigen (P2, P4–6). Die Kompetenz und Fähigkeit zur Problemlösung der Verkaufsperson wurde wahrgenommen (P1–3, P6). Die Befragten empfanden es als positiv, dass der Verkäufer-Avatar mit dezenten Farben und angemessener Bekleidung zum professionellen Verkaufskontext passte und nicht auffällig war (P1–P4, P6). Auch die wichtige Übereinstimmung zwischen der weiblichen Stimme und dem weiblich aussehenden Avatar (P3) deutet auf die Relevanz eines stereotypischen und dadurch vertrauten Verkäufer-Avatars hin. Die Studienteilnehmer konnten sich gut die reale Person hinter dem Avatar vorstellen (P4, P6). Insgesamt wurde eine positive und gute Atmosphäre bei der generellen VR-basierten sozialen Interaktion wahrgenommen (P1, P2, P4, P5), mit einer guten Passung zur virtuellen Umgebung und den angebotenen Produkten (P1). Die VR-Shopping-Episode wurde als sehr ähnlich zu echten Verkaufsgesprächen gesehen (P1). Insbesondere die Flexibilität, herumlaufen zu können und Gesten einzusetzen, haben die verbale Kommunikation unterstützt und entspannt (P6).
Resultierende Kundenzufriedenheit
Alle Teilnehmer bezogen die angemerkten Einflussfaktoren auf die resultierende Kundenzufriedenheit. Sie berichteten, dass ihre Erwartungen erfüllt bzw. übererfüllt wurden (P1–6), der Ansatz für eine Kaufberatung eine gute Alternative darstellt (P3) und einige der Tester das Produkt auch kaufen würden (P2, P6). Zwei Teilnehmer (P1 und P2) gaben an, dass ihre Erwartungen vorab nicht hoch waren, wodurch insgesamt ein positiver Überraschungseffekt eingetreten ist, welcher für die Kundenzufriedenheit nach dem Grundprinzip der Erwartungskonfirmation/Diskonfirmation [9] vorteilhaft ist.
Als die Teilnehmer abschließend direkt gefragt wurden, welche Aspekte nun am meisten zur eigenen Kundenzufriedenheit beigetragen haben, bezogen sich die Interviewten auf Immersion, soziale Präsenz, das soziale Setting, die Atmosphäre, die wahrgenommene Kompetenz und die funktionierende Technologie.

Diskussion

Unsere Vorstudie liefert erste qualitative Erkenntnisse und belegt die Wichtigkeit der modellierten Einflussfaktoren auf Kundenzufriedenheit in VR-Commerce. Die Ergebnisse motivieren die eingangs eingeführte Integration der beiden Ebenen des VR-Settings und der virtuellen sozialen Interaktion in das vorgestellte theoretische Modell für Kundenzufriedenheit im VR-Commerce. Es zeigte sich, dass die Nutzerantworten mehrheitlich homogen sind und somit bereits nach einer kleinen Teilnehmerzahl ein Sättigungseffekt bei den Ergebnissen auftritt („saturation principle“). Es gab ein breites Einverständnis bezüglich der Eignung dieser immersiven Verkaufsalternative insbesondere für erklärungsintensive Produkte. Die Teilnehmer sahen als großen Vorteil an, dass das private Umfeld nicht verlassen werden muss, welches viel Zeit spart und bequem ist, während gleichzeitig eine reichhaltige und beeindruckende Interaktion möglich ist. Unser VR-Commerce-Forschungsmodell bietet somit eine gute Basis für weitere Designentscheidungen, um Kundenzufriedenheit in virtueller sozialer Interaktion zwischen Käufern und Verkäufern zu fördern.
Zusammenfassung
Virtual Reality (VR) wird erschwinglich für Endverbraucher und ermöglicht innovative Formen reichhaltiger Kundeninteraktion im Kontext von VR-Commerce.
Social VR ist eine besondere Form des VR, welche in virtuellen Welten wie zum Beispiel im Metaverse gemeinsame Aktivitäten und virtuellen sozialen Beziehungsaufbau zwischen Avataren und Agenten ermöglicht.
Kundenzufriedenheit im VR-Commerce wird beeinflusst vom VR-Setting und der virtuellen sozialen Interaktion zwischen Käufer und Verkäufer.
Unternehmen sollten strategisch mit innovativen Formen reichhaltiger Kundeninteraktion im VR-Commerce experimentieren
Neben VR in der Produktentwicklung bietet Social VR eine gute Perspektive, um sich für das aufkommende Metaverse vorzubereiten
VR-Commerce bietet gute Möglichkeiten für den Aufbau reichhaltiger Kundenbeziehungen und zur Erhöhung von Kundenzufriedenheit
Handlungsempfehlung
  • Social VR als innovative Kundeninteraktion im Metaverse strategisch explorieren
  • Technische Fähigkeiten im VR-Kontext auch auf Kundenzufriedenheit ausrichten
  • Mit ausgewähltem Verkaufspersonal Social-VR-Kontexte trainieren
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Literatur
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Metadaten
Titel
Kundenzufriedenheit im Virtual Reality Commerce – Erfolgreiche Interaktion in virtuellen Welten
verfasst von
Prof. Matthias Trier
Annika Steiger, M. Sc.
Publikationsdatum
14.06.2023
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Wirtschaftsinformatik & Management / Ausgabe 3/2023
Print ISSN: 1867-5905
Elektronische ISSN: 1867-5913
DOI
https://doi.org/10.1365/s35764-023-00470-6

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