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18.04.2013 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Oliver Wyman: Studie zu vernetzten Diensten im Auto

verfasst von: Katrin Pudenz

5:30 Min. Lesedauer

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Laut Marktanalysten soll die Penetrationsrate von vernetzten Diensten in Neuwagen bis zum Jahr 2016 weltweit rund 50 Prozent betragen. In Japan, Nordamerika und Westeuropa wird sie sich in den nächsten 15 bis 20 Jahren sogar auf nahezu 100 Prozent entwickeln. Um am Connected-Service-Geschäft der Zukunft entscheidend partizipieren zu können ist laut Oliver-Wyman-Studie Voraussetzung, sich auf die Kernkompetenzen zu besinnen und den Fokus auf die Services mit realistischem Geschäftsszenario zu legen.

Für die Premium-OEMs bedeute dies, ihrer Vorreiterrolle als Systemintegrator auch auf der Ebene der Serviceintegration gerecht zu werden. Vor allem müssen sie bei Fahrzeugsicherheit und After Sales überzeugen und für Commodity-Datendienste schnell die richtigen Zulieferer finden oder Kooperationen eingehen, erläutern die Managementberater eines der Ergebnisse ihrer Studie "Connected Services: Die neuen Chancen der Fahrzeugvernetzung". Ergebnis für die Volumenhersteller wiederum sei, dass sie auf den Schulterschluss mit starken Service- und Plattformanbietern angewiesen seien und lernen müssten, die Zusammenarbeit bei der Servicebündelung zu orchestrieren.

Proprietäre Telematiksysteme mit Einzeldiensten gehören laut Angaben der Managementberatung der Vergangenheit an. Sie hätten Platz für konvergente, komplexe und zunehmend offene Systeme gemacht. Längst gehe es auch nicht mehr darum, das Internet ins Fahrzeug zu bringen, sondern vielmehr das Fahrzeug ins Internet.

Bündelung von Connected Services

In der Studie hat das Beratungsunternehmen sieben Service-Geschäftsfelder identifiziert, die mittelfristig das Fahrzeug erobern sollen und deren Betrieb als Gesamtpaket ein Milliardengeschäft verspreche. Dabei handele es sich um die Themen Sicherheit und Fernwartung, Flottenmanagement, Mobilität, Navigation, Infotainment, Versicherungen sowie Bezahlsysteme.

Notfall- und Sicherheitsdienste werden wie auch Ferndiagnose und Kundendienstleistungen, zum Beispiel Wartungsanzeigen oder automatische Werkstattanbindung, in den nächsten Jahren von starkem Wachstum geprägt sein - nicht zuletzt getrieben durch den ab 2015 vorgeschriebenen Einbau des eCall-Systems in allen in der Europäischen Union verkauften Neufahrzeugen, prognostizieren die Berater. Allein in Europa belaufe sich das Marktpotenzial auf etwa 16 Millionen Stück pro Jahr. Flottenmanagementsysteme sind bereits im Einsatz. Sie werden laut Expertenangaben systematisch in den Massenmakt und in Standardplattformen fließen, mit jeder neuen Fahrzeuggeneration preisgünstiger werden und auch in kleineren Flotten Einzug halten. Mit einer geschätzten volumenmäßigen Zunahme von jährlich 20 Prozent sollen sie im Jahr 2016 auf 5,7 Millionen Stück kommen. Für Mobilitäts- und Infotainmentdienste habe sich durch das vernetzte Fahrzeug ein neuer Vertriebskanal eröffnet. Der wachsende Anspruch der Kunden, über das Telematiksystem auch im Auto immer online zu sein und intermodale Funktionalität zur Verfügung zu haben oder in Form von Car-Sharing Fahrzeuge zu nutzen statt zu besitzen, schaffe hohes Wachstumspotenzial. Noch allerdings sei die Bereitschaft der Nutzer gering, für die angebotenen Dienste zu bezahlen. Navigationsdienste wiederum werden sich evolutionär weiterentwickeln, wie die Autoren erläutern, während mobile Bezahlsysteme noch ganz am Anfang stehen und erst langsam an Dynamik gewinnen. Es gelte, die Akzeptanz sowohl der Nutzer als auch der Geschäftspartner zu erhöhen. Für die Versicherungsbranche ergäben sich je nach Region neue Möglichkeiten in der Produktentwicklung sowie im Kunden- und Unfallmanagement. "Es zeichnet sich ab, dass es für OEMs, Zulieferer und After-Market-Player rund um vernetzte Fahrzeugservices künftig sieben Felder geben wird, Geld zu verdienen", betont Juergen Reiner, Partner bei Oliver Wyman und Autor der Studie. "Gute Chancen hat, wer sich auf seine Kernkompetenzen konzentriert, sich gleichzeitig mit den richtigen Diensten gezielt positioniert und in der Folge ein attraktives Gesamtpaket schnürt."

Auf die eigenen Stärken konzentrieren

Trumpf aller Automobilhersteller seien die bestehenden Kunden sowie die eigenen Fahrzeuge. Künftig liege die vorrangige Aufgabe der Premium-OEMs darin, ihre Innovations- und Integrationshoheit zu bewahren und sich vom System- zum Serviceintegrator weiterzuentwickeln. Dies bedeute, inhaltliche Hoheit zu erlangen und die unterschiedlichsten Services im Auto zu bündeln und zu betreiben. Dabei gelte es eine Vielzahl richtiger Entscheidungen zu treffen, beispielsweise hinsichtlich Plattform, Standards, Content oder Dienste. Dies birgt Risiken, betonen die Berater. Allein auf die falsche Smartphone-Anbindung zu setzen, könne sich negativ auswirken.

Das Gebot der Stunde für Audi, BMW, Mercedes und VW ist es, sich im Servicebereich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Der Fokus muss auf fahrzeugnahe Dienste wie Sicherheit und After-Sales-Services gelegt werden, erläutern die Autoren. Gerade die automatische Werkstattzuführung schaffe Mehrwert, da so Fahrzeug und Marge absichert werden könnten. Wenig Sinn mache es für Premiumanbieter, sich in Eigenregie um Wetter- oder Navigationsdaten oder das Musikstreaming zu kümmern. Hier gelte es, zeitnah die richtigen Partner zu finden oder bestehende Allianzen auszubauen.

Volumenhersteller müssen weiterhin qualitativ gute Fahrzeuge zu bauen, so die Oliver-Wyman-Forscher, und sich Systemintegratoren an die Seite holen, um mit diesen gemeinsam das Service- Gesamtpaket zu schnüren. Dafür müssten die besten Partner und neue Geschäftsmodelle gefunden werden.

Neue Umsatzmodelle

Der Betrieb von vernetzten Diensten im Auto wird neue Vergütungsmodelle erforderlich machen. Derzeit werden dem Endverbraucher viele Dienste unentgeldlich angeboten, um an die wertvollen Nutzerdaten zu gelangen. WAZE, Anbieter von kostenlosen sozialen GPS-und Verkehrsdiensten, habe nun begonnen, Werbeplattformen einzuführen und B2B-Aktivitäten zu unterstützen. Auch Google und eBay verbinden kostenlose, ortsgebundene Suchdienste mit Werbe-, Einkaufs- und Handelsservices. Künftig aber werde auch am Kunden verdient, sagen die Berater voraus. Mithilfe von Abo-Modellen sollen sich mit den richtig geschnürten Servicepaketen einträgliche Geschäfte machen lassen. Berechnungen der Managementberatung zufolge ist der vernetzte Kunde im Jahr mehrere Hundert Euro wert. Ein internetaffiner Fahrer eines Premiumfahrzeugs beispielsweise könne bis zu 500 Euro pro Jahr für Connected Services mobilisieren - in Form von direkter Bezahlung, durch Übertragung seiner persönlichen Bewegungsdaten oder aufgrund veränderten Konsumverhaltens und Umlenken seiner Ausgaben hin zum OEM, zum Beispiel durch automatische Werkstattzuführung. Bereits heute seien Millionen von Kunden bereit, rund 100 Euro im Jahr allein für Internet-Musikstreaming auszugeben. Dies werde sich rasch aufs Auto-Infotainment ausweiten. Weitere relevante Wertquellen seien Provisionen für vermittelte Dienste, Werbung oder Listing Fees.

"Gerade für Premium-OEMs ist der Benefit enorm", betont Matthias Bentenrieder, Partner bei Oliver Wyman und Autor der Studie. "Sie haben das Auto und die Kompetenz als Systemintegrator. Nun gilt es, Gas zu geben, die erforderlichen Lernkurven zu durchlaufen und das Servicebündel an den Kunden zu bringen."

Tipp der Redaktion Automobil- und Motorentechnik:

Lesen Sie hierzu auch "Smart Apps in einem vernetzten (auto)mobilen Umfeld: IT-Security und Privacy".

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