2005 | OriginalPaper | Buchkapitel
Wissen und die Professionen in einer Organisationsgesellschaft
verfasst von : Rudolf Stichweh
Erschienen in: Organisation und Profession
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Seit der Herausbildung der Professionen im spätmittelalterlichen Europa ist der Begriff der Profession eng mit dem des Wissens verknüpft. Die Professionen entstanden zusammen mit der Universität und sie waren für diese konstitutiv. Aus den drei klassischen Professionen Theologie, Jurisprudenz und Medizin gingen die einzigen im engeren Sinn wissenschaftlichen Fakultäten der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Universität hervor. Außer diesen drei Fakultäten gab es nur noch die philosophische Fakultät und deren richtiger Name
facultas artium
demonstriert, dass sie nicht eigentlich als wissenschaftliche Fakultät aufge-fasst wurde. Ihre Lehrgegenstände waren die
artes
wie beispielsweise die Rhetorik, die Geometrie, die Musik und die angewandte Mathematik und zur angewandten Mathematik gehörten Fachgebiete wie Artillerie und die Festungsbaukunst. Dies sind praktische Wissenssysteme, die nicht beanspruchen können, zu den
scientiae
gerechnet zu werden. Der Begriff
scientia
war für die drei professionellen Fakultäten reserviert. Das demonstriert, dass für die Professionen nicht nur von einer Wissensbasierung die Rede sein kann. Das Wissen, das sie verwalteten, war sogar das mit dem höchsten Prestige ausgestattete Wissen der zeitgenössischen Gesellschaft, weil es das einzige war, das wissenschaftlichen Status reklamieren konnte. Man konnte die Summe der professionellen Wissenssysteme als eine vollständige Klassifikation der Wissenschaften auffassen, da sie das Wissen des Menschen über seine Beziehungen zu Gott (Theologie), das Wissen des Menschen über seine Beziehungen zu sich selbst (Medizin) und das Wissen des Menschen über seine Beziehungen zu anderen Menschen (Recht) einschlossen.