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07.09.2015 | Energie | Interview | Online-Artikel

Batteriespeicher 2025 und Wärmemarkt 2050 quo vadis?

verfasst von: Günter Knackfuß

5:30 Min. Lesedauer

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Neue VDE-Studien zu Energiespeichern und Wärmemarkt stellen zwei Systeme vor, die praktikable Beiträge zur Energiewende vorschlagen. Über Einzelheiten sprachen wir mit Dr. Martin Kleimaier, VDE.

Springer für Professionals: Zwei Studien – ein Ziel. Aus welchem Anlass haben ihre Teams die Analysen erarbeitet?

Martin Kleimaier: Seit einigen Jahren greift die Energietechnische Gesellschaft im VDE, ETG, eigenständig aktuelle energietechnische Themen auf, die im Rahmen von interdisziplinär zusammengestellten Task Forces bearbeitet werden. Zum Thema Energiespeicher im Zusammenhang mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien haben wir bereits 2008/2009 mit einer Studie zu den in Frage kommenden Speichertechnologien begonnen. Die Reihe haben wir 2012 mit der Studie "Energiespeicher für die Energiewende - Speicherungsbedarf und Auswirkungen auf das Übertragungsnetz für Szenarien bis 2050" fortgesetzt, wobei ausschließlich Speicher für elektrische Energie als Flexibilitätsoption zur Bilanzierung zwischen Erzeugung und Bedarf betrachtet wurden. Um das Thema abzurunden und um auf die bislang offen gebliebenen Fragen einzugehen wurden die beiden jetzt vorgestellten Studien "Batteriespeicher in der Nieder- und Mittelspannungsebene" und "Potenziale für Strom im Wärmemarkt bis 2050" erstellt.

Welche Anwendungsfälle wurden für Batteriespeicher untersucht?

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Zunächst wurden alle denkbaren Anwendungsfälle für Stromspeicher in der Nieder- und Mittelspannungsebene betrachtet. Dabei wurde auch nach den in Frage kommenden Interessengruppen unterschieden. Diese Anwendungsfälle wurden dann in einer Expertenbefragung entsprechend ihrer Relevanz klassifiziert. Die sechs wichtigsten Anwendungsfälle wurden dann anhand von detaillierten Szenarien untersucht und bewertet. Dies sind die folgenden Anwendungen:

  • PV-Eigenverbrauchsoptimierung im Haushaltsbereich

  • PV-Eigenverbrauchsoptimierung im Gewerbebereich

  • netzferne Versorgung (kein Anschluss an das öffentliche Netz möglich)

  • Bereitstellung von Primärregelleistung

  • Bereitstellung von Fahrplanenergie, Sekundär- und Minutenreserve

  • Vermeidung bzw. Verzögerung von Netzausbau

  • Darüber hinaus wäre auch noch die Verbesserung der Versorgungssicherheit von Interesse.

Wie kann ein wirtschaftlicher Einsatz dieser Technologien erfolgen?

Derzeit ist ein wirtschaftlicher Speichereinsatz nur bei der netzfernen Versorgung möglich. Durch die Kombination eines Batteriespeichers mit einer PV-Anlage kann der Einsatz des erforderlichen Dieselgenerators optimiert werden, womit sich ein geringerer Kraftstoffbedarf und ein geringerer Wartungsaufwand ergibt. Batteriespeicher werden heute verstärkt für Privatkunden zur Eigenbedarfsoptimierung im Zusammenhang mit einer PV-Anlage angeboten, da sich damit der Strombezug aus dem Netz entsprechend reduzieren lässt und somit bei heutiger Tarifstruktur prinzipiell zu nicht unerheblichen Kosteneinsparungen führt. Diese Einsparungen sind mit den Kosten für den Speicher zu vergleichen. Bei heutigen Batteriepreisen ist ein wirtschaftlicher Einsatz allerdings noch nicht gegeben. Die zukünftige Wirtschaftlichkeit hängt neben der Preisentwicklung für Batteriespeicher auch von weiteren Faktoren ab: EE-Einspeisevergütung, Höhe und Struktur der Tarife für Strombezug, Verhältnis der Speichergröße zur PV-Anlage sowie Energiebedarf und Lastverlauf des Kunden. Verschiedene Parametervariationen werden in der Studie betrachtet.

Im Vergleich zu Haushaltskunden zahlen Gewerbekunden einen geringeren Strompreis, so dass der Einsatz von Batteriespeichern bei den in der Studie untersuchten Gewerben auch in Zukunft kaum wirtschaftlich werden dürfte.

Der Einsatz von Batteriespeichern zur Vermeidung oder Verzögerung von Netzausbaumaßnahmen in der Nieder- und Mittelspannungsebene bei Netzengpässen in Folge von EE-Ausbau stellt im Vergleich zu den möglichen Alternativen ebenfalls keine wirtschaftliche Lösung dar.

 Welche Szenarien hat die Wärmemarkt-Studie untersucht?

Bei der Wärmemarkt-Studie stand das von der Bundesregierung vorgegebene Langfristziel einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2050 um mindestens 80 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 im Vordergrund. Dies erfordert eine fast vollständige Dekarbonisierung des Wärmemarktes, so dass fossile Energieträger durch erneuerbare Energien zu ersetzen sind. Da die erneuerbaren Energien Wind und Sonne mittels Windkraft- bzw. PV-Anlagen elektrische Energie liefern, ist die direkte Nutzung von Strom für die Wärmeerzeugung naheliegend. Dies wird unter dem Oberbegriff Power-to-Heat zusammengefasst. Hierfür können die verschiedensten Technologien zum Einsatz kommen, nicht nur im Haushaltssektor sondern insbesondere auch im gewerblichen und industriellen Sektor.

Wie beurteilen sie die künftige Rolle von Wärmepumpen?

Elektrische Wärmepumpen sind die effizientesten Wärmeerzeuger, da sie den größten Teil der benötigten Wärme der Umwelt entziehen. Technologisch bedingt sind Wärmepumpen deutlich teurer in der Anschaffung als konventionelle Heizsysteme auf Basis fossiler Energieträger. In der Vergangenheit konnte dieser Nachteil durch den Effizienzgewinn kompensiert werden, auch wenn der Strom bereits etwas teurer war als Gas oder Heizöl. Inzwischen ist Haushaltsstrom durch die vielfältigen Belastungen mit Steuern und Abgaben etwa viermal so teuer wie die fossilen Energieträger, so dass ein wirtschaftlicher Betrieb der umweltfreundlichsten Heizsysteme kaum noch möglich ist. Wärmepumpen werden allerdings nicht nur im Gebäudebereich benötigt. Auch in Fernwärmesystemen und im Industriebereich werden Großwärmepumpen eine wichtige Rolle spielen. Wärmepumpen stellen daher eine der wesentlichen Säulen der Energiewende dar. Es ist also dringender Handlungsbedarf geboten, damit Wärmepumpen wieder wirtschaftlich betrieben werden können – in der Studie werden hierzu verschiedene Vorschläge gemacht.

Die Studie hat auch "Power-to-Heat" im Blick…?

Wie bereits gesagt, Power-to-Heat ist der Oberbegriff für alle Möglichkeiten mittels Strom Wärme zu erzeugen – also auch Wärmepumpen. Im engeren Sinn wird dieser Begriff jedoch gelegentlich auch für die Wärmerzeugung über elektrische Widerstände verwendet. Dies können metallische Widerstände sein, wie sie z.B. als Heizstäbe zur Trinkwassererwärmung in Warmwasserspeichern zum Einsatz kommen. Großtechnisch lassen sich damit auch Leistungen im Bereich von mehreren Megawatt realisieren. Andere großtechnische elektrische Heizsysteme machen sich die Leitfähigkeit und somit den Widerstand des Wassers zu Nutze. Elektroden werden hierbei in Wasser eingetaucht und durch die Eintauchtiefe lässt sich die Wärmeleistung regeln. Diese Systeme werden daher auch als Elektrodenkessel bezeichnet. In jüngster Zeit werden diese im Megawattbereich verstärkt von Fernwärmeanbietern, aber z.B. auch von der chemischen Industrie, nachgefragt. Die genannten Systeme können Strom zu annähernd 100 Prozent in Wärme wandeln. Sie sind damit zwar nicht so effizient wie Wärmepumpen; sie sind allerdings deutlich kostengünstiger, so dass sie auch bei geringen Benutzungsstunden wirtschaftlich eingesetzt werden können. Neben diesen Widerstandsheizsystemen gibt es insbesondere im industriellen Bereich weitere Systeme mit denen sich aus Strom direkt Wärme erzeugen lässt. Beispiele hierfür sind Infrarot-Strahlungsheizungen, Hochfrequenz-Erwärmung oder induktive Erwärmung.

Welche Umweltentlastungen können auf der Grundlage ihrer Analysen insgesamt erreicht werden?

Die Dekarbonisierung des Wärmemarktes ist eine Voraussetzung, um die hochgesteckten Langfristziele bei der Treibhausgasreduzierung zu erreichen. Mit den untersuchten Szenarien konnte gezeigt werden, dass dies mit der konsequenten Umsetzung einer Verdrängung fossiler Energieträger im Wärmemarkt durch elektrische Heizsysteme möglich ist. Durch den verstärkten Einsatz von effizienten elektrischen Wärmepumpen lässt sich der Ausbaubedarf für Windkraft- und PV-Anlagen begrenzen und somit der Flächenbedarf minimieren. Eine lokale Nutzung des dezentral erzeugten Stroms zur Wärmeerzeugung sowie die lokale Speicherung weiterer Anteile in dezentralen Speichern kann zu einer Entlastung der Netze beitragen und somit in vorhandenen Netzen höhere EE-Ausbauquoten ermöglichen.


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