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2010 | Buch

Physikdidaktik

Theorie und Praxis

herausgegeben von: Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Springer-Lehrbuch

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Über dieses Buch

„Physikdidaktik – Theorie und Praxis" ist als Sammelband konzipiert. Er besteht aus den vier Teilen „Physikdidaktik", „Physikdidaktik in der Praxis", „Moderne Teilgebiete des Physikunterrichts" und „Aktuelle Beiträge zur Physikdidaktik".

Die in Teil I und II aus den beiden früheren Bänden übernommenen Beiträge sind aktualisiert. Teil III ist von den Autoren mit dem Anspruch gestaltet, Themen der modernen Physik näher an die Schulpraxis heranzuführen. Teil IV befasst sich mit notwendigem Hintergrundwissen für Studierende, Referendare und Lehrkräfte: „Mädchen im Physikunterricht", „Alltagsvorstellungen und Physik lernen", „Modellbegriff und Modellbildung in der Physikdidaktik", „Über die Natur der Naturwissenschaften lernen". Neue Aufsätze sind: „ Standards und Physikaufgaben", „Professionswissen und Fortbildung von Physiklehrern", „Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung – nach ´Bologna` und PISA", „Schülerlabore: Lernen durch Forschen und Entwickeln".

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Physikdidaktik

Frontmatter
0. Einführung: Was ist Physikdidaktik?
Zusammenfassung
Sie haben sich entschlossen Physiklehrer zu werden und kommen nun mit einem Fach, der Physikdidaktik in Berührung, das Sie in der Schule nur auf implizite Weise kennen gelernt haben, nämlich durch die Art und Weise, wie Ihre Lehrer Physik unterrichtet haben. Als Motto beginnen wir mit zwei Aussagen, die sich an Zitaten des Pädagogen v. Hentig (1966) orientieren: Die Physik bietet keine Hilfen für die Unverständlichkeiten, die sie erzeugt. Eine Physikdidaktik, die nicht dienen wollte, wäre ein Unsinn. 1. Lassen Sie mich zuerst den Ausdruck Physikdidaktik etwas näher charakterisieren in einer für die Universität typischen Weise: Man zerlegt ein „Ding“ in seine Bestandteile. In unserem Falle ist das „Ding“ keine chemische Substanz, kein physikalisches Objekt, kein Lebewesen, sondern ein Begriff. Diesen zerlegen wir, um dadurch zu einem ersten Verständnis des Ausdrucks „Physikdidaktik“ zu kommen, nämlich durch die Fragen: „Was ist Physik?“, „Was ist Didaktik?“. Ich möchte aber ausdrücklich hervorheben, dass durch diese Zerstückelungstaktik der Ausdruck „Physikdidaktik“ nicht vollständig erklärt wird. Für ein vorläufiges Verständnis mag uns diese Methode genügen; im Allgemeinen gilt aber, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. 2. Sicher sind Sie auch daran interessiert zu erfahren, was im Verlauf der Vorlesung „Physikdidaktik – eine Einführung“ auf Sie zukommt: In Kap. 1 geht es um die Begründung des Physikunterrichts, um seine gegenwärtige und künftige Bedeutung für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Die Begründungen hängen daher von Weltbildern und Lebensstilen von Einzelnen und der Gesellschaft ab. Die folgenden Kapitel betreffen Ihren Beruf im engeren Sinne. Die Kapitel 2 bis 7 sollen zu Ihrer Professionalität als Physiklehrerin und als Physik-lehrer beitragen. Es werden Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten Ihres Berufs thematisiert.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
1. Warum Physikunterricht?
Zusammenfassung
Wir beginnen mit einem schwierigen Kapitel, vielleicht dem schwierigsten der Physikdidaktik. Es befasst sich mit der „Begründung“ und „Legitimation“ von Physikunterricht. Es geht um die Fragen: Warum soll man Physik bzw. Naturwissenschaften gegenwärtig und künftig an den Schulen unterrichten? Was will man mit Physikunterricht erreichen? Warum braucht man Sie als Lehrer bzw. Lehrerin für Physik- bzw. für naturwissenschaftlichen Unterricht? Angeregt durch die TIMS- und PISA- Studien (Baumert u.a. 2000a,b; Baumert u.a. 2001; Prenzel u.a. 2004) sind solche Fragen zur Zeit für alle Schulfächer in der Bundesrepublik hochaktuell. Im Folgenden werden die bereits in der einführenden Lektion erwähnten fachlichen, gesellschaftlichen und pädagogischen Gründe näher ausgeführt werden, die für Physikunterricht an den allgemeinbildenden Schulen sprechen (s. dazu Muckenfuß 1995; Braun 1998; Jung 19992; Mikelskis 2006). Zunächst werden die traditionellen Begründungen kurz gestreift, die in Deutschland vor allem auf der Bildungstheorie, in den USA auf dem philosophischen Pragmatismus basieren (Abschnitt 1.1). Aufgrund von Anmerkungen über die gegenwärtige Physik (Abschnitt 1.2), über Änderungen in der Gesellschaft (Abschnitt 1.3) und über Akzentverschiebungen in den pädagogischen Auffassungen über Bildung und Erziehung (Abschnitt 1.4) werden aktuelle Eckpunkte für den Physikunterricht skizziert (1.5). Das Ziel dieser Überlegungen ist eine zeitgemäße Begründung des Physikunterrichts als eine zentrale Aufgabe einer zeitgemäßen Physikdidaktik. Diese Begründungen sollen auch Sie davon überzeugen, dass der Physikunterricht gegenwärtig wichtig ist und auch künftig wichtig sein wird: Mit diesem Hintergrund wird Ihr künftiger Beruf mehr als nur ein beliebiger Job. In der folgenden Abbildung sind die theoretischen Ausgangspunkte dieser „Physikdidaktik“ schematisch dargestellt.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
2. Ziele und Kompetenzen im Physikunterricht
Zusammenfassung
1. Eine intensive Beschäftigung mit Zielen ist aus folgenden Gründen wichtig: Sie organisieren die Unterrichtsplanung und tragen zur Strukturierung des Unterrichts wesentlich bei. Außerdem bieten explizit formulierte Ziele Anhaltspunkte für die Kommunikation über die Schule für Lehrer, Schüler, Eltern, Politiker. Wegen des Zusammenhangs von Zielen und Leistungsbeurteilungen können Ziele zu objektiven Beurteilungen (z.B. Noten) beitragen. 2. Wie kommt man zu Zielen? Zu jeder Unterrichtsstunde und zu jeder Unterrichtseinheit sollte eine „didaktische Analyse“ durchgeführt werden, um mögliche Ziele zu einem bestimmten Thema bzw. zu einem thematischen Bereich auszuloten. Eine solche Zielanalyse ist die Grundlage für weitere Planungsschritte. In 2.1 werden bisherige Vorschläge für didaktische Analysen slizziert und versucht, die erörterten Aspekte eines zeitgemäßen Physikunterrichts (z.B. „Über die Natur der Naturwissenschaften/Physik lernen“ und die „Bildung der Nachhaltigkeit im Physikunterricht“) in ein Analyseinstrument zu integrieren. 3. Der Schwerpunkt der Ausführungen in 2.2 liegt darauf, welche Ziele der Physikunterricht im Speziellen und welche er zusammen mit weiteren Schulfächern anstreben sollte. Es wird ein Modell skizziert, in dem Zielebenen, Zielklassen und Lernzielstufen (Anforderungsstufen) unterschieden werden. 4. Wie kommt man zu Zielen, wenn ein Thema vorgegeben ist, z. B. durch den Lehrplan? In Abschnitt 2.3 werden Zielklassen des Physikunterrichts beschrieben. Sie werden in der Unterrichtsvorbereitung reflektiert, ausgewählt und dann schriftlich fixiert. 5. Durch die Kultusministerkonferenz der Bundesländer wurden 2003/2004 allgemeine verpflichtende Kompetenzen von Schülern am Ende ihrer Schulzeit festgelegt (Standards), um die Leistungsfähigkeit des deutschen Schulsytems zu verbessern. In 2.4. sind die Bildungsstandards im Fach Physik für den Mittleren Schulabschluss, die Basiskonzepte, Kompetenzbereiche, sowie die Anforderungsbereiche dargestellt und kommentiert.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
3. Elementarisierung und didaktische Rekonstruktion
Zusammenfassung
Es ist kein neues und auch kein spezifisches Problem des Physikunterrichts komplizierte Zusammenhänge so zu vereinfachen, dass diese möglichst von allen Schülerinnen und Schülern, möglichst gründlich, in möglichst kurzer Zeit und auf humane Weise verstanden werden. Dieses Problem ist so alt wie der Versuch, Lernen zu organisieren und zu systematisieren. Der berühmte Schweizer Pädagoge Pestalozzi glaubte an eine naturgemäße Methode, der zufolge man Lehrstoffe in „Elemente“ zerlegen kann. Solche angeblich natürlichen „Elemente“ werden im Unterricht in einer unveränderlichen, lückenlosen Reihenfolge zusammengesetzt (s. Klafki 1964). Eine solche universelle Methode kann es nicht geben, weil die psychischen Gegebenheiten der Lernenden verschieden und nicht genau genug bekannt sind. Außerdem sind die durch die Physik dargestellten Strukturen der physikalischen Objekte nicht beliebig „zerlegbar“; sie beziehen sich ja auf eine von uns im Wesentlichen unabhängige Realität. Die Aufbereitung von Sachstrukturen für die Schulphysik muss neben den erwähnten fachlichen Strukturen und internen psychischen Strukturen der Schüler auch allgemeine Zielvorstellungen berücksichtigen. Dieser Prozess wird als „didaktische Reduktion“ (Grüner 1967) oder wie derzeit in der Physikdidaktik bevorzugt, als „Elementarisierung“ bezeichnet. Kattmann u. a. (1997) schlagen neuerdings den Ausdruck „didaktische Rekonstruktion“ vor. Im Folgenden bedeutet „Elementarisierung“ die Vereinfachung von realen oder theoretischen Entitäten mit Bezug zu Physik und Technik – ein Zerlegen von komplexen „Dingen“ in elementare Sinneinheiten. „Didaktische Rekonstruktion“ charakterisiert den Wiederaufbau von Strukturen aus den Sinneinheiten. Beides, das Zerlegen und der Wiederaufbau, geschieht aufgrund anthropologischer und soziokultureller Gegebenheiten und aufgrund normativer Gesichtspunkte, den Zielen des Unterrichts.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
4. Methoden im Physikunterricht
Zusammenfassung
Über Unterrichtsmethoden sind viele Ausdrücke im Umlauf, die Gleiches oder fast Gleiches bedeuten, von Universität zu Universität, von Studienseminar zu Studienseminar. 1. Ein wichtiger Ordnungsversuch im babylonischen Sprachengewirr der Pädagogik und Didaktik unterscheidet fünf Methodenebenen (Schulz 1969; 1981). Dieses Klassifikationsschema ist auch in neueren pädagogischen Publikationen über Unterrichtsmethoden (Meyer 1987 a, b) noch als Gliederungsschema zu erkennen. Allerdings ist das, was sich in diesen fünf „Schubladen“ befindet, teilweise verändert. Es sind neue „Methoden“ hinzugekommen wie „Freiarbeit“ und damit zusammenhängend z. B. „Lernzirkel“ „Lernen an Stationen“). Andere „Methoden“ wie zum Beispiel der „Projektunterricht“ haben in den vergangenen zwanzig Jahren an Bedeutung gewonnen, so dass es heute angemessen ist, Projektun-terricht ausführlicher darzustellen als in der Vergangenheit (z.B. Duit, Häußler & Kircher 1981). Ich hoffe, dass die zugrunde gelegte Klassifikation nachvollziehbar, die verwendeten Termini verständlich sind. Wie Glöckel (1999) bin ich wider Methodendogmatismus, aber auch wider Methodensalat! 2. Methoden sind nicht unabhängig von Zielen und Ziele sind nicht unabhängig von Methoden; es besteht ein „Implikationszusammenhang“ (Blankertz 1969). Wir verwenden die implizierte didaktische Relevanz von Methoden als ein wichtiges Kriterium für die Ausführlichkeit der Darstellung einzelner Methoden. Das bedeutet beispielsweise, dass Gruppenunterricht ausführlicher dargestellt wird als Frontalunterricht, weil der Gruppenunterricht vielfältigere und gegenwärtig wohl auch wichtigere Ziele einschließt. 3. In Abschnitt 4.1 wird unter dem Ausdruck „methodische Großformen“ (Meyer 1987a) „Projekte“, „Spiele“ und „Offener Unterricht – Freiarbeit“, sowie die traditionellen Groß-formen „Kurs“ und „Unterrichtseinheit“ diskutiert. Auf der 2. Methodenebene (4.2) werden „physikspezifische Unterrichtskonzepte“, wie „exemplarischer Unterricht“ und „genetischer Unterricht“ skizziert, ferner „entdeckender“ und „darbietender“ Unterricht. Mit diesen Un-terrichtskonzepten sind i. Allg. auch spezifische Artikulationsschemata verknüpft, die eine Unterrichtsstunde strukturieren helfen (4.3).
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
5. Medien im Physikunterricht
Zusammenfassung
Medien kommen im Physikunterricht in vielfältigen Formen zum Einsatz. Ein Beispiel aus der zehnten Jahrgangsstufe zum Thema „Der p-n-Übergang von Halbleiterdioden“ soll dies verdeutlichen: Als Einstieg in die Unterrichtseinheit dient folgendes Experiment: An eine Wechselspannungsquelle wird eine Glühbirne angeschlossen. Obwohl sie leuchtet zeigt ein Gleichstrom-Messgerät in diesem Kreis allerdings keinen Strom an. Dies ändert sich, wenn eine Diode in den Stromkreis eingebaut wird. Gleichzeitig ist jedoch zu beobachten, dass die Lampe weniger hell leuchtet (Experiment als Anschauungsmedium). Eine Diskussion dieser Effekte führt zu einem Folgeversuch. Strom und Spannung werden mit einem Oszilloskop genauer untersucht. Dabei wird erkannt, dass die Diode nur einen pulsierenden Gleichstrom durchlässt. Um das Verhalten der Diode auch noch quantitativ beschreiben zu können, wird schließlich die Diodenkennlinie mit einem Computer-Messsystem aufgenommen und ausgedruckt ("neue" Medien). Im weiteren Unterrichtsverlauf werden Modellansätze für das Verhalten der Ladungsträger am p-n-Übergang entworfen und schließlich ein Videofilm gezeigt, der die Leitungsmechanismen in Trickdarstellungen zeigt (visuelle Medien). Im letzten Teil der Unterrichtsstunde wird das Schulbuch eingesetzt und verschiedene Grafiken zum p-n-Übergang diskutiert und interpretiert (Printmedien). Am Anfang der nächsten Stunde werden die Diodenkennlinie und verschiedene Schemazeichnungen zum p-n-Übergang am Arbeitsprojektor anhand von vorgefertigten Transparenten wiederholt. Dann werden verschiedene Diodenschaltungen in Skizzen an der Tafel entworfen und besprochen ("klassische" Medien). Dieselben Schaltungen sind mit Zusatzinformationen und Versuchsanleitungen auf einem Arbeitsblatt abgedruckt. Es dient als Anleitung für die nachfolgenden Schülerversuche, in denen die Schülerinnen und Schüler selbst verschiedene Anwendungen aufbauen und untersuchen können (Arbeitsblätter und Schülerexperimente).
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
6. Wie lässt sich der Lernerfolg messen?
Zusammenfassung
1. Messen und Beurteilen von Schulleistungen wird in der Pädagogik als ambivalent betrachtet. Klafki (19965, 245 f.) spricht von der „Dialektik des Leistungsbegriffs“ und von „Gegenpolen des Leistens“, wie Lebensqualität, Glückserfahrungen, von Spiel, die auch den Sinn von Schule ausmachen und die bisher kaum im Blickpunkt von Schülerbeurtei-lungen stehen. Wir vermeiden aus diesem Grund den Ausdruck „Leistung“ und sprechen von „Lernerfolgen“ – ein Ausdruck, der auch die „Gegenpole“ einschließt. 2. Unterricht ist als um so erfolgreicher zu bewerten, je besser die gesetzten Ziele erreicht werden. Mit dem in Kapitel 1 beschriebenen Wandel in den Zielen naturwissenschaftlichen Unterrichts sind neue Bereiche, in denen der Erfolg des Unterrichts bewertet werden soll, hinzugekommen. Der naturwissenschaftliche Unterricht soll heute neben der Vermittlung von Wissen vor allem etwas über naturwissenschaftliche Erkenntnismethoden sowie über ihre Rolle in unserer Gesellschaft und der daraus erwachsenden Verantwortung vermitteln. Deshalb sind neben der Überprüfung der Wissenszuwächse auch die Erfassung höherer kognitiver Leistungen, von sozialen Kompetenzen und von Einstellungen zu leisten. 3. Wenn bestimmte Unterrichtsziele nicht in die Unterrichtsbewertung einbezogen werden, verhindert das eine zielgerechte Bewertung der Schüler und die Aufdeckung von Schwächen des Unterrichts in den nicht kontrollierten Zielbereichen. Außerdem hinterlässt Unterricht, der die höheren kognitiven und die nichtkognitiven Ziele zwar anstrebt aber ihre Erreichung nicht überprüft, bei Schülern den Eindruck, dass diese Ziele nicht so wichtig seien und dass man sich nicht weiter um sie kümmern müsse. Crooks (1988) zeigte einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Art von Aufgaben, mit denen der Lernerfolg überprüft wurde, und dem Lernverhalten: Wenn überwiegend Tatsachenwissen abgefragt wurde, lernte man bevorzugt auswendig, ging es aber um analytisches Denken, provozierte das eine ganz andere, nämlich um Verständnis der Zusammenhänge bemühte Art der Vorbereitung. 4. Aus verschiedenen Gründen gehört Prüfen, Beurteilen, Benoten zur Professionalität von Lehrkräften. Dieser Bereich wird bisher in der Lehrerbildung vernachlässigt. Forschungsergebnisse zur Messqualität von Schulnoten zeigen dies überdeutlich (Sacher 1996, 31 ff.).
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
7. Planung und Analyse von Physikunterricht
Zusammenfassung
Unterrichtsplanung und Unterrichtsanalyse gehören zum Handwerkszeug jeder Lehrerin, jedes Lehrers. In der 1. Phase der Lehrerbildung sind Planung und Analyse von Unterricht für die Schulpraktika wichtig. Die Relevanz wird auch nicht dadurch reduziert, dass derzeit schülerzentrierter offener Unterricht gegenüber lehrerzentriertem Frontalunterricht aus guten Gründen favorisiert wird (Petri 1993). Von Seiten der Schulpädagogik wird daraus die Konsequenz gezogen, dass zwischen offener und lernzielorientierter Unterrichtsplanung unterschieden wird (s. Peterssen 1998). In empirischen Untersuchungen von Fischler (2000) hat sich gezeigt, dass Studierende in ihren Lehrversuchen derartige Planungen für ihre Handlungen im Unterricht benötigen, dass diese sich aber an den geplanten schriftlichen „Unterrichtsentwürfen“ in zu strikter Weise orientieren. Dadurch wird auch eine beabsichtigte Öffnung des Unterrichts verhindert. Die Analyse von Physikunterricht war bisher in der empirischen Forschung eher ein „Stiefkind“, trotz deren Bedeutung für die 1. und 2. Phase der Lehrerbildung. Neuerdings werden auch für die 3. Phase, die jetzt endlich auch von Schul- und Bildungsbehörden als notwendig erkannte professionelle Lehrerfort- und Weiterbildung, Unterrichtsanalysen durchgeführt. In der 1. und 2. Phase genügt das implizite Wissen über Unterricht (vor allem der Praktikums - und Seminarlehrer), um verbesserungsfähiges Lehrerverhalten durch direkte Unterrichtsbeobachtung und/oder auf einem Video zu erkennen. Der Abschnitt 7.1 erläutert die Kerninhalte der Unterrichtsplanung (Planungsmodelle, – Un-terrichtsentwurf – Unterrichtsstunde“). Die skizzierten zwei Planungsmodelle von Schulz (1969; 1980) werden speziell für den Physikunterricht interpretiert. Der Abschnitt 7.2 „Analyse einer Unterrichtseinheit“ gibt Hinweise zur Beurteilung einer Physikstunde und nennt Schwierigkeiten und Probleme dieser Prüfungssituationen für angehende Lehrerinnen und Lehrer. Die dabei aufgeführten Gesichtspunkte der Unterrichtsbeobachtung gelten grundsätzlich auch für den Fall, dass der Unterricht videografiert wird. Zur theoretischen Vertiefung und zur Beschreibung und kritischen Würdigung weiterer Aspekte von Unterrichtsplanung und -analyse s. z. B. Jank & Meyer (1991); Peterssen (1998).
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler

Physikdidaktik in der Praxis

Frontmatter
8. Aktuelle Methoden I – Projekte
Abstract
Projekte haben sich im Physikunterricht in Deutschland insbesondere in Lehrplänen und in Lehrerfortbildungsveranstaltungen etabliert als eine Ergänzung zum Frontalunterricht. In der Schulpraxis werden insbesondere an Gymnasien „Projekttage“ veranstaltet, – im Allgemeinen am Ende des Schuljahrs. Allerdings sind in der 1. und 2. Phase der Lehrerbildung noch Defizite bezüglich der theoretischen und praktischen Aus- und Aufarbeitung der Projektidee zu vermuten. Auch angesichts der zweifellos weiterhin bestehenden Dominanz des Frontalunterrichts (s. z.B. Meyer & Meyer 1999) erscheint es notwendig, die Projektidee nicht nur zu beschreiben sondern auch durch Beispiele zu erläutern. Die ursprüngliche pädagogische Begründung von Unterrichtsprojekten hängt mit der Lösung von Problemen mit gesellschaftlicher Relevanz zusammen. Dabei erwerben die Lernenden Sachkompetenz, arbeitmethodische und soziale Kompetenzen (Schröder & Schröder 1999). Heutzutage ist die gesellschaftliche Relevanz der Thematik keine notwendige Bedingung. Ein hinreichender Grund ist die Relevanz für die Schülerinnen und Schüler, also Projekte, die die Schüler interessieren und für die Physik und/oder die physikalische Technik motivieren können. Auch solche Projekte implizieren allgemeine Ziele wie Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Problemlösefähigkeiten, das Verknüpfen fachspezifischer mit fachüberschreitenden Kontexten. Andererseits sollte die Gelegenheit genutzt werden, gesellschaftliche Probleme, die mit Physik zusammenhängen vor allem durch Projekte und projektorientierten Unterricht zu erschließen und modellhaft zu lösen. Die folgenden Beispiele, „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“, „Wir fotografieren mit einer selbstgebauten Kamera“ und „Induktionsmotore“, sind in der Primarstufe, der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe II erprobt. Sie illustrieren die Spannweite des Projektbegriffs. Die idealtypischen Darstellungen Freys (2005) sind dabei in keinem der Beispiele realisiert. Denn um ein Scheitern der Projekts möglichst zu vermeiden, treffen die Lehrkräfte Vorentscheidungen für die Projekte, nicht die Schüler. Als Folge dieser Auffassung versteht es sich auch, dass jüngere Schüler stärker unterstützt werden als ältere. Das bedeutet anderseits nicht, alle Schwierigkeiten aus den Lernwegen der Schülergruppen zu räumen, sondern dass Lehrer in „Notfällen“ helfend eingreifen. Wie kann sich eine Lehrkraft auf solche Situationen vorbereiten? Zu einem Überblick über mögliche Ziele und zu den in einem Thema steckenden unterrichtlichen Möglichkeiten kommt man durch eine didaktische Analyse (s.Kap. 2). Eine fachliche Analyse und notwendige Elementarisierungen grenzen diese Möglichkeiten unter Umständen wieder ein und gibt außerdem Lehranfängern die notwendige Sicherheit und Souveränität vor den Lernenden. Eine pragmatische Analyse beschäftigt sich mit den Randbedingungen eines Projekts wie Zeitaufwand, Material-, Geräte-, Literaturbeschaffung und den damit verbundenen Kosten. Abhängig von der Komplexität und der Schwierigkeit der Thematik können auch Schülerinnen und Schüler an diesen Analysen beteiligt werden, - spätestens in der Sekundarstufe II.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
9. Aktuelle Methoden II – Lernzirkel
Zusammenfassung
Zwischen der pädagogischen Dimension des Physikunterrichts und offenem Unterricht besteht ein enger Zusammenhang: Schülerinnen und Schüler mit ihren individuellen Fähigkeiten und Interessen, ihren emotionalen und kognitiven Eigenschaften und Bedürfnissen rücken in den Mittelpunkt des Unterrichts und der Unterrichtsplanungen. Dies wurde bereits vor hundert Jahren von der Reformpädagogik gefordert. Im zurückliegenden Jahrzehnt wurden Lernzirkel als eine besondere methodische Form des offenen Unterrichts in allen Schulstufen und in fast allen Schulfächern erprobt. Durch dieses „Lernen an Stationen“ (Hepp 1999) sollen Schülerinnen und Schüler mehr Eigenaktivität, mehr Eigenverantwortung für ihren Lernweg im Physikunterricht und dabei auch größeres dauerhaftes Interesse an der Physik und mehr naturwissenschaftliche Sach- und Selbstkompetenz entwickeln können. Lernzirkel befassen sich mit wichtigen physikalischen Begriffen, mit historischen und aktuellen technische Anwendungen und schaffen Möglichkeiten, dass Schüler intrinsisch motiviert selbst experimentieren. Dafür werden verschiedene Medien, verschiedene Formen der Repräsentation, verschiedene sprachliche Darstellungen eingesetzt. Der Lernzirkel „Einführung in die Akustik“ soll Schülern der Sekundarstufe I einen Überblick liefern (Einführungszirkel). In der Thematik eingegrenzter ist der Lernzirkel „Laser“, der für die Sekundarstufe II konzipiert und in Leistungskursen erprobt wurde (Erarbeitungszirkel). Außerdem werden Lernzir-kel auch für Übung und Festigung des Lehrstoffs am Ende einer Unterrichtseinheit eingesetzt (Übungszirkel): Lernzirkel können in jeder Phase des Unterrichts eingesetzt werden. Nicht nur wegen der Komplexität unseres Faches und der Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler, die begriffliche und der methodische Struktur der Physik zu verstehen und zu erwerben, sondern auch wegen der vielfältigen und vielschichtigen Ziele, steht insbesondere bei einem einführenden Lernzirkel die didaktische Analyse am Anfang der Planungen. Dadurch wird Wichtiges von Unwichtigem, Schwieriges von dem leichter Lern- und Durchführbaren unterschieden, mit entsprechenden Konsequenzen für die Lernstationen. Lernzirkel sind einfacher und mit weniger Zeitaufwand zu konzipieren als Projekte: Eine gut ausgestattete Physiksammlung, Experimentalliteratur ergänzt durch Recherchen in Zeitschriften und im Internet, Computerprogramme, Ideen für Freihandexperimente liefern das Material für Lernzirkel. Die bisherigen Erfahrungen (Lieb 2001; Euring 2004; Seeberger 2004) deuten darauf hin, dass insbesondere Schülerinnen durch die Aktivitäten in Lernzirkeln hinsichtlich der Motivation und Selbstkompetenz profitieren. Bei Einführungszirkeln müssen die Lerninhalte anschließend noch gründlich vertieft werden. Bisher ist der Aufwand für die Entwicklung eines einführenden Lernzirkels noch beträchtlich. Dieser Aufwand dürfte sich aber reduzieren, wenn die entwickelten Beispiele in das Internet eingegeben und allen Schulen verfügbar werden. Der Idealfall wäre freilich, dass die Lernenden so ausgebildet sind, dass sie sich alle notwendigen Informationen aus dem Internet selbst beschaffen und sich einen sinnvollen und motivierenden Lernzirkel selbst konzipieren und realisieren: wirklich offenen Physikunterricht.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
10. Aktuelle Methoden III – Spiele
Zusammenfassung
Sie haben in Teil I „Physikdidaktik“ ( Kap. 4) das Spiel als „methodische Großform“ kennen gelernt. Spielen gehört zum Menschen; darüber sind sich wohl alle einig. Spiele haben wichtige didaktische Funktionen, weil sie äußerst relevante Ziel fördern können, etwa soziale Ziele, Grundqualifikationen sozialen Handelns wie Toleranz, Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen, Flexibilität. Spiele können die Phantasie anregen, Kreativität herausfordern. „Wahrnehmungsleistungen, motorische Fertigkeiten sowie Intelligenzleistungen werden großenteils durch Spielaktivität erworben“ (s. Oerter 1977, 225). Spiele haben methodische Implikationen: Sie können in allen Phasen des Unterrichts eingesetzt werden, beliebt sind Spiele zur Festigung des Neugelernten. Spiele lockern den Unterricht auf. Spiele mit physikalischem Hintergrund können selbst erfunden und gebastelt werden. Dies kann in einer Projektwoche geschehen oder im Schullandheim (Rottmann 2004). Spiele entschleunigen den Physikunterricht. Spiele haben auch eine mediale Seite. Spiele im Physikunterricht illustrieren unanschauliche, komplexe Sachverhalte machen Physik verständlich. Der Autor Peter Labudde zeigt durch seine Beispiele, wie Physik spielerisch und kreativ in Konstruktionsspielen angewendet wird. „Gespielte Analogien“ können unanschauliche Begriffe und Vorgänge veranschaulichen. Schließlich werden „Sinnhafte Spiele“ mit einer ganz besonderen didaktischen Bedeutung beschrieben: Sie führen zu ursprünglichem Verstehen. Gewissermaßen in der Nachfolge Martin Wagenscheins werden Möglichkeiten eines sinnlichen, entschleunigten Physikunterrichts skizziert.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
11. Neue Medien und Multimedia
Zusammenfassung
Der Begriff „neue Medien“ wird relativ unscharf gebraucht. Er umfasst Computer und Internet mit Anwendungen wie Teleshopping, Hypertext, virtuellen Schulen und Seminaren, u.s.w. Ein zweiter Bereich sind digitale Bild- und Tonmedien mit neuen Verfahren zur Datenkompression (z.B. MP3). Im Vergleich zu klassischen Medien bietet der erste Bereich einen schnelleren Zugriff auf aktuelle Informationsquellen und ermöglicht Interaktivität bei der Nutzung. Die zweite Kategorie erreicht verbesserte Bild- und Tonqualitäten gegenüber älteren Techniken. Neue Medien verlangen aber auch neue Arbeitstechniken, angefan-gen bei der Bedienung von Geräten und Benutzeroberflächen über Nutzungsstrategien (z.B. Suchen und Finden im Internet) bis hin zur Informationsaufbereitung und -verwertung. Die Didaktik stellt nicht die technischen Möglichkeiten neuer Medien in den Mittelpunkt, sondern die potenziellen Beiträge zum Lernen, aber auch mögliche Schwierigkeiten beim Einsatz. Betrachten wir das Informationspotenzial neuer Medien. Allein das Internet stellt ein enormes Angebot bereit; andererseits ist es nicht immer einfach, aus dem „Datenmeer“ wirklich hilfreiche Lernmaterialien zu „fischen“. Ein zweiter Aspekt ist die Multimedialität: Information wird über verschiedene Träger, Kanäle und in verschiedenen Darstellungen angeboten (und das interaktiv). Die Information muss aber auch von den Lernenden verarbeitet werden. Damit sind die zentralen Themen ausgewiesen, die im folgenden genauer behandelt werden: Erstens der Umgang mit den neuen Möglichkeiten zur vielfältigen, multiplen Darstellung und Präsentation von Wissen an Computer und Multimedia und zweitens die Arbeit mit der neuen Datenflut und Datenkultur, was ihre Aufbereitung und Strukturierung zu attraktiven Informationsangeboten beinhaltet.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler

Moderne Teilgebiete des Physikunterrichts

Frontmatter
12. Quantenphysik
Zusammenfassung
Die Quantenphysik hat unsere naturwissenschaftliche Weltsicht seit dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts stark verändert. Sie ist unentbehrliche Grundlage vieler Teildisziplinen der modernen Physik. Die moderne Chemie, Biologie und Medizin wären ohne Quantenphysik nicht vorstellbar. Leider ist die Quantenphysik aber auch besonders unanschaulich und deshalb für Schüler schwer zu erfassen. Die experimentellen Ergebnisse können in der Regel nicht mit klassischen Vorstellungen erklärt werden. Ein bekanntes Beispiel dafür sind Photonen oder Elektronen. Weder verhalten sie sich wie klassische Teilchen, noch wie klassische Wellen, es gibt keine Objekte aus unserer Erfahrung, die solche Eigenschaften aufweisen. Untereinander jedoch sind sich all diese „Quantenobjekte“ in vielen Eigenschaften sehr ähnlich. Erstaunlicherweise haben die Väter der Quantenphysik eine Theorie gefunden, welche die Ergebnisse der Experimente mit Quantenobjekten sehr gut beschreibt. Ihre theoretischen Vorhersagen stimmen mit den Messergebnissen auf bis zu 8 gültige Stellen überein. Diese Quantentheorie ist jedoch eine abstrakte mathematische Theorie. Die zugrunde liegende Mathematik der Hilberträume mit den komplexwertigen Zahlen kann in der Schule nicht vorausgesetzt werden. Die Unanschaulichkeit der Phänomene und die mathematische Schwierigkeit der Theorie lassen oft die Frage aufkommen, ob die Quantenphysik einen Platz an der Schule haben soll. Welche Inhalte der Quantenphysik sind für unsere Schüler bildend? Welche Inhalte können überhaupt vermittelt werden? Dazu müssen folgende Fragen beantwortet werden: Welche quantenphysikalischen Phänomene können in der Schule gezeigt werden? Über welche in der Forschung durchgeführten Experimente, die typische Eigenschaften der Quantenphysik zeigen, sollte man berichten? Können Teile der Quantentheorie schülergerecht elementarisiert werden? Welche Vorstellungen und welche begrifflichen und mathematischen Werkzeuge stehen den Schülern zur Verfügung, um Vorhersagen für Quantenexperimente zu machen?
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
13. Elementarteilchenphysik in der Schule
Zusammenfassung
Die Elementarteilchenphysik, hat in den letzten Jahren durch Forschungserfolge und auch durch die Vergabe von Physik-Nobelpreisen in den Jahren 1999, 2002 und 2004 an Teilchenphysiker auf sich aufmerksam gemacht. Sogar die breite Öffentlichkeit hat davon Kenntnis genommen. Wie bei anderen modernen Teilbereichen der Physik wird auch die Teilchenphysik im Physikunterricht an Schulen oft nur randständig behandelt. Ein Grund hierfür ist, dass die Teilchenphysik, bezogen auf das heute geltende, so genannte Standardmodell, ein relativ junger Teilbereich der Physik ist. Ihren Siegeszug trat sie im Prinzip so richtig erst in der Nachkriegszeit, den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts an. Große Durchbrüche gelangen in den 70er Jahren, wobei es bis heute spannend geblieben ist, nach den Antworten auf die zentralen Fragen der Teilchenphysik zu suchen. Ein zweiter Grund ist, dass die Teilchenphysik kaum Möglichkeiten bietet, Experimente im Physikunterricht durchzuführen. Daran wird sich wohl auch nichts ändern. Eine Unterrichtssequenz zur Teilchenphysik wird sich, z.B. vom Unterricht zur Mechanik, alleine auf Grund der fehlenden Experimente deutlich unterscheiden. Weiterhin sind viele Erkenntnisse der Teilchenphysik in dem Sinne „sehr schwer“, weil sie umfangreiche Vorkenntnisse aus der Physik und der Mathematik voraussetzen. Dennoch gibt es Möglichkeiten, Inhalte schülergemäß zu elementarisieren. Im Falle der Teilchenphysik gelingt dies auf breiter Front, weil sehr viele Inhalte, insbesonde-re das vereinfachte Standardmodell (Übersicht über die Elementarteilchen und die vier fundamentalen Wechselwirkungen) zunächst ohne quantenmechanische Formalismen in sehr anschaulicher und dennoch anspruchsvoller Weise vermittelt werden können. Der folgende Beitrag ist zweigeteilt. Zunächst soll ein elementarisierter Überblick über die fachphysikalischen Grundzüge der Teilchenphysik wie das Teilchenmodell und die fundamentalen Wechselwirkungen (Kräfte) gegeben werden. Dies soll auch mögliche Inhalte für eine spätere Behandlung im Physikunterricht aufzeigen. Im zweiten Teil werden Vorschläge gemacht, an welchen Stellen und in welcher Form die Teilchenphysik im Physikunterricht vermittelt werden kann.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
14. Astronomie im Physikunterrichts
Zusammenfassung
Die Astronomie stand am Anfang der wissenschaftlichen Beschäftigung des Menschen mit seiner Umwelt. Die langfristige Beobachtung des Himmels und seiner Veränderungen führte zu der Entdeckung von Regelmäßigkeiten und zu dem Versuch, sie sich kalendarisch und astrologisch nutzbar zu machen. Bei den Griechen führten diese Erfahrungen zur Entwicklung mathematischer und geometrischer Modelle, deren Eigenschaften weit über die beobachteten Phänomene hinausgingen. In der beginnenden Neuzeit bildete die Schwierigkeit, die Bewegungen der Planeten genauer zu beschreiben und vorherzusagen, den Ausgangspunkt für die Überwindung der Vorstellung von der Erde als Mittelpunkt der Welt und für die Entwicklung der modernen Naturwissenschaft. Galileis Trägheitsgesetz und die von Newton aufgestellten Bewegungsgesetze, die die grundsätzliche Kluft zwischen Himmel und Erde aufhoben, wären ohne das Streben, das Planetenproblem zu lösen und damit die Stellung der Erde und des Menschen in der Welt neu zu definieren, undenkbar geblieben. Auch heute steht die Astronomie, insbesondere die moderne Kosmologie, an der Spitze aktueller naturwissenschaftlicher Fragestellungen und Entwicklungen, z.B. in der Hochenergiephysik. Die Bilder, die moderne Teleskope „vom Himmel holen“, finden große öffentliche Aufmerksamkeit. Sie werden heute, trotz aller scheinbaren Unveränderlichkeit des Himmels, als Abbildungen von Vorgängen heftigster Dynamik interpretiert, die in unvorstellbaren Entfernungen – und vor unvorstellbar langer Zeit! – stattgefunden haben und immer noch stattfinden. Die Behandlung astronomischer Themen im Schulunterricht, die aus diesen Gründen auf großes Interesse bei den Schülern stößt, ist allerdings mit spezifischen Problemen verbunden: Die Untersuchungsgegenstände sind so weit entfernt und von so großen Ausmaßen, dass im Allgemeinen naturwissenschaftliche Experimente, also die gezielte Manipulationen der untersuchten Objekte nicht möglich und die Menschen deshalb auf die Rolle passiver Beobachter beschränkt sind.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
15. Chaos und Strukturbildung
Zusammenfassung
Die nichtlineare Physik hat sich in wenigen Jahrzehnten zu einem etablierten Forschungsbereich entwickelt. Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass die Beschränkung auf lineare Zusammenhänge, wie sie für die klassische Physik aber auch für die Quantenmechanik typisch ist, zahlreichen Phänomenen und Problemen nicht gerecht wird. Strukturbildung, Komplexität, Selbstorganisation, Chaos, Fraktale... das sind nur einige Themenbereiche der modernen Naturwissenschaften, die sich nur mit Hilfe der nichtlinearen Physik beschreiben lassen. Auch die Schulphysik ist davon nicht unberührt geblieben. Neuere Lehrpläne (Schwarzenberger et al. 2005), Schulbücher (z.B. Boysen et al. 2000) und Zeitschriften (z.B. UP 2006) schlagen Zugänge zur nichtlinearen Physik vor. In entsprechenden Lernprozessstudien wurden unterschiedliche Ansätze für den Physikunterricht erprobt und evaluiert (vgl. z.B. Komorek 1998; Korneck 1998, Bell 2003). Ohne eine tiefergehende Bewertung vornehmen zu wollen, sprechen für die Aufnahme von Elementen der nichtlinearen Physik in der Schule zumindest folgende Argumente: Durch die Auseinandersetzung mit Problemen der nichtlinearen Physik besteht die Möglichkeit, die Schulphysik näher an die aktuelle Forschung und an interessante Probleme der wissenschaftlich-technischen und natürlichen Welt heranzubringen. Bislang ausgeklammerte Fragen wie etwa: Wie kommt es zur selbstorganisierten Entstehung, Aufrechterhaltung und Stabilisierung komplexer Systeme (Strukturen) in der belebten und unbelebten Natur? Wie lassen sich solche Strukturbildungsvorgänge modellhaft erfassen? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Form und Funktion komplexer Systeme? Inwieweit lässt sich das Verhalten komplexer Systeme vorhersagen? können an einfachen Beispielen zugänglich gemacht werden.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
16. Wege in die Nanowelt
Zusammenfassung
Anders als bei den großen technologischen Revolutionen der Vergangenheit sind es heute eher die kreativen Ideen im Kleinen, die bedeutsame Innovationen vorantreiben. Mit Techniken der Mikrostrukturierung lassen sich Systeme im Mikrometer-Bereich mit vielfältigen elektronischen, mechanischen, optischen oder fluidischen Funktionen schaffen. In der Nanotechnologie erreicht die Miniaturisierung ihre molekulare und atomare Grenze. Während Mikrosysteme noch analog zu geeignet verkleinerten klassischen Makrosystemen arbeiten, kommt es auf der Nanometer-Skala vor allem aufgrund quantenmechanischer Effekte zu neuen Eigenschaften, die nunmehr technologisch erschlossen werden. Die Nanowissenschaft gilt als die Schlüsseldisziplin des 21. Jahrhunderts. Als Querschnittswissenschaft vereinigt sie Grundlagen aus Physik, Chemie und Biologie. Die Erwartungen sind hoch: Mit Erkenntnissen aus der Nanowelt lassen sich viele bestehende Technologien verbessern und verlässlicher, effizienter und ressourcenscho-nender gestalten. In der Computertechnik verspricht man sich von der Verkleinerung in den Nano-Bereich und der Nutzung von Quanteneffekten einen gigantischen Sprung der Rechenleistung. In den Lebenswissenschaften ermöglichen Nano-Werkzeuge ein besseres Verständnis komplexer biologischer Prozesse. Das Lernen von der Natur erreicht auf der Ebene von Nanomaschinen und -systemen eine neue Qualität. Es wird die Biotechnologie und die Medizin verändern, aber auch zu neuen Entwicklungen in ganz anderen Bereichen führen, etwa zu biologisch inspirierten Materialien mit intelligenten, adaptiven Eigenschaften. All diese beispielhaften Entwicklungen bergen neben faszinierenden Potenzialen auch Risiken. Die Nanotechnologie wird unsere Lebenswelt ebenso verändern, wie es derzeit bereits geschieht, angetrieben durch die Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie. Der aufgeschlossene, mündige, wissenschaftliche gebildete Bürger ist gefragt, der die Chancen von Innovationen nutzt und ihre Risiken abwägt. Dementsprechend bestehen große Herausforderungen an das schulische sowie das lebenslange Lernen.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler

Aktuelle Beiträge zur Physikdidaktik

Frontmatter
17. Mädchen im Physikunterricht
Zusammenfassung
Das Fach Physik ist für viele Mädchen mit Abstand das unbeliebteste Fach, für einige sogar ein „Horrorfach“. Wenn es die Möglichkeit gibt, Physik abzuwählen, dann entscheiden sich viele Mädchen bewusst gegen die Physik (z.B. Zwiorek 2006). In Physik-Leistungskursen sind Mädchen nach wie vor mit etwa 10% klar unterrepräsentiert und nur wenige wählen Berufe oder Studiengänge im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Das frühzeitige Abwenden von der Physik führt u.a. dazu, dass viele Mädchen zu einem wichtigen Teil unserer Kultur keinen Zugang finden, bei gesellschaftlich wichtigen Fragen nicht mitreden können und im Hinblick auf ihre persönliche und berufliche Entwicklung ein schmaleres Spektrum an Möglichkeiten haben als viele Jungen. Schon zu Beginn der 80er Jahre wurde diese Problematik in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit gerückt. Für Anhänger der Frauenbewegung war die Situation der Mädchen im Physikunterricht ein besonders deutliches Beispiel für die Benachteiligung von Mädchen im Bildungssystem (z.B. Spender 1985). Eine stärkere Förderung der Mädchen in Naturwissenschaften und Technik sollte ihnen nicht nur mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt einräumen, sondern auch eine Basis für private und politische Entscheidungen bereitstellen und ihnen so zu mehr Emanzipation und Gleichberechtigung verhelfen. Angesichts eines sinkenden Images der Naturwissenschaften und eines zunehmenden Mangels an Fachkräften im naturwissenschaftlich-technischen Bereich sind aber auch wirtschaftliche Interessen bei der Mädchenförderung nicht zu übersehen (vgl. Muckenfuß 1995). Neuere Untersuchungen zum Thema „Mädchen und Physik“ machen noch ein weiteres Motiv deutlich, sich mit der besonderen Situation der Mädchen im Physikunterricht auseinander zu setzen. Die Untersuchungsergebnisse bestätigen nämlich, dass eine Orientierung des Unterrichts an den Mädchen auch den Jungen zugute kommt und eine Qualitätssteigerung des Physikunterrichts insgesamt bedeutet. Wagenschein hat dies vor vielen Jahren bereits in der griffigen und häufig zitierten Formulierung zusammengefasst: „Wenn man sich nach den Mädchen richtet, ist es auch für Jungen richtig, umgekehrt aber nicht“ (Wagenschein 1965, 350). In den letzten Jahren ist ein entsprechender Wandel in der Auseinandersetzung mit dem Thema „Mädchen und Physik“ zu beobachten. Der Blick ist nicht mehr auf Defizite auf Seiten der Mädchen gerichtet, die es zu beheben gilt, sondern auf Defizite des Physikunterrichts, für die das Desinteresse der Mädchen ein Indikator ist (vgl. Muckenfuß 1995, 58).
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
18. Alltagsvorstellungen und Physik lernen
Zusammenfassung
Wenn Schülerinnen und Schüler in den Sachunterricht oder in den Physikunterricht hinein kommen, so haben sie in der Regel bereits in vielfältigen Alltagserfahrungen tief verankerte Vorstellungen zu Begriffen, Phänomenen und Prinzipien entwickelt, um die es im Unterricht gehen soll. Die meisten dieser Vorstellungen stimmen mit den zu lernenden wissenschaftlichen Vorstellungen nicht überein. Hier liegt eine Ursache vieler Lernschwierigkeiten. Die Schüler verstehen häufig gar nicht, was sie im Unterricht hören oder sehen und was sie im Lehrbuch lesen. Lernen bedeutet, Wissen auf der Basis der vorhandenen Vorstellungen aktiv aufzubauen. Der Unterricht muss also an den Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler anknüpfen und ihre Eigenaktivitäten fordern und fördern. Er muss darüber hinaus für die wissenschaftliche Sicht werben, d.h. die Schü-ler davon überzeugen, dass diese Sicht fruchtbare neue und interes-sante Einsichten bietet.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
19. Neue Medien unter lernpsychologi-schen Aspekten
Zusammenfassung
Mayer (2002) definiert multimediales Lernen über das vielschichtige Informationsangebot: Multimediale Lernprozesse vollziehen sich dann, wenn ein Lernender aus dargebotenem Wort- und Bildmaterial mentale Repräsentationen aufbaut. Wortmaterial kann gedruckten oder gesprochenen Text beinhalten, Bildmaterial statische Abbildungen (Photos, Zeichnungen, Diagramme, Figuren, ...) sowie dynamische Abbildungen (Video, Animationen). Bei Issing & Klimsa (1995), Weidenmann (1997) oder Schnotz et al. (2000) werden technische, sensorische und semiotische Aspekte unterschieden. Technisch gesehen kommen verschiedene Systeme als Informationsträger zum Einsatz. Auf sensorischer Ebene werden mehrere Sinne angesprochen und aus semiotischer Sicht werden unterschiedliche Zeichensysteme wie Texte, Abbildungen, Diagramme usw. verwendet. Die Begriffe Multimodalität (Integration verschiedener Sinnesbereiche), Multicodierung (Darstellung in verschiedenen Codesystemen) und Interaktivität beschreiben besondere Stärken neuer Medien. Sie sind der Ausgangspunkt unserer Betrachtungen. Im zweiten Abschnitt werden deshalb Theorien zum Lernen mit Multimedia vorgestellt und im dritten Abschnitt wird auf die besonderen Anforderungen eingegangen. Der vierte Abschnitt befasst sich dann mit weiteren lernpsychologischen Überlegungen und Untersuchungen, aus denen sich Leitlinien für ein Lernen mit Multimedia, insbesondere bei komplexen Themen, ableiten lassen.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
20. Standards und Physikaufgaben
Zusammenfassung
Aufgaben sind ein wesentliches Element naturwissenschaftlichen Unterrichts. Als Lernaufgaben strukturieren sie den Unterricht, ihr Einsatz und ihre Gestaltung als Testaufgaben ermöglichen der Lehrkraft eine Diagnose des Leistungsniveaus in der Klasse. Passend zu einer Diagnose kann die Lehrerin oder der Lehrer Fördermaßnahmen planen und einsetzen, meist wieder in Form von Lernaufgaben. Über Unterricht hinaus werden Tests auch genutzt, um Leistungen von Klassen, Schulen und Schulsystemen zu vergleichen. Solche Vergleiche finden durch Vergleichsarbeiten, Lernstandserhebungen oder internationale Studien statt, wie das Programm for International Student Assessment (PISA). Ihr Ziel ist die Sicherung und Entwicklung von Standards naturwissenschaftlichen Wissens für Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs oder eines Schulabschnitts. Aufgaben aller Art haben daher einen großen Einfluss auf die Unterrichtsqualität. Allerdings sind je nach Einsatzbereich unterschiedliche Merkmale der Aufgabe relevant. Dieser Beitrag bietet einen Überblick über die verschiedenen Merkmale und Einsatzmöglichkeiten von Physikaufgaben.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
21. Professionswissen und Fortbildung von Physiklehrern
Zusammenfassung
In den Erziehungswissenschaften und den Fachdidaktiken wird immer wieder über Lehreraus- und weiterbildung diskutiert, und es werden Standards entwickelt, die das für Unterricht vermeintlich notwendige Wissen beschreiben. Zentrale Frage ist dabei, welches Wissen benötigt wird und wie es wirksam werden kann, damit Schülerinnen und Schüler im Unterricht erfolgreich lernen können. Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, da die Verbindung zwischen dem Wissen einer Lehrperson und den Handlungen nur schwer durch Forschung abzubilden ist. Das Wissen selbst ist dagegen einfacher zu erfassen. Es ist u.a. von Shulman (1986; 1987) kategorisiert worden. Er unterteilt das Professionswissen einer Lehrperson in sieben Bereiche, von denen drei (Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und pädagogisches Wissen) aktuelle Themen unterrichtlicher Bildungsforschung sind. Das Handlungswissen ist bisher nicht empirisch bear-beitet worden, allerdings geht Wahl (2002) von einem Unterschied zwischen Professionswissen und im Unterricht aktivierbarem Wissen der Lehrpersonen aus. Um beurteilen zu können, welches Professionswissen zu gutem Unterricht führt, reicht es allerdings nicht aus, nur dieses Wissen zu betrachten, beurteilbar wird es erst im Kontext eines Modells oder Konzepts von Unterrichtsqualität. Die in ein Modell für Unterrichtsqualität eingebundenen Bereiche Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und pädagogisches Wissen und ein Überblick über geeignete Fortbildungsmaßnahmen werden im Folgenden dargestellt.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
22. Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung – nach „Bologna“ und PISA
Zusammenfassung
In die Kulturhoheit der Bundesländer fallen auch alle wesentlichen Entscheidungen im Bereich der Lehrerbildung. Ähnlich wie auf dem Feld der Schule gibt es eine große Vielfalt inhaltlicher und organisatorischer Konzepte, die jeweils landesspezifische Ausprägungen besitzen und nur durch Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK) ein Minimum an Vergleichbarkeit erhalten. In dieser Situation macht es keinen Sinn, in einer Übersichtsdarstellung den vielfältigen Verästelungen im Detail zu folgen, vielmehr kann es nur die Aufgabe sein, Tendenzen zu identifizieren und das Gemeinsame der gerade stattfindenden Reformen hervorzuheben. Interessenten an bundeslandspezifischen Bedingungen der Lehreraus und -fortbildung werden nicht umhin können, regionale Informationsquellen hinzuzuziehen. Der folgende Text berichtet ausführlich über die Reformen in der ersten Phase der Lehrerausbildung, und zwar sowohl über die allge-meinen organisationsstrukturellen als auch über die physikbezogenen inhaltlichen Veränderungen in den Lehramtstudiengängen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Lehrerfortbildung, da auch in die-sem Bereich Entwicklungen zu beobachten sind bzw. noch erwartet werden können.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
23. Modellbegriff und Modellbildung in der Physikdidaktik
Zusammenfassung
Modelle spielen in der Physik und im Physikunterricht eine wichtige Rolle. Was vesteht man unter dem Begriff „Modell”? Der Modellbegriff wird unter Berücksichtigung von physikdidaktischen, erkenntnis- und wissenschaftstheoretischen Auffassungen so festgelegt, dass er in der Physikdidaktik Relevanz besitzt. Darüber hinaus soll das Lernen der Physik in diesem Begriff abgebildet werden. Daher muss das lernende Subjekt berücksichtigt, das heißt in den Modellbegriff miteinbezogen werden. Formal betrachtet besteht eine große Ähnlichkeit zum kybernetischen Modellbegriff (Klaus 19712). Aber die Interpretationen der Beziehungen zwischen dem Modell M und dem Objekt O und zwischen Modell M und Subjekt S unterscheiden sich wesentlich von dem kybernetischen Modellbegriff. „Physik lernen” bedeutet hier „physikalische Modellbildung” durch die Schüler. Aber wie müssen die Modelle beschaffen sein, mit denen die Schüler beginnen? Was bedeuten Modelleigenschaften wie „Anschaulichkeit” und „Einfachheit”? Die Diskussion solcher Begriffe will mehr erreichen als nur deren unterschiedliche Bedeutung in den Wissenschaften aufzuweisen. Am Beispiel der Modellbildung sollen Probleme des Physiklernens und Physiklehrens transparenter werden.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
24. Über die Natur der Naturwissenschaften lernen
Zusammenfassung
1. Vor allem in Zeiten von naturwissenschaftlichen Revolutionen, die das bestehende naturwissenschaftliche Weltbild ändern, wird nicht nur von Philosophen, sondern auch von Naturwissenschaftlern insbesondere von Physikern nach dem Verhältnis von Physik und Metaphysik gefragt: Wie verhalten sich die von den Physikern entworfenen „Bilder“ zu den Dingen, die diese Bilder darstellen sollen? Was ist ein „Ding“, was ein physikalisches Objekt? Sind physikalische Theorien Abbilder der Wirklichkeit? Können wir die Wirklichkeit überhaupt erkennen? Sind die entworfenen Bilder nur Metaphern, weil das „Ding an sich“ grundsätzlich unerkennbar bleibt? „Was ist die Wahrheit der Physik?“ fragt nicht nur v. Weizsäcker (1988, 15). Die Philosophiegeschichte ist voller heterogener, sich zum Teil widersprechender Antworten auf solche Fragen. Ist damit die Geschichte der Philosophie ein notwendiger erkenntnistheoretischer Bestandteil von „Über die Natur der Naturwissenschaften lernen“? Die Frage ist eher mit nein zu beantworten; wichtiger ist die Geschichte der Naturwissenschaften (s. Höttecke 2001). 2. Bevor ich auf Gesichtspunkte für die Auswahl von derzeit didaktisch sinnvollen Erkenntnistheorien eingehe, werden zunächst zwei Fragenkomplexe formuliert: Naturwissenschaftlicher Fragenkomplex: Gibt es Erkenntnistheorien, die in der Geschichte der neuzeitlichen Naturwissenschaften eine besondere Rolle gespielt haben? Gibt es einen Zusammenhang zwischen Problemen (z.B.) der modernen Physik und diesen Erkenntnistheorien, etwa bei der Interpretation der Quantentheorie? Sind naturwissenschaftliche Theorien wahr? Didaktischer Fragenkomplex: Welche Ziele werden mit erkenntnistheoretischen Aspekten im naturwissenschaftlichen Unterricht verfolgt? Kann man im Unterricht erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Fragen sinnvoll trennen? Kann man sich auf nur eine Erkenntnistheorie beschränken? Welche Rolle spielen hermeneutische Verfahren? Was bedeutet „Naturwissenschaften verstehen“ im Lichte verschiedener Erkenntnistheorien? Ist „über die Natur der Naturwissenschaften lernen“ auf die gymnasiale Oberstufe beschränkt?
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
25. Schülerlabore: Lernen durch Forschen und Entwickeln
Zusammenfassung
Schülerlabore haben sich mittlerweile als wirksame außerschulische Instrumente zur Förderung naturwissenschaftlicher Bildungsprozesse etabliert. Die Labore bieten vielfältige Lernanreize und komplementäre Möglichkeiten zur Anreicherung und Ergänzung des Unterrichts vor allem in Bezug auf authentische, lebensweltbezogene naturwissenschaftlich-technische Themenfelder und Arbeitsweisen. Die Angebote zum Lernen durch Experimentieren erweisen sich für die Breiten- ebenso wie für die Spitzenförderung als bedeutsam. Über eine verbesserte Vernetzung mit der Schulpraxis und der Lehrerbildung bieten die Labore weiter gehende Potenziale für Entwicklung der Qualität von Lehr- und Lernprozessen. Insbesondere verstärken sie die Rolle des erfahrungsbasierten Lernens.
Ernst Kircher, Raimund Girwidz, Peter Häußler
Backmatter
Metadaten
Titel
Physikdidaktik
herausgegeben von
Ernst Kircher
Raimund Girwidz
Peter Häußler
Copyright-Jahr
2010
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-01602-8
Print ISBN
978-3-642-01601-1
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-01602-8

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