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07.04.2015 | Produktmanagement | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kann denn Konsum Sünde sein?

3:30 Min. Lesedauer

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Fair gehandelt, artgerecht aufgewachsen, recycelbare Rohstoffe, detox für mich und selbstverständlich CO2-neutral für die Umwelt – konsumieren mit gutem Gewissen wird zum Wachstumsmotor. Schuldfreier Konsum ist zum Statussymbol geworden. Ein Kommentar.

Kunden befinden sich zunehmend in einem Dilemma: Dem fortwährenden Konsumwunsch steht ein wachsendes Bewusstsein für die sozialen und ökologischen Konsequenzen des eigenen Verbrauchs gegenüber. Konsumenten stellen die Gewohnheiten des Alltags in Frage und Unternehmen auf den Prüfstand. Auf der einen Seite stehen die Verlockungen des Wohlstands und ungehinderte Konsumlust, auf der anderen Seite der Wunsch nach einem guten und reinen Gewissen. Laut der globalen Studie von Accenture und Havas Media „From Marketing to Mattering“ (PDF) unter 30.000 Konsumenten waren 2014 72 Prozent der Befragten der Meinung, dass Unternehmen nicht ausreichend Verantwortung für die Umwelt und die Gesellschaft übernehmen.

What are you prepared to sacrifice?

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Dieser zu beobachtende Wertewandel in der Gesellschaft mündet in eine wachsende Anspruchshaltung gegenüber Unternehmen und Marken. Schonende Ressourcenverarbeitung, nachhaltige Produktion und soziale Relevanz werden zu zentralen Kaufentscheidungstreibern. „What are you prepared to sacrifice?“ ist laut trendwatching.com die zentrale Frage, die Marken sich 2015 stellen müssen, um für den Verbraucher relevant zu bleiben. So stellt auch Jürgen Steinemann, Chef des weltgrößten Schokoladenproduzenten Barry Callebaut, fest: „Wir merken, dass nachhaltige Produkte tatsächlich nachgefragt werden. Das Thema bekommt Flügel.“ Der Kunde fordert zunehmend Transparenz und Ehrlichkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Guilt free consumption erreicht alle Branchen

Dieser Trend ist branchenübergreifend zu beobachten: Burger-Restaurants wie das „Burgerlich“, setzen auf regionale Zutaten und im Haus frisch gewolfte Patties von glücklichen Kühen – so isst das gute Gewissen gleich mit. In der Modeindustrie – einer Branche, in der Konsum und Schuld fast untrennbar sind – setzt G-Star mit seiner Jeanskollektion „Raw for the Oceans“ einen neuen Standard. In jeder Hose sind sieben Plastikflaschen verarbeitet. Das aus Ozean-Müll gewonnene Recycling-Garn soll langfristig in die gesamte Kollektion integriert werden.

Im Finanzsektor gilt die GLS Bank als Paradebeispiel für die transparente Geldvergabe. Finanzinstitute wie die Umwelt-Bank, Ethik-Bank und Triodos- Bank setzen die Branchenriesen unter Druck. Beim Start-Up „Bonsum“ basiert das gesamte Geschäftsmodell auf dem „Gute-Gewissen-Trend“, der Guilt free consumption. Unter dem Motto „Shopping for a better World” bietet die Online-Plattform von Lebensmitteln über Lifestyle-Artikel bis hin zu Finanz-Dienstleistungen nur Produkte, die verantwortungsbewusstes Einkaufen sicherstellen.

Von Sexappeal zu Nachhaltigkeit

Um langfristig erfolgreich zu bleiben, ist es für Marken unumgänglich, sich entsprechend dem Wertewandel der Gesellschaft zu verändern. Wenn vor Jahren noch Coolness und Sexappeal klassische Markenwerte und Kommunikationsinhalte waren, so ist heute Nachhaltigkeit der Wachstumstreiber für Unternehmen. Jedoch reicht es nicht, dem Harmoniebedürfnis und der Sehnsucht nach einer heilen Welt mit bloßem Greenwashing zu begegnen. Vielmehr ist es relevant, die Leistung bzw. das Produkt in direkten Zusammenhang mit der guten Tat zu stellen. Keinen Gast interessiert der Öko-Strom im Steakhouse. Das Opfer, das eine Marke für den Kunden, die Gesellschaft und die Umwelt bringt, soll konstruktiv und nicht nur kosmetisch sein.

Die Herausforderung für Unternehmen liegt zum einen darin, einen sinnvollen und effektiven Weg zwischen Missionseifer und Opportunismus zu finden, um den Kundenwünschen nach Fairtrade, Hühnerglück und Klimaschutz gerecht zu werden und sich gleichzeitig langfristig am Markt zu differenzieren und zu profilieren. Zum anderen fordern Konsumenten, dass Marken weiterhin ihrer ursprünglichen Leistung gerecht werden. Nachhaltige Produkte sollen genauso gut sein wie ihre „schuldigen“ Vorgänger. Der Konsument will nicht die Welt verbessern – Unternehmen sollen diese Aufgabe übernehmen und so den schuldfreien Konsumrausch ermöglichen. Die Frage ist, welche Marke traut sich hier zuerst den Kunden mit in die Pflicht zu nehmen und auch von ihm Zugeständnisse für eine bessere Welt zu verlangen?

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