Der Krieg in der Ukraine verschärft die Lage in der Composites-Industrie. Im Interview erläutern Elmar Witten und Volker Mathes die Hintergründe und welcher Composites-Markt in der H2-Mobilität wachsen dürfte.
Wie wirken sich der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegenüber Russland auf die Composites-Branche aus?
Elmar Witten: Der Angriffskrieg in der Ukraine hat massive Auswirkungen, wenn er auch nicht als singuläres Ereignis in einer ganzen Verkettung gesehen werden kann. Bereits seit vielen Monaten hat die Industrie generell, aber auch die Composites-Industrie im Speziellen mit stark ansteigenden Energiepreisen zu kämpfen. Hinzu kommen Probleme in den internationalen Logistikketten und stark steigende Rohstoffpreise, bis hin zu mangelnder Verfügbarkeit einzelner Produkte.
Das heißt, der Krieg hat bestehende Herausforderungen der Composites-Industrie noch einmal verschärft?
Witten: Ja. Bestimmte Produkte können derzeit schlichtweg nicht geliefert werden. Ähnlich verhält es sich mit einzelnen Halb- und Fertigprodukten. Aufgrund fehlender Kabelbäume und dem andauernden Chip- beziehungsweise Halbleitermangel kommt die Produktion von Fahrzeugen – eines der wichtigsten Anwendungssegmente für Composites – vielfach zum Erliegen. Daneben bricht für viele Produkte der Endmarkt Russland derzeit sehr stark weg, was wiederum Einfluss auf viele Unternehmen der gesamten Wertschöpfung hat.
Lässt sich in der Faserverbundwerkstoffindustrie ein Trend hin zur Regionalisierung von Lieferketten und Absatzmärkten beobachten?
Volker Mathes: Der Ruf nach Diversifizierung der Zulieferketten ist bereits mit den ersten Effekten der aufkommenden Corona-Krise sehr laut geworden. Starke Abhängigkeiten von nur einem Partner oder einer entsprechenden Region sind immer kritisch zu sehen. Entsprechende Forderungen nach regionaleren Lieferketten sind da verständlich und im Sinne der Risikoverteilung auch sinnvoll. Sie lassen sich aber nicht kurzfristig umsetzen.
Warum ist das für die Composites-Industrie schwierig?
Mathes: Speziell die Rohstoffversorgung unserer Industrie ist auf wenige Schultern verteilt und der Aufbau neuer Produktionskapazitäten allenfalls mittelfristig und unter hohem finanziellen Aufwand möglich. Ein entsprechender Invest ist also mit hohen Risiken im Rahmen eines äußerst unsicheren politischen und wirtschaftlichen Umfeldes zu sehen.
Wie ließe sich vielleicht trotzdem kurzfristig etwas bewirken?
Mathes: Kurzfristig lässt sich eventuell der Handel oder die Herstellung von Halbzeugen oder von einzelnen Komponenten lokal ausbauen, die Grundversorgung aber wird nicht kurzfristig umzustellen sein. Entsprechende Überlegungen sind vor der derzeitigen Situation vor allem im Hinblick auf die Zulieferindustrie festzustellen. Es muss aber abgewartet werden, inwieweit sich dieser Trend langfristig verfestigt. Generell ist die Composites-Industrie durch starke internationale Lieferketten gekennzeichnet. Eine generelle beziehungsweise reine Umkehr hin zu regionalen und lokalen Zulieferketten scheint derzeit nicht realistisch.
Welche Chancen sehen Hersteller von Faserverbundwerkstoffen in den aufstrebenden Wasserstofftechnologien?
Elmar Witten: Spätestens seit dem Beschluss der EU, ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr in der EU zuzulassen, ist der Druck auf die Hersteller von Pkw und Nutzfahrzeugen, zur Umstellung auf alternative Antriebe ihrer Fahrzeugflotten, massiv gestiegen. Für beispielsweise schwere Lkw, Müllfahrzeuge oder Busse scheint die Wasserstofftechnologie derzeit deutlich vielversprechender zu sein als für Pkw. Wir sehen die Chancen für den Wasserstoffantrieb also am ehesten bei den Nutzfahrzeugen. Die hierfür notwendigen Tanks müssen enormen Drücken bis etwa 700 bar und hohen Belastungen standhalten. Hier sind Composites das Material der Wahl. Gewickelte Tanks aus CFK sind diesbezüglich eine hervorragende Wahl. Es ist zu erwarten, dass dieses Marktsegement im Bereich der Nutzfahrzeuge in Zukunft stark zunehmen wird.
Lesen Sie das komplette Interview mit Elmar Witten und Volker Mathes im AVK Navigator (ab Seite 7). |