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05.08.2012 | Automobil + Motoren | Nachricht | Online-Artikel

"Vorsicht, ich bremse": Feldversuch zu Car-to-X-Kommunikation in Hessen

verfasst von: Katrin Pudenz

6 Min. Lesedauer

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Von heute an kommunizieren Fahrzeuge untereinander im Rhein-Main-Gebiet. Nach mehrjähriger Forschungsarbeit ist der Startschuss für einen der, wie es heißt, größten Feldversuche zur Fahrzeug-zu-Fahrzeug- und Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation (Car-to-Car und Car-to-X) gegeben worden. Im Rahmen des Forschungsprojekts Simtd (Sichere Intelligente Mobilität - Testfeld Deutschland), dessen Leitung bei Automobilhersteller Daimler liegt, arbeiten 17 Partner daran, den Straßenverkehr mittels Vernetzung und Informationsaustausch sicherer, effizienter und entspannter zu machen. Dafür werden Kommunikationstechniken eingesetzt, die den erfassbaren Bereich eines Fahrzeugs um ein Vielfaches vergrößern sollen, so dass Gefahren erkannt und Fahrer rechtzeitig gewarnt werden können. Mit einer Flottenstärke von 120 Versuchsfahrzeugen werden im Flottentest erstmalig Funktionalität, Alltagstauglichkeit und Wirksamkeit der Simtd-Technik auf Autobahnen, Bundesstraßen sowie städtischen Routen in und um Frankfurt am Main unter realen Bedingungen getestet. Der Feldversuch wird bis Ende des Jahres Im Laufe des Versuchs kommen rund 450 Versuchsfahrer zum Einsatz, berichtet Projektpartner Opel. Während der Testfahrten sollen mehrere Millionen Kommunikationsereignisse generiert werden, bei denen Daten ausgetauscht werden. Die in den Versuchen erhobenen Daten werden in enger Abstimmung mit der Universität Würzburg und der Technischen Universität München analysiert, heißt es weiter aus Rüsselsheim. Dabei würden die Universitäten auch auf die richtige statistische Verteilung der Fahrer und Versuchsrouten achten. Letztere seien in enger Abstimmung mit der Stadt Frankfurt am Main und Hessen Mobil ausgewählt worden. Anlaufstation für alle Feldtest-Fahrzeuge ist ein Versuchsflottenstützpunkt auf einem Industrie-Gelände in Frankfurt-Höchst. Die Steuerung der Flotte erfolgt über das Drive Center nahe der hessischen Verkehrsleitzentrale, berichtet der Rüsselsheimer Autobauer. Laut Forschungsprojekt Simtd bietet die Modellregion des Rhein-Main-Gebietes optimale Rahmenbedingungen für das Vorhaben. Es gebe ein hohes Verkehrsaufkommen, modernste Verkehrserfassungs- und Verkehrssteuerungsanlagen sowie alle relevanten Straßenkategorien, die eine Übertragbarkeit auf andere Regionen erlauben würden.

Ziel des Projektes ist die Entwicklung und die Erprobung von Techniken, mit denen Fahrzeuge untereinander und mit den Verkehrszentralen der Straßenbetreiber Daten austauschen können. Auf diese Weise könnten Autofahrer zum, Beispiel über Gefahrenbremsungen vorausfahrender Fahrzeuge, über Hindernisse auf der Straße, über die Verkehrsanlage an der nächsten Baustelle oder auch über die optimale Geschwindigkeit, um die Grünphase der vorausliegenden Ampel zu erwischen, informiert werden. Liegt beispielsweise ein Stauende auf der A5 uneinsehbar hinter einer Kuppe, könnten nachfolgende Fahrzeuge rechtzeitig gewarnt werden, die Fahrer könnten entsprechend reagieren.

Gleichzeitig speisen die Fahrzeuge anonymisiert ihre Daten in die Verkehrszentralen ein. Auf diese Weise können die Zentralen ein noch umfassenderes und präziseres Bild der Verkehrslage errechnen. Prognosen zur Verkehrsentwicklung und die Verkehrssteuerung sollen dadurch noch verlässlicher, der Verkehrsfluss verbessert und dadurch die Verkehrssicherheit erhöht werden. "Aufgrund der verbesserten Informationslage können Verkehrsteilnehmer ihre Fahrweise frühzeitig anpassen, Unfälle und somit auch Staus werden vermieden", erklärt Simtd-Projektleiter Dr. Christian Weiß, in der Daimler Forschung und Vorentwicklung zuständig für kooperierende Systeme. "Mit der C2X-Kommunikation lassen sich Objekte und Gefahrensituationen weit über das direkte Fahrzeugumfeld hinaus wahrnehmen", betont Weiß.

"Durch fortschrittliche elektronische Fahrerassistenzsysteme, basierend auf Umfeld erfassenden Kamera-, Radar- und Infrarotsensoren ist das Autofahren in den letzten Jahren bereits wesentlich sicherer geworden. Car-to-X-Kommunikation geht noch einen Schritt weiter und ermöglicht es uns quasi 'um die Ecke' zu schauen, also noch vorausschauender zu fahren. Damit wird ein entscheidender Schritt zur weiteren Verbesserung der Fahr- und Verkehrssicherheit getan", erläutert Dr. Peter E. Rieth, Leiter Systems & Technology bei der Continental-Division Chassis & Safety. Continental ist einer der Zulieferer, die an dem Forschungsprojekt beteiligt sind.

Im Rahmen von Simtd entwickelte der internationale Automobilzulieferer die Kommunikationseinheit CCU (Communication Control Unit), die das Austauschen von Informationen über verschiedene Kanäle wie zum Beispiel über den Mobilfunkstandard UMTS oder via Automotive-W-Lan ermöglicht. Via GPS werden zudem Daten zur Positionierung und Zeitsynchronisation gewonnen. Die Kommunikationseinheit bildet gemeinsam mit einer Anwendungseinheit, die innerhalb des Simtd-Projekts vom Projektpartner Bosch entwickelt wurde, die ITS (Intelligent Transportation Systems) Vehicle Station, die in allen Versuchsfahrzeugen eingesetzt wird, erläutert der Zulieferer. Bei der Entwicklung habe die Herausforderung vor allem darin bestanden, die Kommunikationsprozesse über die Grenzen des Autos hinweg zu vereinheitlichen. Und zwar hin zu einer gemeinsame Basis, auf der sichfahrzeugübergreifende Informationen austauschen lassen, erläutert der Zulieferer.

Für die Anwendungseinheit wirkte Continental an der Definition, Spezifikation, Entwicklung und Erprobung der kooperativen ITS-Anwendungen mit und lieferte die Softwarekomponenten für das Baustelleninformationssystem, die Stauendewarnung, die erweiterte Navigation sowie die internetbasierte Dienstnutzung. Durch diese Anwendungen werden dem Fahrer verkehrsrelevante Informationen im Fahrzeug angezeigt, wie beispielsweise das nicht einsehbare Stauende hinter der Kurve, die Position und Länge einer Baustelle sowie die Verkehrslage in diesem Abschnitt. Des Weiteren könne die Navigationsroute dynamisch an die aktuelle Verkehrssituation angepasst werden.

"Im Rahmen von Simtd können wir die Entwicklung und Implementierung eines Car-to-X-Systems zum ersten Mal unter realen Bedingungen erproben", betont Dr. Bernhard Klumpp, Leiter des Geschäftsbereichs Passive Sicherheit & Sensorik bei der Continental-Division Chassis & Safety. Diese Erfahrungen gelte sodann mit der Systemkompetenz des Zulieferers zu kombinieren und die Car-to-X-Kommunikation zur Serienreife weiter zu entwickeln.

Unter den verschiedenen Aspekten, die im Rahmen des Flottversuchs erprobt werden sollen, nimmt die von Opel verantwortete Funktionsentwicklung "Straßenwetterwarnung" eine zentrale Stellung ein, heißt es aus Rüsselsheim. Diese Informationen stünden gemäß Studien ganz oben auf der Wunschliste der Autofahrer. Die Straßenwetterwarnung verbinde "real time" Daten aus Straßenzustands- und Wetterbericht mit der Warnung vor gefährlichen Wetterereignissen wie zum Beispiel Starkregen, Nebel oder Seitenwind. Diese Daten seien ein großer Zusatznutzen für den Fahrer und würden einen signifikanten Gewinn an Verkehrssicherheit bedeuten. Vier im Gebiet des Feldversuchs vorhandene SWIS-Stationen (Straßen-Wetter- Informations-System), die bereits heute wichtige Detailinformationen - beispielsweise für Streufahrzeuge - liefern, bilden die Basis für den Versuch, berichtet der Autobauer. Entscheidende Parameter seien hierbei Taupunkt und Fahrbahntemperatur. Auf Basis dieser Daten würden ortsbezogene Warnungen generiert und in den Fahrzeugen angezeigt. Die verwendete HMI-Schnittstelle (Human-Machine-Interface) sei für den Feldtest einheitlich für alle Partner vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) entwickelt worden.

Perspektivisch sollen kooperative Systeme wie die Car-to-X Kommunikation vollständig und dauerhaft in den Straßenverkehr integriert werden, heißt es in einer Mitteilung des Forschungsprojektes. Voraussetzung sei allerdings ein einheitlicher Standard der Infrastruktur sowie eine breite Markteinführung der fahrzeugseitigen Komponenten durch die Automobilindustrie. "Simtd legt dafür den Grundstein, denn mit dem Projekt werden die politischen, wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Einführung der Fahrzeug-Fahrzeug- und Fahrzeug-Infrastruktur-Vernetzung vorbereitet", betont Simtd-Projektleiter Weiß.

Simtd ist ein Gemeinschaftsprojekt deutscher Automobilhersteller, Zulieferer und Kommunikationsunternehmen, Forschungsinstitute wie auch Straßenbetreiber. Projektpartner sind Opel, Audi, BMW, BMW Forschung und Technik, Daimler (Simtd-Projektleitung), Ford Forschungszentrum Aachen, Volkswagen, Robert Bosch, Continental, Deutsche Telekom, Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH (DFKI), Technische Universität Berlin, Technische Universität München, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, Universität Würzburg, Hessen Mobil - Straßen- und Verkehrsmanagement und Stadt Frankfurt am Main. Gefördert und unterstützt wird das Projekt durch die Bundesministerien für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Bildung und Forschung (BMBF), Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sowie durch das Land Hessen, den Verband der Automobilindustrie und das Car 2 Car Communication Consortium.

(Bild: Daimler)

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