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18.12.2014 | Marketing + Vertrieb | Schwerpunkt | Online-Artikel

Mercedes-Pitch oder Mercedes-Ditch?

3 Min. Lesedauer

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Von einer Ohrfeige für Jung von Matt ist die Rede, wenn es um den kuriosen Ausgang des Mercedes-Pitches geht. Doch die Ausschreibungspraxis wirft vielmehr ein schlechtes Licht auf Deutschlands wertvollste Marke, kommentiert Gast-Autor Thomas Koch.

„Wir sind im Pitch!“ In der Agentur bricht hellste Aufregung aus. Pitch heißen die Wettbewerbe, in denen Agenturen um die Werbeetats kämpfen. Sie sind das Salz in der Suppe und der Zuckerguss auf dem Kuchen im Leben jeder Agentur. Sie lassen das Adrenalin bis zur Schmerzgrenze ansteigen. Wenn es mit rechten Dingen zugeht …

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Als Agenturchef habe ich Hunderte Media-Pitches durchlaufen. In meiner Rolle als Berater begleitete ich unzählige Pitches um den Kreativetat. Nur selten habe ich erlebt, dass das Ergebnis zuvor abgesprochen war. Dass also der Kunde einen Schein-Pitch veranstaltete, bei dem der Gewinner bereits feststand.

Wie kommt eine Agentur in eine solche Pitchrunde? Sie und ihre Arbeit müssen den Entscheidern bekannt sein. Besonders erfolgversprechend ist, wenn man mit dem Marketingchef bereits zusammengearbeitet hat. Jede Agentur kennt das: Man arbeitet erfolgreich für einen Kunden, dann gibt es im Management einen Wechsel – und der neue Manager ruft als Erstes einen Pitch aus. Das ist per se nicht verwerflich. Jeder Manager mag mit Dienstleistern arbeiten, die ihm vertraut sind und auf die er sich verlassen kann.

Der Pitch – ein Wettbewerb der Agenturen

Aus Sicht des Etat-Verlierers ist das „Schicksal“ – aber ein Vorteil für Agenturen, die sich eine Reputation aufgebaut haben und deren Kunden sie zur nächsten Aufgabe mitnehmen. Dann jedoch einen Pitch auszurufen und die vertraute Agentur gewinnen zu lassen, ist gegenüber den übrigen Teilnehmern nicht fair. Denn sie investieren ein kleines Vermögen, viel Schweiß und Herzblut in jede Präsentation. Manager auf Unternehmensseite, die sich so verhalten, sind feige. Ehrlicher wäre, den Werbeetat der neuen Agentur einfach zu übertragen, wenn man sie für fähiger hält. Die alte Agentur erhält den Laufpass: Ditch statt Pitch.

Etatwechsel beherrschen die Headlines der Werbefachpresse und erhitzen die Gemüter der Beteiligten. Erst recht dann, wenn einer der größten und attraktivsten Werbekunden seinen Auftrag ausschreibt. Ausgerechnet der Wettbewerb um den Mercedes-Etat wirft nun ein schlechtes Licht auf den Pitch-Prozess.

Mercedes und der angebliche Pitch des Jahres

Im Juni 2014 erklärte Mercedes, seine Agenturen überprüfen zu wollen. In den „Pitch des Jahres“ gingen die beiden Etathalter Jung von Matt und BBDO sowie Heimat. Alle drei gehören laut jüngstem Kreativranking zu den Top Five der kreativsten Kommunikationsdienstleister Deutschlands. Doch der Pitch verlief ergebnislos. Mercedes präsentierte einer staunenden Werbeöffentlichkeit stattdessen eine neue, erst noch zu gründende Agentur: Die beiden Werber Kröger und Kemper (die zu Springer & Jacoby-Zeiten bereits für Mercedes arbeiteten) würden eine „effizient auf Mercedes-Benz zugeschnittene Agenturlösung gestalten“. Der Autobauer verpflichtet also eine Agentur, die es noch gar nicht gibt. Und mit Kemper einen Kreativen, der noch bei Opel unter Vertrag steht.

Das ist weitaus mehr als nur eine Ohrfeige für die Agenturen, die leer ausgehen. Es ist schlechter Stil. Dieser „Ditch“ ist eine Blamage für Deutschlands wertvollste Marke. Auf Nachahmer können wir verzichten.

Zur Person
Thomas Koch hat umfassende Erfahrung als Mediaplaner. Er ist Agenturgründer und Ex-CEO von tkm/Starcom. 2008 wurde er zur Mediapersönlichkeit des Jahres gekürt. Aktuell bloggt er unter anderem für "Werben & Verkaufen", schreibt Kolumnen für die "Wirtschaftswoche" oder Bücher, wie den Titel "Die Zielgruppe sind auch nur Menschen: 42 Episoden aus meinem wilden Leben als Werber".

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