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2012 | OriginalPaper | Buchkapitel

8. Self-made Experts?

Medien (und ihr Publikum) als eigenständige Sicherheitsexperten

verfasst von : Carina Jasmin Englert

Erschienen in: Tat-Ort Medien

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Zusammenfassung

In einer Gesellschaft, in der sich Wissen zu einem immer wichtigeren Gut entwickelt hat und die sich mittlerweile als ‚Wissensgesellschaft‘ (vgl. Stehr und Grundmann 2010) bezeichnen lässt, nimmt auch die Expertise einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Nicht nur der Umfang des Wissens in einer Gesellschaft nimmt stetig zu, sondern auch der Inhalt des gesellschaftlichen Wissensvorrates ist einer ständigen Veränderung unterworfen (vgl. Stehr und Grundmann 2010, S. 7 ff.). Mit dieser Zunahme gesellschaftlich relevanten Wissens und der Modifikation seines Inhaltes wird es für das einzelne Individuum in einer Gesellschaft immer schwieriger, Relevanzen im eigenen Wissenserwerb zu setzen. Die immer schnellere und immer tiefer greifende Veränderung des Wissens betrifft jedoch nicht nur den Umfang und Inhalt des Wissens, sondern auch die Personengruppen, die einst erste Ansprechpartner für Laien waren, um mit ihrem Wissen dem Individuum mit Rat zur Seite standen: den Experten. Noch vor gut vier Jahrzehnten unterstützte bspw. der Gemeindepfarrer Familien bei der Lösung sozialer Probleme – heute hilft z. B. Vera Int Veen in ihrer Reality-Show Verzeih mir auf RTL (zur Tradition dieser Sendung siehe Reichertz 2000). In ‚unsicheren Zeiten‘ (vgl. Soeffner 2010) und ‚dynamischen Gesellschaften‘ (vgl. Häuser et al. 2001), in denen sich eine Entgrenzung gesellschaftlicher Ordnung vollzieht, sucht das Individuum mehr denn je nach Halt und Orientierung. In dieser Zeit der Entgrenzung gesellschaftlicher Ordnung treten ‚traditionelle‘ Institutionen immer mehr in den Hintergrund, weil sie aus finanziellen, organisatorischen oder strukturellen Gründen in ihrem Handeln eingeschränkt werden und hinterlassen eine institutionelle Leerstelle in der Gesellschaft (vgl. auch Reichertz 2000). In diese Leerstelle scheinen zunehmend die Medien als Akteure zu treten, die dem Individuum Orientierung bieten und als Referenzpunkte für normgerechtes Handeln fungieren.

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Fußnoten
1
Unter dem Terminus ‚korporierter Akteur‘ werden ‚Medienmacher‘, wie z. B. Zuständige für Schnitt und Bühnenausstattung, Regisseure und Kameraleute zusammen gefasst, und damit die konkreten Personen, denen die Handlungen nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera in einer Fernsehsendung zugerechnet werden können. Der Terminus ‚korporierte Akteure‘ orientiert sich auch an den Ausführungen von Ortmann, der unter ‚korporativen Akteuren‘ nicht nur einzelne Individuen, sondern auch Organisationen versteht (vgl. Ortmann 2010, S. 63) (vgl. Englert und Roslon 2011, S. 152).
 
2
Ein Beispiel für solch eine Form eines Medienexperten ist der Kriminalbiologe Mark Benecke, der u. a. in Fernsehsendungen, wie TV-Total auf Pro7 oder Autopsie – Mysteriöse Todesfälle auf RTL 2 zu sehen ist.
 
3
Zu solch einer Intervention kam es 2011 im Falle der Sendung Die Super-Nanny als Katja Saalfrank sich dazu entschloss, nicht mehr an den Dreharbeiten zur Sendung teilzunehmen und das Reality-TV-Format nicht fortgesetzt wurde.
 
4
In Nordrhein-Westfalen erfolgt die Fort- und Ausbildung der Polizeipressesprecher am Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen (LAFP NRW) in Münster statt (vgl. hierzu auch Böhm und Englert in diesem Band.).
 
5
Das Phänomen, dass Akteure aus den Medien zu Experten für unterschiedliche Themen werden, ist nicht neu. Bereits 1992 wird Linda De Mol zur Wedding-Planerin in der Sendung Traumhochzeit auf RTL (ausführlich dazu Reichertz 2000). Diese Sendung wird seit 2008 nicht mehr gesendet, aber es folgte die nächste: Frank der Wedding-Planer auf RTL 2 hat die Aufgabe übernommen, zukünftige Ehepaare in der Planung ihrer persönlichen Traumhochzeit zu unterstützen. Neu ist allerdings die Qualität dieses Expertentums. Die von den Medien ausgewiesenen Experten aus eigenen Reihen greifen aktiv in bestimmte Diskurse, insbesondere auch in den der Inneren Sicherheit, ein.
 
6
Eines der bekanntesten Beispiele ist hier u. a. Günther Wallraff, der seit den 1960er Jahren insbesondere investigativ tätig ist.
 
7
Besondere Aufmerksamkeit in den Medien erregte z. B. die Festnahme eines demonstrierenden Studenten, dem Torsten Heim angeblich auf der Wache Gewalt angetan haben soll (vgl. DerWesten 2011).
 
8
Eine Teilnahme an dem Aus- und Fortbildungsangebot des LAFP NRW in Münster ist bisher allerdings keine Pflichtvoraussetzung, um als Pressesprecher in einer Polizeibehörde tätig werden zu können.
 
9
Die nachstehenden Erläuterungen gehen zu großen Teilen auf die Forschungsarbeit im Projekt von Stefanie Böhm zurück, der ich an dieser Stelle zu Dank verpflichtet bin, dass sie mir ihre umfangreichen Feldnotizen zur Verfügung gestellt hat (vgl. hierzu auch Böhm 2010).
 
10
Die folgenden Erläuterungen stellen lediglich eine Quintessenz einer ausführlichen hermeneutisch-wissenssoziologischen Videoanalyse dar. Siehe auch Kapitel 6.​3.​7.
 
11
Diese ‚Floskel‘ taucht auch in einem Beitrag des Handelsblatt auf, die es als ‚Markenzeichen‘ der Sendung inszeniert: http://​www.​handelsblatt.​com/​panorama/​kultur-literatur/​aktenzeichen-xy-ungeloest-xy-sachdienliche-hinweise/​2799394.​html. Siehe auch Kapitel 6.​3.
 
12
Die Polizei bleibt in dieser Beziehung (zumindest zunächst) außen vor, da Leischik erst nach dem Ausspruch „Bitte wenden Sie sich an uns, wenn Sie sachdienliche Hinweise haben“ erst an zweiter Stelle – in einem Nebensatz – überhaupt die Polizei nennt und sagt „Diese werden selbstverständlich vertraulich behandelt. Hinweise bitte an die Polizei Bielefeld“.
 
Metadaten
Titel
Self-made Experts?
verfasst von
Carina Jasmin Englert
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-19457-8_8