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28.07.2023 | Stresstest | Schwerpunkt | Online-Artikel

Europas Banken gefeit gegen schweren Konjunkturabschwung

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5:30 Min. Lesedauer

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Die diesjährigen Bankenstresstests durch die EZB und die European Banking Authority, kurz EBA, zeigen: Das Bankensystem im Euroraum kann einem schweren Konjunkturabschwung standhalten. Ein gemischtes Bild liefern die deutschen Häuser - unter erschwerten Bedingungen.

Müssten die von der Europäische Zentralbank (EZB) geprüften Banken drei Jahre unter sehr schwierigen makroökonomischen Bedingungen agieren, würde ihre harte Kernkapitalquote (CET1-Quote), also die zentrale Messgröße für die finanzielle Solidität eines Instituts, im Durchschnitt um 4,8 Prozentpunkte auf 10,4 Prozent sinken, berichtet die Notenbank. 

Am Ende des Dreijahreszeitraums war der Kapitalrückgang geringer als bei früheren Stresstests. Dies war in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sich die Banken insgesamt in besserer Verfassung befanden und Aktiva von höherer Qualität sowie eine bessere Rentabilität aufwiesen. Bei einigen Banken hatte sich die Qualität des Kreditportfolios seit 2021 deutlich verbessert. Diese Faktoren halfen den Banken, das adverse Szenario, das von einer länger anhaltenden Phase hoher Inflation und erhöhter Zinsen ausging, zu überstehen", so die EZB.

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Während es 2021 noch 50 europäische Banken waren, die von der EBA auf Herz und Nieren geprüft wurden, sind dieses Jahr insgesamt 70 Finanzhäuser im Teilnehmerfeld des aktuellen Stresstests. 57 davon gehören zu den größten Instituten der Eurozone. Insgesamt 41 mittelgroße Häuser, die nicht in die Stichprobe der europäischen Bankaufseher fallen, hat die EZB unter die Lupe genommen. Für diese wurden einige methodische Aspekte vereinfacht. 

Gemischtes Bild bei deutschen Banken

Ein Vergleich der deutschen Institute mit denen anderer Länder zeigt laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ein gemischtes Bild: Im Krisenszenario wäre die harte Kernkapitalquote deutscher Geldhäuser im Durchschnitt etwas stärker gesunken. "Der Stresseffekt der deutschen Banken war insgesamt also etwas höher als der des europäischen Durchschnitts", so die Aufsichtsbehörde.

Bei der Bewertung sei ein vergleichsweise hartes Szenario zu berücksichtigen. Aufgrund ihrer Export- und Energieabhängigkeit könne die deutsche Wirtschaft im Vergleich zu anderen europäischen Volkswirtschaften in einer weltweiten Rezession verwundbarer sein. So unterstellt der Stresstest für die Bundesrepublik eine Verringerung des Bruttoinlandsprodukts um 6,4 Prozent über drei Jahre. Im Euroraum liegt der Wert nur bei 5,9 Prozent. Daraus resultiere ein vergleichsweise hoher Stresseffekt der deutschen Institute. 

Kritik an härteren Bedingungen für Deutschland

Kritik übte die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) unter Federführung des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) an den härteren Bedingungen für hiesige Häuser im EZB-Stresstest. "So wurden die Ergebnisse vieler europäischer Banken durch Aufschläge der EZB in späteren Prozessschritten verschlechtert und die stressbedingten Kapitalverluste deutlich ausgeweitet." Diese Aufschläge seien von den Banken methodisch oder ökonomisch nicht umfassend nachvollzogen worden. 

Entsprechend sind die Ergebnisse der einzelnen Banken sehr heterogen und nur stark eingeschränkt vergleichbar. Mit diesem Vorgehen wird das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Ergebnisse des Stresstests gefährdet, das sich aus einer konsistent angewendeten und nachvollziehbaren Methodik speist", moniert die DK. 

Lob für "gute Kapitalisierung"

"Wegen ihrer guten Kapitalisierung könnten die deutschen Institute Verluste in dem negativen Szenario verkraften", betonte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch mit Blick auf die besonderen Rahmenbedingungen. "Das ist eine gute Nachricht", findet Bafin-Exekutivdirektor Raimund Röseler. "Die Ergebnisse des Stresstests schauen wir uns nun im Detail an." 

Auch wenn in diesem Durchlauf erneut keine Mindestquote beim harten Kernkapital vorgegeben war, werden die Aufseher bilanzielle Schwachstellen und Optimierungspotenzial in den Geschäftsmodellen der Geldhäuser identifizieren. Hierzu gehört laut Bafin auch ein "intensivierter Dialog" zwischen Institut und Aufsicht. Die Resultate dienen als wichtige Parameter im sogenannten SREP-Verfahren. Dieser Supervisory Review and Evaluation Process misst unter anderem, ob das Risikomanagement der einzelnen Banken tragfähig ist.  

Deutet ein gravierender Kapitalrückgang auf besondere Risiken in bestimmten Geschäftsbereichen hin, so ergreifen die gemeinsamen Aufsichtsteams zielgerichtete Initiativen und gegebenenfalls Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass diese Risiken angemessen gesteuert werden. 

Zinsänderungsrisiken zentrales Thema

Rahmenbedingungen können sich schnell ändern, das haben wir in den vergangenen Monaten und Jahren mehrfach gesehen. Darauf müssen wir vorbereitet sein. Ein echtes Thema sind nach wie vor die Zinsänderungsrisiken: Viele Institute haben ihre stillen Reserven mehr oder weniger aufgebraucht", so Röseler. 

Auch die Kreditrisiken seien angesichts der höheren Zahl an Insolvenzen gestiegen. "Die Banken müssen Kreditausfallrisiken möglichst frühzeitig erkennen und berücksichtigen." Dazu mache die MaRisk-Novelle klare Vorgaben, "etwa bei der Kreditüberwachung und - falls erforderlich – der Neubewertung der Sicherheiten und der Kreditqualität". 

Röseler warnt zudem vor Cyber-Risiken. Die Finanzbranche sei ein besonders verlockendes Ziel und die Schlagzahl habe sich deutlich erhöht. "Auch kleine und mittlere Institute können davon betroffen sein. Deshalb führen wir schon seit einiger Zeit mehr gezielte IT-Prüfungen bei den Instituten und Dienstleistern durch."

Banken dürfen sich nicht zurücklehnen

"Dieser Stresstest war der bisher härteste. Es wurde ein Einbruch der Wirtschaft in der Größenordnung der Corona-Pandemie angenommen und dennoch ist keine Bank in eine existenzielle Schieflage geraten", kommentiert Florian Heider, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE, das Ergebnis. Dennoch sei dies kein Grund, sich zurückzulehnen. 

Zwar seien die Annahmen für die Zinsentwicklung realistisch im Vergleich zur aktuellen Entwicklung. Doch stellen sie laut Heider, anders als die Annahmen zur realen Wirtschaftsleistung, kein wirklich außergewöhnlich negatives Szenario dar. "Das liegt im Wesen der Stresstests, die in erster Linie Kreditrisiken, aber keine Zinsrisiken analysieren." Zudem können dem SAFE-Experten zufolgen Turbulenzen an den Finanzmärkten nicht abgebildet werden. Sollten solche Verwerfungen zu Illiquidität in den für Banken wichtigen Refinanzierungsmärkten führen, könne dies auch den Bankensektor in Mitleidenschaft ziehen. 

Heider sieht Verbesserungsbedarf bei den großen Privat- aber auch den Landesbanken, die "wieder nicht besonders gut abgeschnitten haben". Dabei stellten letztere eine wichtige Säulen des Sparkassenverbunds dar, "der wiederum eine tragende Rolle im deutschen Bankensystem einnimmt."

22 deutsche Institute im Stresstest

Laut Bafin nahmen insgesamt 22 deutsche bedeutende Institute (Significant Institutions, Kurz SIs) am diesjährigen Stresstest teil. Davon wurden 14 Banken von der EBA durchleuchtet und acht dem SSM-Stresstest für mittelgroße Banken der EZB unterzogen. 

In der EBA-Stichprobe befanden sich Bayerische Landesbank, Commerzbank, Deutsche Apotheker- und Ärztebank (Apo-Bank), Deutsche Bank, DZ Bank, Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Norddeutsche Landesbank (Nord LB), Volkswagen Bank und die Hamburger Haspa als größte deutsche Sparkasse. Hinzu kamen außerdem in Deutschland ansässige Töchter von US-Banken wie die Ctigroup Global Markets Europe oder die Goldman Sachs Bank Europe. 

Zur parallelen EZB-Stichprobe gehören unter anderem die Aareal Bank, die zur Sparkassengruppe gehörende Deka Bank, Münchener Hyp, die Hamburg Commercial Bank, die Deutsche Pfandbriefbank sowie die Holding der Landesbank Berlin (LBB).

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