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10.04.2014 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Hannover Messe 2014: Warum kommt E-Mobilität nicht in Fahrt?

verfasst von: Markus Schöttle

5:30 Min. Lesedauer

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Besucher der Hannover Messe Industrie, die sich im Themenfeld Elektromobilität der Mobilitec-Halle 27 über Hybrid- und E-Fahrzeuge und deren Technikinnovationen erkundigen wollen, werden enttäuscht. Denn die Autos und Zulieferer fehlen.

So ganz ging das Mobilitec-Konzept, das mit der Autoindustrie fest rechnete, auch in den stärkeren Vorjahren nicht auf. Energie- und Infrastrukturlösungen überwiegen in diesem Jahr mehr als zuvor. Teilweise visionäre Brennstoffzellentechnologien sind stärker vertreten als Techniken, die heute und in drei Jahren Elektro- und Hybridfahrzeuge preiswerter, effizienter und intelligenter machen sollen.

Firmen wie Siemens oder die sonst so treuen Mobilitec-Mittelständler wie Wittenstein fehlten in Halle 27, sie stellen in anderen Hallen der Hannover Messe Industrie (HMI) aus. Tier-1-Zulieferer wie Bosch und Continental sind extrem unterrepräsentiert. Verbände und die Schaufensterprojekte der Bundesregierung sowie Landesvertretungen spannen den Bogen über die miteinander zu vernetzenden Themen der Elektromobilität. Automobile wie der Porsche Panamera Plug-in-Hybrid oder der BMW i3 dienen lediglich als Showcars. Die Präsentationen der Institutionen sind zwar eindrucksvoll, doch sie treffen wie viele andere Mobilitec-Ausstellungen nicht den Nerv dessen, was die Automobilindustrie derzeit umtreibt. „Wir betreiben das Thema E-Mobilität in Deutschland zu akademisch“, diese Aussage kommt von einigen Diskussionspartnern der ATZ-Redaktion auf der HMI. Über dieses Stadium kommt selbst das größtenteils sehr gut geführte Diskussionsforum auf der Messe nicht hinaus.

Akademische Herangehensweise

In einer der Diskussionsrunden wies Auke Hoekstra auf den gut funktionierenden Pragmatismus im Aufbau der bereits engmaschigen Ladeinfrastruktur in den Niederlanden hin. Hoekstra arbeitet beim holländischen Energieversorger Alliander als Berater in der Task Force Energietransite IT und räumt auch technische Verbesserungspotenziale ein. Doch der Markt für Elektrofahrzeuge in Holland ist längst hochgelaufen, unter anderem dank der dichten Ladeinfrastruktur.

In Deutschland hingegen müssen die oft nicht betreuten und nicht funktionierenden Ladesäulen "aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden", wie Eon-Vertreterin Tina Zierul formuliert. Das sei aber auch den wenigen in Deutschland fahrenden E-Autos geschuldet.

Andere Länder sind auch aufgrund geeigneter Marktanreize und Incentivierungen weiter. In Deutschland zerbricht man sich darüber hinaus eher den Kopf über Geschäftsmodelle für Ladesäulen und die Vermarktung von E-Fahrzeugen, und kommt nicht wirklich zu einem Ergebnis. Eine einfache Lösung wäre beispielsweise, die Lade- und Abrechnungs-Intelligenz im Fahrzeug mitzuführen, und nicht in einer 3000 Euro teure Ladesäule zu belassen. Davon ließ sich der zuerst skeptische Hoekstra während der Messe von Ubitricity-Mitbegründer Dr. Frank Pawlitschek überzeugen. In letzter Konsequenz ist dies dann wieder die Entscheidung von Automobilherstellern, diese Technik im Auto mitzuführen und später intelligent in der E/E- und Softwarearchitektur zu integrieren. Eigentlich sollten OEM-Vertreter deswegen auf der HMI mitdiskutieren und Zulieferer mit Lösungsvorschlägen in die Präsentation gehen.

Lesen Sie mehr zum Thema Elektromobilität auf politischer Ebene auf Seite 2.

Spiegelbild der Industrie

Das Thema Elektromobilität wird in Deutschland hochgehalten, ein wirkliches starkes nationales Podium in Form einer Leistungsschau für elektrifizierte Automobile gibt es dafür aber nicht - mit Ausnahme der Kongress-Messe eCarTec in München, die mehr automobile Technik zeigt und diskutiert. Doch auch diese im September jährlich stattfindende Veranstaltung mit dem eCarTec-Award, an denen sich unter anderem Autohersteller wie Volkswagen beteiligen, muss sich in Deutschland beweisen.

Der Trend einer ernstzunehmenden Leistungsschau für Elektro- und Hybridfahrzeuge entwickelt sich nur langsam. Gar eine rückläufige Entwicklung sehen Branchenbeobachter. Automobilhersteller integrieren ihre in der Vergangenheit separat ausgewiesenen Elektrifizierungsprogramme in die konventionelle Produktkommunikation. Beispielsweise die vormals direkt unter dem VW-Vorstand positionierte Verantwortung "Leiter Elektromobilität" wird nach der Pensionierung des letzten Amtsinhabers Dr. Rudolf Krebs nicht mehr besetzt.

Bewertet man allein die technischen Potenziale in allen Bereichen eines elektrifizierten Antriebsstrangs, könnte man mehrere Messehallen füllen. So werden die technischen Themen in der Elektromobilität in den Abteilungen der Technologiekommunikation und eines entsprechend sichtbareren Technologiemarketings bei OEMs und Zulieferern nicht deutlich genug gelebt. Selbst ausgewiesene Autoexperten wie der ehemalige Entwicklungsvorstand Professor Dr. Ullrich Seiffert zeigte sich auf dem von ihm begleiteten Braunschweiger Symposium für Hybrid- und Elektrofahrzeuge über die Optimierungsmöglichkeiten von E-Motoren überrascht. Er kündigte neben einer größeren Session für Batterieentwicklungen auch eine eigne Session für elektrische Maschinen an.

Kommunikationsbedarf in den technischen Themen der Elektromobilität seitens der Industrie besteht in Hülle und Fülle, bestätigen mehrere Gesprächspartner der ATZ-Redaktion. Es wäre eine gute Idee, diese mal deutlich zu bündeln und auszuweisen.

Politische Vertreter sind optimistisch

Elektromobilität in Deutschland wird auf politischer Ebene optimistischer gesehen: „Deutschland hat im vergangenen Jahr Japan als führender Anbieter für Elektromobilität überholt und liegt nun knapp hinter den USA, betont Henning Kagermann. Nach den Worten des Acatech-Präsidenten und Vorsitzenden der Nationalen Plattform für Elektromobilität (NPE) zur Eröffnung der Mobilitec 2014 am 7. April 2014 in Hannover sind die gesetzten Ziele der Leitanbieterschaft und des Leitmarkts deshalb in Reichweite. Im kommenden Jahr beginne der Markthochlauf, der nun aufmerksam beobachtet und intensiv begleitetet werden müsse. Besonders wichtig sei dabei der Aufbau einer bedarfsgerechten Infrastruktur. Eine gute Nachricht zur HMI: Die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundeswirtschaftsministeriums Brigitte Zypries übergab die Förderbewilligung für etwa 400 Schnellladesäulen in Deutschland.

Kagermann kommt als Schirmherr der Mobilitec 2014 zu einem optimistischen Zwischenfazit: "Wir haben uns eine gute Ausgangsposition erarbeitet. Anbieterseitig sieht man Deutschland bereits auf einem Spitzenplatz. Allein 16 Elektrofahrzeugmodelle von deutschen Automobilherstellern sind bis Ende des Jahres auf dem Markt."

"Nachfrageseitig müssen wir aber noch zulegen“, betont Kagermann mit Blick auf den 2015 beginnenden Markthochlauf. Daher kommt das von der Bundesregierung angekündigte Elektromobilitätsgesetz zur richtigen Zeit: "Die nächste Phase entscheidet darüber, ob wir einen deutschen Leitmarkt und die Zielmarke von einer Million Fahrzeugen bis 2020 erreichen", erläuterte Kagermann. Anreize wie etwa eine Sonderabschreibungen oder auch freie Parkplätze für E-Autos können aber die Rahmenbedingungen für Elektromobilität in Deutschland deutlich verbessern.

Neben den rechtlichen Rahmenbedingungen entscheidet der bedarfsgerechte und barrierefreie Ausbau der Ladeinfrastruktur über die Marktentwicklung. 95 Prozent der benötigten Ladeinfrastruktur könne laut Prognosen der NPE im privaten und halböffentlichen Bereich aufgebaut werden. Lediglich fünf Prozent werden im öffentlichen Raum benötigt. Damit die Kosten für den Aufbau möglichst gering bleiben, müssen internationale Standards beispielsweise für die Steckersysteme ausgehandelt werden.

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