Skip to main content

2023 | Buch

Patente und Innovationen in der Industrialisierung

Wie Institutionen den technologischen Wandel in den deutschen Staaten beeinflussten, 1815-1877

insite
SUCHEN

Über dieses Buch

Innovationen sind wichtige Triebkräfte des Wirtschaftswachstums und erklären den Anstieg des Lebensstandards. In diesem Buch untersuchen wir, welche institutionellen und ökonomischen Faktoren Innovationen und technologischen Wandel in den deutschen Staaten während der ersten industriellen Revolution im 19. Jahrhundert begünstigten. Dazu zählen das Patentrecht, Institutionen zur Sicherung fairen Wettbewerbs, das Bildungssystem, aber auch die Schaffung integrierter Märkte, welche die Erschließung neuer Absatzquellen ermöglichte. Die Grundlage der empirischen Untersuchung bildet ein umfassender Datensatz aller zwischen 1815 und 1877 in den deutschen Staaten gewährten Patente. Darauf aufbauend analysieren wir, wie sich die Innovationstätigkeit über die Zeit veränderte, welche sozialen Gruppen die Triebkräfte des Fortschritts waren, wie sich regionale Entwicklungsdisparitäten erklären und inwieweit Persistenz und Pfadabhängigkeit festzustellen ist.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einleitung
Zusammenfassung
Innovationen sind wichtige Triebkräfte des Wirtschaftswachstums und erklären den Anstieg des Lebensstandards seit der Industrialisierung. In diesem Buch untersuchen wir, welche institutionellen und ökonomischen Faktoren Innovationen und technologischen Wandel in den deutschen Staaten während der ersten industriellen Revolution in der Mitte des 19. Jahrhunderts begünstigten. Dazu zählen das Patentrecht, Institutionen zur Sicherung fairen Wettbewerbs, das Bildungssystem, aber auch die Schaffung integrierter Märkte, welche die Erschließung neuer Absatzquellen ermöglichte. Die Grundlage der empirischen Untersuchung bildet ein umfassender Datensatz der zwischen 1815 und 1877 in den deutschen Staaten gewährten Patente. Darauf aufbauend analysieren wir, wie sich die Innovationstätigkeit über die Zeit veränderte, welche sozialen Gruppen die Triebkräfte des Fortschritts waren und wie regionale Unterschiede in der Innovationstätigkeit entstanden sind.
Alexander Donges, Felix Selgert
Kapitel 2. Institutionelle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Zusammenfassung
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde von fundamentalen institutionellen Veränderungen geprägt, die sich nachhaltig auf die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft auswirkten. Im Folgenden betrachten wir diese Veränderungen. Hierbei gehen wir zunächst auf die französische Besatzung und die Napoleonischen Kriege am Anfang des 19. Jahrhunderts ein, die einen Reformprozess induzierten, der die Ablösung feudaler Institutionen und die Liberalisierung der Wirtschaftsordnung einläutete. Darauf aufbauend diskutieren wir in Abschn. 2.2, wie die territoriale Reorganisation die Marktintegration beschleunigte, indem sie Handelsbarrieren verringerte. Gleiches galt für die Schaffung des Zollvereins. Begleitet von dem Ausbau der Eisenbahn entstanden so die Voraussetzungen für die Entstehung eines integrierten deutschen Marktes. In Abschn. 2.3 fokussieren wir uns auf die institutionellen Veränderungen im Bildungswesen. Hier ist insbesondere der Ausbau gewerblicher und technischer Schulen hervorzuheben. Aus den polytechnischen Schulen gingen die technischen Hochschulen hervor, die eine steigende Zahl an Ingenieuren ausbildeten. Schließlich betrachten wir in Abschn. 2.4 die Entstehung der modernen Patentsysteme.
Alexander Donges, Felix Selgert
Kapitel 3. Indikatoren zur Messung von Innovationstätigkeit
Zusammenfassung
Innovationstätigkeit lässt sich im Unterschied zu anderen volkswirtschaftlichen Größen wie dem BIP oder dem Durchschnittseinkommen weniger exakt quantifizieren. Als Indikator für Innovationen werden in der empirischen Forschung vielfach Patente verwendet, deren Einsatz jedoch auch kritisiert wird. Im Folgenden diskutieren wir zunächst die Vorzüge und Nachteile von Patentdaten und stellen dann Weltausstellungsexponate als alternativen Indikator für Innovationstätigkeit vor. Abschließend beschreiben wir kurz den Datensatz, der sowohl Patente als auch Weltausstellungsdaten als Indikatoren für Innovationstätigkeit enthält.
Alexander Donges, Felix Selgert
Kapitel 4. Die Innovationsdynamik in der ersten Phase der Industriellen Revolution
Zusammenfassung
In Kap. 4 zeigen wir, dass die Patentaktivität in den deutschen Staaten ab den 1850er Jahren im Trend zunahm. In Preußen und Sachsen beschleunigte sich das Wachstum der Patente ab den 1870er Jahren, was für einen technologischen „Take-Off“ spricht. Um etwa die gleiche Zeit änderte sich auch die Wachstumsdynamik der gesamtdeutschen Wirtschaft. Mithilfe von Auslandspatenten, die Ausländer in den deutschen Staaten anmeldeten, untersuchen wir die Bedeutung des Technologietransfers. Auslandspatente stammten hauptsächlich aus den Vorreiterstaaten der Industriellen Revolution, Frankreich, England und Belgien, außerdem aus den grenznahen Staaten Schweiz und Österreich-Ungarn. Mit der Zeit nahm die Zahl der Auslandspatente zu – der Technologietransfer scheint also eine immer größere Rolle gespielt zu haben. Ausländer meldeten insbesondere in den Sektoren Patente an, in denen auch Inländer viele Patente hielten. Die Analyse der Patentdaten zeigt, dass insbesondere in Preußen der Maschinen- und Fahrzeugbau ein technologischer Leitsektor war. In Sachsen dominierte dagegen die Textilindustrie. In den süddeutschen Staaten gab es viele Innovationen in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Innovationstätigkeit war demnach nicht ausschließlich auf die modernen Sektoren der ersten Industrialisierungsphase beschränkt, deren Rolle in der klassischen Literatur hervorgehoben wird, sondern kann auch in traditionellen Sektoren festgestellt werden, die in der Literatur weniger Beachtung finden.
Alexander Donges, Felix Selgert
Kapitel 5. Vom Einzelerfinder zum innovativen Unternehmen
Zussammenfassung
In Kapitel 5 untersuchen wir den sozialen Hintergrund deutscher Patentinhaber zwischen 1815 und 1877. Wir zeigen, dass die meisten Patentinhaber aus dem Handwerk stammten oder zur Gruppe der Fabrikunternehmer gehörten. Als wichtiges Ergebnis ist festzuhalten, dass Patentinhaber aus fast allen gesellschaftlichen Schichten stammten, wenngleich die Arbeiterschicht verglichen mit ihrem Anteil an der Bevölkerung klar unterrepräsentiert war. Der institutionellen Rahmen, der vor allem durch das Patentsystem definiert wurde, beeinflusste die soziale Zusammensetzung der Patentinhaber. Ferner bestehen Unterschiede hinsichtlich der Verteilung der Berufsgruppen über die Technologiegruppen. Handwerker hielten im Vergleich zu den anderen Berufsgruppen mehr Patente in traditionellen Industrien wie der Produktion von Metallwaren, während Fabrikunternehmer und Ingenieure einen komparativen Vorteil im Bereich des Maschinen- und Fahrzeugbaus hatten, dem Leitsektor der ersten Industriellen Revolution. Zwischen Patenten und Unternehmensgründungen bestand eine gewisse Korrelation, wobei Patente teilweise am Anfang einer Unternehmensgründung standen, in anderen Fällen aus dem neu gegründeten Unternehmen hervorgingen. Die Analyse von Auslandspatenten deutscher Patentinhaber zeigt, dass es Hinweise für systematische Patentstrategien gibt. Dies gilt insbesondere für Unternehmen in den exportorientierten Industrien wie dem Maschinen- und Fahrzeugbau und der Textilindustrie.
Alexander Donges, Felix Selgert
Kapitel 6. Regionale Entwicklungsunterschiede und deren Ursachen
Zusammenfassung
In Kap. 6 zeigen wir, dass sich die Innovationstätigkeit unabhängig von der Wahl des Indikators – Patente oder Weltausstellungsdaten – auf einige wenige Regionen und Städte konzentrierte. Die institutionellen Rahmenbedingungen erklären einen signifikanten Teil der beobachteten Unterschiede. Hierbei sind einerseits Unterschiede im Patentrecht hervorzuheben, die im Hinblick auf die Zahl der patentierten Innovationen ein wesentlicher Erklärungsfaktor sind. Betrachten wir die Innovationstätigkeit innerhalb Preußens, so lässt sich feststellen, dass in Regionen, wo aufgrund der französischen Besatzung inklusive Institutionen früher eingeführt worden waren und langfristig erhalten blieben, mehr Innovationen entstanden sind. Unsere Analyse zeigt, dass dies nicht nur für patentierte Innovation, sondern auch für Weltaustellungsexponate gilt. Insofern bestätigen wir damit die Ergebnisse von Donges et al. (2023), die für den Zeitraum der zweiten Industriellen Revolution einen kausalen Effekt institutioneller Unterschiede auf die Innovationstätigkeit identifizieren.
Alexander Donges, Felix Selgert
Kapitel 7. Einordnung der Ergebnisse und Ausblick
Zusammenfassung
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die institutionellen Grundlagen geschaffen, die es den ab 1871 vereinigten deutschen Staaten ermöglichten, bis zur Jahrhundertwende technologisch zu den industriellen Führungsnationen aufzuschließen. Zu nennen sind hier unter anderem die institutionelle Modernisierung als Folge der französischen Besatzung, die Gründung des Zollvereins, der die Entstehung eines deutschen Markts beschleunigte, die Entwicklung eines wettbewerbsfähigen Bildungssystems durch den Ausbau der Universitäten und technischen Hochschulen sowie die Schaffung moderner Patentsysteme. In der Gesamtheit trugen diese Veränderungen dazu bei, die Rahmenbedingungen für erfinderische und unternehmerische Tätigkeit zu verbessern, und sie bieten eine plausible Erklärung für die Zunahme der Innovationstätigkeit, die langfristig als wichtigste Triebkraft des wirtschaftlichen Fortschritts anzusehen ist.
Alexander Donges, Felix Selgert
Backmatter
Metadaten
Titel
Patente und Innovationen in der Industrialisierung
verfasst von
Alexander Donges
Felix Selgert
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-41785-7
Print ISBN
978-3-658-41784-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-41785-7

Premium Partner