Skip to main content

2016 | Buch

Interpretative Policy-Analyse

Eine Einführung

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

​Mit der interpretativen Wende vollzieht sich seit einigen Jahren eine Öffnung der Policy-Analyse für die diskursive Konstruktion von Wirklichkeit. Politikverläufe stellen sich in diesem Verständnis als Interpretationsprozesse und Interpretationskämpfe dar. Angesichts der Heterogenität der unter dem Dach der interpretativen oder argumentativen Policy-Analyse zusammengefassten Strömungen und der überwiegend im englischen Sprachraum stattfindenden Debatten ist es bislang jedoch insbesondere für Studierende schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen. Der Band gibt eine Einführung in die erkenntnistheoretischen Grundlagen dieser neueren post-positivistischen Ansätze, ihre zentralen Begrifflichkeiten und Fragestellungen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Die interpretative Wende in der Policy-Forschung
Überblick
Das folgende Kapitel führt in die Entstehung und Prämissen der Policy-Analyse sowie ihre Weiterentwicklung durch die Ansätze einer als post-positivistisch, interpretativ oder argumentativ bezeichneten Wende ein (1.1, 1.2). Zu diesem Zweck werden die Grundlagen des interpretativen Paradigmas in der Soziologie (1.3) sowie sozialkonstruktivistische Parallelen in der Soziologie sozialer Probleme (1.4) vorgestellt. Des Weiteren werden eine Begriffsklärung vorgenommen, die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der interpretativen Policy-Analyse beleuchtet (1.5) und die Gütekriterien entsprechender Forschung mit denen der traditionellen Policy-Analyse kontrastiert (1.6).
Sybille Münch
2. Der „Kampf um Ideen“ und Wissen als Grundgedanke
Überblick
Während die Policy-Analyse die in Kap. 1 dargelegte Prämisse einer sprachlich konstruierten Wirklichkeit mit anderen interpretativen Ansätzen in den Geistes- und Sozialwissenschaften teilt, kennzeichnet ihre zweite, im folgenden Kapitel behandelte Grundüberlegung ihr spezifisch interpretativ-politikwissenschaftliches Forschungsprogramm: Mit Deborah Stone (2002, S. 11) wird der „struggle over ideas“, der Kampf um Ideen, zur Essenz der Politik erklärt. Ideen und Wissen gehören damit zu den zentralen Untersuchungsgegenständen interpretativer Policy-Analyse. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, denn nicht jede Forschung, die mit „Ideen“ arbeitet, teilt damit automatisch post-positivistische Grundannahmen. Das folgende Kapitel beleuchtet die Rolle von Ideen in der Policy-Analyse im Allgemeinen (2.1), stellt die Unterschiede zum Ideenbegriff der interpretativen Policy-Forschung heraus (2.2) und führt mit den Begriffen „Wissen“ (2.3) und dem Ansatz der „Wissenspolitologie“ (2.4) einen spezifisch deutschen Schwerpunkt der interpretativen Policy-Analyse ein. Es schließt mit den zentralen Debatten einer interpretativen Expertiseforschung (2.5), die sich für die Grenzziehungen zwischen Politik und Wissenschaft und die gesellschaftliche Zuschreibung von epistemischer und politischer Autorität, von Deutungs- und Entscheidungsmacht interessiert.
Sybille Münch
3. Diskurse, Frames, Argumente – Kernkonzepte interpretativer Policy-Analyse
Überblick
Während sich die Entwicklung der interpretativen Policy-Forschung in Deutschland vor allem unter den Schlagworten Ideen und Wissen vollzogen hat (Kap. 2), ist die gewachsene Offenheit gegenüber Formen der Konstruktion von Wirklichkeit insbesondere in der englischsprachigen Policy-Analyse mit einer Etablierung des Diskursbegriffes einhergegangen. Diese Form der Policy-Analyse beginnt mit dem Befund, dass unterschiedliche Diskurse, Definitionen und Fragestellungen in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt zu verschiedenen Policy-Empfehlungen führen. Die interpretative und argumentative Policy-Analyse steht im Zeichen der linguistischen Wende, deren zentrale Erkenntnis darin besteht, dass Sprache die Welt nicht abbildet, sondern sie selbst konstituiert (Gadinger 2003, S. 3; Schwartz-Shea und Yanow 2012, S. 46). Mit diesem Fokus auf die diskursiven Konstruktionen werden die Rollen von Sprache, Diskurs, Argumentation und Rhetorik in den Mittelpunkt gerückt. Besonderes Interesse genießt dabei die Frage, wie unterhalb einer scheinbar neutralen, apolitischen Oberfläche normative Vorannahmen operieren (Fischer 2003, S. 14). Das folgende Kapitel
  • führt in die zentralen Begriffe interpretativer Policy-Analyse ein,
  • stellt anhand dieser Konzepte die mit ihnen verbundenen Autorinnen und Autoren vor
  • und liefert Beispiele für die konkrete Forschungsarbeit mit diesen Ansätzen.
Das Kapitel beginnt bei übergeordneten Konzepten und Analyseeinheiten (Bedeutung, Argumentation, Diskurs und frame) und bewegt sich über kleinteiligere Schlüsselbegriffe (Erzählungen, Problematisierung, Metaphern, Rhetorik) zu denjenigen Analysen von Deliberation und Performanz, die expliziter noch als die ersteren einfordern, über die Untersuchung von Texten hinauszugehen.
Sybille Münch
4. Akteure und ihre Spielräume: Kontexte, Zielgruppen, Koalitionen
Überblick
Policy-Diskurse sind nicht nur für die Definition politisch zu lösender Probleme zentral, sie weisen auch Personen oder kollektiven Akteuren eine bestimmte Rolle zu, sei es, dass diese überhaupt erst in eine Sprecherposition gebracht werden, dass ihnen Schuld oder Verantwortung zugeschrieben und/oder sie als Zielgruppe politischer Programme konstruiert werden. Das folgende Kapitel rekapituliert erstens die bereits aus den vorangegangenen Abschnitten bekannten Differenzen innerhalb post-positivistischer Arbeiten dahingehend, ob sie ihren Fokus auf handelnde und wissende Akteure richten, die dem Diskurs vorgängig sind, oder ob sie eine stärkere Betonung auf die Subjektwerdung durch den Diskurs legen (4.1). Unter 4.2 wird mit dem Konzept der „Tradition“ ein zwischen beiden Strömungen vermittelnder Zugriff eingeführt. Des Weiteren wird unter 4.3 die Rolle des (diskursiven) Kontextes als diskursiver Möglichkeitsraum beleuchtet.
Ein etwas anders gelagerter Ansatz, der unter 4.4 vorgestellt wird, begibt sich von der Ebene des Diskurses fort zur konkreten Analyse einzelner Policies und untersucht, welche Konstruktion von Zielgruppen mit ihnen verbunden ist. Die Arbeiten beleuchten, inwiefern Policies eine Botschaft darüber aussenden, was Regierungen tun sollten, welche Bürgerinnen und Bürger berechtigte Ansprüche haben und welche Art von politischer Beteiligung bei den verschiedenen Gruppen angemessen ist.
Für diskursspezifische Akteurskonstellationen interessiert sich Hajer (1995), der für eine Analyse von Diskurskoalitionen plädiert. Das Kapitel schließt mit einer Unterscheidung zwischen diesen Diskurskoalitionen und Paul Sabatiers Advokaten-Koalitionen, die die divergierenden Grundannahmen zur Handlungskoordination sowie zwischen interpretativen und neo-positivistischen Ansätzen erhellt (4.5).
Sybille Münch
5. Eine vorläufige Bilanz interpretativer Forschung
Überblick
Ein interpretativer Zugang hat sich in der Politikfeldanalyse in den letzten zwei Jahrzehnten erst langsam etabliert. In seinem Resümee des interpretativen Paradigmas in der Soziologie hält Keller (2012, S. 315) fest, dass die vielfältigen Perspektiven „nicht zu einer einzigen gemeinsamen Grundlagentheorie geronnen [sind], obwohl sie doch in ihren unterschiedlichen Akzentsetzungen immer auch ineinander widerhallen und eine entsprechende Integration denkbar erschiene.“ Dies gilt gleichermaßen für die heterogenen Strömungen innerhalb der interpretativen Policy-Analyse, sodass ein Fazit stark abstrahieren muss. Im abschließenden Kapitel soll eine vorläufige Bilanz bisheriger interpretativer Policy-Forschung gezogen werden, ohne Leerstellen aus Binnensicht (5.1) und Kritikpunkte aus einer Außenperspektive (5.2) zu unterschlagen. Des Weiteren sollen die vielfältigen und für empirische Forschung fruchtbaren Anschlussmöglichkeiten an die Politikwissenschaft insgesamt und Debatten in ihren Nachbardisziplinen aufgezeigt werden (5.3). Das Kapitel schließt mit einem Blick auf Rolle und Selbstverständnis einer interpretativen Policy-Analyse (5.4).
Sybille Münch
Backmatter
Metadaten
Titel
Interpretative Policy-Analyse
verfasst von
Sybille Münch
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-03757-4
Print ISBN
978-3-658-03756-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-03757-4

Premium Partner