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22.07.2015 | Management + Führung | Interview | Online-Artikel

"Stellenbesetzungsprobleme sind teilweise hausgemacht"

verfasst von: Andrea Amerland

3:30 Min. Lesedauer

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Schlechte Karriereseiten und miese Kommunikation im Bewerbungsprozess sorgen für eine negative Kandidatenerfahrung, so Christoph Athanas im Interview. Als Konsequenzen drohen Absagen und sogar Reputationsschäden.

Springer für Professionals: Sie haben in einer Studie die so genannte Candidate Experience untersucht. Was meint der Begriff genau?

Christoph Athanas: Die Candidate Experience beschreibt das individuelle Erleben von Rekrutierungsprozessen bei einem potenziellen Arbeitgeber durch den jeweiligen Bewerber. Sie bildet sich aus der Summe der in dem Zusammenhang gemachten Erfahrungen mit diesem Arbeitgeber und seiner Vertreter. Diese Erfahrungen des Bewerbers werden potenziell an allen Kontaktpunkten (Touchpoints) mit dem Arbeitgeber geprägt.

Unternehmen klagen, dass sie für freie Stellen schwer qualifizierte Mitarbeiter finden. Welche Rolle spielt der Bewerbungsprozess bei den Stellenbesetzungsproblemen?

Die Prozesse spielen mitunter eine entscheidende Rolle. Die potenziellen Jobinteressenten müssen am Beginn eines Bewerbungsprozesses in Bewerber konvertiert werden, d.h. sich tatsächlich für die Abgabe einer Bewerbung entscheiden. Hier verlieren manche Arbeitgeber unnötig viele mögliche Bewerber, weil sie diese beispielsweise bereits durch umständliche E-Recruiting-Systeme oder schlecht strukturierte oder nicht mobiloptimierte Karrierewebseiten von einer Bewerbung abhalten. Auch nach der Einreichung der Bewerbung können zu langsame oder den Bewerbern gegenüber intransparente Rekrutierungsprozesse zum Absprung von Kandidaten führen. Stellenbesetzungsprobleme sind teilweise hausgemacht.

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Wie müssen Unternehmen rekrutieren und mit Bewerbern umgehen, um für eine positive Bewerbererfahrung zu sorgen?

Eine positive Candidate Experience bildet sich in drei Hauptdimensionen aus:

1. Der Klarheit im Hinblick auf Anforderungen des jeweiligen Jobs und den Ablauf des Rekrutierungsverfahrens. Das ist eine eher sachliche Dimension.

2. Der Ergebnisorientierung, denn die Bewerbung ist ein zielgerichteter Vorgang. Wenn ein Bewerbungsverfahren beispielsweise zu lange dauert leidet irgendwann die Kandidatenerfahrung und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass diese Person abspringt oder woanders unterschreibt.

3. Der Augenhöhe und dem Wohlwollen dem Bewerber gegenüber. Dies ist die emotionale Dimension, welche über die erlebte Wertschätzung durch den Arbeitgeber dem Bewerber gegenüber zum Ausdruck kommt. Mangelt es in einer dieser drei Dimensionen, leidet die Candidate Experience insgesamt. Am wichtigsten dabei sind die emotionalen Aspekte. Jeder Rekrutierungsprozess sollte entlang seiner Kontaktpunkte diese drei Dimensionen entsprechend bedienen.

Welchen Einfluss haben die Erfahrungen von Bewerbern auf die Arbeitgebermarke bzw. die Arbeitgeberreputation?

Ein ganz wichtiger Punkt: Wir konnten in unserer Studie nachweisen, dass eine negative Candidate Experience die Arbeitgebermarkenwahrnehmung schädigt. Hingegen steigert bzw. erhält eine positive Candidate Experience das Arbeitgeberimage aus Sicht der Bewerber. Spannend dabei: Selbst in den Fällen, wo es im Ergebnis der Bewerbung zu einer Absage gekommen ist, liegt im Mittel die Bewertung des Arbeitgeberimages auf gleichbleibend hohem Niveau und schützt somit die Arbeitgeberreputation.

Gibt es ein Best-Practice-Beispiel für eine gelungene Candidate Experience, an dem sich Personaler orientieren sollten und wenn ja warum?

Als Unternehmen insgesamt macht etwa die Swisscom in Sachen Candidate Experience einen guten Job. Hier haben sich die Verantwortlichen den Bewerbungsvorgang konsequent aus der Sicht der Bewerber angesehen und die Erkenntnisse daraus in kandidatenorientierte Maßnahmen übersetzt. Ein Detail daraus: Die meisten Kandidaten von Swisscom möchten geduzt werden. Das Unternehmen setzt das so um und es passt auch zur dortigen Kultur. Aber vielleicht noch wichtiger als Best-Practices nachzueifern ist es, dass Arbeitgeber ihren Bewerbern zuhören und die richtigen Schlüsse für mehr Kandidatenorientierung ziehen. Nur so ist gewährleistet, dass die daraus folgenden Aktionen im Einklang mit der eigenen Arbeitgebermarke stehen.

Zur Person
Christoph Athanas, ist Geschäftsführer der meta HR Unternehmensberatung GmbH, die sich auf Recruiting-Optimierung und den Auf- und Ausbau der Arbeitgeberattraktivität spezialisiert hat. Er ist Autor der Studie Candidate Experience 2014 (gemeinsam mit Prof. Wald), HR-Blogger und zudem Organisator der jährlichen HR-Trendevents HR BarCamp.
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