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Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 4/2023

Open Access 29.08.2022 | Spektrum

Mehrwerte und Herausforderungen der kombinierten Nutzung von Lean Six Sigma und Robotic Process Automation bei Finanzinstituten

verfasst von: Marianne Schnellmann, Andreas Block, Mario Gellrich

Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 4/2023

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Zusammenfassung

Der stetige Wandel und die damit verbundenen Anforderungen sind Treiber der Weiterentwicklung von Unternehmen. Um am Markt bestehen zu können, wird eine kontinuierliche Verbesserung der Geschäftsprozesse benötigt. Um Geschäftsprozesse verbessern zu können, setzen Finanzinstitute vielfach auf den Einsatz von Lean Six Sigma (LSS) und Robotic Process Automation (RPA). Diese beiden Methoden kommen dabei allerdings selten kombiniert zur Anwendung. Auch die Forschung konzentriert sich vorwiegend auf die separate Anwendung dieser beiden Methoden. Die vorliegende Studie untersucht die Mehrwerte und Herausforderungen einer kombinierten Nutzung von LSS und RPA. Die Analysen basieren auf ExpertInnen-Interviews, einer LinkedIn-NutzerInnen Umfrage sowie einer Fallstudie, welche in einer Schweizer Grossbank durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kombination von LSS mittels RPA einen Mehrwert in Bezug auf die Verbesserung der Geschäftsprozesse liefern kann. Mehrwerte können in den Bereichen „Prozessverbesserungen“, „strukturierte Vorgehensweise“, „Optimierung RPA“ und „Ressourceneinsparungen“ ausgemacht werden. Die zentralen Herausforderungen beim kombinierten Einsatz von LSS und RPA liegen in den Bereichen „Führung“, „Vorgehen“, „Mitarbeitende“ und „Vorgaben“. Es werden fünf zentrale Handlungsempfehlungen ausgesprochen: Organisatorisch klar geregelte zentrale Leitung, proaktive und umfassende Wahrnehmung der Führungsverantwortung, systematische Kompetenzentwicklung in den Bereichen LSS und RPA, klar strukturierte Vorgehensweise für die Prozess- bzw. Problemanalyse sowie Fokussierung auf die Sicherstellung nachhaltiger Massnahmen.

1 Hintergrund

Die Automatisierung und Digitalisierung verändern die Vorstellung von Arbeit und der Rolle des Menschen in der Wirtschaft. Neue Technologien, agile Arbeitsformen sowie flexible und ortsungebundene Arbeitsplätze beeinflussen das „Wie“ und „Wo“ in Zukunft gearbeitet wird (Genner et al. 2017). Steigende Anforderungen und eine sich stetig verändernde Arbeitswelt erfordern laufend Anpassungen an neue Situationen (Hofmann 2020).
Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 erleiden Finanzinstitute signifikante Ertragseinbussen (Frauchiger und Wagenhofer 2018). So lag die operative Gewinnentwicklung der Schweizer Banken im Jahr 2019 im Durchschnitt 34 % unter dem Vorkrisenniveau von 2005 (Benz et al. 2021). Ein sukzessiver Aufwärtstrend der Erträge in den Jahren 2008 bis 2014 wurde u. a. durch makroökonomische Herausforderungen (Niedrigzinsumfeld, Negativzinsen, Frankenstärke), wachsenden Kosten‑, Wettbewerbs- und Innovationsdruck, neuen innovativen Mitbewerbern (FinTechs) oder ein stark geändertes Kundenverhalten (Self-Servicing) gebremst (Benz et al. 2021). Angesichts der zahlreichen Herausforderungen müssen Finanzinstitute das Spannungsfeld von Kundenzufriedenheit und der Differenzierung gegenüber der Konkurrenz ausbalancieren. Hierfür sind auf einen niedrigen Ressourcenverbrauch und niedrige Prozesskosten zu achten (Frauchiger und Wagenhofer 2018). Es muss effizient, kostengünstig und gleichzeitig kundenorientiert gearbeitet werden, um eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten (Singh 2018).
Moderne Prozessoptimierungsansätze unterstützen die wettbewerbsfähige Verschlankung von Prozessen auf nachhaltige und kundenorientierte Weise (Künzel 2016). Seit Mitte der 1990er-Jahre haben sich im Bereich der Prozessoptimierung unterschiedliche Methoden wie Six Sigma, Lean Management oder Kaizen durchgesetzt. Diese lassen sich eigenständig oder in Kombination mit anderen Methoden einsetzen (Hofmann 2020).
Six Sigma wurde branchenübergreifend eingeführt. Ein bekanntes Beispiel einer erfolgreichen Einführung ist General Electric mit dem Start im Jahr 1995 (Töpfer 2004). Im Finanzsektor war die Citibank Vorreiter mit der Einführung im Jahr 1997. Es folgten nahezu alle grossen US-Banken. Im deutschsprachigen Raum führten u. a. die Deutsche Bank, die Dresdner Bank, die ING-DiBa, die UBS sowie die Credit Suisse Six Sigma ein (Moormann und Leyer 2009). Mit LSS arbeiten im Finanzsektor u. a. Barclays, die Standard Chartered Bank, die Bank of America, die Deutsche Bank, die UBS und die Credit Suisse (Sunder und Antony 2015).
Zur weiteren Steigerung der Prozessoptimierung wird seit dem Jahr 2015 vermehrt RPA eingesetzt (Deloitte 2017; Finalix 2018). Laut einer Studie von PwC (Zack 2020) nutzen bereits 54 % der befragten Unternehmen in der Dach-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) RPA. Der Finanzbereich mit seinen Funktionsbereichen Controlling, Rechnungswesen, Finanzen, Treasury und Steuern ist einer der administrativen Bereiche, bei welchen sich Unternehmen durch die Nutzung von RPA hohe Effzienzgewinne versprechen (Endlich et al. 2018; Gartner 2021). Einer Studie von KMPG und FhG FIT (2017) zufolge, werden bis im Jahr 2026 mehr als 80 % der Finanzprozesse durch Technologien wie RPA automatisiert und digitalisiert. So hatten von den Schweizer Grossbanken Ende des Jahres 2019 die UBS bis zu 1500 Roboter und die Credit Suisse bis zu 400 Roboter im Einsatz (Fourcault-Dumas und Schneider 2019).
So unterschiedlich die Philosophien von LSS und RPA auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, so können sich diese werthaltig ergänzen. Hieraus wurde für die vorliegende Studie folgende Forschungsfrage abgeleitet: „Welche Mehrwerte und Herausforderungen entstehen durch die Kombination von LSS und RPA bei Finanzinstituten?“.
In der vorliegenden Studie werden zuerst die beiden Ansätze LSS und RPA vorgestellt. Nach der Beschreibung der angewandten Forschungsmethode folgt die Darstellung der Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung sowie der Fallstudie. Hierauf aufbauend werden Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Abschliessend erfolgt ein Ausblick und die Ableitung des weiteren Forschungsbedarfs.

2 Ausgewählte Ansätze zur Prozessoptimierung/-automatisierung

2.1 LSS

Zur Einordnung von LSS bedarf es vorab eines Verständnisses über Six Sigma und Lean Management.
Lindemann et al. (2003) definieren Six Sigma als „organisierte und systematische Methode zur strategischen Prozessverbesserung sowie Reduzierung von kundendefinierten Fehlern mit Hilfe statistischer Methoden und Spezialisten“. Zentral sind die vollständige und erfolgreiche Erfüllung der Kundenanforderungen. Dies erfordert, dass die aus Kundensicht kritischen Prozesse erkannt und kontinuierlich verbessert werden müssen (Toutenburg und Knöfel 2009). Sigma (σ), als zentrale Messgrösse, repräsentiert die Standardabweichung zu einem gemessenen Mittelwert und beschreibt das Niveau der Qualität der eingehaltenen Kundenanforderungen. Je höher der σ‑Wert ist, umso höher ist das Qualitätsniveau (Meran et al. 2012). Durch den Einsatz von Six Sigma lassen sich die Leistungsfähigkeit sowie das Qualitätsbewusstsein von Unternehmen steigern. Six Sigma Projekte folgen einer klaren Struktur. DMAIC, als Abkürzung für die Phasen Define, Measure, Analyze, Improve und Control ist dabei die Standardmethodik für die Verbesserung bestehender Prozesse (Melzer 2015; Töpfer 2007; Toutenburg und Knöfel 2009).
Während Six Sigma auf Qualität und Vermeidung von Variation in Prozessen fokussiert, stehen bei Lean Management Geschwindigkeit, Effizienz und Ressourcenverbrauch im Zentrum des Interesses (Madhani 2022). Lean Management unterstützt die effektive und effiziente Planung, Gestaltung und Kontrolle der Wertschöpfungskette von industriellen Gütern und Dienstleistungen. Wichtig ist auch die Berücksichtigung der Unternehmenskultur (Bertagnolli 2018; Pfeiffer und Weiss 1994).
Bei LSS handelt es sich um die Kombination der Methoden Lean Management, welches die Prozesse schlanker und effektiver macht, sowie Six Sigma, welches fehlerfreie Prozesse und Produkte anstrebt (Snee 2010; Töpfer 2007). LSS kombiniert produktivitätsfördernde Ansätze aus dem Lean Management und qualitätsfördernde Ansätze von Six Sigma (Niemann et al. 2020). LSS baut konsequent auf den Vorteilen und Six Sigma und Lean Management auf und vermeidet gemäss Bhuiyan und Baghel (2005) die Nachteile der beiden Methoden: „Lean can not bring a process under statistical control and six sigma alone cannot dramatically improve process speed“. In diesem Sinne vereint LSS die Geschwindigkeit von Lean Management und die Robustheit des Six Sigma Ansatzes. Es bringt zudem den Top-down Ansatz von Six Sigma und den Bottom-up Ansatz von Lean Management in Einklang (Sunder und Ganesh 2020).
Sunder (2016) beschreibt das Beispiel einer grossen Retail Bank in Indien: Mittels LSS wurde das Problem angegangen, dass 9,5 % der Anträge für eine Kontoeröffnung abgelehnt wurden. Ziel war es, die Quote auf unter 4,5 % zu senken. Im Rahmen des LSS-Projektes wurde mit der DMAIC-Methode gearbeitet. Umgesetzte Lösungsansätze waren u. a. die Einführung von Checklisten, elektronische Onlineformulare mit spezifizierten Mussfeldern oder ein Software-Update zur korrekten Nutzung von Unterschriften. Bei Projektabschluss konnte die Quote abgelehnter Kontoeröffnungsanträge auf 3,4 % gesenkt werden.

2.2 RPA

Das Institut for Robotic Process Automation & Artifical Intelligence (IRPAAI o.J.) definiert RPA wie folgt: „Robotic process automation (RPA) is the application of technology that allows employees in a company to configure computer software or a ‚robot‘ to capture and interpret existing applications for processing a transaction, manipulating data, triggering responses and communicating with other digital systems“.
Ziel der Nutzung von RPA ist es, sich wiederholende Aufgaben zu automatisieren (Gejke 2018; Ratia et al. 2018). Einfache, repetitive und fehleranfällige Aufgaben, für welche Menschen oftmals überqualifiziert sind, werden mittels einer Software ausgeführt (Scheppler und Weber 2020). RPA ist dabei primär für die Übernahme von Teilaufgaben konzipiert (Jesuthasan und Boudreau 2017).
Heute wird der Einsatz von RPA auch im Zusammenhang mit AI, Cognitive Computing, Process Mining und Data Analytics diskutiert (Ivančić et al. 2019). Im Vergleich mit anderen Tools ist RPA mit einem geringen Umsetzungsaufwand verbunden, da keine Anpassungen an bestehenden Systemen notwendig sind (Arnautovic et al. 2017).
Villar und Khan (2021) nennen sieben zentrale Vorteile, welche sich aus der Nutzung von RPA für Finanzinstitute ergeben: Sicherheit, Kostenvorteile, Effizienz, Einfachheit der Konfiguration, Genauigkeit, Skalierbarkeit und Flexibilität. Nicht ausser Acht gelassen dürfen jedoch mögliche negative Effekte bei der Arbeit mit RPA. Wewerka und Reichert (2021) nennen aus Sicht der Mitarbeitenden Ängste vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, Ängste im Umgang mit neuen Technologien sowie ein geringer verbleibender Anteil an Aufgaben für die Mitarbeitenden. Aus Sicht der Unternehmen werden die Problematik des Aufbaus von Workarounds und zeitlich begrenzter Lösungen genannt.
Der Einsatz von RPA kann deutliche Verbesserungen der Rentabilität erzeugen. So zeigen Willcocks, Lacity und Craig (2015), dass in den beiden von ihnen untersuchten Unternehmen durch den Einsatz von RPA ein Return on Investment (ROI) zwischen 200 % und 800 % erreicht wurde. Eine weitere Untersuchung von Anagnoste (2017) hat gezeigt, dass bei sich wiederholenden Aufgaben ein Roboter einen Mitarbeitenden mit Blick auf den geleisteten Arbeitsumfang um den Faktor elf übertreffen kann.
Nachfolgendes Praxisbeispiel aus dem Aufgabenfeld der Verfasserin des vorliegenden Beitrags bei einer Schweizer Grossbank zeigt die Nutzung von RPA. Im Rahmen von Neuprodukteröffnungen für Kunden mussten alle Anträge im Nachgang durch die Kundenberatenden nochmals auf deren Vollständigkeit überprüft werden. Um Zeit zu sparen, wurde ein RPA-Roboter installiert, welcher diese Überprüfung automatisch vornimmt. Vollständige Anträge werden mit Hilfe des RPA-Roboters direkt im Kundendossier abgelegt. Unvollständige Anträge werden automatisch zur Nachbearbeitung an die Kundenberatenden weitergeleitet. Aus diesem Vorgehen resultierte eine Zeitersparnis von 83 %.

2.3 Kombinierte Anwendung LSS und RPA

Von Spanyi (in Davenport und Brain 2018) stammt die Aussage: „RPA does not redesign anything. It doesn’t ask whether we need to do this activity at all. It operates at the task level and not the end-to-end process level“. Diese Aussage zeigt den Mehrwert einer kombinierten Nutzung von RPA und LSS auf. Mit Hilfe der kombinierten Nutzung von LSS und RPA lassen sich Synergien beider Methoden nutzen. Gemäss Maes und Schijns (2020) entsteht durch die Kombination von LSS mit RPA ein Ansatz, welcher leistungsfähiger, strukturierter und robuster ist als die separate Verwendung der beiden Methoden. Mittels LSS werden Prozesse mit Blick auf Qualität, Geschwindigkeit, Effizienz und Ressourcenverbrauch optimiert. Hierauf aufbauend werden die Prozesse mittels RPA zur weiteren Steigerung der Effizienz automatisiert.
Entscheidungsträger müssen bewusst entscheiden, ob und in welchem Umfang neue Systeme oder Arbeitsweisen im Unternehmen implementiert werden sollen. Dieser Entscheid kann weitreichende Konsequenzen mit Blick auf die zu investierenden zeitlichen und finanziellen Ressourcen haben. Dies gilt auch für RPA und LSS. Einen zentralen Einfluss auf diesen Entscheid haben u. a. der Reifegrad des Unternehmens (Chrissis et al. 2011; Röglinger und Kamprath 2012) und die Unternehmenskultur (Sackmann 2017; Wien und Franzke 2014). Letztere ist insbesondere für die Nutzung von LSS zentral. Unternehmerisch denkende und handelnde Mitarbeitende sind eine Grundvoraussetzung des Lean Management (Stache und Töpfer 2009). Als wichtigste Rahmenbedingung bei der Etablierung eines erfolgreichen Verbesserungsmanagements wird eine kooperative Unternehmenskultur benötigt (Hofmann 2020).

3 Methode

Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurden Interviews, Umfragen sowie eine Fallstudie in einer Schweizer Grossbank durchgeführt. Sowohl die Namen der InterviewpartnerInnen und der Teilnehmenden der Online-Umfrage als auch das Finanzinstitut werden aus Vertraulichkeitsgründen anonym behandelt und in der vorliegenden Studie nicht namentlich genannt.
Die Durchführung der Interviews, Umfragen und Fallstudie erfolgte zwischen März und April 2020. An den Interviews nahmen insgesamt elf ExpertInnen verschiedener Schweizer Banken und Beratungsunternehmen teil. Fünf der ExpertInnen waren zum Zeitpunkt der Durchführung der Studie in leitenden Positionen bei Banken tätig und mit den Themen LSS und/oder RPA vertraut. Zwei ExpertInnen besitzen Erfahrungen bei Banken sowie Beratungsunternehmen mit LSS und/oder RPA. Vier ExpertInnen sind in Beratungsunternehmen tätig und bieten Banken in den Bereichen LSS und/oder RPA Lösungen an. Die Interviews dauerten zwischen 60 bis 90 min. Für die Interviews wurde ein semi-strukturierter Interviewleitfaden verwendet. Dieser gab den Interviews eine einheitliche Struktur und den ExpertInnen gleichzeitig ausreichend Freiraum für individuelle Aussagen (Kaya 2009; Töpfer 2012). Die verwendeten Leitfragen beziehen sich auf den Mehrwert und die Herausforderungen mit Blick auf die kombinierte Anwendung von LSS und RPA.
Zusätzlich zu den Interviews wurde im April 2020 eine Online-Umfrage mit 55 Teilnehmenden auf LinkedIn durchgeführt. Ziel dieser Umfrage war es, die Meinungen der Interviewten mit den Meinungen global tätiger LSS/RPA-ExpertInnen zu vergleichen. Um die Vergleichbarkeit der Antworten zu gewährleisten, wurden die in der Online-Umfrage gestellten Fragen ebenfalls von den Interviewten beantwortet. Die Teilnehmenden wurden persönlich via LinkedIn angeschrieben. Alle Fragen wurden als wertende Aussagen formuliert, welchen die Interviewten und die Umfrageteilnehmenden zustimmen oder ablehnen konnten. In der Online-Umfrage wurde eine vierstufige Antwortskala (Likert-Skala) verwendet, um eine neutrale Antwort i.S. einer „Fluchtkategorie“ zu vermeiden (Porst 2014).
Im Rahmen der Fallstudie wurde untersucht, welche Mehrwerte und Herausforderungen sich durch eine Kombination von LSS und RPA bei einer realen Prozessoptimierung in einer Schweizer Grossbank ergeben. Zusätzlich dient die Fallstudie als Veranschaulichung und Beispiel für „was wäre, wenn …“ die beiden Methoden LSS und RPA einzeln oder in Kombination genutzt werden würden. Die Prozessoptimierung wurde durch die Verfasserin des vorliegenden Beitrags im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit als LSS Black Belt und RPA Expertin durchgeführt.

4 Kombination von LSS und RPA in der Praxis

Nachfolgend werden die Ergebnisse der beiden Umfragen sowie der Fallstudie aufgezeigt.

4.1 Mehrwerte der gemeinsamen Nutzung von LSS und RPA

Die abgefragten Aspekte zu den Mehrwerten lassen sich den in Abb. 1 dargestellten vier Kategorien zuteilen: Prozessverbesserungen, strukturierte Vorgehensweise, Optimierung RPA und Ressourceneinsparungen. Bei der graphischen Darstellung der Ergebnisse wurden die abgefragten Aspekte je Kategorie nach absteigender Priorität aus Sicht der elf interviewten ExpertInnen dargestellt. Diese Logik wird auch bei der Darstellung der Herausforderungen angewendet.

4.1.1 Prozessverbesserungen

Von den vier in der Umfrage betrachteten Kategorien werden sowohl bei den Interviewten als auch der LinkedIn-Teilnehmenden bei einer kombinierten Anwendung von LSS und RPA die grössten Mehrwerte im Bereich der Prozessverbesserungen gesehen. Bei allen vier abgefragten Aspekten dieser Kategorie betragen die kombinierten Zustimmungswerte von „hoch“ und „sehr hoch“ mindestens 81,8 %. Der grösste Mehrwert wird in der Erarbeitung nachhaltiger Lösungen gesehen, indem Prozesse sowohl aus dem Blickwinkel von LSS als auch von RPA betrachtet werden. Die hohe Zustimmung des Mehrwertes nachhaltiger Lösungen ist nachvollziehbar, da eine Verschlankung der Prozesse, der Fokus auf eine Qualitätssteigerung und auch der Einbezug der Kundensicht positiv auf die Erarbeitung nachhaltiger Lösungen einzahlen.

4.1.2 Strukturierte Vorgehensweise

Die Interviewten sehen mit 90,9 % im Rahmen der strukturierten Vorgehensweise den grössten Mehrwert in einer ganzheitlichen End-to-End (E2E) Prozessanalyse, also der Betrachtung von Prozessen beginnend vom Kundenwunsch über alle Prozessschritte bis zur Erfüllung des Kundenwunsches. Diese ermöglicht es, Doppelspurigkeiten und nicht wertschöpfende Tätigkeiten zu erkennen und zu minimieren. Somit wird auch das ganzheitliche E2E Prozessverständnis gefördert. Interessanterweise wird die genauere Ursachenidentifizierung als weniger relevant gewichtet, obwohl gerade diese durch LSS ermöglicht wird. Die vergleichsweise weniger relevante Beurteilung des Einsatzes alternativer Lösungen wie AI oder Process Mining lässt sich hingegen damit erklären, dass hiermit eine zusätzliche Komplexitätsstufe zu LSS und RPA hinzugefügt wird. Gesamthaft betrachtet beurteilen die LinkedIn-Teilnehmenden die Mehrwerte der strukturierten Vorgehensweise weniger positiv. Ein möglicher Grund kann darin liegen, dass die Teilnehmenden in verschiedensten Branchen tätig sind und die Brandbreite der Ausgangslage für RPA/LSS-Projekte grösser ist.

4.1.3 Optimierung RPA

Die grundlegenden Prinzipien von RPA besagen, dass ein wiederholender, regelbasierter und standardisierter Prozess am besten für den Einsatz von RPA geeignet ist (Deloitte 2017). Mit dem gesammelten Wissen und der Unterstützung durch LSS kann RPA gezielter und mit geringerem Ineffizienz-Risiko eingesetzt werden. Dies führt zur Maximierung des Automatisierungspotenzials von RPA. Von allen abgefragten 13 Mehrwerten über die vier Kategorien hinweg ist die Maximierung der einzige Mehrwert, dessen Mehrwert von den Interviewten zumindest als „hoch“ bewertet wird. Werden mittels LSS Prozesse schlanker gestaltet und die Komplexität reduziert, kann dies zu einer Stabilisierung i.S. einer zuverlässigeren Arbeitsausführung des RPA Roboters führen.

4.1.4 Ressourceneinsparungen

Mit Blick auf die Effizienz und Effektivität wird der grosse Mehrwert des kombinierten Einsatzes von LSS und RPA in der Vermeidung von sich wiederholenden Arbeiten gesehen. Aus beiden Ansätzen können die jeweils wertvollsten Instrumente ausgewählt und nutzenstiftend miteinander kombiniert werden. 90,9 % der Interviewten haben hier einen Zustimmungswert von „hoch“ oder „sehr hoch“ gegeben. Die Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden in den Bereichen LSS und RPA wird vergleichsweise ambivalenter beurteilt. Ein möglicher Grund hierfür ist, dass unterschiedlich gehandhabt werden kann, ob im Team die LSS- und RPA-Teilaufgaben getrennt angegangen werden oder die Projektmitglieder ein umfassendes Verständnis über LSS und RPA haben müssen. Interessant ist der geringere Stellenwert einer gemeinsamen Ansprechperson. 36,4 % der Interviewten beurteilen diesen nur mit „gering“ oder „mittel“. Dies ist der höchste Wert über alle 13 abgefragten Mehrwerte. Dies kann allenfalls darauf zurückzuführen sein, dass der Projekterfolg höher eingestuft wird als organisatorische Grundstrukturen.

4.2 Herausforderungen der gemeinsamen Nutzung von LSS und RPA

Die abgefragten Aspekte zu den Herausforderungen der kombinierten Nutzung von LSS and RPA lassen sich den in Abb. 2 dargestellten vier Kategorien zuteilen: Führung, Vorgehen, Mitarbeitende und Vorgaben. Im Vergleich zu den Beurteilungen der Mehrwerte ist bei der Betrachtung der Herausforderungen auffallend, dass die LinkedIn-Teilnehmenden die Herausforderungen als deutlich weniger relevant beurteilen als die Interviewten – mit Ausnahme der „Einhaltung der Budgetvorgaben“ und „Einhaltung der Human Resource Vorgaben“.

4.2.1 Führung

Gesamtheitlich betrachtet, werden Aspekte der Führung als grösste Herausforderung für die kombinierte Anwendung von LSS und RPA angesehen. Über alle Kategorien bei den Herausforderungen und Mehrwerten hinweg ist die Kategorie „Führung“ die einzige, bei der alle abgefragten Aspekte von den Interviewten mit „hoch“ oder „sehr hoch“ beurteilt wurden. Ein fehlendes Verständnis der Führungskräfte zur Prozessoptimierung und -automatisierung hat bei der Kombination von LSS und RPA einen starken Einfluss. Dies kann dazu führen, dass die Erwartungen des Managements von der Realität abweichen. Durch den ungenügenden Wissensstand in Bezug auf die Kombination von LSS mit RPA fehlt die Grundlage zur Definition einer klaren Strategie zur kombinierten Anwendung von LSS und RPA.

4.2.2 Vorgehen

Die lösungsneutrale E2E Prozessanalyse ist von zentraler Bedeutung. Lösungsneutrale E2E Prozessanalyse bedeutet, dass Prozesse nicht spezifisch aus dem Blickwinkel einer technologischen Lösung wie z. B. RPA analysiert werden. Vielmehr muss eine zielführende Lösung gefunden werden, wobei es nebensächlich ist, ob hierzu LSS, RPA oder eine andere Technologie verwendet wird. Es besteht sonst die Gefahr, dass Prozesse fokussiert auf eine Lösung hin analysiert werden und alternative Lösungsmöglichkeiten nicht in Betracht gezogen werden. Eine zentrale Organisation mit verschiedenen Technologien (LSS, RPA, KI etc.) ist von Vorteil, um lösungsneutrale Analysen durchzuführen. Sobald es sich um eine dezentrale Organisation handelt, entsteht die Herausforderung der Zuständigkeit. Bei der kombinierten Anwendung von LSS und RPA muss zudem zwischen dem Zeitaufwand für die Implementierung und Umsetzung und dem effektiven Ertrag aus dem Einsatz dieser Werkzeuge abgewogen werden. Eine Prozessanalyse ist kosten- sowie zeitintensiv, und dieser Aufwand sollte nicht den Ertrag übersteigen.

4.2.3 Mitarbeitende

Der Aufbau benötigter Kompetenzen der Mitarbeitenden in den Bereichen LSS und RPA ist essenziell. Interessanterweise beurteilen nur 27,3 % der Interviewten diese Herausforderungen als „sehr hoch“ und damit deutlich weniger relevant als andere Herausforderungen. Dies ist insofern überraschend, als es auf dem Arbeitsmarkt nur begrenzt Arbeitnehmende mit einem LSS-Hintergrund gibt, die zugleich in Technologie-Themen fachkundig sind. Nicht zu unterschätzen ist ferner die Herausforderung der Zusammenarbeit von Mitarbeitenden in den beiden Bereichen LSS und RPA. Die Mitarbeitenden-Profile sowie die Arbeitsweisen der Teams können voneinander abweichen. Zur Sicherstellung einer reibungslosen Zusammenarbeit muss zwingend eine Kultur der Zusammenarbeit geschaffen werden. Je nach Zielsetzung wird ein Verständnis über zusätzliche Technologien wie AI oder Process Mining benötigt.

4.2.4 Vorgaben

Die definierten Vorgaben werden im Vergleich mit den anderen drei Kategorien als weniger relevante Herausforderung beurteilt. Aus Sicht der Interviewten ist nur die Einhaltung der Zeitvorgaben mit 90,9 % mit Zustimmungswerten von „hoch“ oder „sehr hoch“ ein kritischer Faktor. Dies ist nachvollziehbar, da in Projekten i. d. R. sehr ambitiöse Zeitpläne aufgestellt werden. Budget- sowie die Human Ressource Vorgaben werden von allen 13 zu beurteilenden Aspekten der vier Kategorien als geringste Herausforderungen von den Interviewten angesehen. Ein möglicher Grund hierfür kann sein, dass diesbezügliche Fragen bereits vor der Projektdurchführung in vorangegangen Budgetrunden geklärt wurden.

4.3 Fallstudie

Mit Hilfe der Fallstudie wurde der kombinierte Einsatz von LSS und RPA im Rahmen einer realen Prozessoptimierung in einer Schweizer Grossbank untersucht. Betrachtet wurde der „IVA Year End Process“, welcher alljährlich zum Jahresbeginn durchgeführt wird. Dieser dauert acht Wochen von Anfang Januar bis Ende Februar. Dieser Prozess gehört zum Produkt „Investment Accounting“, und umfasst Reports zur Darstellung der Bilanz, der Erfolgsrechnung und des Vermögensausweises. Aus der Analyse der auftretenden Probleme wurden fünf Zielsetzungen abgeleitet: die Steigerung der Dienstleistungsqualität, die Optimierung und Standardisierung der Prozessleistung, die Reduzierung der Überstundenanzahl sowie die Steigerung der Motivation der Mitarbeitenden.
Startpunkt für die Optimierung des Prozesses „IVA End Year Processing“ war das Aufzeichnen des E2E-Prozesses sowie dessen Schnittstellen. Alle Prozessschritte wurden auf deren Effektivität, Effizienz und Agilität hin hinterfragt. Mittels Nutzung des Ishikawa-Diagramms (Kamiske 2015) wurden elf Problemstellungen definiert. Hierzu zählten z. B. schlechte Datenqualität oder fehlendes Wissen bei Schnittstellen. Zur Erarbeitung von Problemlösungen wurde mit Brainstorming (Clark 1958) gearbeitet. Basierend auf der detaillierten Prozessbetrachtung und den aufgetretenen Problemen wurden die nächsten Schritte und Aufgaben mittels eines Implementierungsplans definiert. Mit Blick auf RPA wurden insgesamt vier RPA-Roboter installiert. Neu kam z. B. nach den von den Mitarbeitenden vorgenommenen manuelle Datenanpassungen in einer Applikation ein RPA-Roboter zum Einsatz. Dieser nahm automatisch Anpassungen in anderen Applikationen vor, die mit dem gleichen Datenfeld arbeiten.
Mit Hilfe des Einsatzes von LSS unter Nutzung der DMAIC-Methode konnte u. a. gezielt auf den Mangel an Fachwissen eingegangen und klar definiert werden, welche konkreten Schulungsthemen zur Beherrschung des gesamten Prozesses notwendig sind. Für die Standardisierung des Prozesses wurden Checklisten zur Unterstützung erstellt. Notwendige IT-Systemanpassungen wurden vorgenommen, um z. B. Kapazitätsengpässe zu beseitigen und die Leistungsfähigkeit der Applikationen und der Mitarbeitenden zu verbessern. Durch die präzise Prozessanalyse wurde zudem aufgedeckt, dass die bestehenden Kundenverträge inhaltlich nicht mit den ausgeführten Dienstleistungen übereinstimmen und Kunden mehr als die vertraglich zugesagten Leistungen ohne Verrechnung erbracht wurden. Mit Hilfe von LSS wurden zusätzliche RPA Opportunitäten wie z. B. automatisierte Datentransfers und -abgleiche aufgedeckt. Nur mittels einer RPA Evaluation wäre der Einsatz von RPA lediglich auf einzelne Prozessschritte beschränkt gewesen. Nebst Automatisierungen von Datentransfers und -abgleichen in den Systemen wären keine weiteren Optimierungen identifiziert worden.
Die Fallstudie zeigt auf, dass durch die Kombination von LSS mit RPA umfangreichere Automatisierungsaspekte aufgedeckt. Durch LSS werden Probleme, Ursachen, Verschwendungen und Verbesserungsmöglichkeiten umfassend identifiziert und eine neutrale Lösung erarbeitet. Der Prozess wird dadurch verschlankt und qualitativ verbessert, was in einer Maximierung des RPA Potenzials resultiert. Ohne die vorgängige Standardisierung wären entweder weniger oder nicht die geeigneten Arbeitsschritte automatisiert worden. Durch die enge Zusammenarbeit der LSS und RPA ExpertInnen wurden mehrfach ausgeführte Tätigkeiten vermieden, z. B. doppelte Prozessanalysen. Es wurde ein kundenorientierter E2E Prozess definiert sowie der dafür notwendige Technologieeinsatz klar bestimmt. LSS und RPA arbeiteten hierbei Hand in Hand: Durch LSS wurde aufgedeckt, wie RPA nutzenbringend eingesetzt werden kann, und RPA setzte die Vorgaben anschliessend entsprechend um.
Es kann die kritische Frage gestellt werden, ob es in der betrachteten Fallstudie nicht ausreichend gewesen wäre, z. B. nur auf die Kombination von Ishikawa-Diagramm und RPA oder Brainstorming und RPA zu setzen und auf den Einsatz von LSS zu verzichten. Diese Kombinationen hätten hier zu kurz gegriffen: Neben den Vorteilen ist ein zentraler Nachteil der des Ishikawa-Diagramm, dass dieses keine gegenseitigen Abhängigkeiten von Ursachen aufzeigt (Binner 2016). So blieb in der Fallstudie zunächst unklar, wie gross der Einfluss von fehlendem Wissen der Mitarbeitenden auf die festgestellten Prozessablaufprobleme war. Diese wurden erst im weiteren Verlauf der Nutzung der DMAIC-Methode in LSS aufgedeckt. Mit Blick auf das Brainstorming liegt eine zentrale Gefahr darin, dass Teilnehmende sich bereits vor der gemeinsamen Gruppensitzung auf eigene Lösungsansätze festlegen (Schildt 2009). Das in der Fallstudie verwendete Ishikawa-Diagramm deckte auf, dass ein Problem mit langen Wartezeiten im IT-System besteht. Im Brainstorming kam sofort der Lösungsansatz auf, in leistungsfähigere IT-Hardware zu investieren. Erst die tiefgehende Analyse mittels LSS brachte die Erkenntnis, dass die Wartezeiten durch die langen Ladezeiten der Daten zustande kamen. So wurden, neben den relevanten Daten, auch Kundendaten geladen, die älter als zehn Jahre waren, jedoch nicht mehr aktiv genutzt wurden. Als Lösung wurde definiert, dass alle Daten, die älter als drei Jahre sind, automatisch archiviert werden und nicht mehr standardmässig in die Applikation geladen werden.

5 Handlungsempfehlungen für die gemeinsame Nutzung von LSS und RPA

Eine nicht wertstiftende Aufgabe bedeutet Ressourcen ineffizient einzusetzen, selbst wenn diese von einem Roboter ausgeführt wird. Aus diesem Grunde sind in Unternehmen nachhaltige Lösungen anzustreben. Ein tiefgehendes Prozessverständnis, welches durch LSS ermöglicht wird, unterstützt die Ableitung notwendiger Massnahmen wie z. B. eine Verschlankung, Standardisierung oder qualitative Verbesserung von Prozessschritten. Der ergänzende Einsatz von RPA bietet zusätzlich Automatisierungsmöglichkeiten, um betrachtete Prozesse weiter zu optimieren. Zudem sind spezifische Herausforderungen, wie z. B. ein evtl. vorhandener Mangel an Fachwissen zu bewältigen. Aus diesem Grund wird eine strukturierte Vorgehensweise für die Prozess- bzw. Problemanalyse empfohlen. Bereits mit dem Einsatz weniger Werkzeuge, z. B. Process Mapping (Damelio 2011), Ishikawa oder Brainstorming (Meran et al. 2012) kann aufgezeigt werden, wo die grundsätzlichen Probleme und deren Ursachen liegen und erste Verbesserungsmöglichkeiten abgeleitet werden. LSS kann diese Erkenntnisse im Sinne von wo genau im weiteren Projektverlauf aufnehmen und vertiefen. RPA kann schliesslich eine Antwort darauf geben, wie ausgewählte Probleme gelöst werden können.
Mit Blick auf die organisatorische Verankerung von LSS und RPA und die Führung bedarf es klarer Strukturen. Um klare Zuständigkeiten sicherzustellen, wird eine zentrale Leitung anstatt dezentraler Leitungen für LSS und RPA empfohlen. Zudem ist sicherzustellen, dass die Führungskräfte ihre Führungsverantwortung proaktiv und umfassend wahrnehmen.
Mit Blick auf die Mitarbeitenden ist insbesondere die Kompetenzentwicklung in den Bereichen LSS und RPA zentral. Idealerweise sind die Mitarbeitenden in beiden Themen kompetent.
Nicht vergessen werden darf die Sicherstellung nachhaltiger Ergebnisse durchgeführter Projekte. Holweg, Staats und Upton (2018) zeigten bei der Analyse von 204 Lean Projekten einer europäischen Grossbank auf, dass nur gut ein Drittel der Projekte die erzielten Verbesserungen nach zwei Jahren noch beibehalten konnten. Für die nachhaltige Sicherstellung des Projekterfolgs sind deshalb drei Kernaktivitäten seitens des Managements notwendig: Klare Kommunikation, klare Fokussierung auf Painpoints sowie der Einsatz von Senior Führungskräfte als Coaches.

6 Fazit

Bei einer langfristigen Strategie wird das Langfristige dem Kurzfristigen vorgezogen. Dies soll Unternehmen vor zu schnellem – und allenfalls zu wenig durchdachtem – Handeln abhalten. Es ist verlockend, den einfachen Weg zu wählen, um möglichst schnell Einsparungen zu erzielen. Auf lange Sicht kann dies jedoch zu einem Mehraufwand führen. Beispiele hierfür sind Arbeiten, die mehrfach ausgeführt werden müssen oder Optimierungsmöglichkeiten, welche nicht erkannt werden (Maes und Schijns 2020). Um diesem ineffizienten Handeln vorzubeugen, bietet sich die Kombination von LSS und RPA an: LSS liefert hierbei wertvolle Erkenntnisse, wo genau optimiert werden muss, und RPA hilft dabei, wie optimiert werden kann.
Diese Studie soll einen Anstoss für eine weiterentwickelte Arbeitsweise mit der Kombination von LSS und RPA geben. Auch wenn hier ausschliesslich auf Finanzinstitute fokussiert wurde und nur eine begrenzte Anzahl an ExpertInnen-Interviews und Umfrageteilnehmenden berücksichtigt wurde, schafft sie dennoch eine Basis für eine weitergehende Forschung in diesem Bereich. Als erweiterter Forschungsbedarf sollten die bereitgestellten Instrumente von LSS und RPA tiefergehend auf ihre Zusammenhänge, Mehrwerte und Herausforderungen analysiert werden. Basierend hierauf lässt sich eine allgemein einsetzbare und effiziente Vorgehensweise zur kombinierten Anwendung von LSS und RPA generieren. Denn trotz aller Herausforderungen erachtet die Mehrheit der teilgenommenen ExpertInnen die Durchführung einer Kombination von LSS und RPA als sinnvoll und notwendig. Betrachtet man den Forschungsbedarf schliesslich auf einer noch höheren Flughöhe, so wäre eine Untersuchung wertvoll, welchen Erfolg Optimierungstechniken wie z. B. LSS, RPA, TQM, Kaizen Wertschöpfungsanalyse, Verschwendungsanalyse (Dumas et al. 2021) in der isolierten Anwendung erzielen bzw. ob sich der Erfolg durch die Kombination verschiedener Ansätze weiter steigern lässt.
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Literatur
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Metadaten
Titel
Mehrwerte und Herausforderungen der kombinierten Nutzung von Lean Six Sigma und Robotic Process Automation bei Finanzinstituten
verfasst von
Marianne Schnellmann
Andreas Block
Mario Gellrich
Publikationsdatum
29.08.2022
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Ausgabe 4/2023
Print ISSN: 1436-3011
Elektronische ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-022-00893-6

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