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09.03.2022 | Leadership | Kommentar | Online-Artikel

In der Finanzwelt mangelt es an weiblichen Vorbildern

verfasst von: Jana Koch

4:30 Min. Lesedauer

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In der Finanbranche sind Frauen in tragenden Führungsrollen noch immer Mangelware. Das liegt aber nicht nur an verkrusteten Strukturen innerhalb der Unternehmen. Es fehlen weibliche Leitfiguren ebenso wie das nötige Vertrauen, die eigene Komfortzone zu verlassen.

Wenn Vorgesetzte in der Finanzbranche unter Kollegen provokant in die Runde fragt, wer sich zutrauen würde den Führungsjob zu übernehmen, melden sich in der Regel neun von zehn Männern, unabhängig von ihrer Qualifizierung. Wirft man einen Blick auf die anwesenden Frauen, sieht es auch heute leider oft noch ganz anders aus. Doch scheitert es auf weiblicher Seite wirklich am mangelnden Vertrauen in die eigenen Qualifikationen und Fähigkeiten?

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Die Ellbogenmentalität wird ein Ende haben

Zwar kommen mittlerweile immer mehr Frauen in Führungspositionen. Doch ihr Anteil ist auch in der Finanzbranche weiterhin gering. Und mit einer Quote allein wird die künftige Arbeitswelt nicht gerechter werden.

Frauen oft nur in unterstützenden Rollen

Wenn ich mich auch aktuell in der Welt der Fintechs und Banken umsehe, fällt mir auf, dass die treibenden Rollen, beispielsweise eines CEOs, in der Regel immer noch von Männern besetzt werden. Frauen finden sich oft in unterstützenden Rollen in zweiter Reihe wieder oder wählen typischerweise Geschäftsfelder wie Marketing, wo es eher um die emotionale Ansprache geht. Der pauschale Aufruf "Wir brauchen mehr Frauen in der Finanzindustrie!" stimmt so nicht, denn wir brauchen sie vielmehr auch im Vordergrund, in den richtigen Rollen.

Mittlerweile ist man sich auch in der Finanzwelt einig, wie wichtig es ist, Frauen verstärkt in Führungspositionen aufzunehmen und eine notwendige Diversifizierung und somit ein produktiveres Arbeitsumfeld für beide Seiten zu schaffen. Wenn ich vor acht Jahren auf einer Veranstaltung als Speakerin aufgetreten bin, war ich die einzige Frau weit und breit. Mittlerweile wünschen sich auch Männer dort eine weibliche Perspektive und diverse Blickwinkel, deshalb bringen Frauen heute immer engagierter ihre Meinung ein.

Frauen in Bankvorständen sind meist kinderlos

Aber es fehlt uns auch weiterhin an dringend benötigten Vorbildern. Einer der Hauptgründe dafür liegt in der Vereinbarkeit von Karriere und Familie, welche selbst 2022 fast die Hälfte der Deutschen als schwierig erachtet. Bei vorherigen Arbeitgebern habe ich ebenfalls festgestellt, dass es zwar auch Frauen im Vorstand gibt, diese jedoch meistens keine Kinder haben. Sie stehen vor der Perspektive, ihre hart erarbeitete Stellung durch eine Mutterschaft wieder zu verlieren. Für diese Frauen gibt es nur sehr wenig Spielraum, wenn sie nicht auf die Mutterrolle verzichten möchten. Sie sind auf einen kompromissbereiten Mann angewiesen, damit das Paar gemeinsam die richtige Lösung für sich finden kann.

Aber ich habe in der Vergangenheit oft beobachtet, dass es auch für die Männer nicht so leicht ist, in Elternzeit zu gehen. Man akzeptiert ihre Anfrage nur widerwillig, beäugt sie mit kritischem Blick. Unterm Strich sind Karriere und Kinder immer noch schwer zu verbinden, wenn sich beide Partner eine gute Position mit beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten wünschen.

Qeen-Bee-Syndrom statt weiblicher Solidarität

Zudem gibt es noch ein weiteres Hindernis, bei dem wir Frauen uns selbst noch etwas im Weg stehen. Bei meinen männlichen Kollegen habe ich immer wieder beobachtet, wie sie nach einer Art Buddy-Prinzip ihre Kollegen fördern und sich gegenseitig Türen nach oben öffnen. Natürlich gibt es auch Frauen, die ihren Kolleginnen unterstützen. Das beschränkt sich jedoch oft darauf, sie in ihrer aktuellen Position zu fördern, nicht jedoch sie auf das eigene, höhere Level zu heben. Dabei greift das sogenannte Queen-Bee-Syndrom: Die eigene Vormachtstellung muss geschützt werden, indem man potenzielle Konkurrentinnen am Aufstieg hindert. Wenn wir hier mehr Solidarität untereinander schaffen können, ist der gemeinsame Weg nach oben gleich viel leichter für uns zu schaffen.

Unser Weg beginnt schon sehr früh und wird sehr stark von der Erziehung und dem Umfeld beeinflusst. Ich beobachte heute noch bei vielen Frauen in Karrierefragen eine zurückhaltende, vorsichtige Einstellung. Ich bin unter Jungen groß geworden, die sich eher mal behaupten und beweisen wollen, und das sehe ich bis heute im Berufsleben. Zudem haben meine Eltern versucht keinerlei geschlechtsbezogene Unterschiede in der Erziehung zu machen. Mit derselben Einstellung wurde ich auch in meiner Ausbildung und durch meine Mentoren geprägt, die mich ins kalte Wasser geworfen und immer wieder gefordert haben: "Trau dir mehr zu, geh über deine Komfortzone hinaus". All das beeinflusst mein eigenes Mindset sehr stark.

Ich bin dankbar für die vielen Frauen und Männer, denen ich beruflich begegnet bin, die mich gefördert haben und von denen ich so viel lernen und profitieren konnte. Wäre ich während meiner Zeit im Bankenwesen nicht so sehr gefordert worden, hätte ich nie dieses Vertrauen an mich selbst entwickelt und den Mut gefunden, gleich fünf Teams in einem Fintech zu leiten.

Berufliche Chancen proaktiv einfordern

Zu diesem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gehört es auch, für sich einzustehen und berufliche Chancen proaktiv einzufordern. Ich habe in Fintechs und Banken gleichermaßen festgestellt, dass es bei der ersten Einstufung des Gehalts in der Regel nur um die Qualifikationen geht und nicht um das Geschlecht. Berufliche Barrieren tun sich meist im Nachhinein auf, wenn es darum geht, Gehaltserhöhungen, Weiterbildungs- oder Ausbildungschancen für sich einzufordern. 

Dabei scheitert es auf weiblicher Seite oftmals an zu hohen Ansprüchen an sich selbst. Häufig fordern Frauen ihre Entwicklungsmöglichkeiten erst für sich ein, wenn sie ihren eigenen Erwartungen vollumfänglich gerecht geworden sind. Dabei gibt es oft noch Spielraum nach oben. Dafür muss man sich nur vor Augen führen: das Schlimmste, was man zu hören bekommen kann, ist ein "Nein". Und damit kann man nur gewinnen.

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