3.2 Literaturüberblick
Bevor wir auf Grundlage der bestehenden Marketingliteratur zum B2B-Einkauf fünf heuristische Attribute vorschlagen, die hier eine Rolle spielen könnten, fasst dieser Abschnitt die Literatur selbst zusammen. Dabei folgt die Darstellung den sechs kodierten Literaturfeldern im Zusammenspiel von Untersuchungseinheit (Individuum, Gruppe, Unternehmen) und Zeitdimension (einmalig transaktional vs. langfristig relational). Da es nur eine Studie auf Gruppenebene im Hinblick auf langfristige Geschäftsbeziehungen gibt, verzichten wir hier als einzige Ausnahme auf eine gesonderte Zusammenfassung.
Graham et al. (
1988) und Adler et al. (
1987) führen Verhandlungssimulationen in unterschiedlichen Ländern durch, bei denen Teilnehmer als Anbieter und Kunde interagieren. Der kulturelle Hintergrund der Akteure beeinflusst ihre Vorgehensweise in Verhandlungen. Perdue und Summers (
1991) beschreiben drei generische Verhandlungsstrategien: Problemlösung, Täuschung über den Wettbewerb und Härte. Geiger (
2017) identifiziert elf Verhandlungstaktiken, Neu und Graham (
1994) gehen zusätzlich auf die Rolle nichtverbaler Signale ein.
Andere Studien in diesem Themencluster beschäftigen sich mit verhaltenswissenschaftlichen Treibern von Zugeständnissen in Verhandlungen wie der Vertrauenswürdigkeit des Anbieters (Schurr und Ozanne
1985), mit der Preisgabe von Information (Clopton
1984) und mit den Erwartungen eines zukünftigen Rollentauschs (Bagchi et al.
2016).
Das zweite Themencluster untersucht Informationsverarbeitungsprozesse im Rahmen von Einkaufsentscheidungen, insbesondere im Hinblick auf die Angebotsbewertung und die Anbieterauswahl. Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht geht es hier zum einen darum, wie Einkäuferinnen und Einkäufer Heuristiken nutzen, um ihr individuelles Risiko zu reduzieren. Wahrgenommenes Risiko beeinflusst zum Beispiel die relative Wichtigkeit verschiedener Kaufkriterien (Tullous und Munson
1992), die Kanalwahl (Cooper et al.
2006) und die Rolle von Marken (Brown et al.
2011). Zum anderen beschäftigen sich die Artikel allgemeiner mit externen Hinweisreizen, deren Rolle vermutlich vor allem durch die begrenzte Rationalität der beteiligten Akteure zu erklären ist. Zu diesen Hinweisreizen gehören zum Beispiel die Kreativität der Kommunikation (Baack et al.
2016), die Langfristigkeit der Beziehung (Wagner et al.
2003), die Empfehlungen Dritter (Kennedy und Deeter-Schmelz
2001) und die Arbeitsumgebung (Qualls und Puto
1989).
Die übrigen neun Artikel stellen ein lose zusammenhängendes thematisches Cluster dar, das sich mit Einflussfaktoren auf Beeinflussungsprozesse und Gruppeninteraktion in Buying Centern beschäftigt. Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht legt diese Literatur nahe, dass Informationsverarbeitung in Gruppen von einer Reihe situativer Faktoren abhängt. Das ist möglicherweise nicht konsistent mit der Erwartung, dass die Entscheidungen in diesen Gruppen rationaler sind als die von Individuen.
Zwei Artikel befassen sich mit dem Ausmaß der Kommunikation in Buying Centern. Johnston und Bonoma (
1981) finden heraus, dass ein hoher Grad an Prozessformalisierung dazu führt, dass weniger Informationen ausgetauscht werden. Wilson et al. (
1991) berichten, dass ein Informationsaustausch im Buying Center vor allem bei hohem wahrgenommenem Kaufrisiko stattfindet, während bei niedrigem Risiko Individuen alleine Entscheidungen treffen.
Drei Experimente befassen sich mit sozialem Einfluss und Koalitionen in Buying Centern. Die Ergebnisse legen nahe, dass Gruppen nicht nur Informationen verarbeiten, sondern dass die gleiche Information je nach Einfluss und Verhalten einzelner Gruppenmitglieder unterschiedliches Gewicht bekommen kann. Erstens wird Einfluss abhängig von der Kaufsituation unterschiedlich zugeschrieben (z. B. in relationalen vs. transaktionalen Kontexten, Jackson et al.
1984). Zweitens scheinen Individuen mit hohem Selbstvertrauen in der Lage zu sein, Informationen besser einzusetzen, um Gruppenentscheidungen in Richtung der von ihnen präferierten Alternative zu lenken (Krapfel
1985). Drittens sind Buying Center-Mitglieder mit höherem aufgabenbezogenem Selbstvertrauen weniger anfällig für eine Beeinflussung durch andere Gruppenmitglieder (Thomas
1982).
Zwei weitere Studien befassen sich damit, wie individuelle Konsequenzen der Buying Center-Entscheidungen das individuelle Verhalten der Mitglieder beeinflussen. McQuiston und Dickson (
1991) zeigen, dass die Erwartung persönlicher Konsequenzen (z. B. Lob oder Tadel) die Mitwirkung im Buying Center und ihren Einfluss in allen Stufen des Kaufprozesses beeinflusst. Morris et al. (
1987) ermitteln, dass Koalitionsbildung in Buying Centern durch die Struktur der Anreizsysteme beeinflusst wird.
Schließlich hängt im Buying Center auch der Einfluss von Marken im Buying Center von Kontextfaktoren ab. Brown et al. (
2012) finden einen umgekehrt U‑förmigen Zusammenhang zwischen dem Einfluss der Marke und der Wichtigkeit der Kaufentscheidung. Gerade bei mittlerer Wichtigkeit der Kaufentscheidung werden Marken als Kriterium genutzt. Zablah et al. (
2010) finden einen moderierenden Effekt der Wettbewerbsintensität. Bei starkem Wettbewerb ist der Zusammenhang zwischen Markenpräferenzen und Markenberücksichtigung stärker als bei schwachem Wettbewerb.
Zwei andere Studien beschäftigen sich mit der Rolle, die Anbietererfahrungen bei der Preiswahrnehmung spielen. Homburg et al. (
2014) finden, dass das Ausmaß kundenbezogener Preissuche von der Preiswichtigkeit abhängt. Moderat zufriedene Kunden reagieren auf eine gestiegene Wichtigkeit des Preises mit anbieterübergreifenden Preisverhandlungen. Sehr zufriedene Kunden steigern stattdessen bei gestiegener Preiswichtigkeit die Intensität der Preisverhandlung mit dem bestehenden Anbieter. Die Erfahrung mit einem Anbieter interagiert auch mit Referenzpreiseffekten in B2B-Märkten (Bruno et al.
2012). So werden wahrgenommene Verluste im Hinblick auf einen Referenzpreis als höher wahrgenommen, wenn vorher eine intensive Interaktion mit dem Vertrieb des Anbieters stattfand.
Der zweite Themenbereich beschäftigt sich mit Marken. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass einkaufende Unternehmen Marken nutzen, um Risiken zu reduzieren und Informationsverabeitungskosten zu sparen (Backhaus et al.
2011). Mudambi (
2002) identifiziert drei Kaufcluster entsprechend ihrer Sensitivität gegenüber Marken. Ein Cluster ist „hochtangibel“, das heißt tangible Merkmale (wie z. B. der Preis oder physische Attribute) spielen eine größere Rolle als Marken. „Markensensitive“ Unternehmen hingegen achten sehr stark auf Markenbekanntheit, Markenimage und Markenloyalität. Homburg et al. (
2010) berichten, dass die Markenbekanntheit von Anbietern mit deren Unternehmenserfolg zusammenhängt. Die Stärke des Zusammenhangs hängt dabei aber von der Zusammensetzung des typischen Buying Centers der Kunden ab.
Neben Zufriedenheit und Vertrauen identifiziert die Forschung in diesem Literaturfeld noch weitere relevante Phänomene, die weniger direkt mit dem ökonomischen Austausch zwischen Anbieter und Kunde zusammenhängen. Homburg et al. (
2013) finden Evidenz, dass die Loyalität von B2B-Kunden stärker wird, wenn der Anbieter Bedürfnisse befriedigen kann, die mit der Selbst-Definition des Kunden konsistent sind. Drei weitere Studien zeigen zudem, dass persönliche Beziehungen zwischen Kundenmitarbeiter und Anbietermitarbeiter über den geschäftlichen Austausch hinaus die Kundenloyalität beeinflussen können, indem sie die Qualität der und das Commitment zur Beziehung erhöhen (Cater und Zabkar
2009; Sarmento et al.
2015). Darüber hinaus führt ein hochgradig formalisierter Austausch zwischen Unternehmen dazu, dass die Loyalität zum Kundenkontaktmitarbeiter abnimmt, die Loyalität zum Anbieterunternehmen aber steigt (Hossain und Chonko
2018).
Der erste und größte Themenbereich umfasst 16 Artikel. Im Fokus dieser Studien stehen Zusammenhänge zwischen Vertrauen, Commitment, Zufriedenheit und Loyalität in Zulieferbeziehungen. Über die Studien hinweg zeigt sich, dass diese Phänomene positiv zusammenhängen. Insbesondere zeigen mehrere Studien, dass Commitment zum Zulieferer mit Kundenloyalität korreliert (Gounaris
2005; Medlin et al.
2005; Stanko et al.
2007; Wu et al.
2015). Während einige Studien auch einen positiven Zusammenhang zwischen Vertrauen und Loyalität berichten (Medlin et al.
2005; Paparoidamis et al.
2019), modellieren andere Artikel diesen Zusammenhang typischerweise als indirekt mit Commitment (Wu et al.
2015) oder Kundenzufriedenheit (Liu und Leach
2001) als Mediator.
Aufgrund des starken Zusammenhangs zwischen Vertrauen zum Anbieter und Commitment zum Anbieter gibt es auch eine Reihe von Studien, die diese beiden Phänomene zu einem Konstrukt „Beziehungsqualität“ zusammenführen. Auch hier gibt es Evidenz für einen positiven Zusammenhang mit Beschaffungsentscheidungen (vgl. z. B. Casidy und Nyadzayo
2019; Hewett et al.
2002; Palmatier
2008). So ermitteln Zhang et al. (
2016), dass Vertrauen und Commitment als zentrale Indikatoren für den Status einer Anbieter-Kundenbeziehung im Lebenszyklus genutzt werden können.
Insgesamt ist es sicher ein robustes Ergebnis dieses Literaturfelds, dass Vertrauen und Commitment in einer Geschäftsbeziehung positiv mit der Anbieterwahl zusammenhängen. Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht könnte dies implizieren, dass einkaufende Unternehmen Vertrauen, Commitment und Zufriedenheit als Hinweise auf die zukünftige Entwicklung der Geschäftsbeziehung nutzen.
Im Zusammenhang mit der Analyse der (implizierten) kausalen Kette von Vertrauen über Commitment zu Loyalität haben Artikel in diesem Themenbereich noch weitere verhaltenswissenschaftliche Phänomene identifiziert, die hier eine Rolle spielen könnten. Beispiele sind Kultur (Hewett et al.
2002,
2006), Fairness (Homburg und Fürst
2005), Affekt (Selnes und Gønhaug
2000) und emotionale Intensität (Stanko et al.
2007).
Der zweite Themenbereich umfasst acht Artikel. Sie lassen sich dadurch charakterisieren, dass sie alle explizit zwei Ebenen berücksichtigen, auf denen Zulieferbeziehungen existieren: die Ebene der persönlichen Beziehung zwischen Anbieter- und Kundenmitarbeiter und die Ebene der Beziehung zwischen Anbieter- und Kundenunternehmen. Studien in diesem Bereich interessieren sich dafür, wie diese Beziehungen auf mehreren Ebenen funktionieren.
In einer wichtigen qualitativen Studie basierend auf drei Fallstudien entwickeln Narayandas und Rangan (
2004) die Vermutung, dass Vertrauen auf der persönlichen Ebene eine größere Rolle spielt, während Commitment für die Beziehung auf Unternehmensebene relevant ist. Konsistent mit diesem Argument berücksichtigen die meisten Studien in diesem Feld persönliches Vertrauen als zentrale Variable (Ashnai et al.
2016; Doney und Cannon
1997; Jap
2001; Rauyruen und Miller
2007). Zusätzlich argumentieren Narayandas und Rangan (
2004), dass persönliches Vertrauen das Commitment zwischen Unternehmen positiv beeinflusst, ein umgekehrter Effekt aber nicht existiert. Ashnai et al. (
2016) finden Evidenz für diese Vermutung. In ihrer Studie wirkt sich persönliches Vertrauen auf Commitment aus, selbst wenn sie für Vertrauen zwischen den Organisationen kontrollieren.
Eine andere wichtige Forschungsfrage in diesem Themenbereich ist die relative Wichtigkeit persönlicher Beziehungen. Auf Grundlage einer Conjoint-Analyse finden Wathne et al. (
2001), dass persönliche Beziehungen eine Rolle beim Anbieterwechsel spielen. Verglichen mit ökonomischen Wechselkosten ist ihre Rolle aber eher klein. Konsistent mit diesem Ergebnis finden sich in anderen Studien auch direkte (Jap
2001) oder indirekte (Ashnai et al.
2016; Doney und Cannon
1997) positive Zusammenhänge zwischen persönlichen Bindungen und Kaufverhalten. Auch hier gibt es aber Evidenz dafür, dass diese Beziehungen schwächer werden (oder verschwinden), sobald für Dienstleistungsqualität (Rauyruen und Miller
2007) oder Vorerfahrung mit dem Anbieter (Doney and Cannon
1997) kontrolliert wird. Die Ergebnisse aus diesem Themenbereich könnten implizieren, dass Unternehmen heuristisch von der Qualität der persönlichen Beziehungen mit dem Anbieter auf die Qualität des Anbieters insgesamt schließen.
Die sieben Artikel aus dem dritten Themenbereich beschäftigen sich mit den Effekten von Anbieterreputation, Anbieterimage und Anbietermarken auf Kaufverhalten in Geschäftsbeziehungen. Zunächst besteht hier grundsätzlich ein positiver Zusammenhang, zum Beispiel im Hinblick auf Markenstabilität und Loyalität (Leischnig und Enke
2011), im Hinblick auf Anbieterreputation und wahrgenommenen Wert des Anbieterprodukts (Hansen et al.
2008) und im Hinblick auf Anbieterimage und Loyalität (Janita and Miranda
2013). Darüber hinaus werden häufig Mediationsbeziehungen untersucht, zum Beispiel von Anbieterreputation über Vertrauen auf Commitment und Loyalität (Keh und Xie
2009) oder von Anbieterreputation über Anbieterattraktivität auf Einkaufsverhalten (Bonner und Calantone
2005). Schließlich gibt es auch Evidenz für Moderationsbeziehungen: Claycomb und Frankwick (
2010) finden, dass bei hoher Anbieterreputation der Zusammenhang zwischen gemeinsamer Problemlösung und beziehungsspezifischen Investitionen des Kunden kleiner ist.
Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht könnten die Ergebnisse implizieren, dass organisationale Kunden Marken, Image und Reputation als heuristische Attribute zur Beurteilung der Qualität eines Lieferanten heranziehen, um Informationskosten und Risiko zu reduzieren.
3.3 Vorschläge für heuristische Attribute im organisationalen Einkaufsverhalten
Es ist sicher die Kernthese dieses Artikels, dass Einkaufsentscheidungen auf B2B-Märkten begrenzter Rationalität unterliegen. Unser Literaturüberblick macht deutlich, dass in der bestehenden Forschung schon reichlich Evidenz dafür existiert, dass Vereinfachungsstrategien Anwendung finden, die den Informationsverarbeitungsaufwand reduzieren. Aber der Literaturüberblick zeigt auch, dass verhaltenswissenschaftliche Phänomene im B2B-Kontext noch nicht wirklich systematisch untersucht worden sind. Einige Phänomene haben große Aufmerksamkeit erhalten, andere nicht.
Uns schwebt ein systematisches Forschungsprogramm vor, das die Anwendung heuristischer Attribute (und möglicher daraus resultierender Verzerrungen) im B2B-Einkauf nachhaltig untersucht – ähnlich wie dies für Konsumgütermärkte geschieht. Um für solche Forschung einen Impuls zu setzen, leiten wir auf Grundlage unseres Literaturüberblicks fünf mögliche heuristische Attribute im organisationalen Einkaufsverhalten her. Unter heuristischen Attributen verstehen wir einfach zugängliche Informationen bzw. Attribute, die neben oder an Stelle von objektiven Informationen in die Beurteilung und Entscheidungsfindung einfließen (Kahneman und Frederick
2002).
Es ist klar, dass wir diese heuristischen Attribute auf Grundlage von Korrelationsstudien herleiten, die in der Regel nicht alle möglichen alternativen kausalen Erklärungen für die gefundenen Zusammenhänge ausschließen. Zudem sind die dort betrachteten Phänomene häufig nicht (explizit) mit begrenzter Rationalität verknüpft worden. Somit ist zumindest an dieser Stelle keine Bewertung möglich, ob es sich hier um ökonomisch rationales Verhalten handelt oder die Anwendung der heuristischen Attribute zu Verzerrungen führt. Tab.
2 fasst die vorgeschlagenen heuristischen Attribute kurz zusammen und listet unterstützende Evidenz.
Tab. 2
Überblick über vorgeschlagene heuristische Attribute
Definition | Im organisationalen Einkauf haben Lieferanten einen Vorteil, denen vertraut wird | Im organisationalen Einkauf haben Bestandslieferanten einen Vorteil | Im organisationalen Einkauf haben Lieferanten einen Vorteil, deren Mitarbeiter von Kundenmitarbeitern sympathisch gefunden werden | Im organisationalen Einkauf haben Lieferanten mit starken Marken einen Vorteil | Im organisationalen Einkauf haben Lieferanten einen Vorteil, deren Werte mit denen des Anbieters übereinstimmen |
Ausgewählte Evidenz | Positiver Zusammenhang zwischen Vertrauen und Loyalität (z. B. Medlin et al. 2005; Paparoidamis et al. 2019) | Vertrautheit hilft bei Entscheidungen zur Reduktion von Risiko und Unsicherheit (Hada et al. 2014; Puto et al. 1985) | Persönliche Sympathie hängt mit höherer Nutzenwahrnehmung und geringerem wahrgenommenen Risiko zusammen (Blut et al. 2016) | Marken als Heuristik zur Risikoreduktion und Einsparung von Informationskosten (Backhaus et al. 2011; Brown et al. 2011, 2012) | Unternehmenskultur und Landeskultur des Kunden wirken sich auf Anbieterwahl aus (Hewett et al. 2002) |
Positiver Zusammenhang zwischen Vertrauen und Commitment (z. B. Cater und Zabkar 2009; Gounaris 2005; Medlin et al. 2005; Stanko et al. 2007; Wu et al. 2015) | Wenn der Kostendruck beim Kunden steigt, reagieren zufriedene Kunden mit intensiveren Verhandlungen statt einer Suche nach neuen Anbietern (Homburg et al. 2014) | Sympathische Ausstrahlung eines Vertriebsmitarbeiters erhöht Vertrauen (Doney und Cannon 1997) | Marken als symbolisches Instrument um Entscheidungen zu rechtfertigen und persönliches Risiko zu reduzieren (Brown et al. 2011; McQuiston und Dickson 1991) | Kunden werden durch CSR-Anbieterwerte beeinflusst, wenn diese mit eigenen sozialen Werten übereinstimmen (Homburg et al. 2013) |
Anbieter-CSR-Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Kerngeschäft sind Signal für die Vertrauenswürdigkeit (Homburg et al. 2013) | Commitment zum Lieferanten hängt mit Loyalität zusammen, selbst wenn für andere Treiber der Loyalität kontrolliert wird (z. B. Wu et al. 2015; Narayandas und Rangan 2004) | Persönliche Beziehungen reduzieren Trennung vom Anbieter, auch bei Kontrolle für alternative Erklärungen (Wathne et al. 2001) | Bei hohem Zeitdruck des Kunden stärkerer Effekt der Markenbekanntheit auf Verkäufe (Homburg et al. 2010) |
Kunden, die dem Anbieter vertrauen, nehmen weniger Alternativen als relevant wahr (Friend et al. 2011) | Vertrauen zwischen Mitarbeitern erklärt Verhalten, selbst wenn für Vertrauen zwischen Unternehmen kontrolliert wird. (Ashnai et al. 2016) |
Ähnliche Heuristiken lassen sich in verschiedenen anderen Kontexten finden. In der Organisationsforschung ist bekannt, dass Individuen unter Unsicherheit Vertrautheit mit einer Alternative als Heuristik heranziehen. Konsistent hierzu gibt es bereits Evidenz, dass Risiko und Unsicherheit eine kleinere Rolle spielen, wenn zwischen einem neuen und einem bestehenden Anbieter gewählt wird (vgl. Hada et al.
2014; Heide und Weiss
1995; Puto et al.
1985).
In der Einstellungsforschung spielt die Zugänglichkeit von Einstellungen theoretisch und empirisch eine große Rolle. Die Kernidee ist, dass uns die Bewertung vertrauter Objekte leichter fällt, als die Bewertung wenig vertrauter Objekte (Fazio et al.
1986). Brown (
1995, S. 173) argumentiert, dass die einfache Zugänglichkeit der Einstellungen im Hinblick auf einen bestehenden Lieferanten eine „psychological inertia [that] helps explain why it may be difficult for outsuppliers to take business away from entrenched competitors“ erzeugt. Vertrautheit als heuristisches Attribut spiegelt sich auch in einer Reihe von ähnlichen Konzepten aus der Entscheidungsforschung wider: Entscheider nutzen leichter zugängliche („availability heuristic“; Tversky und Kahneman
1973) und leicht wiedererkennbare („recognition heuristic“; Gigerenzer und Gaissmaier
2011) Informationen stärker.
Schließlich gibt es Evidenz, dass vergangenes Verhalten umso stärker zukünftiges Verhalten vorhersagt, desto häufiger das Verhalten in der Vergangenheit gezeigt wurde (Ouellette und Wood
1998). Dies impliziert, dass die von uns vorgeschlagene Heuristik in ihrer Anwendung im Zeitverlauf immer relevanter würde. Das wäre auch konsistent mit der zentralen Rolle, die Commitment in der Literatur spielt – es bilden sich Gewohnheiten. Ein Merkmal von Gewohnheiten ist, dass „satisfactory experiences enhance the tendency to repeat the same course of action because the instrumental action becomes more strongly associated with the goal one initially wished to attain“ (Aarts et al.
1998, S. 1358). Auch Zufriedenheit könnte somit dazu führen, dass der Bestandslieferantenstatus stärker als Attribut genutzt wird. Dies gilt besonders, da für neue Anbieter ein „lack of immediate evidence that the new responses will yield positive outcomes“ (Ouellette und Wood
1998, S. 70) existiert. So finden Homburg et al. (
2014) zum Beispiel, dass zufriedene Kunden bei gestiegener Preiswichtigkeit zunächst mit dem bestehenden Anbieter verhandeln, wenn die Zufriedenheit bislang hoch war. Bei niedriger Zufriedenheit führt eine gestiegene Preiswichtigkeit zur breiten Suche nach einem neuen Lieferanten.
Ein weiterer Mechanismus, durch den Sympathie einen Effekt auf das Kaufverhalten haben könnte, ist das Zusammenspiel mit Vertrauen. Wie bereits weiter oben ausgeführt, ist Vertrauen eine Vorhersage über zukünftiges Verhalten, die im Wesentlichen auf sozialen Informationen über das Gegenüber basiert. Sympathie stellt eine solche soziale Information dar. Individuen schreiben zum Beispiel Personen, die sie mögen, positivere Motive zu als Personen, die sie nicht mögen (Rotter
1980). Dies beeinflusst die wahrgenommene Integrität der anderen Person und damit auch Vertrauen. Tatsächlich gibt es Forschung im B2B-Kontext, die zeigt, dass Sympathie mit Vertrauen in den Anbieter korreliert (Doney und Cannon
1997). Dieser Zusammenhang wird stärker, je länger die Geschäftsbeziehung andauert (Nicholson et al.
2001).
Die Wirksamkeit von Marken in B2B-Geschäftsbeziehungen hängt vermutlich vom Kontext ab, auch wenn Studien hierzu selten sind. So spielt zum Beispiel bei B2B-Entscheidungen auch das private berufliche Risiko der am Entscheidungsprozess beteiligten Akteure eine Rolle – sie müssen ihr Verhalten anderen Organisationsmitgliedern gegenüber rechtfertigen (vgl. z. B. McQuiston und Dickson
1991). Deshalb argumentieren Doney und Armstrong (
1996, S. 63): „[S]ome buyers who are concerned with accountability rely on symbolic search to justify their behavior“. Diese Idee ist konsistent mit dem immer wieder zitierten Spruch „Nobody ever got fired for buying IBM“. Die Marke kann genau ein solches Symbol sein, das der Beschaffung eines bestimmten Produktes Legitimität verleiht (Brown et al.
2011).
Ein weiterer Aspekt im organisationalen Einkauf, der Marken zu Bedeutung verhelfen könnte, ist die Tatsache, dass viele Kaufentscheidungen von Buying Centern, also informellen Gruppen, getroffen werden. Die sozialpsychologische Forschung zu Gruppendynamik zeigt, dass Gruppen häufig vor allem über Informationen sprechen, die allen Gruppenmitgliedern bekannt sind (Stasser und Titus
2003), gerade dann, wenn zusätzlich Zeitdruck besteht (Larson et al.
1994). Vor diesem Hintergrund argumentieren Homburg et al. (
2010, S. 2005): „[W]hen buyers need to reach a decision quickly, the well-known brand is more likely to be in the center of the group discussion because of the group’s shared information about it“.
Die von uns betrachtete Literatur macht deutlich, dass Einkaufsentscheidungen auch die Werte des einkaufenden Unternehmens widerspiegeln. Hewett et al. (
2002) arbeiten mit einer Unterscheidung von Unternehmenswerten, die sich eher auf interne Prozesse beziehen (z. B. Stabilität, Zusammenhalt) und Unternehmenswerten, die sich auf die externe Positionierung beziehen (z. B. Wettbewerb, Überlegenheit). Unternehmen, die eher interne Werte hochhalten, beschreiben sie als „somewhat hesitant to venture outside a known circle of sellers, which have become part, in reality, of their internal focus“ (Hewett et al.
2002, S. 232). Ähnlich argumentieren Hewett et al. (
2006, S. 389), dass eine Landeskultur mit eher hoher Unsicherheitsvermeidung „will lead buyers to ‚stick with‘ known suppliers“. Dieses Ergebnis ist konsistent mit der Beobachtung von Fisher und Lovell (
2003, S. 113), dass „people edit out, or rationalize into significance, that information which inhibits the application of their preferred values“.
Während diese Beispiele erste Evidenz dafür liefern, dass B2B-Einkaufsentscheidungen von Werten im einkaufenden Unternehmen geprägt sind, gibt es auch Evidenz, dass tatsächlich auch Anbieter entsprechend ihrer Werte ausgesucht werden. Homburg et al. (
2013) liefern Evidenz dafür, dass Kunden sich stärker mit Anbietern identifizieren (und loyaler sind), wenn die Anbieter philanthropische Corporate Social Responsibility-Aktivitäten durchführen. Dies ist konsistent mit Hemingways (
2005) Überlegungen, dass das Verhalten von Individuen in Organisationen zum Teil durch soziale persönliche Werte beeinflusst wird.